Lubomír Konečný, Georg Franz Buquoy und "La famosissima Notte", RIHA Journal 0016

RIHA Journal 0016 | 08 February 2011

Georg Franz Buquoy und "La famosissima Notte"

Lubomír Konečný

Originally published as:

"Jiří František Buquoy a 'La famosissima Notte'," in: Jiří Kroupa, Michaela Šeferisová Loudová and Lubomír Konečný (eds.), Orbis artium: K jubileu Lubomíra Slavíčka, Brno 2009, 77-83.

Translation initiated by:

Ústav dějin umění AV ČR, v. v. i. / Institute of Art History of the Academy of Sciences of the Czech Republic, Prague

Abstract

In the first half of the 19th century Georg Franz August de Longueval, Count Buquoy (1781-1851) belonged to the leading, but today not very well known personalities of Czech society, science and culture. He authored approximately thirty pieces of writing on various topics, among them a thirteen-pages booklet Worte der Begeisterung vor der Nacht des Correggio (la Notte del Correggio), issued in Prague in 1825. Buquoy's text deals with the painting known as La Notte, painted in 1527-30 by Antonio Allegri, Il Correggio. From September 1746 in Dresden, it has been extolled as one of the most important Renaissance paintings. Buquoy's text has two parts: The "Vorbemerkung" brings standard information about the picture and explains that the poem which constitutes the second part is meant to echo what was executed by the master's brush strokes ("das am Gemälde in des Meisters Pinselstrichen Vollendete, in Worten [...] anzudeuten"). The author tries to convey here his enthusiasm and religious rapture which Correggio's painting woke up in him. The term "Symbol", the key element in Buquoy's poem, comes into it at its close. This term reflects the discussions on allegory and symbol around and after 1800, and the Count used the concept elaborated by Friedrich Schelling in his Philosophie der Kunst. According to Schelling, not only academic or scholarly analysis, but poetic enthusiasm (Begeisterung) as well plays an essential role in the process of understanding the work of art.

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  1. Die Seltenheit der Texte, die in den böhmischen Ländern um 1800 sowohl der bildenden Kunst an sich als auch den einzelnen Künstlern und ihren Werken gewidmet wurden, ist eine gut bekannte Tatsache. Nicht weniger bekannt ist auch, dass die Versuche, diesen Zustand zu ändern, an den Fingern einer Hand abgezählt werden können.1 Um so erfreulicher ist es, mehr oder weniger zufällig einem Text zu begegnen, der 1825 in Prag gedruckt wurde ("Prag: gedruckt in der Sommerschen Buchdruckerey, und in Commission bei G. W. Enders"), dessen Gegenstand – wie in der Überschrift erwähnt – ein Gemälde ist, das damals in Europa zu den bewundertsten Werken gehörte: Worte der Begeisterung vor der Nacht des Correggio (la Notte del Correggio).2 Es handelt sich also um das Gemälde Anbetung der Hirten (Abb. 1), das Antonio Allegri, gen. Correggio (1489-1534) für die Kapelle der Familie Pratonieri (Capella Pratonieri) in den Jahren 1527-1530 in der Kirche San Prospero in der Reggio Emilia malte.3 Eines Nachts des Jahres 1640 ließ der modenaische Herzog Francesco I. d'Este dieses Werk heimlich aus der Kirche in seine Galleria Estense bringen. Von da aus wurde es nach Dresden verkauft, wo es im September 1746 ankam.

1 Antonio Allegri, genannt Il Correggio, Anbetung der Hirten, 1527-30. Dresden, Gemäldegalerie Alte Meister (Abb. entnommen aus: Correggio, Ausst.-Kat. Parma, Milano 2008, S. 201)

