RIHA Journal 0015 | 12 January 2011
Die Salomonische Säulenordnung. Eine unkonventionelle Erfindung und ihre historischen Umstände
Hubertus Günther
Peer review and editing organized by:
Zentralinstitut für Kunstgeschichte, Munich
Reviewers:
Paul von Naredi-Rainer, Klaus Jan Philipp
Abstract
As early as 1549, i.e. 50 years before Villalpando's famous Ezechiel commentary was published, Jacques Androuet Ducerceau introduced the Salomonic Order in his Exempla arcuum, a series of engravings in which the Salomonic Order is even presented as a part of a canon of orders. For the first time, the article draws attention to this hitherto neglected early example. The author analyses Ducerceau's canon within the broader context of renaissance theories of architecture, treatises on the columnar order, and conceptions of the origins of good or artful architecture, some of which can be traced back to medieval positions. Furthermore, it is argued that the dismissal of the italic orders in favor of the Salomonic order by Ducerceau and others is inextricably linked to the increasing nationalist tendencies of the renaissance.
Ducerceaus Kanon der Säulenordnungen im Vergleich mit der konventionellen Architekturtheorie
Vergleich mit Fréart de Chambray und dessen Vorläufern
Entstehung der kunstvollen Architektur im Orient und Ableitung der Säulenordnungen von Palmen
Mittelalterlicher Ursprung der Theorie von der Entstehung der guten Architektur in Babylon
Profane und sakrale Konzeptionen der Entstehung der kunstvollen Architektur
Patriotische Komponente der Säulenlehre
Architekturtheorie und Geschichtskonstruktionen in der Renaissance
Einleitung
Der spanische Gelehrte und Architekt Juan Bautista Villalpando rekonstruierte in seinem Ezechiel-Kommentar (1596-1604) Salomos Tempel und kreierte dafür eine besondere Säulenordnung (Abb. 1).1 Bisher nahm man an, die Idee sei damals neu für die Architekturtheorie gewesen.2 Aber schon ein halbes Jahrhundert früher war eine "Salomonische Ordnung" eingeführt worden, und da gehört sie sogar zu einer Präsentation des Kanons der Säulenordnungen. Sie erscheint in der Stichserie Exempla arcuum, die der französische Architekt Jacques Androuet Ducerceau 1549 in Orleans publizierte.3 Die Exempla arcuum fanden bisher wenig Beachtung; in der Geschichte der Architekturtheorie wurde ihr Inhalt meines Wissens überhaupt nicht berücksichtigt.4
1 Juan Bautista Villalpando, Salomonische Säulenordnung, In Ezechielem explanationes …, Rom 1596-1604
Dargestellt sind Ehrenbögen, neun antike einschließlich eines Stadttores5 und sechzehn selbst erfundene in der Art der ephemeren Triumphtore, die im 16. Jahrhundert bei feierlichen Einzügen von Fürsten aufgerichtet wurden. Vielleicht stand die Stichserie in einem gewissen Zusammenhang mit dem Einzug König Heinrichs II. in Lyon im Jahr 1548 oder beeinflusste den Dekor bei dessen Empfang in Orleans.6
Das Titelblatt der Stichserie enthält ein knappes Vorwort. Der erste Satz umreißt den Inhalt. Der ganze übrige Text bezieht sich auf die Säulenordnungen.7 Bei den antiken Beispielen, schreibt Ducerceau, habe er sich an die real angewandten Säulenordnungen gehalten, bei den selbst kreierten Bögen habe er angegeben, zu welchen Genera sie gehören. So würden diejenigen, die sich mit der Baukunst auseinandersetzen, alle Genera von Bögen finden. Die antiken Bögen tragen ihre Inschriften und Namen (Abb. 2). Die selbst erfundenen Bögen sind jeweils bezeichnet als "l'ordre dorique", "l'ordre ionique", "l'ordre corinthe" und "l'ordre Salomonique" (Abb. 3–7).
2 Jacques Androuet Ducerceau, Der Vitruv zugeschriebene Arco dei Gavi in Verona, Exempla arcuum, Orleans 1549
3 Jacques Androuet Ducerceau, Arc selon l'ordre dorique, Exempla arcuum, Orleans 1549
4 Jacques Androuet Ducerceau, Arc selon l'ordre ionique, Exempla arcuum, Orleans 1549
5 Jacques Androuet Ducerceau, Arc selon l'ordre corinthe, Exempla arcuum, Orleans 1549
6 Jacques Androuet Ducerceau, Arc selon l'ordre Salomonique, Exempla arcuum, Orleans 1549
7 Jacques Androuet Ducerceau, Arc selon l'ordre Salomonique, Exempla arcuum, Orleans 1549
8 Jacques Androuet Ducerceau, Arc selon l'ordre corinthe, mit Atlanten und Karyatiden, Exempla arcuum, Orleans 1549
Die Tafeln sind nicht nummeriert; in manchen Exemplaren richtet sich die Reihenfolge der Stiche nach den Ordnungen. Die Korinthia dominiert: 18 von 25 Stichen sind ihr gewidmet. Tuskische Ordnung und Komposita fehlen bzw. sind nicht als eigene Ordnungen bezeichnet. Der Titusbogen und der Trajansbogen in Benevent sind fälschlich korinthisch statt komposit (im Sinn Serlios) dargestellt. Einige von den selbst erfundenen Bögen sind komposit, bei einem von ihnen stehen anstelle der Säulen Figuren mit Körben auf dem Kopf, die nur von fern Kapitellen gleichen, aber sie alle sind als "korinthisch" bezeichnet (Abb. 8).
Zur Salomonischen Ordnung gehören unterschiedliche komposite Kapitelle, ihre Basen sind attisch oder korinthisch, ihre Gebälke ionisch-korinthisch (Klassifizierung nach Serlio). Sie zeichnet sich nur durch einen besonderen Säulenstamm aus. Sonst bildeten in der Renaissance die Kapitelle das entscheidende Merkmal, nach dem die Genera voneinander unterschieden wurden. Wo sich die Reihenfolge der Exempla arcuum nach den Säulenordnungen richtet, erscheinen die Beispiele für die Salomonische Ordnung zwischen denjenigen für die Korinthia, sodass eine gewisse Verbindung gewahrt ist. Der Säulenstamm der Salomonischen Ordnung ist spiralartig gewunden. Bei einer Variante ranken sich Fruchtzweige um den Säulenstamm. Die andere Variante gleicht den berühmten Säulen im Petersdom, die ursprünglich in der konstantinischen Chorschranke, dann auch an anderen Orten der Basilika standen bzw. stehen und die Bernini an seinem Tabernakel über dem Grab Petri in kolossalen Dimensionen nachahmte (Abb. 9, Abb. 10): Die Säulen im Petersdom haben komposite Kapitelle; ihr Stamm ist jeweils in vier Abschnitte geteilt, die im Wechsel mit gewundenen Kanneluren und mit Fruchtzweigen gefüllt sind. Das hat Ducerceau übernommen und nur die Folge der Abschnitte verändert: Bei ihm beginnt die Dekoration unten mit Fruchtzweigen statt mit Kanneluren. Diese Variante gleicht den Darstellungen Jean Fouquets, der die Säulen im Petersdom selbst gesehen hatte (Abb. 11).8 Ducerceau war wohl nie in Rom. Er konnte von Fouquet sogar die Idee übernehmen, solche Säulen als Dekor eines Triumphbogens mit klassischer Disposition einzusetzen (so als Front von Salomos Tempel im Stundenbuch des Étienne Chevalier).
Wenig später wiederholte Ducerceau die Besonderheiten der Säulenordnungen der Exempla arcuum in einer Serie von Zeichnungen diverser Bauelemente, die Türen, Fenster, Gauben, Kamine etc., zudem Torfronten einschließt.9 Auch hier sind die Genera bezeichnet: als "Ordre Dorique", "Ordre Jonique", "Ordre Corinte" und mit der Formulierung "Coulonnes Salomoniques". Diese "Salomonischen Säulen" sind ähnlich wie in den Exempla arcuum gestaltet. Wieder fehlen die beiden italischen Genera; wieder werden der Korinthia freie Varianten des kanonischen Kapitells zugerechnet und die Basen in der Art Serlios variiert.
9 Petersdom, Gewundene Säulen von der konstantinischen Chorschranke in einem Vierungspfeiler
10 Berninis Tabernakel über dem Grab Petri, Stich von Alessandro Specci, in: Filippo Bonanni, Numismata summorum pontificum templi Vaticani fabricam indicantia, Rom 1715
11 Jean Fouquet, Pompeius im Tempel zu Jerusalem, Illustration zu Flavius Josephus, Antiquitates judaicae, um 1470. Paris, Bibliothèque nationale de France
Die Verbindung der gewundenen Säulen mit Salomos Tempel geht offenbar auf die Säulen im Petersdom zurück. Die Bibel liefert keinen Anhalt dafür, weder die Beschreibung von Salomos Tempel (1. Könige 6; 2. Chronik 2-5) noch die Beschreibung des Tempels in der Vision des Ezechiel (41.7). Auch in der Beschreibung des Tempels bei Flavius Josephus weist nichts darauf hin.10 Von den gewundenen Säulen im Petersdom ging bis ins 18. Jahrhundert die Legende, sie stammten aus Salomos Tempel.11 Ein frühes, bisher kaum beachtetes Zeugnis dafür bildet der Jüngere Titurel des Albrecht von Scharffenberg (um 1270, um 1477 in Straßburg im Druck erschienen). Dort sind die gewundenen Säulen im Chor des Gralstempels beschrieben, und der soll ausdrücklich dem Vorbild von Salomos Tempel folgen.12 In der Renaissance wurde der Tempel von Jerusalem oft mit gewundenen Säulen in der Art der Peterskirche dargestellt, in Frankreich beginnend mit Jean Fouquet.13 Auch architektonische Schriften erwähnen die vermeintliche Herkunft der Säulen im Petersdom (Filarete, Luca Pacioli u. a.).14
Es hieß, Titus habe nach der Eroberung von Jerusalem (70 n. Chr.) die Säulen ebenso wie die Kultgegenstände aus dem Tempel entführt und nach Rom gebracht. Das passt aus heutiger Sicht schlecht mit der Legende zusammen, dass sie aus Salomos Tempel stammen, denn Salomos Tempel wurde schon 586 v. Chr. von den Babyloniern zerstört. Titus fand den Tempel vor, den Herodes errichtet hatte (20-10 v. Chr.). Aber in der Renaissance wurde nicht konsequent zwischen den drei Bauphasen unterschieden (Salomo, Neubau nach der Rückkehr aus der babylonischen Gefangenschaft, Herodes). Auch die Vision des Ezechiel und die biblischen Berichte von Salomos Tempel verschmolzen miteinander. Salomos Tempel wurde vielfach generell mit dem Tempel in Jerusalem gleichgesetzt, soweit ersichtlich von fast allen unten erwähnten Theoretikern, die sich mit der Materie befassten. Villalpando bestreitet ausdrücklich, dass es nachfolgende Neubauten gegeben habe.15 Er wollte Herodes, weil er den Bethlehemitischen Kindermord angeordnet hat, keinen Neubau des Tempels zugestehen.16 In Darstellungen des Tempels zur Zeit des Neuen Testaments finden sich immer wieder die gewundenen Salomonischen Säulen. Fouquet stellt sie im zweiten Tempel zur Zeit des Pompeius (63 v. Chr.) zusammen mit den goldenen Cherubim dar, die in der Bibel als Werk Salomos beschrieben sind (1. Könige 6, 23-28) (Abb. 11). Oft gleicht der Tempel von Jerusalem in Bildern sogar dem Felsendom (errichtet um 700 als Moschee).17 Ähnliche Verwirrung kam bei der Auseinandersetzung der Renaissance mit der Antike auch in anderen Bereichen vor.18 Allerdings gab es noch nach dem Neubau des Herodes eine sogenannte "Halle Salomos", offenbar der Rest einer älteren Anlage. Sie gehörte nicht zum Tempel selbst, sondern stand im äußeren Tempelbezirk. Im Neuen Testament ist mehrfach ihre Existenz bezeugt, Flavius Josephus schreibt sie ausdrücklich Salomo zu.19 Serlio führt die "Jerusalemer" Säulen im Petersdom, wie unten zitiert wird, auf die "Halle Salomos" zurück (siehe seinen Kommentar zu Abb. 12).
