Frauen kämpfen für ihre Rechte – bewaffnet oder unbewaffnet, individuell oder in einer Gruppe. Nach dem Verhältnis dieser Frauen zum Staat fragt der vorliegende Sammelband. Die Beiträge betrachten dabei vornehmlich einzelne Frauen-Biografien im Widerstand. Dabei interessiert erstens die Bandbreite an Widerstandsformen von Frauen, zweitens Reaktionen des Staates auf ebenjene und drittens Fragen der Erinnerung an diese Kämpfe einerseits und die Repräsentation der konkreten Frauen in ihren jeweiligen nationalen Geschichtsschreibungen andererseits. Räumlich fokussieren die Beiträge Deutschland und Spanien; vereinzelt werden auch französische Kämpferinnen thematisiert. Das 19. und 20. Jahrhundert bilden den zeitlichen Rahmen der Beiträge.

Der Band umfasst neben einer Einführung und einem Fazit neun Beiträge. Je drei Beiträge bilden dabei einen thematischen Block. Die Beiträge entstammen im Wesentlichen den Geschichtswissenschaften sowie dem Bereich der deutschen und spanischen Landeskunde.

Der erste Teil widmet sich unterschiedlichen »Formen und Ausdrucksformen von Dissidenz«. Carole Vinals zeichnet die Geschichte von zwei Frauen im Widerstand gegen den Franquismus – aus Spanien und aus dem Exil in Mexiko heraus – nach; sie unterstreicht damit, dass der politische Einsatz von Frauen jenseits ihrer Rolle als Partnerin oder Ehegattin Beachtung verdient. Hélène Camarade beschäftigt sich mit Widerständlerinnen des Nationalsozialismus und bietet eine Typologie unterschiedlicher Widerstandsformen an, die von der Weigerung, Anweisungen des NS-Regimes zu befolgen, über Hilfe für Verfolgte zum aktiven Widerstand reichte. Sibylle Goepper nimmt mit Gabriele Stötzer eine Schriftstellerin und bildende Künstlerin sowie ihr Engagement gegen das SED-Regime in der Deutschen Demokratischen Republik in den Blick; dieses könne beispielhaft für Jugenddissidenz in diesem Kontext stehen. Bereits diese drei Beiträge lassen erkennen, dass die Erinnerung an Kämpfe von Frauen in den jeweiligen nationalen Erzählungen bislang weitgehend unterrepräsentiert blieb.

Der in der Einleitung als zentral benannte zweite Teil der Veröffentlichung zielt darauf, »politischen Extremismus (zu) ergründen«. Die drei Beiträge offenbaren ein weites Feld an Reaktionen von staatlicher Seite auf Frauenkämpfe. Óscar Freán Hernández widmet sich dabei der Rolle der Frauen innerhalb der anarchischen, antikapitalistischen und antifranquistischen Gruppen im Frankreich der 1960er- bis 1980er-Jahre. Valérie Dubslaff bietet einen Überblick über die deutsche extreme Rechte von 1945 bis heute und nimmt Frauenkämpfe in den Blick, die sich gegen die Bundesrepublik vor und nach der Wiedervereinigung richten. Innerhalb ihres breiten Untersuchungszeitraumes kann sie zum einen überzeugend darlegen, dass die Ideologie ihrer untersuchten Akteurinnen mehr eine ethnisch orientierte, denn eine feministische ist. Zum anderen illustriert sie, dass die Bemühungen von Seiten des Staates, derlei extremistische Subversion zu verhindern, eher harmlos ausfielen. Christelle Schreiber-Di Cesare fokussiert den Einsatz der bekannten spanischen Feministin, Anarchistin und Gewerkschafterin Teresa Claramunt und erweitert mit ihrem Beitrag das Feld der in diesem Band aufgegriffenen staatlichen Reaktionen auf Frauenkämpfe. Sie zeigt, dass der Staat in diesem Fall durchaus restriktiv mit ihrem Aktivismus umging, konkret mit Folter und Hinrichtung.