  1. Der Text, mit dem ich mich befassen werde, stammt aus der Feder von Georg Franz August de Longueval, Graf von Buquoy, einer der beachtlichsten, heute jedoch in Vergessenheit geratenen Persönlichkeiten des tschechischen gesellschaftlichen, wissenschaftlichen und kulturellen Lebens.4 Er wurde am 7. September 1781 in der Familie eines Kavallerieobersts in Brüssel geboren und siedelte nach der Scheidung seiner Eltern mit dem Vater nach Böhmen um. Als 1803 sein kinderloser Onkel Johann Nepomuk Buquoy, Inhaber des Familienfideikommisses, starb, erbte es Georg Franz, der somit zu einem der reichsten Grundbesitzer Böhmens wurde. Das ermöglichte ihm, sich nicht im Staatsdienst zur Geltung bringen zu müssen, sondern seinen eigenen wissenschaftlichen Neigungen nachgehen zu können, die sich schon während seiner Studienzeit abzuzeichnen begannen. Buquoys Studium in Prag und an der Theresianischen Ritterakademie in Wien zeugen von einer ungewöhnlich breiten Interessenskala, denn er legte in einer ganzen Reihe von technischen und naturwissenschaftlichen Fächern Prüfungen ab. Er widmete sich auch solchen Sachgebieten, die wir heute als Gesellschafts- oder Geisteswissenschaften bezeichnen würden: Philosophie, Literatur, bürgerlichem und kanonischem Recht, Geschichte. Hauptgegenstand seines Interesses war jedoch Mathematik und mit der Zeit auch Volkswirtschaft/Ökonomie. Er publizierte, meistens in eigener Auflage, an die dreißig Schriften, die er dank seinem Reichtum an potentielle Interessenten in ganz Europa verteilen konnte. Auf diese Weise und auf seinen zahlreichen Reisen gelang es ihm, Kontakte zu führenden europäischen Wissenschaftlern wie Alexander von Humboldt, Pierre de Laplace, André Marie Ampère, Johann F. Gauss und Friedrich Schleiermacher aufzunehmen. Ab 1807 stand er auch mit Johann Wolfgang von Goethe in Verbindung.

  2. Georg Franz Buquoy interessierte sich ebenfalls für die Kultur und das Kunstleben in Böhmen und beteiligte sich aktiv daran. Er selbst schrieb Gedichte und versuchte sich auch an einem Roman. Lebenslang war er Mäzen des Verlegers Václav Jan Tomášek; er machte sich um die Gründung des Nationalmuseums in Prag verdient und war dann in dessen Institutionen tätig. Buquoys Verhältnis zur bildenden Kunst betrifft vor allem sein Engagement für die Glasbläserei, insbesondere die Erfindung des Hyaliths – des schwarzen oder roten Kristallglases, das in den Jahren 1820-1860 überwiegend in den Buquoyschen Glashütten hergestellt wurde.5 Lubomír Slavíček hat darüber hinaus kürzlich darauf aufmerksam gemacht, dass Graf Buquoy zu jenen siebzehn Gründungsmitgliedern des Vereins patriotischer Freunde der Kunst gehörte, die in den Jahren 1796-1835 die Möglichkeit wahrnahmen, sich an den Auktionen von Kunstwerken zu beteiligen, die dieser Verein veranstaltete. Er erwarb ungefähr siebzig Gemälde und gehörte somit zu den aktivsten Bietern.6 Hier ist zu bemerken, dass diese Werke nicht Bestandteil seiner Privatsammlungen wurden – soweit er überhaupt eine besaß –, denn der neue Besitzer musste sich jeweils verpflichten, das ersteigerte Werk für zehn Jahre der Vereinsgalerie zu leihen. Buquoys aktiver Anteil an diesen Auktionen hatte also altruistisch-edukativen Charakter, weil diese Sammlung "zukünftigen Künstlern und Kunstliebhabern gute Vorbilder" liefern und so "Liebe zur Schönheit erwecken" sollte.7

  3. Auch der Text, der Gegenstand dieser Zeilen ist, hat einen anderen als nur ästhetischen und rein kunsthistorischen Zweck, wie es zu erwarten wäre, da er einem Gemälde gewidmet ist, das damals als bedeutendstes Malerwerk der europäischen Renaissance angesehen wurde.8 So verherrlichte Luigi Scaramuccia schon im 17. Jahrhundert La Notte als "estremo limite della possibilitá dell'arte".9 Und im folgenden Jahrhundert drückte Charles de Brosses seine Bewunderung des Bildes mit diesen Worten aus:

La nuit de Noel; oh Dieu! quel tableau! je ne puis jamais y songer sans exclamation. Pardon, divin Raphael, si aucun de vos ouvrages ne m'a cause l'emotion que j'ai eue a la vue de celui-ci. Vous avez votre grace a vous, plus noble, plus décente; mais celle-ci est plus séduisante. Vous savez combien je vous admire; l'aissez-moi aimer l'autre de tout mon Coeur.10