Ducerceaus Kanon der Säulenordnungen im Vergleich mit der konventionellen Architekturtheorie
Ducerceaus Gestaltung der drei griechischen Ordnungen entspricht Vitruvs Angaben und Varianten in der antiken römischen Baupraxis. Sogar Vitruvs selten angewandte ionische Basis ist berücksichtigt. Das Fehlen der beiden italischen Ordnungen lässt sich ebenfalls gut mit Vitruv vereinbaren: Vitruv bezeichnet sie auch nicht als eigene Genera. Er erwähnt nur beiläufig, dass es Varianten der Kapitelle gebe, Mischungen aus Elementen der kanonischen Formen, und beschreibt kurz einen primitiven Holztempel der Etrusker, dessen Säulen der Dorica gleichen.20 Ein voll ausgebildetes Gebälk besitzt er noch nicht. Einzig Plinius führt eine tuskische Ordnung gesondert auf, macht aber kaum Angaben dazu.21
Als die Exempla arcuum erschienen, lag jedoch bereits Serlios Viertes Buch vor,22 die erste Publikation der fünf Säulenordnungen, die in der römischen Hochrenaissance entwickelt worden waren (1537): tuskisch, dorisch, ionisch, korinthisch, komposit. Das Werk prägte nachhaltig die Säulenlehre der Renaissance. Der neue Fünferkanon wurde um die Mitte des 16. Jahrhunderts auch in Frankreich und überhaupt nördlich der Alpen verbindlich. An Serlio halten sich Philibert de L'Orme (1567) und die folgenden französischen Architekturtraktate oder Säulenbücher, zudem sogar Philandriers Vitruv-Kommentar (1544) und die Vitruv-Edition von Jean Martin und Jean Goujon (1547). Ducerceau selbst nahm in seiner Spätzeit den Fünferkanon auf: Die Stichserie, die er 1583 unter dem Titel "Petit traité des cinq ordres de colonnes" publizierte, orientiert sich ganz an dem Säulenbuch des Hans Blum von 1550, das seinerseits Serlio folgt.
Auch die Exempla arcuum reagieren auf Serlios Viertes Buch. Ducerceau knüpft an die Beispiele für die Anwendung der Säulenordnungen an, die Serlio jeweils im Anschluss an die theoretische Darlegung präsentiert. Das wird noch auffälliger an der folgenden Zeichnungsserie diverser Bauelemente. Die Verteilung der Basen richtet sich ebenfalls nach Serlio. Ducerceau hat also gewusst, wie der klassische Kanon aussieht. Er gestaltet ihn gezielt um, indem er die beiden italischen Ordnungen eliminiert und die Salomonische Ordnung ergänzt.
Aus der Warte der konventionellen Architekturtheorie waren die gewundenen Säulen in der Peterskirche eigentlich nicht angemessen für Salomos Tempel. Sie bilden im klassischen Sinn keine perfekte Form, wie sie eines Sakralbaus, der höchsten Gattung von Architektur, würdig wäre. Vignola berücksichtigt den gewundenen Stamm "a similitudine di quelle che sono in Roma nella chiesa di S. Pietro" als eine Variante für alle Ordnungen (1562).23 Alberti oder Scamozzi erwähnen ihn zusammen mit anderen kapriziösen Säulen als spielerische Varianten des klassischen Kanons, die, wenn überhaupt, nur im privaten Bereich angebracht seien.24 Scamozzi fand, so etwas komme in bedenkliche Nähe zur damals allgemein verschmähten "Gotik". Er bezieht sich dabei anscheinend auf jene mittelalterlichen Spiralsäulen, die zuvor Giorgio Vasari und später Guarino Guarini als typisch für die "Gotik" hingestellt hatten. Besonders in Frankreich, meint Scamozzi zudem, seien gewundene Säulen beliebt.
Serlio, der inzwischen in Frankreich lebte, antwortete spontan auf die Exempla arcuum mit der Publikation des Liure extraordinaire de architecture, Auquel sont demonstrees trente Portes Rustiques meslees de divers ordres. Et vingt autres d’oeuvre delicate en diverses especes. Das Buch erschien 1551 in Lyon. Die Bögen gehören hier nicht in den ephemeren Bereich, sondern wie Ducerceaus Zeichnungsserie von Bauelementen nach Säulenordnungen zur Baupraxis. Serlio führt wieder die fünf Säulenordnungen der römischen Hochrenaissance vor, tuskisch, dorisch, ionisch, korinthisch und komposit, aber er wendet sie nicht wie in seinem Vierten Buch auf klassische Weise, sondern ausdrücklich unorthodox an. Angeregt wohl durch Ducerceaus Stichserie erwähnt er bei einem "korinthischen" Bogen ausnahmsweise einmal Salomonische Säulen. Der Stamm hat dort die kanonische Form, ist aber in drei Teile mit unterschiedlichen Dekors unterteilt (Abb. 12).
12 Sebastiano Serlio, Korinthischer Bogen, Liure extraordinaire de architecture, Lyon 1551
Im mittleren Teil sind die Kanneluren spiralartig um den Stamm gewunden: Dazu kommentiert Serlio: "Et combien que les bons antiques n'ayent accoustumé de ceindre les colonnes par le travers, mais les ont tousiours cannellees de bas en hault, neantmoins ie prens telle licence des colonnes Hierosolimitaines, lesquelles estoient au portique de Salomon."25 Woher die Kenntnis vom Aussehen der Säulen in Salomos Halle stammt, bleibt offen. Wesentlich ist hier, dass die Salomonischen Säulen für Serlio einen Gegensatz zu den "guten" Antiken bilden.
Auch in der Baupraxis der italienischen Renaissance gehörten gewundene Säulen gewöhnlich nicht zur vornehmen Architektur, sondern wurden dem privaten, extravaganten oder einfachen, wie man damals sagte, "rustikalen" Bereich zugeordnet; sie wurden oft mit grober Rustica und bacchantischen Motiven verbunden (ein berühmtes Beispiel ist Giulio Romanos Reitschule im Herzogspalast von Mantua).26
Vergleich mit Fréart de Chambray und dessen Vorläufern
Ducerceau kommentiert nicht die Gründe für seine Auffassung von den Säulenordnungen. Um diese Lücke zu füllen, sei die Parallèle de l'architecture antique avec la moderne herangezogen, die Roland Fréart de Chambray 1650 in Paris publizierte.27 Dort wird verglichen, wie bisher – von Alberti bis Scamozzi – die Säulenordnungen gestaltet wurden. Ducerceau ist nicht erwähnt. Dafür sind viele Gründe denkbar. Vor allem fehlen in den Exempla arcuum detaillierte Darstellungen der einzelnen Säulenglieder und deren Maße, sodass kein präziser Vergleich mit den anderen Traktaten möglich ist. Zudem hatte die Stichserie nur eine kleine Auflage, und ihre Freude an freien Varianten der Ordnungen war inzwischen überholt.
Fréart nimmt eine ähnliche Haltung ein wie Ducerceau. Zwar gibt er wieder, wie seine Vorgänger die tuskische und komposite Ordnung behandelt haben, aber in seinen Kommentaren (im Vorwort und in den Bildlegenden) sondert er sie von den drei griechischen ab: Sie seien artfremd, urteilt er, von den Lateinern angefügt und überflüssig. Nur mit den drei griechischen Ordnungen ließe sich gut bauen. Zu ihnen, ermahnt er, solle man zurückkehren und nicht einfach neuen Moden folgen. Die tuskische Ordnung ist für ihn nur eine primitive Abart der Dorica, zu grob, um an würdigen Bauten verwendet zu werden. Die Komposita kommt noch schlechter weg. Sie sei "déraisonable" und des Namens Ordnung unwürdig, sogar "plus barbare & moins plaisante que la Gothique".28 Dies sei eine späte römische Neuerfindung, Produkt eines Degenerationsprozesses der Architektur. Fréart knüpft hier an die in der Renaissance verbreitete Meinung an, dass die Architektur wie alle Künste im Lauf der Kaiserzeit an Niveau verloren habe. Die Korinthia bildet für Fréart dagegen die Krone der Architektur.29 Sie sei an Salomos Tempel eingesetzt worden, und weil dieser alles überboten habe, könne man sie mit gutem Grund "la fleur de l'Architecture & l'ordre des ordres" nennen.30 Dem entsprechen in den Exempla arcuum die Dominanz der Korinthia und ihre Verbindung mit der Salomonischen Ordnung.
13 Roland Fréart de Chambray, Profil corinthien du temple de Salomon, tiré de Villalpandus, Parallèle de l’architecture antique avec la moderne, Paris 1650
Fréart beruft sich für seine Behauptung, dass Salomos Tempel korinthisch gewesen sei, auf Villalpando und bildet die vermeintliche Säulenordnung des Tempels nach Villalpando als eine Variante der Korinthia ab (Abb. 13).31 Aber schon Hans Blum hatte in seinem Säulenbuch Salomos Tempel ausdrücklich als korinthisch bezeichnet.32 Das Werk erschien 1550 gleichzeitig in einer lateinischen und einer deutschen Ausgabe und übte in ganz Europa großen Einfluss aus. Die fast gleichzeitige Parallele zwischen ihm und den Exempla arcuum ist vielleicht nicht ganz zufällig. Eine von Ducerceau gezeichnete Serie von Darstellungen antiker oder antikischer Bauten wurde oft als Anhang zu Blums Säulenbuch publiziert.33 Diverse Darstellungen lassen sich als Anhalt dafür nehmen, dass die Ansicht, die Säulen an Salomos Tempel seien korinthisch gewesen, seinerzeit weit verbreitet war, so etwa Marten van Heemskercks Kupferstichfolge "Clades" (gestochen von Philip Galle 1569).34 In drei von den Bildern der Geschichte der Menschheit und des jüdischen Volks ist der Tempel von Jerusalem dargestellt. Seine Gestalt ist anscheinend gut durchdacht: In der Vorhalle stehen die gewundenen Säulen der Peterskirche; die Säulen Jachin und Boas, die Salomo vor dem Tempel aufrichten ließ, tragen den Aufsatz, den man ihnen in Anlehnung an die biblische Beschreibung seit den Postillen des Nikolaus von Lyra (um 1270-1349) zu Ezechiel gewöhnlich gab.35 Ihre Kapitelle sind ebenfalls korinthisch.
Die Annahme, dass Salomos Tempel korinthisch war, stützt sich auf den Bericht des Flavius Josephus darüber, wie Herodes den Baukomplex auf dem Tempelberg erneuern ließ.36 Das gibt schon Hans Blum an. Allerdings bezieht sich Josephus bei der Erwähnung der korinthischen Ordnung weder auf ein Werk Salomos, noch auf den Tempel, sondern nur auf eine Basilika, die Herodes im äußeren Bereich des Baukomplexes auf dem Tempelberg errichtete. Villalpando behauptet fälschlich, Josephus habe die "Halle Salomos" im äußeren Tempelbezirk im Auge.37 Fréart erklärt pauschal, Josephus bezeichne die Salomonische Ordnung als korinthisch. Wahrscheinlich kam die Verwechslung ursprünglich dadurch zustande, dass die gewundenen Säulen im Petersdom mit dem Bericht des Flavius Josephus in Verbindung gebracht wurden.
