Eine neue Venusstatuette vom jungpaläolithischen Fundplatz Dolni Vestonice (Mähren)

  • Sibylle Wolf (Autor/in)

Abstract

In der vorliegenden Arbeit wurde eine kleine, vollplastische, weibliche Venusstatuette aus den Sammlungen des RGZM Mainz untersucht, die laut des angewiesenen Fundzusammenhangs von der jungpaläolithischen
Fundstelle Dolni Vestonice (Mähren) stammen soll. Die Statuette wurde aufgrund des angeblichen Fund ortes in die Reihe der dort gefundenen, weiblichen Figuren eingegliedert und Venus III genannt. Sie fällt besonders durch ihr nach rechts gewendetes Gesicht und ihren Standfuß auf. Es wurde den zentralen Fragen nachgegangen, ob es sich bei der Figur um eine Fälschung oder um ein Original handelt und ob Venus III in die Epoche des mittleren Jungpaläolithikums zu datieren ist. Dazu wurde der gesamte Kanon der weiblichen Statuetten des mittleren Jungpaläolithikums evaluiert, um durch eine hohe Anzahl adäquat vergleichbarer Statuetten herauszufinden, ob Venus III stilistisch in diese Epoche eingeordnet werden kann. Mit Hilfe der Infrarotspektroskopie wurde versucht das Material zu ermitteln, aus welchem Venus III hergestellt worden ist. Aufgrund von Verunreinigungen im Probenmaterial war es jedoch nicht möglich, das organische Material festzustellen, aus dem die Figur geschnitzt wurde. Die Brüchigkeit des Materials lässt den Schluss zu, dass es sich um fossiles Material handelt. Der Längsriss in der Figur ist typisch für Elfenbein. Höchst wahrscheinlich handelt es sich um Mammutelfenbein, welches an der Fundstelle Dolní Vestonice vorkommt. Venus III haftete Sediment an, dessen Zusammensetzung mit der Mineralogischen  Phasenanalyse ermittelt werden konnte. Es handelt sich um ein eisenhaltiges, kristallines Gemisch, welches mit der Boddenzusammensetzung des Fundplatzes Dolni Vestonice korrespondiert.
Nachdem die in dieser Arbeit aufgeführten Venusfiguren mit Venus III verglichen worden waren, wurde ersichtlich, dass Venus III stilistisch in den »Statuettenhorizont« des mittleren Jungpaläolithikums einzuordnen ist, weil all ihre Charakteristika Analogien in den verschiedenen Statuetten des mittleren Jungpaläolithikums finden.
Venus III wurde mit einem 3D-Scanner gescannt und konnte auf diese  Weise digital vermessen werden. Die metrische Analyse ergab, dass die Konstruktion der Venus III, sowie ihre Proportionen und ihre Größe denen
der anderen Figuren gleichen, und sie insofern keinen Sonderfall darstellt.
Die Untersuchung der Oberfläche von Venus III ergab, dass die Kerben und Spuren wahrscheinlich intentionell angebracht wurden.
Eine 14C-Datierung erbrachte keine Ergebnisse, da die Probenmenge zu gering für eine Datierung war. Über die Bedeutung von Venus III lässt sich aus heutiger Sicht nichts aussagen. Es werden jedoch verschiedene
Interpretationen als mögliche Deutung betrachtet, von denen die Folgenden bevorzugt werden: Es könnte entweder eine junge Frau mit kleinen Brüsten während der Schwangerschaft dargestellt worden sein; der leicht vor gewölbte Bauch würde eine Schwangerschaft im 4. oder 5. Monat implizieren. Oder es wurde eine alte Frau mit erschlafftem Körper geschnitzt. Der ungesicherte Fundkontext bedeutet kein eindeutiges
Indiz für eine Fälschung, zumal Venus III mit hoher Wahrscheinlichkeit aus Dolni Vestonice stammt. Auf der Basis der in der vorliegenden Arbeit vorgestellten Daten, Analysen und den daraus gezogenen
Schlussfolgerungen scheint Venus III ein Original zu sein.

Statistiken

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Veröffentlicht
2014-10-28
Sprache
de
Beitragende/r oder Sponsor
RGZM
Schlagworte
Paläolithikum, Mittleres Jungpaläolithikum, Europa, Mähren, Dolni, Vestonice, Frauenstatuetten