  1. Es besteht kein Zweifel, dass Graf Buquoy das Dresdener Original von Correggio kannte. Erwähnt werden sollte aber, dass sich in Böhmen – und zwar in der Sammlung von Fürst Rudolf Colloredo-Mansfeld, heute auf dem staatlichen Schlosss Opočno – eine "qualitätsvolle Werkstattwiederholung" eines Gemäldes von Anton Raphael Mengs befand, das eine der zahlreichen Variationen auf Correggios Meisterwerk ist. Und nicht zuletzt schuf Josef Drda in den Jahren 1812-1813 einen Kupferstich nach dem Gemälde in Opočno (Abb. 2).11

2 Josef Drda nach Raphael Mengs, Anbetung der Hirten, 1812-1813, Kupferstich (Abb. entnommen aus: Slavíček, "Sobě, umění, přátelům", S. 162, Abb. 153)

  1. Buquoy gliederte seine nicht sehr lange, dreizehnseitige Schrift in zwei Teile. Der erste Teil ist eine kurze "Vorbemerkung" (S. 3-4):

Das unter dem Nahmen: la Notte del Correggio, bekannte große Meisterwerk des Antonio Allegri, besitzt die königliche Gallerie in Dresden, wohin es aus Modena kam. Es ist gut erhalten, auf Holz gemahlt, und war anfangs für die Kapelle des heiligen Prosperus zu Reggio bestimmt, nach der Bestellung des Alberto Pratonero, Patron jener Kapelle, von welcher aus das Gemälde dann in die Gallerie der Herzoge von Modena übertragen ward. Lord Pembrok in London besitzt eine alte Handzeichnung, die sehr allgemein für die Originalskizze des Correggio selbst gehalten wird.

Die Nacht des Correggio charakterisirt sich vorzüglich, durch das vom Gottkinde allein ausgehende alles Uibrige erhellende Licht; eine höchst poetische Fiktion, ganz dem rührenden Gegenstande des Gemähldes entsprechend, und, zu gleicher Zeit, von dem hochgeweiheten Künstler auf eine Weise ausgeführt, daß er in dieser originellen Centrifugalbeleuchtung, obgleich sehr vielfältig nachgeahmt, noch unerreicht da steht. – Durch mein Gedicht strebte ich, das am Gemälde in des Meisters Pinselstrichen Vollendete, in Worten nachlassend, blos anzudeuten. –

  1. Der erste Abschnitt dieser "Vorbemerkung" bringt die allgemein gültigen "kunst­historischen" Informationen zu Correggios Gemälde, so wie sie zu der Zeit bekannt waren, in der Buquoys Text entstand. Des Weiteren erhalten wir hier Auskunft über jene vorbereitende Zeichnung, die Lord Pembroke besaß.12 Im folgenden Abschnitt legt Graf Buquoy eine grundsätzliche Charakteristik des Gemäldes von Correggio vor, die auf der Betonung von "eine höchst poetische Fiktion" und "Centrifugalbeleuchtung" basiert, deren Quelle gerade das eben geborene Jesuskind ist. Zu Erklärung fügt er hinzu: "Durch mein Gedicht strebte ich, das am Gemälde in des Meisters Pinselstrichen Vollendete, in Worten, dem Meister nachlassend, blos anzudeuten."

  2. Diese Absicht versuchte Buquoy im eigentlichen Korpus seines Textes, "La Notte del Correggio" (S. 5-13), in Gedichtform zu verwirklichen. Im Unterschied zum Anfang der "Vorbemerkung" finden wir hier keine faktischen Informationen, es handelt sich aber auch um keine evokative Beschreibung des Gemäldes in der traditionellen antiken Ekphrasis. Dieses Gedicht schildert in oft nur schwer zu verstehenden Worten und Sätzen die Begeisterung und den religiösen Eifer, die Correggios Werk beim Autor entfacht. Selbstverständlich fehlt hier nicht der Topos des Schreibens über La Notte: die Bewunderung des Lichts ("das wahrhaftge Licht", "himmlische Licht"), welches das gerade geborene Jesuskind ist.13 Buquoys Werk gipfelt dann in folgenden Versen (S. 12-13):

Dieser, symbolisch zu geben

Strebte, durch Pinsels Gewalt,

Des Erlösungswerks Leben; –

Hier – Correggio erschallt!!!