Villalpando und Fréart geben der Salomonischen Säule statt eines gewundenen einen kanonischen Stamm, variieren aber die Gestalt des Kapitells. Villalpando ersetzt die Akanthusblätter, die nach Vitruv zum korinthischen Kapitell gehören, durch Elemente von Lilien, Palmen und Granatäpfeln (Abb. 1, Abb. 13). Er bezieht sich dabei auf die Angaben der Bibel zum Dekor von Salomos Tempel und zu den Säulen Jachin und Boas.38 Deren Kapitelle hatten die Gestalt einer Lilie, wie Villalpando eigens wiederholt, und waren umgeben von einem Flechtwerk aus Palmen, an dem zweihundert Granatäpfel in zwei Reihen herabhingen. Schon in den Postillen des Nikolaus von Lyra sind die Kapitelle lilienförmig dargestellt. Fréart dagegen ersetzt die Blätter am korinthischen Kapitell durch Palmwedel. Der Grund dafür hing damit zusammen, wie wir unten sehen werden, dass allenthalben an Salomos Tempel Palmen dargestellt waren: im Allerheiligsten zwischen Cherubim und außen an vielen Pfeilern (vgl. Abb. 14).
14 Juan Bautista Villalpando, Inneres von Salomos Tempel, In Ezechielem explanationes …, Rom 1596-1604
Bei Villalpando und Fréart gehört ein dorisches Gebälk zu den Salomonischen Säulen, dekoriert wieder mit Elementen von Palme und Granatapfel. Das stimmt mit der Klassifizierung der Ordnung als korinthisch überein, wenn man Vitruvs etwas abseitige Angabe (4.1.2) berücksichtigt, das Gebälk der Korinthia sei entweder wie bei der Ionica oder wie bei der Dorica gebildet. In der antiken Baupraxis erscheint die Korinthia nur ausnahmsweise mit dorischem Gebälk. Sie ist dort ebenso wie in Baupraxis und Theorie der Renaissance mit dem ionischen Gebälk verbunden. Aber Fréarts und Villalpandos These, dass die Korinthia schon unter Salomo entstand, impliziert, dass sie die früheste aller Säulenordnungen bildet, und dazu passt das dorische Gebälk gut, da Vitruv (2.2) seine Gestalt von der primitiven Konstruktion aus Holz als Urbild des Steinbaus ableitet. Villalpando und Fréart bringen zum Ausdruck, dass die Salomonische Säulenordnung zugleich Beginn und Vollendung der kunstvollen Architektur darstellt, insofern als nach konventioneller Architekturtheorie die Dorica dem Ursprung der Baukunst am nächsten steht, während die Korinthia als letzte von den Ordnungen entstand und die eleganteste von ihnen bildet. Wenn die Korinthia schon so früh kreiert wurde, wie Villalpando und Fréart annehmen, dann erübrigt sich die Geschichte von der Erfindung ihres Kapitells durch den griechischen Architekten Kallimachos, die Vitruv berichtet (4.1.9 f.), weil sie erst in viel spätere Zeit fällt. Diese Konsequenz zieht Villalpando ausdrücklich (2.5.23). Er bezweifelt Vitruvs anekdotischen Bericht von der Gestaltung des korinthischen Kapitells nach dem Vorbild eines Kindergrabes an der Straße nach Korinth.
Entstehung der kunstvollen Architektur im Orient und Ableitung der Säulenordnungen von Palmen
Nach Villalpando und Fréart haben also die Hebräer schon vor Urzeiten die Säulenordnungen erfunden. Sie haben demnach überhaupt gute Architektur geschaffen, denn die Säulenordnungen galten in der Renaissance allgemein als Grundlage dafür. Diese Sicht widerspricht dem Abriss über die Entwicklung der Architektur, den Alberti gibt und der dann kanonisch wurde.39 Dort heißt es:
Soviel wir aus den Schriften der Alten ersehen, ergoß die Baukunst sozusagen den ersten Reichtum ihrer Jugend über Asien. Bald danach stand sie bei den Griechen in Blüte. Schließlich erreichte sie ihre volle Reife in Italien.
In Asien, in Äygypten und Assyrien (bzw. Babylon), seien aufwendige Werke entstanden, aber den rechten Kunstverstand hätten erst die Griechen aufgebracht. Davon würden besonders die Säulenordnungen zeugen, deren beide früheste, Dorica und Ionica, nach griechischen Stämmen benannt seien.
Die Behauptung, gute Architektur sei erst unter den Griechen entstanden, ist insofern arbiträr, als Salomos Tempel einfach übergangen wird, obwohl es genaue Beschreibungen von ihm gab und die Säulen im Petersdom vermeintlich zeigten, wie seine Gliederung aussah. Zudem galt Salomos Tempels im Mittelalter und in der Renaissance rhetorisch als Modell vollendeter Architektur. Neubauten wurden oft mit ihm verglichen, um sie zu rühmen: so zum Beispiel von Giannozzo Manetti der Florentiner Dom (1436) und das Projekt Papst Nikolaus' V. (1447-1455) zur Erneuerung der Peterskirche, von Tiberio Alfarano der Neubau der Peterskirche (1575), von Francesco Zorzi Jacopo Sansovinos Modell für S. Francesco della Vigna in Venedig (1535).40
Wenn man nicht wie Alberti die Bibel ausklammert, sondern als historisches Zeugnis ernst nimmt, dann liegt es eigentlich nahe anzunehmen, dass die gute Architektur mit Salomos Tempel begann. Dieser Schluss wurde von einzelnen Autoren auch längst gezogen. Antonio Manetti gibt in seiner Vita Brunelleschis (ca. 1470) einen ähnlichen Abriss wie Alberti, aber mit einem gravierenden Unterschied:41 Auch er findet, die Ägypter, Babylonier und andere asiatische Völker hätten alle noch recht kunstlos gebaut, mit der Ausnahme allerdings, fügt er offenbar unter Bezug auf Salomos Tempel ein, der Hebräer, die Gott als sein erwähltes Volk inspiriert habe. Der Florentiner Literat Gherardo Spini ging noch einen Schritt weiter.42 In einem Entwurf für ein Architekturtraktat (1568) stellt er fest, an Salomos Tempel seien Proportionen und Dekor bereits alle mit wunderbarer Kunst ausgeführt worden. Daraus zieht er den generellen Schluss, die Hebräer hätten "durch Gottes Geschenk" der Architektur ihre Regeln gegeben. In Judäa, nicht erst in Griechenland, sei die gute Architektur entstanden.
Manettis historischer Abriss gehört an den Beginn der Renaissance, als sich noch keine konventionellen Richtlinien durchgesetzt hatten; Spini vertritt mehrfach so eigenwillige Positionen, dass sein Traktat in der Renaissance nicht zur Publikation gelangte. Normalerweise wurde in Italien die überragende kunsthistorische Stellung von Salomos Tempel nicht anerkannt. Außerhalb Italiens waren die Theoretiker eher dazu bereit. Hans Blum erwähnt Salomos Tempel in einem kurzen Abriss der Geschichte der Säulenordnungen. Er schließt mit der Begründung:
Solchen Unterricht hab ich allein darum geschrieben, daß man daraus entnehmen und verstehen möge, daß diese Kunst nicht erst neuerdings erdichtet sei, sondern vor etlichen hundert Jahren, zu den Zeiten Salomonis, des Königs. Welcher den Tempel zu Jerusalem auf korinthische Art hat machen lassen, und das königliche Haus, wie Flavius Josephus meldet.43
Salomos Tempel erscheint hier also bereits als Beginn der Säulenordnungen und damit der guten Architektur. Von dort, fährt Blum fort, habe sich die Kunst der Architektur nach Italien und Deutschland ausgebreitet. Griechenland ist nicht erwähnt.
Albertis Behauptung, gute Architektur sei erst unter den Griechen entstanden, ist auch deshalb arbiträr, weil es keinen Anhalt dafür gab, dass die übrige Architektur vor den Griechen kunstlos gewesen wäre. Die antike Literatur, die schon Alberti zusammengestellt hat, spricht im Gegenteil dafür, dass die Architektur von Salomos Tempel bereits in einer würdigen Tradition stand.44 Strabo, Herodot, Diodor und andere berichten von großartigen Bauten in Babylon und Ägypten. Einige von ihnen wurden bereits von den Griechen und Römern zu den Weltwundern gezählt.45 Filarete richtete seine Idealstadt Sforzinda nach römischem Modell aus, aber seine utopische Stadt Plusiapolis ist von den alten Berichten über Ägypten und Babylon geprägt.46
Der spanische Architekt Pablo de Céspedes stellte 1605/06 eine Verbindung zwischen salomonischer und babylonischer Architektur her.47 Das geht, kurz gefasst, wie folgt: Die Babylonier, die ersten Schöpfer großartiger Architektur nach der Sintflut, erfanden die Korinthia als erste Säulenordnung. Von Babylon aus brachten die Assyrer Jahrtausende vor den Griechen die Säulenordnung nach Ägypten. Dort lernten sie zunächst die Hebräer. Céspedes liefert nun eine neue Ableitung des Steinbaus aus der Holzkonstruktion, die die Entstehung der Architektur in Babylon berücksichtigt. Strabo und Diodor berichten, dass dort aus Mangel an (anderem) Holz Palmen zum Bauen verwendet wurden.48 Nach Céspedes gibt Strabo an, die Babyloner hätten die Palmen als Säulen eingesetzt. Nach moderner Übersetzung schreibt Strabo nur, dass Palmen als Balken und Pfosten dienten. Aber in der Renaissance wurde der Passus tatsächlich so wie von Céspedes verstanden;49 daher war die Ableitung der Säulen von Palmen plausibel. Dass Vitruv nur die viel spätere griechische Manier berücksichtigt, erklärt Céspedes damit, dass dieser die Bauten in Asien nicht gekannt und die wahren Ursprünge der Architektur nicht verstanden habe.
Die Ableitung der Säulen von Palmen schien sich seinerzeit noch durch die Entdeckung zu bestätigen, dass Völker in Übersee ihre primitiven Hütten mit Palmen bauten. Die Palmen wurden in diesen Unterkünften ebenso als Eckstützen eingesetzt, wie es Vitruv für die Urhütten aus Holz beschreibt. Davon hatte Gonzalo Fernandez de Oviedo y Valdés bereits 1535 in seinem Buch über die Indianer berichtet und Illustrationen dazu geliefert (Abb. 15).50 Solche Berichte wurden auch später bestätigt.51 1678 bezog sie Juan Caramuel de Lobkowitz in die Architekturtheorie ein (er übernahm die Abbildungen von Oviedo) und verglich sie mit den antiken Berichten vom Bauen mit Palmenholz im Vorderen Orient.52 Unter Hinweis auf die Hütten der Indianer machte Charles Perrault 1688 den alten Griechen die Erfindung der Säulenordnungen und überhaupt der guten Architektur streitig.53
15 Gonzales Fernandez de Oviedo y Valdés, Indianerhütte aus Palmen, La historia general de las Indias, Toledo 1526
Strabo, so wie er in der Renaissance übersetzt wurde, gibt weiter an, die Babylonier hätten ihre Säulen verstärkt und ihnen eine glatte Oberfläche gegeben, indem sie die Palmstämme mit Seilen umwickelten und dann mit Bitumen bestrichen.54 Auf den Bitumen, nimmt Céspedes an, malten sie, was er verkleidete, also Palmen, und zwar auf den Stamm das typische Muster, das die abgefallenen Palmwedel hinterlassen, auf das obere Ende die Blätter der Wedel, die aus dem Stamm herauswachsen. Daraus bildete sich, meint Céspedes, das korinthische Kapitell. Die Kallimachos-Legende nennt er "lächerlich".55 Kallimachos habe lediglich die Palmblätter durch andere Blätter ersetzt, und zwar durch diejenigen von Oliven oder Eichen, nicht, wie Vitruv will, vom Akanthus. – Übrigens ist die Kallimachos-Legende auch in der jüngeren Vergangenheit auf Skepsis gestoßen, weil die Blätter nur entfernt dem Akanthus gleichen und wegen "der Unwahrscheinlichkeit des Vorgangs, daß man plötzlich das erste beste Unkraut zum künstlerischen Motiv erhoben haben soll" (Alois Riegl)56.