»Kämpfen über die Grenzen hinweg« ist schließlich ein dritter Teil gewidmet. Der Beitrag von Nicolas Charles ist dem Widerstand von Französinnen in den von Deutschland besetzten Gebieten zwischen 1914 und 1918 gewidmet. Er befragt sie auf ihre Motivation und stellt eine soziale Typologie der Widerständlerinnen auf. Er belegt, dass insbesondere Frauen aus wohlhabenden Verhältnissen führende Positionen innerhalb dieses Widerstandes eingenommen haben. Allison Taillot beschäftigt sich mit dem Einsatz von ausländischen Aktivistinnen für die spanische Republik während des spanischen Bürgerkrieges. Der spannenden Biografie einer deutsch-jüdischen Dissidentin, die staatenlos wurde und abwechselnd gegen Deutschland und Frankreich kämpfen musste, widmet sich schließlich Ute Lemke. Während die übrigen Beiträge des Bandes verstärkt verborgene Kämpfe in den Blick rücken, steht bei Lemke Aktivismus im Fokus, der auf legalem Weg versucht, Recht geltend zu machen.

Im abschließenden Fazit benennen die Herausgeberinnen zum einen wesentliche Ergebnisse des Bandes: die Beiträge belegen die Bandbreite an staatlichen Reaktionen auf Kämpfe von Frauen, die zumeist jedoch zaghaft ausfielen. Zum anderen stellen die Beiträge die zumeist fehlende Präsenz der Erinnerung der Kämpfe der Frauen in ihren nationalen Historiografien heraus. Sie benennen darüber hinaus den besonderen Stellenwert des weiblichen Körpers bei den Protestformen selbst. An dieser Stelle hätte man sich weitere Ausführungen oder kritischere Einordnungen darüber gewünscht, ob und inwiefern ein körpergeschichtlicher Zugang tatsächlich einen Erkenntnisgewinn in diesem Bereich liefert – nicht zuletzt, da die Herausgeberinnen selbst den Stellenwert des Körpers bei Protestaktionen nicht als genuin feminin bezeichnen. Zum anderen benennen die Herausgeberinnen »outils conceptionels« (in etwa: theoretisch-methodische Perspektiven und Zugänge), die bei einer Beschäftigung mit der Thematik des Bandes als produktiv und fruchtbar angesehen werden. Hierunter zählen etwa die Geschlechtergeschichte insgesamt, aber auch Intersektionalität und »Agency«. Dass insbesondere die beiden Erstgenannten fruchtbar sind, belegen einzelne Beiträge des Sammelbandes, darunter etwa der von Nicolas Charles.

Der Sammelband greift zwar, wie auch die Herausgeberinnen wiederholt betonen, kein neues Thema auf. Gleichwohl unterstreicht er in seiner Gänze die Bedeutung von politischen Kämpfen von Frauen und erweitert das Feld um eine Reihe weiterer, konkreter Fallbeispiele. Die Beiträge basieren auf einer Vielfalt höchst spannender Quellen und zeigen nachdrücklich, dass das Thema und derartige Quellen zweifelsohne weitere Studien wert sind. Der vorliegende Band liefert dabei nicht nur Inspiration für weitere Untersuchungen, sondern er stellt darüber hinaus auch einen wichtigen Referenzpunkt für weitere Forschungen dar. Insbesondere der transnationale Zugang, der verstärkt in den Beiträgen des dritten Teils verfolgt wird, scheint vielversprechend zu sein. Diese zeigen sehr schön, dass Widerstand und Aktivismus von transnationalen Vernetzungen lebt, und ermöglichen auf diese Weise eine Geschichtsschreibung, die das Phänomen in seiner Komplexität erfassen kann, indem sie nicht an nationalstaatlichen Grenzen Halt macht.

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Julia Spohr, Rezension von/compte rendu de: Stéphanie Chapuis-Després, Florence Serrano, Femmes face à l’État. Allemagne, Espagne, France, XIXe–XXe siècles, Chambéry (Éditions de l’université de Savoie) 2022, 230 p. (Sociétés, Religions, Politiques, 53), ISBN 978-2-37741-075-0, EUR 20,00., in: Francia-Recensio 2023/3, 19.–21. Jahrhundert – Histoire contemporaine, DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2023.3.99980