Wer regiert das Internet? – Sechs Thesen und einige Tendenzen
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Abstract
Das Kapitel analysiert die Ergebnisse von zwölf Vorträgen zum Regieren im und für das Internet in theoretischer Absicht. Basierend auf den fachdisziplinären Untersuchungen werden in Thesenform die Wechselwirkungen zwischen technologischer Entwicklung, politischer Regulation und Selbstregulierung der Nutzer kritisch diskutiert. Wir argumentieren, dass die verspätete Politisierung des Netzes auf den dynamischen technologischen Wandel und komplexere Interessensbildungsprozesse zurückgeführt werden kann. Diese Konstellationen bewirken, dass die Kommunikationsgewinne einzelner Nutzer nicht immer nur demokratisierend wirken, sondern durch staatliche Eingriffe und Manipulation auch erfolgreich zur Stabilisierung autokratischer Herrschaft genutzt werden. Neben staatlichen Eingriffen verändern Internetanbieter das Verhalten der Nutzer, indem sie deren Daten und Verhaltensprofile in einer dynamisch wachsenden Internetökonomie feilbieten, die den Netizen primär zum „Prosumenten“ werden lassen. Ökonomische Interessen und sicherheitspolitische Risiken bewirken sodann, dass Regierungen verloren geglaubte Regulierungsmöglichkeiten reklamieren, um Internetkriminalität und Angriffe auf IT-basierte kritische Infrastrukturen zu verhindern. Unsere Überlegungen zeigen schließlich, dass Regierungen selbst den Cyberspace zur Unterstützung konventioneller Kriegsführung und Angriffe auf strategische Infrastruktur nutzen, eine virtuelle Kriegsführung zur Ausschaltung eines realen Gegners oder Eroberung von Territorium findet aber weiterhin nicht statt.