Nach den biblischen Berichten ließ Salomo für den Bau seines Tempels das Holz von libanesischen Zedern und Zypressen verwenden. Mit der Argumentation von Céspedes lassen sich die Palmen, die allenthalben an und im Tempel dargestellt waren, auf die babylonischen Vorgänger zurückführen. Fréart zog die Konsequenz aus der Ableitung der Salomonischen Ordnung von Palmen, indem er die Kapitelle aus Palmblättern bildete. Die unkonventionelle Ableitung der Korinthia bzw. der Salomonischen Säulenordnung von Palmen kam seit der Mitte des 17. Jahrhunderts auch in der Baupraxis zur Anschauung. Ein besonders prominentes Beispiel dafür bildet die spätgotische Nikolaikirche in Leipzig, die Johann Friedrich Carl Dauthe 1784 bis 1797, einer Empfehlung Marc-Antoine Laugiers und Francesco Milizias zur Ausgestaltung gotischer Kirchen folgend, innen mit Palmen in Stuck verkleidete, an den Säulen Palmstämme und Blattkapitelle, im Gewölbe Palmwedel (Abb. 16).57
Die Dekoration der Nikolaikirche lässt sich eher auf die hier behandelte Ableitung der Säulenordnungen von Palmen im Rahmen der unkonventionellen Architekturhistoriografie als auf Villalpandos Rekonstruktion von Salomos Tempel oder symbolische Bedeutungen beziehen, mit denen Palmen oft verbunden wurden.58 Die Verbindung der Palmsäulen mit der Gotik kollidierte mit der zeitgenössischen Vorstellung, die Gotik habe sich die germanischen Wälder zum Vorbild genommen; dagegen entsprach sie der damals zunehmend verbreiteten Anschauung, die Gotik stamme aus dem Vorderen Orient und sei eine "sarazenische Pflanze" (Goethe).59
16 Nikolaikirche, Leipzig, Blick zum Chor (Foto: © Uwe Letzel, www.leipzig-sachsen.de)
17 Pfarrkirche St. Jakob und Christophorus, Rueras (Graubünden), Blick in den Chor
Um zu bekräftigen, wie weit die Ableitung der Säule von der Palme verbreitet war, sei noch ein so unspektakuläres Beispiel aus dem Barock wie die Pfarrkirche St. Jakob und Christophorus in Rueras (Graubünden) angeführt: Der Chor ist mit korinthischen Pilastern gegliedert, in deren Kapitellen der Akanthus der Form von Palmblättern angeglichen ist; darüber, im Gewölbe, sind Palmwedel und Engel dargestellt, sodass hier fast die Erinnerung an das Allerheiligste von Salomos Tempel evoziert wird (Abb. 17).
Ducerceau stellt in seinen beiden Serien zu den Säulenordnungen auch eine Korinthia mit einem Stamm wie bei einer Palme dar, als wollte er schon auf die unkonventionelle Ableitung aus dem Orient anspielen (Abb. 18). Céspedes lag mehr daran, die gewundenen Säulen, die aus Jerusalem in die Peterskirche gelangt sein sollen, in die Entwicklung einzubeziehen. Er meint, aus den Seilen, mit denen die Babylonier ihre Säulen umwickelten, seien die Ranken um die Säulen in der Peterskirche hervorgegangen.
18 Jacques Androuet Ducerceau, Arc selon lordre Corinthe, Exempla arcuum, Orleans 1549
Mittelalterlicher Ursprung der Theorie von der Entstehung der guten Architektur in Babylon
Céspedes untermauert seinen historischen Abriss in der typischen Art der Humanisten mit Zeugnissen aus der antiken Literatur. Aber er hat ihn nicht ganz neu erfunden. Wie viele humanistische Autoren besonders nördlich der Alpen, knüpft er an mittelalterliche Tradition an. Diese Tradition ist in den englischen Steinmetz-Regeln überliefert. Deren älteste erhaltene Fassung (das sog. Regius-Poem) entstand im späten 14. Jahrhundert, und sie berufen sich auf Vorgänger in lateinischer und französischer Sprache.60 Im sog. Cooke-Manuskript (ca. 1410/1450)61 ist den Regeln ein historischer Abriss über die Anfänge der Architektur vorangestellt. Da geht es nicht um kunstloses Bauen, sondern, wie betont wird, um die "Wissenschaft" bzw. die hohe Kunst der Architektur. Architektur sei identisch mit der Geometrie. Sie gehöre zu den Sieben Freien Künsten, und von allen Wissenschaften habe sie das höchste Ansehen. Die ersten Anfänge dieser Kunst entwickelten sich demnach folgendermaßen: Die Architektur habe einen ersten Höhepunkt mit dem Turmbau zu Babel erreicht und sich von Babel nach Assur ausgebreitet, wo Niniveh und andere Städte gegründet wurden. Als Abraham dann nach Ägypten ging, habe er dort die Kenntnis von der Architektur verbreitet. Dabei habe ihm ein Schüler namens Euklid beigestanden, der zu den Begründern der Geometrie gehöre und ihr den Namen gegeben habe. Es wird im Einzelnen geschildert, wie Euklid die Ägypter Geometrie lehrte, d. h. ihnen Messen und Bauen beibrachte. Als sich die Kinder Israels in Ägypten aufhielten, hätten sie die Architektur gelernt, und sie hätten ihre neuen Kenntnisse verwertet, als sie ins Gelobte Land kamen. Mit dem überlieferten Wissen habe Salomo den Tempel in Jerusalem errichtet. Abschließend heißt es zu den Steinmetzen: "Und Salomo selbst lehrte sie ihre Gebräuche mit nur wenig Unterschied zu den Gebräuchen, die jetzt üblich sind. Und von dort wurde diese würdige Wissenschaft nach Frankreich gebracht und in viele andere Gegenden."62 Der historische Abriss der Architektur in der Art, wie ihn das Cooke-Manuskript wiedergibt, wirkte, wie Céspedes bezeugt, auf dem Kontinent nach. Von ihm ist es nur ein kleiner Schritt zur Einführung der Salomonischen Ordnung in Frankreich.
Profane und sakrale Konzeptionen der Entstehung der kunstvollen Architektur
Wir haben inzwischen zwei Auffassungen davon kennengelernt, wie die Kunst der guten Architektur entstand: eine sakral, die andere profan orientiert. Die konventionelle Richtung, die mit Vitruv den klassischen Griechen den Primat zuweist, ist profan orientiert, ebenso die Richtung, die annimmt, Salomos Tempel sei mit dem Kunstverständnis oder mit dem Verständnis von den Säulenordnungen gebaut worden, das in Babylon aufgekommen war. Diese Auffassung ist in den mittelalterlichen Steinmetz-Regeln vertreten, so wie sie das Cooke-Manuskript überliefert. Céspedes schloss sich ihr an, und Ducerceau anscheinend auch.
Ducerceaus Ehrenpforten haben nichts von einer sakralen Aura. Diese Modelle für Festdekorationen sind nicht so gewichtig wie antike Triumphbögen. Ihre Architektur ist weniger streng bzw. regelmäßig, ihr figürlicher Schmuck bezieht sich mehr auf schönes Leben als auf Heldentum und Triumph. Sie tragen oft Liebesmotive, zeigen Venus mit ihrem Gefolge, Allegorien von Tugenden, Künsten oder Abundantia. Die Bögen in Salomonischer Ordnung sind mit Satyrn statt Victorien geschmückt. Der bacchantische Dekor passte nach konventioneller Architekturtheorie zu den gewundenen Säulen. Von Ducerceaus Auffassung der Salomonischen Ordnung ließ sich, wenn man wollte, mit der antiken Literatur über den Tempel von Jerusalem verbinden: Tacitus berichtet, manche würden aufgrund entsprechender Riten und Motive annehmen, dass die Juden dort Bacchus verehrten.63
Die sakral orientierte Auffassung von der Entstehung der kunstvollen Architektur hält sich dagegen an die Bibel. Demnach hat Gott die Proportionen der Arche Noah und der Bundeslade offenbart. In der Vision des Ezechiel hat er die Gestaltung von Salomos Tempels vorgegeben. Durch göttliche Inspiration kreierten die Hebräer die gute Architektur. Das vertraten Antonio Manetti, Gherardo Spini und Villalpando. Hinter dieser Auffassung stand die uralte Überzeugung, dass die Architektur wie die Musik den von Gott geformten Kosmos und den Menschen zum Maßstab nimmt.64 Francesco Zorzi bekräftigte sie in seinem Traktat De harmonia mundi totius (Venedig 1525) und empfahl auf dieser Basis Jacopo Sansovinos Modell für San Francesco della Vigna, weil es sich angeblich nach den Proportionen von Salomos Tempel richte. Auch diese Richtung war zur Zeit von Ducerceau in Frankreich präsent. Philibert de L'Orme stellt in seinem für die französische Renaissance wegweisenden Architekturtraktat, dem Premier tome de l'Architecture (1567), immer wieder entschieden Gott als Begründer der architektonischen Gesetzmäßigkeit hin:65 Gott habe die "sainctes & divines mesures & proportions" der Architektur den Menschen bereits mit seinen Anweisungen für die Arche Noah, die Stiftshütte und für Salomos Tempel geschenkt. Er selbst verdanke Gottes Hilfe die Gestaltung seiner Bauwerke, und er bewundere, wie die Antiken die göttlichen Maße und Proportionen gekannt, befolgt und praktiziert hätten. Vitruv wird dagegen als "konfus und dunkel" abgewertet. Er, de L'Orme, wolle mit Gottes Hilfe Ordnung in dies Durcheinander bringen. Er plante einen zweiten Teil seines Architekturtraktates, "qui est Des divines proportions & mesures de l'ancienne & premiere architecture des peres du vieil testament, accomodées à l'Architecture moderne". Da sollte Salomos Tempel sicher eine zentrale Rolle spielen.
Villalpando passte die Salomonischen Säulen dem an, was für ein Heiligtum wie den Tempel von Jerusalem nach konventioneller Architekturtheorie angemessen war, indem er ihnen einen klassischen Stamm gab und die gewundenen Säulen in der Peterskirche ausblendete. Fréart schloss sich ihm an. Aber viele andere Autoren in der Nachfolge Villalpandos – nach Céspedes zuerst Juan Ricci, dann auch Caramuel de Lobkowitz – haben die Salomonische Ordnung wieder mit einem gewundenen Stamm versehen.66 Letztlich war die traditionelle Legende von der Herkunft der Säulen in der Peterskirche offenbar mächtiger als architekturtheoretische Regeln. Die gewundene Säule wurde allmählich zu einem Leitmotiv für die Gestaltung des Allerheiligsten. Berninis Tabernakel über der Grabstätte Petri (1623-34) und zahllose barocke Hochaltäre bilden Beispiele dafür. Sie galt auch jetzt nicht immer als eigene Säulenordnung, weil, wie Guarini eigens klarstellt, der besondere Schaft kein Merkmal dafür bilde.67 Allerdings erschien sie ihm als eine architektonische Besonderheit, die ausschließlich Salomos Tempel auszeichnete. In der griechisch-römischen Antike, meinte er, gebe es kein Beispiel dafür. André Félibien behauptete in seinen viel gelesenen Principes (1676) sogar, sie sei in der Antike überhaupt nicht verwendet worden, und stellte Berninis Tabernakel als alleiniges Vorbild hin.68 Am Anfang des Traktats von Caramuel de Lobkowitz ist Berninis Tabernakel dargestellt mit der Paraphrase des Titels: "Templum Salomonis, rectam et obliquam architecturam exhibens".