Ja! du hast uns gegeben,

Durch deines Pinsels Gewalt,

Vom Erlösungswerks-Leben

Hohes Symbol, – echt gemahlt.

  1. Maßgeblich für dieses Gedicht ist also der Terminus "Symbol": Correggios Gemälde ist höchstes Symbol für das Leben und für das Werk des Erlösers. Es besteht kein Zweifel, dass Buquoys Verwendung dieses Terminus die umfassende Diskussion "Allegorie versus Symbol" und schließlich auch die Debatte über das Symbol selbst am Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts reflektiert.14 Während "Allegorie" eine reiche Tradition aufzuweisen hat, die mindestens bis ins klassische Altertum zurückreicht, wurde "Symbol" erst durch Kants Kritik der Urteilskraft von 1790 zu einer Kategorie der philosophischen Ästhetik und verbreitete sich seitdem ungewöhnlich schnell. Die zu jener Zeit geführten Diskussionen zu Themen wie "Was ist ein Symbol?", "Was ist eine Allegorie?" oder "Was für ein Unterschied besteht zwischen beiden?" sind nicht leicht zu resümieren – und das nicht nur, weil sich an ihnen eine ganze Pléiade bedeutender Denker beteiligte (unter ihnen Johann Wolfgang von Goethe, Friedrich Schelling, die Brüder Friedrich und August Wilhelm Schlegel) , sondern auch, weil sie mit oft nur schwer verständlichen Worten geführt wurden. So demonstriert Friedrich Schlegel in einem Brief an Ludwig Tieck am Gemälde von Correggio seine Auffassung von Allegorie und christlicher Kunst:

Am auffallendsten ist die Allegorie in der berühmten Nacht, und der Gedanke derselben erklärt zugleich, was außerdem Verwunderung erregen muß, wie der Maler, der doch sonst Anmut und Schönheit zu kennen und zu lieben zeigt, so ganz häßliche Gestalten habe bilden können, wie die Alte und den bejahrten Hirten im Vordergrunde links. Es wollte der Künstler andeuten, daß das zur Rettung der Menschen bestimmte Kind wie ein göttlich helles Licht in die finstre Nacht der verdorbnen Welt erschienen sei. Um dies auszudrücken ist die einzige Beleuchtung, die man fast allein in diesem Gemälde zu bemerken pflegt, sehr tiefsinnig gewählt, keineswegs aber etwa bedeutungslos nur bestimmt, die Geschicklichkeit des Künstlers im Helldunkel sehen und bewundern zu lassen. Was war in dieser Ansicht der Sache notwendiger, als nicht bloß die Freude über den Glanz der göttlichen Erscheinung aus dem Reiz und dem Lächeln einiger schöner Gesichter und Gestalten zurückleuchten zu lassen, sondern auch die Häßlichkeit der dunkeln Welt, die solch ein errettenden Lichtes bedurfte in einigen Personen zu vergegenwärtigen und in Erinnerung zu bringen? und daß er diese Schlechtigkeit der irdischen Welt vorzüglich als Gemeinheit aufgefaßt hatte, und uns darstellt, darüber müssen wir seinen richtigen Verstand loben. Das und nichts anders ist offenbar die Meinung und die Absicht des Künstlers gewesen. Aber schwerlich werden diejenigen, welche in die Ansicht der Religion da sie ihrem Herzen fremd geworden ist, sich auch nicht einmal mit der Phantasie hinein versetzen können, jemals dahin gelangen, die alten Meister zu verstehen. Jener Gedanke, der in der berühmten Nacht des Correggio ausgedrückt ist, gehört zu den einfachsten und natürlichsten, ja er wird fast nicht fehlen können, wo die christliche Ansicht herrschend ist.15

  1. Von allen Erwägungen und Theorien über das Symbol waren auf ihre Weise jene am radikalsten und deshalb am einflussreichsten, die Friedrich Schelling vertrat – ein Philosoph, an dessen Gedanken sich Graf Buquoy orientierte.16 Schelling knüpfte an Herder, Schiller, Kosegarten und Wackenroder an und entwickelte deren Gedanken weiter und durchdrang sie mit idealistischer Philosophie und Ästhetik. Nach Schelling kann die neue moralische Aufgabe der Kunst nur vermittels einer neuen Mythologie und Symbolik realisiert werden. Hierzu Götz Pochat:

