ad fontes? Überlegungen zur Begründung der Originallektüre im altsprachlichen Unterricht

  • Stefan Kipf (Autor/in)

Abstract

Das von Erasmus von Rotterdam und Philipp Melanchthon verwendete Motto „ad fontes“, das die originale Lektüre antiker Autoren nicht nur als wichtigste Voraussetzung für wissenschaftliche Arbeit, sondern auch für eine erfolgreiche Jugendbildung bestimmt, hat im Kern für den altsprachlichen Unterricht immer noch Gültigkeit: Die sprachliche und inhaltliche Auseinandersetzung mit den Originaltexten der griechischen und lateinischen Literatur bildet nach wie vor die Grundlage für die wichtigsten Bildungsziele des altsprachlichen Unterrichts. Allerdings ist diese Position nicht unumstritten: Beispielsweise wird die Beschäftigung mit den Originaltexten, die einen intensiven mehrjährigen Spracherwerb voraussetzt und bei der i. d. R. eine nur geringe Textmenge bewältigt wird, nicht selten als unökonomische Vorgehensweise eingestuft, da die Schüler die Inhalte der Texte einfacher und schneller durch Übersetzungen (wie auch in anderen Fächern) kennen lernen könnten. Daneben gibt es konkrete Vorschläge, insbesondere im Rahmen der Mittelstufenlektüre anstelle originaler Texte adaptierte Fassungen im Unterricht einzusetzen, um die Lektüremenge zu erhöhen und Überforderungen zu vermeiden.

Diese Einwände gegen eine Originallektüre sind ernstzunehmen: Einerseits lenken sie die Aufmerksamkeit auf tatsächlich vorhandene Probleme des altsprachlichen Unterrichts, die nach Möglichkeit minimiert werden sollten; andererseits weisen sie über gut gemeinte didaktische Verbesserungsvorschläge hinaus und stellen den Sinn des altsprachlichen Unterrichts insgesamt in Frage. Es ist daher in jedem Falle lohnenswert, das didaktische und methodische Für und Wider der Originallektüre lateinischer und griechischer Texte sorgfältig gegeneinander abzuwägen, den Wert originaler Lektüre darzustellen sowie Lösungswege zur Verringerung vorhandener Probleme aufzuzeigen.

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Veröffentlicht
2017-03-06
Sprache
de