Patriotische Komponente der Säulenlehre
Wenn man nicht unbedacht der konventionellen Architekturtheorie folgt, ergibt sich die Frage, warum sie Salomos Tempel so wenig berücksichtigt, und mehr noch, warum nicht Italiener die Salomonische Ordnung einführten, da sie doch sonst in der Renaissance den Ton angaben. Warum vertrat die konventionelle Architekturgeschichte überhaupt die These, dass es vor den Griechen keine gute Architektur gegeben habe? Und warum verband sich die Einführung der Salomonischen Ordnung mit der Ausblendung der italischen Ordnungen? Dogmatischer Vitruvianismus lässt sich sicher als ein Grund für all das anführen, aber er allein reicht als Erklärung kaum aus. Die Antwort sollte an der Basis ansetzen. Es ging beim Rückblick auf die Antike in der Renaissance nicht einfach darum, Geschichte nachzuvollziehen. Die Italiener orientierten sich an der Antike als ihrem eigenen und eigentlichen Erbe. Dieses Erbe sollte die Leitlinien für den Aufbruch in die Neuzeit bestimmen, weil es, wie man überzeugt war, eine weit höhere Stufe der Zivilisation und Kultur als die von Fremden eingeschleppte Lebensformen im Mittelalter erreicht hatte.
In der Renaissance blühte das Nationalbewusstsein auf. Die Besinnung auf die eigene Individualität bildet nach allgemeinem Urteil der Historiker einen wesentlichen Charakterzug des Umbruchs in die Neuzeit. Die Nationen setzten sich gegeneinander ab, sie nahmen ihre besonderen Wesenszüge wahr und kehrten sie hervor, erfanden sie oder rühmten sie; die Eigenarten der anderen betrachtete man mit Reserve, kritisierte oder bestritt sie. Für die höhere Ideologie nahm man kleinere Ungereimtheiten und arbiträre Thesen vielfach in Kauf. Die Italiener, stolz auf ihre führende Rolle beim Aufbruch in die Neuzeit, charakterisierten die Ausländer abschätzig als "Barbaren".69 Das Verdikt über die sogenannte "Gotik", das sie aufbrachten, richtete sich eigentlich gegen etwas Fremdes, das aus dem Ausland stammte oder so hingestellt wurde. Die Geschichte der mittelalterlichen oder "gotischen" Architektur konstruierten sie noch weniger stimmig als die Frühgeschichte der Architektur. Nördlich der Alpen wurde die kulturelle Führung Italiens zunehmend anerkannt. Aber auch wenn man die einheimische gotische Tradition nach italienischem Vorbild kritisierte, blieb man ihr beständig verbunden und rückte ihre besonderen Vorzüge ins Licht.70 Der übermächtige italienische Einfluss löste allenthalben, besonders in Frankreich, vielleicht ähnlich wie heute der amerikanische Einfluss, auch Ängste und Widerstände aus.71 Es erhoben sich Klagen über die wirtschaftliche und kulturelle Hegemonie der Italiener, man warf ihnen Dünkel, Unehrlichkeit oder Formalismus vor.72 Der französische Humanist Étienne Dolet prangerte an, seine Landsleute würden vor dummer Gier nach Fremdem ihre eigenen Errungenschaften übersehen (1533).73 Ducerceau verfolgte mit seinem Livre d'architecture (Paris 1559) das Ziel, wie er in der Widmung an König Heinrich II. schreibt, der Berufung italienischer Künstler ein Ende zu setzen.
Die Säulenordnungen, so wie sie in der römischen Hochrenaissance fixiert und durch Serlio erstmals publiziert wurden, sind auf das antike Rom zugeschnitten. In der Absicht, den Kanon zu italianisieren, waren die Italiener bereit, von Vitruv abzuweichen, und fügten den drei klassischen Ordnungen, die die Römer von den Griechen übernommen hatten, ohne festen Rückhalt bei Vitruv die beiden italischen Ordnungen an. Die Gestaltung der tuskischen Ordnung mussten sie teilweise ganz neu erfinden, damit sie für Bauten aus Stein brauchbar wurde.74 Die Mischungen von Kapitellen diverser Ordnungen, die Vitruv erwähnt, verwandelten sie zur Komposita, die sich zuletzt, während der römischen Kaiserzeit, aus der Korinthia entwickelte. Die Geisteshaltung, aus der heraus die Komposita eingeführt wurde, macht Serlio deutlich. Er gibt an, die Römer hätten sie hauptsächlich an Triumphbögen als Zeichen ihres Triumphs über alle Welt verwandt und am Kolosseum über die drei griechischen Ordnungen gesetzt als Zeichen dafür, dass sie ihre Vorgänger in der Architektur wie in den meisten Bereichen der Zivilisation überflügelt hätten.75 Die griechische Architektur fand trotz der Rhetorik von ihrer maßgeblichen Bedeutung realiter wenig Interesse im 16. Jahrhundert.76 Die großgriechischen Tempel in Italien wurden schlichtweg ignoriert. Das wichtigste Buch über antike Architektur, das in der Renaissance erschien, Serlios Drittes Buch (1540), erwähnt nur einen Bau in Athen, von dem Serlio zufällig erfahren hatte.77 Obwohl Serlio damals in Venedig lebte, wo die engsten Kontakte in den Raum der Ägäis bestanden, hatte er nicht einmal vom Parthenon gehört.
Spini ist in seinem Entwurf für ein Architekturtraktat, ähnlich wie gleichzeitig Vasari in seinen Viten, daran gelegen, die wegweisende Bedeutung seiner Heimat, der Toskana, für die Kunst zu demonstrieren. Er rückt deren frühe Architektur ins Licht, um den Primat der griechisch-römischen Kultur zugunsten der Toskana zu relativieren.78 An Beispielen legt er dar, dass die Architektur in der Toskana wie in Ägypten und Babylon ("Asien") früher als bei den Griechen aufgekommen sei. Seiner Ansicht nach erfanden die Etrusker die tuskische Ordnung, bevor die Griechen ihre Ordnungen einführten. Angesichts der Ähnlichkeit von tuskischer Ordnung und Dorica könne man annehmen, folgert er, dass die Griechen die Dorica von den Etruskern übernommen hätten. Die Kenntnis von der Dorica gelangte in den Osten, weil die Toskaner dort schon in grauer Vorzeit Kolonien gegründet hätten, so etwa Troja. Anschließend an diesen eigenwilligen historischen Abriss preist Spini die Renaissance der guten Architektur in der Toskana.
Blum verbindet die Vordatierung der klassischen Ordnungen in die Zeit Salomos mit einer Ableitung der tuskischen Ordnung vom Heroen Tuscanus oder Tuscus, dem Stammvater der Teutschen. Nach der Geschichtskonstruktion, die sich damals in den deutschen Ländern verbreitet hatte, stammten Toskaner und Deutsche gemeinsam von den Griechen ab oder auch die Toskaner von den Deutschen.79 Zwar kannten die Germanen zur Zeit des Tacitus noch kaum Architektur,80 aber um die gleiche Zeit, so Blum, habe Plinius die tuskische Ordnung als eine "sehr alte Art" bezeichnet.81 In ihrer schlichten Art galt sie als Spiegel des angeblich einfachen, redlichen Charakters der Deutschen, den diese selbst damals gern im Anschluss an Tacitus gegen den von der Zivilisation ausgelösten moralischen Abstieg in Italien absetzten. Die deutschen Architekturtheoretiker des 16. und 17. Jahrhunderts haben Blums Kommentar zur tuskischen Ordnung oft paraphrasiert.
Der französische Literat Joachim du Bellay, Verfasser der berühmten patriotischen Schrift La deffence et illustration de la langue francoyse, erklärte um die gleiche Zeit, als Blum sein Architekturtraktat publizierte, die Ionica zur typisch französischen Säulenordnung, weil sie mit literarischer Kultur verbunden sei.82 Philibert de L'Orme erfand im Premier tome de l'Architecture eine besondere französische Nationalordnung als Gegenstück zu den italischen Ordnungen, eine Variante wieder der Ionica mit einem besonderen Stamm, der auf die für Frankreich typische Kunst des Steinschnitts verweist.83
De L'Orme stellte mit seiner rhetorischen Berufung auf Gott statt Vitruv als Wegweiser für die kunstvolle Architektur letztlich die führende Rolle der italienischen Architekturtheorie in Frage. In diesem Sinn polemisierte er gelegentlich gegen Bramante, der den Italienern als Leuchte und Erneuerer der Architektur galt.84 Salomon de Bray knüpfte in seinem Traktat über die moderne niederländische Architektur (1631) an de L'Ormes Haltung an und verband sie mit Villalpandos Thesen.85 Hendrick de Keyser und die anderen holländischen Architekten erscheinen da nicht als Schüler der Italiener, sondern folgen nur der gleichen alten Kunst wie sie. Die Urbilder der guten Architektur bilden die von Gott inspirierten Werke Noahs, Mosis und Salomos, nicht die Bauten der Griechen und Römer. Die Säulenordnungen sind nichts als kodifizierte Varianten der Regeln, die von verschiedenen Völkern zu unterschiedlichen Zeiten eingeführt wurden. Als erste Säulenordnung wurde die Korinthia an Salomos Tempel kreiert.