Durch das Symbol kann sich die absolute Idee dem Irdischen mitteilen, […]. Zugleich dient es als Ausdruck des Unendlichen, einer Idee. Im Spannungsfeld von Geist und Materie, Idee und irdischem Dasein, lebt und wirkt das Kunstsymbol. […] Wie bei Plotin offenbart sich das Göttliche in der Materie, uns das Kunstwerk wird in seiner polaren bedingten Gegensätzlichkeit zum Träger der göttlichen Idee, zum Symbol.17

  1. Schellings Philosophie der Kunst, die erstmals 1802 in Jena vorgetragen, aber erst 1859 publiziert wurde, zirkulierte in zahlreichen Manuskripten und war unter Philosophen allgemein bekannt. Schelling machte den ersten Schritt zur modernen Konzeption des Symbols insofern, dass er deutlich zwischen Symbol und Allegorie unterschied – und dass vermittels der Klarstellung des Verhältnisses zwischen individuellem Objekt und allgemeinen Begriffen oder Ideen.18 Von einem Symbol kann dann gesprochen werden, wenn ein spezifisches Objekt auf ein allgemeines Konzept nicht nur alludiert, wie es bei der Allegorie der Fall ist, sondern wenn es gleichzeitig für sich selbst und mit seiner allgemeinen Bedeutung besteht. Symbol heißt also Idee und ist gleichzeitig Idee.

  2. Ich nehme an, auf diese Weise "symbolisch" verstand Buquoy in seinen Worten der Begeisterung Correggios Anbetung der Hirten in Dresden. Die Besonderheit dieses Textes beruht nicht nur auf seiner zweifachen literarischen Form (einführende sachliche Anmerkung in Prosa und die in Versform gefasste Verherrlichung des Gemäldes), sondern auch schon auf der Betitelung: Worte der Begeisterung [...]. Miloš Řezník verwies kürzlich darauf, dass Buquoys "Anschauungen und Theorien des Wissens und der Erkenntnis […] können durch ihren romantisch metaphysischen Charakter recht schwierig interpretierbar, […]" sein.19 Sein Grundgedanke richtete sich vor allem auf den geistigen Charakter der Welt, den einzig "wahren" und deshalb nicht mit den üblichen wissenschaftlichen Verfahrensweisen und Methoden, sondern "nur durch bestimmte Erkenntniswege wie Begeisterung, die geistige Abstimmung, Kontemplation […]" fassbaren.20 Buquoys Oeuvre zeichnet sich deshalb durch die Verbindung von Forschung, Meditation und Dichtung aus. Es ist das Amalgam aus wissenschaftlicher Analyse und poetischer Begeisterung. Gerade "Begeisterung" spielt in seiner Epistemologie eine wesentliche Rolle und ist auch das Schlüsselwort im Titel seines kleinen Werkes über Correggios La famosissima Notte.

Übersetzt von Peter Zieschang

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1 Siehe z. B. Vlasta Dvořáková, "Osvícenci a romantikové," in: Rudolf Chadraba, Josef Krása, Rostislav Švácha und Anděla Horová, Hg., Kapitoly z českého dějepisu umění, Bd. 1: Předchůdci a zakladatelé, Praha 1986, 35-74; Pavla Machalíková, Objevování středověku. Tři kapitoly k recepci gotického umění v Čechách v pozdním 18. a raném 19. století, Praha 2005; Helena Lorenzová, Hra na krásný život. Estetika v českých zemích mezi lety 1760-1860, Praha 2005.

2 Georg Franz August de Longueval, Graf von Buquoy, Worte der Begeisterung vor der Nacht des Correggio (la Notte del Correggio), Prag 1825.

