Der Fokus dieser Ausgabe von Interface Critique liegt auf dem Widerspruch zu einem Konzept des Interface als bloße Schwelle zu einer dematerialisierten Datenwelt. Um dies zu tun, beginnen wir jedoch nicht mit dem „Desktop“, sondern mit einem grundlegenden Objekt, das auf seiner Oberfläche liegt: dem Buch. Innerhalb der Geisteswissenschaften nimmt das Buch einen tief historisch verankerten Platz als eines der wichtigsten Objekte und Produkte ihrer Forschung ein. Es ist die Schnittstelle für den Austausch zwischen Autor*innen und Leser*innen, der Umgestalter fesselnder mündlicher Erzählungen in geschriebene fesselnde Geschichten, der Transformator von Gesprächen in Aufzeichnungen und Skripte. Zugleich ist, wenn die Materialität des Buches in den Vordergrund rückt, die Metapher des „Buchlesens“ auch wörtlich zu verstehen – der Text ist ebenfalls in seinem physischen Ursprung ansässig und nicht davon trennbar. Ein Text ist kein dematerialisiertes Wesen, er ist nicht purer Inhalt, sondern untrennbar mit seiner Form verbunden; ein Text befindet sich an der Schnittstelle zwischen Inhalt und Form.
Die Beiträge dieses Hefts erkunden umfassend, wie das Interface zwischen Körpern und Texten digital revolutioniert wurden, von der Auseinandersetzung von Forscher*innen mit antiker arabischer Literatur und griechischer Philosophie vermittels Manuskripte bis hin zur Auseinandersetzung von einkommensschwachen Menschen mit öffentlicher Infrastruktur durch jene Informationen, die auf Lebensmittelmarken im heutigen Indien verzeichnet sind. Sie zeigen, wie die digitale Transformation von Texten von analogen zu digitalen Formaten Zugangsmodi bedingt und somit verkörperte Erfahrungen und – im Gegenzug – die Form-Inhalt-Beziehung von Texten selbst transformiert.