Fréarts Behandlung der Säulenlehre steht ebenfalls in Zusammenhang mit patriotischen Bestrebungen. Sie gehört ins Vorfeld des Wettbewerbs zur Erfindung einer französischen Säulenordnung, den Ludwig XIV. 1671 ausschreiben ließ.86 Vielleicht für diesen Wettbewerb entwarf Charles Le Brun eine französische Säulenordnung, die im Grunde nichts anderes ist als eine Paraphrase von Fréarts Salomonischer Variante der Korinthia mit allen typischen Merkmalen: Verbindung von korinthischer Säule mit dorisierendem Gebälk (mit Konsolen in der Art von Triglyphen) und Imitation der Elemente von Palmen; hier ist sogar der Säulenstamm wie bei einer Palme gebildet und damit die Entstehung der Ordnung im Orient unterstrichen (Abb. 19).87
19 Charles Le Brun, Entwurf einer französischen Ordnung. Paris, Louvre
Für Spanien bedeutete das Motiv des Granatapfels, das zu den Salomonischen Säulen gehörte, mehr als reine Dekoration. Seit der Eroberung von Granada (1492), die damals als Befreiung des Abendlandes von den Ungläubigen gefeiert wurde, gehörte es zum spanischen Wappen. Das mag ein Grund dafür sein, dass Villalpando die Gestalt des Gebälks der Salomonischen Ordnung als "dispositio malorum granatorum" bezeichnet hat. Hanno-Walter Kruft kommentiert dazu unter Bezug auf die Medidas del Romano, die Diego de Sagredo 1526 in Toledo publizierte:
Man geht wohl kaum zu weit, wenn man hier einen Rückgriff auf Sagredos national-spanisch verstandene Baluster-Ordnung sieht, die ebenfalls aus dem Granatapfelbaum abgeleitet war. Auf diese Weise läßt sich die Salomonische Ordnung zugleich als spanische Ordnung verstehen.88
In Spanien wurde Villalpando von allen einschlägigen Theoretikern rezipiert, oft auch in Mitteleuropa, in Frankreich, Deutschland oder den Niederlanden. Zwar wurden Varianten eingeführt, wie die Ableitung der Salomonischen Säulenordung von Palmen oder deren Identifizierung wieder mit den gewundenen Säulen der Peterskirche. Aber der schon von Blum vertretene Kern des Geschichtsbildes, die Ableitung der Säulenordnungen und damit der guten Architektur von Salomos Tempel, wurde beibehalten, wenn der Ursprung nicht noch weiter vorverlegt wurde. Sogar die Säulenordnungen von konkreten römischen Bauten wurden auf Salomos Tempel zurückgeführt, so von Villalpando selbst diejenige des Pantheons oder von Fréart de Chambray die des Titusbogens, also ausgerechnet jenes Bogens, der zum Zeichen des Sieges über Israel errichtet und nach Serlio zum Zeichen des Triumphs von Rom über die Welt mit der Komposita ausgestattet worden war. Im Unterschied zu Serlio meint Fréart, der Architekt habe zeigen wollen, dass er die "göttliche Architektur von Salomos Tempel" gründlich studiert habe.89
Italien reagierte dagegen meist ablehnend auf Villalpando. Von mehreren Seiten wurde sogleich versucht, ihn zu widerlegen: Der Architekt Vincenzo Scamozzi bekräftigte 1615 Albertis Geschichtsbild. Eine gründliche Durchsicht der historischen Quellen führte ihn zu dem Schluss, die Säulenordnungen seien vor den Griechen nie erwähnt worden.90 Die Ägypter hätten zwar Pfeiler, aber keine eigentlichen Säulenordnungen gekannt. Salomos Tempel dient bei Scamozzi nur als Beispiel für gute Proportionen und als Argument gegen Puristen für aufwendiges Bauen.91 Der lombardische Kirchenhistoriker Agostino Tornielli hielt Villalpando 1609 entgegen, bei den Hebräern sei der Baustil zur Zeit Salomos ebenso weit von der guten Architektur der griechisch-römischen Antike entfernt gewesen wie der Stil, der vor zweihundert Jahren oder mehr in den "Regionen Germaniens" geblüht habe, also die in Italien verschriene "Gotik".92
Als Fazit ergibt sich für die Exempla arcuum: Wie der italienische Einfluss inzwischen die französische Kultur prägte, so hielt sich auch Ducerceau an die Leitlinie, der Antike zu folgen. Mit der Eliminierung der beiden italischen Ordnungen löste er aber die Säulenordnungen aus ihrer Bindung an Italien. Die Einführung der salomonischen Ordnung hatte als Hinweis auf den frühen Beginn der guten Architektur im Orient die Konsequenz, dass keine Nation des Abendlandes allein, auch nicht Italien, den Anspruch erheben konnte, den Primat in der Architektur zu besitzen.
Architekturtheorie und Geschichtskonstruktionen in der Renaissance
Der Blickwinkel, unter dem die Architekturgeschichte betrachtet wurde, hing zusammen mit den Vorstellungen vom Ablauf der Geschichte im Allgemeinen. Dieser Aspekt sei noch kurz angesprochen, um den historischen Standort der Exempla arcuum zu charakterisieren. Viele Länder und Städte Europas wetteiferten darin, sich eine altehrwürdige Geschichte zu konstruieren, so auch Frankreich oder Deutschland.93 Diese Bemühungen waren wie die Einrichtung des Kanons der Säulenordnungen nicht allein von abgeklärtem wissenschaftlichem Streben getragen, sondern auch patriotisch motiviert.
Eine Version von Legenden führt trojanische Heroen als Gründungsväter auf.94 Spini übertrumpft das noch mit seiner Behauptung, die Toskaner hätten Troja gegründet. Eine andere Richtung betrachtete die Babylonier als Gründer des dritten Gallien (die Region etwa vom Rhein bis nahe Paris). Demnach floh der Sohn des babylonischen Königs Tribeta 1.300 Jahre vor der Gründung Roms vor seiner Stiefmutter Semiramis, die unrechtmäßig die Macht in Babylon an sich gerissen hatte; er gelangte an den Rhein, gründete Trier und danach viele weitere Städte. Diese Legende war im Mittelalter aufgekommen und wurde in der Renaissance weiter ausgesponnen.95 Sie erhielt neue Nahrung durch Annio da Viterbos Fälschung der Chronik des chaldäischen Historikers Berosus, die von der Urgeschichte der Menschheit berichtet (1498).96 1511 erschien eine französische Übersetzung davon. Demnach hatten die Babylonier schon lange vor den Griechen Philosophie und Gesetzgebung, "bonas artes" und "studia litterarum" entwickelt. Annio orientierte sich nicht nur an den antiken Berichten über Babylon, er griff auch die alte Gründungslegende von Trier auf, die in Italien längst bekannt war.97 Die Babylonier brachten angeblich ihre Kultur in den Norden, als sie an den Rhein kamen.98 So erhielt der Norden eine kulturelle Frühgeschichte, die lange vor die Zeit der Griechen und Römer zurückreicht.
In Italien stieß Annios Fälschung auf etliche Zweifel, doch nördlich der Alpen wurde sie mit Begeisterung aufgenommen. Jean Lemaire de Belges schickt seinem Bericht über die Frühgeschichte des dritten Gallien eine scharfe Attacke gegen die Zweifel von italienischen oder anderen Historikern voraus, "trop envieux, scrupuleux et facheux, comme il en est assez, qui cuident estre maistres de histoires".99 Er ist davon überzeugt, dass "de toute ancienneté la fleur de la noblesse d'Asie sest venue rendre en Europe, mesmement en Gaule: dout elle nha depuis bougé: ainçois sy est toujours multipliee de plus en plus, comme il appert."100 Der Pariser Literat Gilles Corrozet, Übersetzer von Werken Albertis ins Französische, teilte Lemaires Meinung und hielt dementsprechend die uralten Gründungen der französischen und rheinischen Städte im Einzelnen fest (1538). In seinen Paris-Führer (1533) fügt er eine Ode auf die französische Hauptstadt ein und vergleicht sie wegen der Großartigkeit ihrer Bauten mit Konstantinopel, Athen und Troja. Rom übergeht er. In der Renaissance war mehr die Rede vom babylonischen Erbe Triers als davon, dass dort einst römische Kaiser residierten. Wie hoch entwickelt die Architektur im Norden schon war, konnten aus dieser Warte die antiken Monumente in Trier beweisen, da sie als babylonische Werke galten.
Angeregt durch die großgriechische Kolonie von Marseille, besann man sich in Frankreich zudem auf die Verbindung mit den Griechen. Wer die babylonische oder trojanische Vorgeschichte annahm wie Lemaire, hielt die Franzosen für Gründer von Kolonien in der Ägäis und für Kulturboten dort. Die Franzosen sollen den Griechen sogar ihre Sprache gebracht haben.101 Später sah man eher die großgriechische Kolonie von Marseille als Ursprung für das geistige Leben im eigenen Land an.102 Die Griechen brachten demnach die Kultur ins Land; die Römer, die es später eroberten, hieß es, plünderten es aus.
Bildnachweis
Abb. 1, 14, 15
Bibliothek ETH Zürich. Foto: Hubertus Günther
Abb. 2-8, 18
Bibliothèque nationale de France, Paris. Foto: Hubertus Günther
Abb. 9
Reprod. nach: Antonio Pinelli, Hg., La Basilica di San Pietro in Vaticano, Vol. II, Modena 2000, 941, Nr. 1270.
Abb. 10, 12, 13
Privatbibliothek. Foto: Hubertus Günther
Abb. 11
Reprod. nach: François Avril, Hg., Jean Fouquet. Peintre et enlumineur du XVe siècle, Ausst.kat., Paris 2003, 325, Nr. 34, t. I.
Abb. 16
© Uwe Letzel, www.leipzig-sachsen.de; mit freundlicher Genehmigung des Fotografen.
Abb. 17
Privatarchiv. Foto: Hubertus Günther
Abb. 19
Reprod. nach: Johannes Langner, "Zum Entwurf der französischen Ordnung von Le Brun", in: Margrit Lisner und Rüdiger Becksmann, Hg., Kunstgeschichtliche Studien für Kurt Bauch zum 70. Geburtstag, München/Berlin 1967, 233-240, hier 234, Abb. 1.
1 Juan Bautista Villalpando und Jerónimo del Prado, In Ezechielem explanationes et apparatus urbis ac templi Hierosolymitani, Rom 1596-1604, Bd. 2, 420 f., cap. 2.5.17-24; Hans-Wolfgang Schmidt, Die gewundene Säule in der Architekturtheorie von 1500 bis 1800, Stuttgart 1978; Bernd Vogelsang, "Archaische Utopien": Materialien zu Gerhard Schotts Hamburger "Bühnenmodell" des Templum Salomonis, Diss. Köln 1981; Paul von Naredi-Rainer, Salomos Tempel und das Abendland. Monumentale Folgen historischer Irrtümer, Köln 1994, 139-154; Stefania Tuzi, Le colonne e il tempio di Salomone. La storia, la leggenda, la fortuna, Rom 2002; Besprechung Jorge F. Santos, in: Annali di Architectura 15 (2003), 267-270; William J. Hamblin und David R. Seely, Salomos Tempel. Mythos und Geschichte des Tempelberges in Jerusalem, Stuttgart 2007.
2 Erik Forssman, Säule und Ornament, Upsala 1956, 203-213; Hanno-Walter Kruft, Geschichte der Architekturtheorie von der Antike bis zur Gegenwart, München 1985, 249-253; Zur Entwicklung der Säulenlehre im weiteren historischen Zusammenhang vgl. Hubertus Günther, Was ist Renaissance? Eine Charakteristik der Architektur zu Beginn der Neuzeit, Darmstadt 2009.
3 Jacques Androuet du Cerceau, Quinque et viginti exempla arcuum …, Orléans, s.n., 1549. Die Serie ist vollständig digitalisiert im Internet zugänglich unter http://architectura.cesr.univ-tours.fr/Traite/Images/INHA-4R1475Index.asp (Einstieg: http://architectura.cesr.univ-tours.fr/Traite/Auteur/Androuet_du_Cerceau.asp?param=) (Zugriff am 13.12.2010).
4 Heinrich von Geymüller, Les Du Cerceau. Leur vie et leur oeuvre, Paris/London 1887, 186-191, 302 ff., Fig. 21 f., 62. Beiläufig erwähnt als "Stichwerk über römische Triumphbögen" in Kruft, Geschichte der Architekturtheorie, 133. Eine der Bögen mit Salomonischer Ordnung ist kommentarlos abgebildet bei Tuzi, Le colonne e il tempio di Salomone, 229 (Abb. 50). Ebenfalls ohne Kommentar zu den Säulenordnungen: David Thomson, Renaissance architecture. Critics, Patrons, Luxury, Manchester 1993, 25 f. Siehe auch Frédérique Lemerle, "Jacques Androuet du Cerceau et les antiquités", in: Journal de la Renaissance 2 (2004), 135-144; mit Hinweis auf die Bedeutung für die Säulenlehre: Hubertus Günther, "Du Cerceau et l'Antiquité", in: Jacques Androuet du Cerceau, hg. Jean Guillaume und Peter Fuhring, Paris 2010, 75-90.
5 Titusbogen, Septimius Severus-Bogen, Konstantinsbogen, Trajansbogen Benevent, Trajansbogen Ancona, Augustusbogen Susa, Sergierbogen Pola, Gavierbogen Verona, Porta Aurea in Ravenna.
6 Maurice Scève, La magnificence de la superbe et triumphante entrée de la noble & antique cité de Lyon, Lyon 1549, 15r-16r. Text und Illustrationen digitalisiert zugänglich unter http://architectura.cesr.univ-tours.fr/Traite/Notice/ENSBA_LES535.asp?param= (Zugriff am 13.12.2010). Vgl. dazu Monique Chatenet, "Entrée de Henri II et de Catherine de Médicis à Orléans: Les arcs de triomphe éphémères de Jacques Androuet du Cerceau", in: Reibungspunkte. Ordnung und Umbruch in Architektur und Kunst. Festschrift für Hubertus Günther, hg. Hanns Hubach et al., Petersberg 2008, 27-32.
7 "Iacobus Androuetius du Cerceau. Lectoribus .s. En vobis candidi lectores et architecturae studiosi quinque et viginti exempla arcuum partim a me inventa, partim ex veterum sumpta monumentis tum Romae tum alibi etiamnum extantibus: ut inscriptio sua cuiusque arcus indicabit. Et quemadmodum in antiquis arcubus easdem columnas, easdem coronas, eadem epistylia, eundemque ornatum secutus sum: ita a me excogitatos quam proxime ad antiquorum rationem et simmetriam iuxta suum cuiusque genus expressi. Quo fit ut omnes aedificandi studiosi nullum in hoc libro genus arcuum desiderent. Hunc nostrum laborem et industriam adiuvandis vestris ingeniis dedicatam quaeso boni consulite. Aureliae 1549."
8 François Avril, Hg., Jean Fouquet. Peintre et enlumineur du XVe siècle, Ausst.kat., Paris 2003, 207, Nr. 24; 325 f., Nr. 34, t. I, II.
9 Paris, Musée du Petit Palais, Collection Dutuit 0188; von Geymüller, Les Du Cerceau, 110-111, "Receuil F"; Guillaume und Fuhring, Jacques Androuet du Cerceau, 328.
10 Flavius Josephus, De bello judaico 5.5.1-6 (Tempel des Herodes); ders., Antiquitates judaicae 8.3 (Salomonischer Tempel), 15.11.1-7 (Neubau des Herodes). Vgl. Theodor A. Busink, Der Tempel von Jerusalem von Salomo bis Herodes, Leiden 1970-1980, 20-44.
11 Tuzi, Le colonne e il tempio di Salomone, 90-93, 154 ff.
12 Albrecht von Scharfenberg, Jüngerer Titurel, Bd. 1, hg. Werner Wolf, Berlin 1955, Str. 366 f., 398; Bianca Röthlisberger, Die Architektur des Gralstempels im jüngeren Titurel, Berlin 1917, 37.
13 Tuzi, Le colonne e il tempio di Salomone, 154-169, 176 f.
14 Antonio Averlino detto il Filarete, Trattato di architettura, hg. Anna Maria Finoli und Liliana Grassi, Mailand 1972, 219; Luca Pacioli, De divina proportione 1.8, Venedig 1509, 30r.
15 Villalpando, In Ezechielem explanationes …, Bd. 2, 570.
16 Villalpando, In Ezechielem explanationes …, Bd. 2, 574.
17 Naredi-Rainer, Salomos Tempel und das Abendland, 59-66.
18 Vgl. z. B. Hubertus Günther, "Die Vorstellungen vom griechischen Tempel und der Beginn der Renaissance in der venezianischen Architektur", in: Paul von Naredi-Rainer, Hg., Imitatio. Von der Produktivität künstlerischer Anspielungen und Missverständnisse, Berlin 1990, 104-143; Günther, Was ist Renaissance, 180-194.
19 1. Könige 7.6; Johannes 10.22.; Acta 3.11, 5.12; Flavius Josephus, Antiquitates judaicae 20.9.7, vgl. 8.3.9; Busink, Der Tempel von Jerusalem von Salomo bis Herodes, 1198 ff.
20 Vitruv, De architectura libri decem, 4.1.12 und 4.7. Digitalisate verschiedener Vitruv-Ausgaben unter http://www.ub.uniheidelberg.de/helios/fachinfo/www/kunst/digilit/architektur/vitruvius.html (Zugriff am 13.12.2010).
21 Plinius, Naturalis historia 36.178.
22 Sebastiano Serlio, Il quarto libro, Venedig 1537.
23 Jacomo Barozzi da Vignola, Regola delli cinque ordini d'architettura, Rom 1562, Taf. 31.
24 Leon Battista Alberti, De re aedificatoria 7.9 und 9.1, hg. Giovanni Orlandi und Paolo Portoghesi, Mailand 1966, 602 f., 784 ff.; Vincenzo Scamozzi, L'Idea della architettura universale, Venedig 1615, Teil 2, 171 (6.35).
25 Serlio, Liure extraordinaire …, Descriptions des vingt portes de l'ordre délicat, f. A6, § XII.
26 Tuzi, Le colonne e il tempio di Salomone, 169-177.
27 Kruft, Geschichte der Architekturtheorie, 140-142.
28 Roland Fréart de Chambray, Parallèle de l'architecture antique avec la moderne, Paris 1650, 2, 4 (Vorwort), 7, 98 (cap. 1, cap. 6). Ein vollständiges Digitalisat ist zugänglich über Europeana: http://www.europeana.eu/portal/record/03504/6BD73E1DEBBBAD2F1FFDABB44507FDC0916BDEB1.html, oder direkt unter http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k856532.r (Zugriff am 13.12.2010).
29 Fréart de Chambray, Parallèle de l'architecture antique avec la moderne, 60 (cap. 26).
30 Fréart de Chambray, Parallèle de l'architecture antique avec la moderne, 60, 70 (cap. 26, 30).
31 Fréart de Chambray, Parallèle de l'architecture antique avec la moderne, 70 (cap. 30).
32 Hans Blum, Quinque columnarum exacta descriptio / Von den fünff Sülen grundtlicher Bericht, Zürich 1550, Vorwort, nicht paginiert [S. 2].
33 Die Serie wurde von dem Zürcher Formschneider Rudolf Wyssenbach 1545 kopiert; die Zürcher Verleger Jakob und Tobias Gessner ließen Wyssenbachs Serie überarbeiten und ergänzen. Seit 1579 wurde sie oft als Anhang zu Blums Säulenbuch publiziert. – Vgl. dazu von Geymüller, Les Du Cerceau, 304-306; Ernst von May, Hans Blum von Lohr am Main. Ein Bautheoretiker der deutschen Renaissance, Diss. Zürich 1910, 61-67; Paul Leemann-van Elck, "Der Zürcher Drucker Rudolf Wyssenbach", in: Der Schweizer Sammler und Familienforscher 10, Nr. 6 (1936), 125-129, 153-184.
34 "Die Chaldäer plündern den Tempel", "Die Chaldäer rauben die Säulen Jachin und Boaz", "Titus zerstört den Tempel". Vgl. von Naredi-Rainer, Salomos Tempel und das Abendland, 80, Abb. 34, und für andere Darstellungen der Säulen 149, Abb. 103, 152, Abb. 107, 159, Abb. 115, 160, Abb. 116.
35 Die Rekonstruktion des Nikolaus von Lyra findet sich schon in den mittelalterlichen Abschriften der Postillen: Teresa Laguna Paúl, Postillae in veteris et novum testamentum de Nicolás de Lyra, Sevilla 1979, 113; Filipe Pereda, "Le origini dell'architettura cubica: Alfonso de Madrigal, Nicola da Lira e la querelle salomonista nella Spagna del Quattrocento", in: Annali di Architettura 17 (2005), 21-52, bes. 44. Und ebenso in den Drucken aus der Renaissance: von Naredi-Rainer, Salomos Tempel und das Abendland, 149.
36 Flavius Josephus, Antiquitates judaicae 15.11.5; Busink, Der Tempel von Jerusalem von Salomo bis Herodes, 1198-1200.
37 Villalpando, In Ezechielem explanationes …, Kap. 2.5.23.
38 1. Könige 6.29, 32, 35; 7.15 ff., 19, 22. Chronik 3.15-17; 4.12-14. Ezechiel 40.22, 26, 30, 34, 37; 41.18, 25, 26. Flavius Josephus, Antiquitates judaicae 8.3.3-4.
39 Alberti, De re aedificatoria 6.3.
40 Giannozzo Manetti, "Oratio ad clarissimum equestris ordinis virum angelum acciaiolum de secularibus et pontificalibus pompis in consecratione basilicae Florentinae habitis incipit feliciter", abgedruckt als Anhang zu Eugenio Battisti, "Il mondo visuale delle fiabe", in: Enrico Castelli, Hg., Umanesimo e Esoterismo, Mailand 1960, 310-320, hier 311; Torgil Magnuson, Studies in Roman '400 architecture, Stockholm 1958, 351-362; Tiberio Alfarano, De basilicae Vaticanae antiquissima et nova structura, hg. Michele Cerrati, Città del Vaticano 1914, 6; Antonio Foscari und Manfredo Tafuri, L'armonia e i conflitti. La chiesa di San Francesco della Vigna nella Venezia del Cinquecento, Turin 1983, 208-212; Günther, Was ist Renaissance?, 231-240.
41 Antonio Manetti, Vita di Filippo Brunelleschi, hg. Domenico Di Robertis und Giuliano Tanturli, Mailand 1976, 71-76.
42 Gherardo Spini, "I tre primi libri sopra l'istituzioni de' greci et latini architettori intorno agl'ornamenti che convengono a tutte le fabbriche che l'architettura compone", hg. Cristina Acidini, in: Franco Borsi et al., Hg., Il Disegno Interrotto. Trattati Medicei d'Architettura, 2 Bde., Florenz 1980, Bd. I, 11-201, hier 56 f.
43 Blum, Von den fünff Sülen, Widmung. Die Orthographie des Zitats wurde behutsam modernisiert. Die Passage findet sich im selben Wortlaut auch in der Ausgabe Hans Blum, V Colvmnae: Das ist Beschreibung unnd Gebrauch der V. Säulen ..., Zürich 1596. Diese Ausgabe enthält auch den oben (Fn. 33) erwähnten Anhang. Ein Digitalisat der Ausgabe ist verfügbar unter: URL: http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/blum1596 (Zugriff am 13.12.2010), URN: urn:nbn:de:bsz:16-diglit-36385.
44 Alberti, De re aedificatoria 2.3, vgl. 10.2. Ed. 1966, 108 f., 882 f. Schriftquellen zu Babylon zusammengestellt bei Eckhard Unger, Babylon. Die heilige Stadt nach der Beschreibung der Babylonier, Berlin/Leipzig 1931, 324-339.
45 Werner Ekschmitt, Die Sieben Weltwunder. Ihre Erbauung, Zerstörung und Wiederentdeckung, 10., überarb. Aufl. Mainz 1996.
46 Hubertus Günther, "Society in Filarete's 'Libro architettonico' between realism, ideal, science fiction and utopia", in: Architettura e Umanesimo. Nuovi studi su Filarete (Arte Lombarda 155, 1), hg. Berthold Hub, Mailand 2009, 56-80.
47 Pablo de Céspedes, Discurso sobre el Templo de Salomón, 1605-06; Tuzi, Le colonne e il tempio di Salomone, 300 f.
48 Strabo, Geographia 16.1.5. Diodor 17. 115. Zu Palmen in Assur und Babylon vgl. auch Alexander Demandt, Über allen Wipfeln. Der Baum in der Kulturgeschichte, Köln/Weimar/Wien 2002, 50 f.
49 Gregorio Trifernate übersetzte: "In ea propter lignorum inopiam ex palmaceis trabibus & columnis aedificia faciunt." Redigierte Version der Erstausgabe von 1469, Basel 1549, n 3r.
50 Gonzalo Fernandez de Oviedo y Valdés, La historia general de las Indias, Sevilla 1535, 59.
51 Joseph F. Lafiteau, Moers des sauvages ameriquains, comparées aux moeurs des premiers temps, 1724, S. 282 f.; Hubertus Günther, "Kult der Primitivität im Klassizismus", in: Von der Geometrie zur Naturalisierung. Utopisches Denken im 18. Jahrhundert zwischen literarischer Fiktion und frühneuzeitlicher Gartenkunst, Tübingen 1999, 62-108.
52 Juan Caramuel de Lobkowitz, Architectura civil recta y obliqua. Considerada y dibuxada en el templo de Ierusalem, Vigevano 1678, 26 ff., Lamina 15.
53 Charles Perrault, Parallèle des anciens et des modernes en ce qui regarde les arts et les sciences, Paris 1668, I, 128-132; Kommentar im Reprint von Hans Robert Jauss, Hg., München 1964, 54 f.
54 Nach moderner Übersetzung waren die Pfosten mit Seilen umwickelt. Aber nach Trifernate: "Circum columnas funes ex torta stipula confectos ponunt ..."
55 Tuzi, Le colonne e il tempio di Salomone, 301.
56 Alois Riegl, Stilfragen. Grundlegungen zu einer Geschichte der Ornamentik, 2. Aufl. Berlin 1923, XV; vgl. auch Wilhelm Worringer, Abstraktion und Einfühlung. Ein Beitrag zur Stilpsychologie (1907), München 2007, 114.
57 Marc-Antoine Laugier, Observations sur l'architecture, La Haye 1765, 116; Francesco Milizia, Principj di architettura civile, Finale 1781; Gustav Wustmann, "Die Nikolaikirche und der Stil Louis seize", in: Aus Leipzigs Vergangenheit, Leipzig 1909, 352-368; Reinhard Wegner, "Gotik und Exotik im Zeitalter der Aufklärung. Der Umbau der Nikolaikirche in Leipzig", in: Richard Wegner, Hg., Deutsche Baukunst um 1800, Köln/Weimar/Wien 2000, 53-63; Heinrich Magirius, "Die Umgestaltung des Innenraums der Nikolaikirche zu Leipzig durch Johann Friedrich Carl Dauthe 1784 bis 1797", in: Gebaute Vergangenheit heute. Berichte aus der Denkmalpflege, Berlin/München 1993, 121-152. Dort (Wegner, 55, und Magirius, 138) werden viele weitere Beispiele für Palmsäulen aufgeführt. Zum architekturtheoretischen Kontext mit der Ableitung der Säulen von Bäumen, allerdings ohne den hier behandelten Aspekt: Joachim Gaus, "Die Urhütte. Über ein Modell in der Baukunst und ein Motiv in der bildenden Kunst", in: Wallraf-Richartz-Jahrbuch 33 (1971), 7-70, bes. 23 ff. Zur zeitgenössischen Reaktion auf die Umgestaltung vgl. Klaus Jan Philipp, Um 1800. Architekturtheorie und Architekturkritik in Deutschland zwischen 1790 und 1810, Stuttgart/London 1997, 67 ff.
58 Demandt, Über allen Wipfeln, Register.
59 Paul Frankl, The Gothic. Literary sources and interpretations through eight centuries, Princeton 1960, 359 f., 363-365, 375 f.
60 The two earliest Masonic Mss.: the Regius MS. <B. M. Bibl. Reg. 17 A 1>, the Cooke MS. <B. M. Add. MS. 23198>, transkrib. und hg. von Douglas Knoop, Gwilym Peredur Jones und Douglas Hamer, Manchester 1938. – Zu den überlieferten Vorläufern vgl. Paul Frankl, The Gothic. Literary Sources and Interpretations through eight Centuries, Princeton 1960, 110-158.
61 Benannt nach Matthew Cooke, der den Text auf der Grundlage der im British Museum befindlichen Handschrift unter dem Titel The history and articles of masonry 1861 erstmals edierte. Enthalten auch in: Knoop, Jones, Hamer, The two earliest Masonic Mss.
62 Cooke-Manuskript, Fol. 24, Z. 572 ff. (Übersetzung des Autors).
63 Tacitus, Historiae 5.5.
64 Rosario Assunto, Die Theorie des Schönen im Mittelalter, Köln 1963.
65 Philibert De L'Orme, Le premier tome de l'architecture, Paris 1567, 3v-4r ("Epistre aux lecteurs"), 134v, Widmung.
66 De Céspedes, Discurso sobre el Templo de Salomón; Juan Ricci, Tratado de la pintura sabia (1659/62) und Epitome arquitecturae de ordine Salomonico integro (1662); Kruft, Geschichte der Architekturtheorie, 253 f.; Stefania Tuzi, Le colonne e il tempio di Salomone, 300-303; Joaquin Bérchez und Fernando Marías, "Fra Juan Andrés de Guevara e la sua architettura teologica", in: Annali di Architettura 14 (2002), 251-279.
67 Guarino Guarini, Architectura civile, hg. Nino Carboneri und Bianca Tavassi La Greca, Mailand 1968, 176.
68 André Félibien, Des principes de l'architecture, de la sculpture, de la peinture, Paris 1699, 22. Die zugehörige Illustration gibt Berninis Säulen, nicht die vermeintlich salomonischen wieder.
69 Denys Hay, "Italy and barbarian Europe", in: Ernest Fraser Jacob, Hg., Italian Renaissance Studies, London 1960, 48-68; vgl. aus kunsthistorischer Sicht etwa Vasaris Kommentar zur französischen Herkunft des Guillaume de Marcillac in Giorgio Vasari, Le vite de' più eccellenti pittori scultori ed architettori, hg. G. Milanesi, Florenz 1878-85, Bd. IV, 417.
70 Michael Hesse, Von der Nachgotik zur Neugotik. Die Auseinandersetzung mit der Gotik in der französischen Sakralarchitektur des 16ten, 17ten und 18ten Jahrhunderts, Frankfurt a. M. et al. 1984.
71 Franco Simone, Il rinascimento francese, Turin 1961, 47-54; Pauline M. Smith, The anti-courtier trend in sixteenth century french literature, Genf 1966.
72 Lionello Sozzi, "La polémique anti-italienne en France au XVIe siècle", in: Atti della Accademia delle Scienze di Torino. Cl. Scienze morali, stor., fil. 106 (1972), 99-190.
73 Étienne Dolet, Orationes duae in Tholosam, Lyon 1533, 98-100; Sozzi, La polémique anti-italienne, 137 f.
74 Hubertus Günther, "Gli ordini architettonici: rinascità o invenzione?", Teil 2, in: Marcello Fagiolo, Hg., Roma e l'Antico nell'arte e nella cultura del Cinquecento, Rom 1985, 272-310.
75 Serlio, Il quarto libro, 61v; Il terzo libro, Venedig 1540, 68.
76 Hubertus Günther, "Begegnung mit Fremden. Die Auseinandersetzung mit griechischer Architektur von der Renaissance bis zum Beginn des Klassizismus", in: Reinhold Baumstark, Hg., Das Neue Hellas, Ausst.kat., München 1999, 149-170.
77 Serlio, Il terzo libro, 94, 100 f.
78 Spini, "I tre primi libri sopra l'istituzioni de' greci et latini architettori", 57 f.
79 Hubertus Günther, Deutsche Architekturtheorie zwischen Gotik und Renaissance, Darmstadt 1988, 97 f.
80 Tacitus, Germania 16; ebenso Strabo, Geographia 7.1.
81 Plinius, Naturalis historia 36.178, gibt das aber nicht an.
82 Yves Pawels, "Les Français à la recherche d'un langage. Les ordres hétérodoxes de Philibert de L'Orme et Pierre Lescot", in: Revue de l'Art 112 (1996), 9-15.
83 De L'Orme, Le premier tome de l'architecture, cap. 7. 12-13; Jean Marie Pérouse de Montclos, "Le sixième ordre d'architecture ou la pratique des ordres suivant les nations", in: Journal of the Society of Architectural Historians 36 (1977), 223-240; Pawels, "Les Français à la recherche d'un langage", 9-15.
84 Günther, Was ist Renaissance?, 77.
85 Salomon de Bray, Architectura moderna ofte Bouwinge van onsen tyt, Amsterdam 1631. Vgl. den Kommentar von E. Taverne zum Reprint Soest 1971.
86 Johannes Langner, "Zum Entwurf der französischen Ordnung von Le Brun", in: Kunstgeschichtliche Studien für Kurt Bauch zum 70. Geburtstag, München/Berlin 1967, 233-240; Dietrich Erben, Paris und Rom: Die staatlich gelenkten Kunstbeziehungen unter Ludwig XIV., Berlin 2004, 331-341.
87 Zu den diversen symbolischen Bedeutungen, die Palmen zugewachsen sind, besonders als Siegeszeichen, vgl. Demandt, Über allen Wipfeln, Register.
88 Kruft, Geschichte der Architekturtheorie, 251.
89 Fréart de Chambray, Parallèle de l'architecture antique avec la moderne, 102 (cap. 6).
90 Scamozzi, L'Idea della architettura universale, Teil 2, 102 f., 119 (6.24, 27).
91 Scamozzi, L'Idea della architettura universale, Teil 2, 5, 15 (6.2, 5).
92 Agostino Tornielli, Annales sacri et profani ab orbe condita ad eundem Christi passione redemptum ..., Mailand 1609, 6; Vogelsang, Archaische Utopien, 187.
93 Walter E. Stephens, Giants in those days. Floklore, ancient history and nationalism, Lincoln 1989; Roy Porter und Mikuláš Teich, Hg., The Renaissance in National Context, New York 1992.
94 Georg Huppert, The idea of perfect history. Historical erudition and historical philosophy in Renaissance France, Urbana/Chicago/London 1970, 72-87.
95 Ilse Haari-Oberg, Die Wirkungsgeschichte der Trierer Gründungssage vom 10. bis 15. Jahrhundert, Bern 1994; Joseph Lemaire de Belges, Œuvres, hg. Jean Stecher, Genf 1969, Bd. 2, 289.
96 Stephens, Giants in those days, 98-138.
97 Enea Silvio Piccolomini, Germania 1.24. In der Literatur zu Annio da Viterbo wird dieser Aspekt, soweit ich sehe, nicht beachtet.
98 Fridrich Gotthelf, Das deutsche Altertum in den Anschauungen des 16. und 17. Jahrhunderts, Berlin 1900, 5 ff.; Wallace K. Ferguson, The Renaissance in historical thought, Boston 1948, 33-37; Frank L. Borchardt, German antiquity in Renaissance myth, Baltimore/London 1971, 89 ff.; Ludwig Krapf, Germanenmythus und Reichsideologie. Frühhumanistische Rezeptionsweisen der taciteischen "Germania", Tübingen 1979, 61-67; Eric Cochrane, Historians and historiography in the italian Renaissance, Chicago/London 1981, 432 ff.
99 Lemaire de Belges, Œuvres, Bd. 2, 272; Frédérique Lemerle, La Renaissance et les antiquités de la Gaule, Turnhout 2005, 51 f.
100 Lemaire de Belges, Œuvres, Bd. 1, 67.
101 Eugenio Garin, "Die Kultur der Renaissance", in: Propyläen Weltgeschichte VI: Renaissance, Berlin/Frankfurt a. M. 1965, 440 f.; Wolfger A. Bulst, "Hercules Gallicus, der Gott der Beredsamkeit. Lukians Ekphrasis als künstlerische Aufgabe des 16. Jahrhunderts", in: Ulrich Pfisterer und Max Seidel, Hg., Visuelle Topoi. Erfindung und tradiertes Wissen in den Künsten der italienischen Renaissance, München/Berlin 2003, 61-121.
102 Suzanne Trochmé Sweany, Estienne Pasquier (1529-1615) et nationalisme littéraire, Paris und Genf 1985, bes. 46-51; Marie-Luce Demonet-Launay, "Pasquier réécrit dans le 'Trévoux'", in: Étienne Pasquier et ses "Recherches de la France", Paris 1991, 35-47.
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