3 Die Bibliographie zu diesem Gemälde ist überaus umfangreich, deshalb siehe wenigstens David Ekserdjian, Correggio, New Haven 1997, 205-217; Birgit Kloppenburg und Gregor J. M. Weber, Hg., La famosissima Notte! Correggios Gemälde "Die Heilige Nacht" und seine Wirkungsgeschichte, Ausst.-Kat. Dresden, Emsdetten/Dresden 2000, 61-62; und neuestens Claudia Steinhardt-Hirsch, Correggios "Notte". Ein Meisterwerk der italienischen Renaissance, München und Berlin 2008. Alle diese Arbeiten enthalten Hinweise auf weitere Literatur. Die Bezeichnung "La famosissima Notte" für Correggios Gemälde tauchte erstmals in der Aufschrift des Stiches auf, den ihr zufolge Angelo Maria Eschini um 1600 schuf . Siehe Weber, "Stationen des Ruhms: 'Die Heilige Nacht' Correggios 1530 bis 1746," in: Kloppenburg und Weber (diese Anm.), 7-16.

4 Zu Buquoys Leben und Werk existiert eine sich rezent vermehrende Literatur, von der die folgenden Arbeiten, die dann noch weitere Literatur anführen, am bedeutendsten sind: E. Hirsch, Graf Georg Buquoy. Ein vergessener Goetheanist, Wien 1975; Margarete von Buquoy, Begegnungen in Böhmen. Goethe, Buquoy, Tomaschek. Wissenschaft, gesellschaftliches Leben und Musik, 2. Ausg., München 1987; Helga Turková, Zapomenutý polyhistor hrabě Jiří Buquoy, Miscellanea oddělení rukopisů a starých tisků 7 (1990), 131-165; Miloš Řezník, "Das romantische Wissenschafts- und Erkenntniskonzept des Grafen Georg von Buquoy," in: Ivo Cerman und Luboš Velek, Hg., Adelige Ausbildung. Die Herausforderung der Aufklärung und die Folgen, München 2006, 241-255; Margarete von Buquoy, "Lebensbild des Grafen Georg von Buquoy (1781-1851)," in: M. Folkerts und G. Michajlov, Georg von Buquoy und die Dynamik der Systeme mit veränderlichen Massen, München 2006, 4-37; Luboš Nový, "K vědeckým zahraničním stykům Jiřího Buquoye (1781-1851)," in: Dějiny vědy a techniky 40 (2007), l-ll; Jiří František, August Buquoy (1781-1851). Vědec, vynálezce a podnikatel, České Budějovice 2008. Für einige weitere Informationen über Buquoy und sein Wirken siehe Rudolf Hais, "Jiří František hrabě Buquoy de Longueval (1781-1851)," in: Výběr 31 (1994), Nr. l, 60-63; Pavel Koblasa, Buquoyové: stručné dějiny rodu, České Budějovice 2002, 29-31.

5 Siehe wenigstens Margarete von Buquoy, Die Glaserzeugung auf der gräflich Buquoyschen Herrschaft Gratzen, München 1980; Helena Brožková, Hg., Buquoyovské sklo v Čechách / Buquoy Glass in Bohemia 1620-1851, Ausst.-Kat. Prag, Praha 2002.

6 Lubomír Slavíček, "Sobě, umění, přátelům": Kapitoly z dějin sběratelství v Čechách a na Moravě 1650-1939, Brno 2008, 153-154.

7 Ibid., 153.

8 Für die "fortuna critica" der Anbetung Correggios siehe Silvia de Vito Battaglia, Correggio: Bibliographia, Roma 1934, und vor allem Carl Gregor Herzog zu Mecklenburg, Correggio in der deutschen Kunstanschauung in der Zeit von 1750 bis 1850. Mit besonderer Berücksichtigung der Frühromantik, Baden-Baden/Straßburg 1970. Eine kurze Anthologie der wichtigsten Texte zu diesem Gemälde hat auch Birgit Kloppenburg für den Katalog La famosissima Notte! zusammengestellt (Anm. 3), 81-87. Ältere Phasen des Schreibens über Correggio analysiert Maddalena Spagnolo, Correggio: Geografia e storia della fortuna critica (1528-2005), Cinisello Balsamo/Milano 2005.

9 Luigi Scaramuccia, Le finezze dei Penelli italiani, Pavia 1674, 181-192. Zitiert nach Battaglia (Anm. 8), 13, Nr. 33.

10 Charles de Brosses, Lettres historiques et critiques sur l'Italie […], Paris [1740], Bd. III, 353-354. Zitiert nach Kloppenburg (Anm. 8), 84.

11 Slavíček (Anm. 6), 155 u. 162, Abb. 148 u. 153. Zu Mengs vgl. Steffi Roettgen, Anton Raphael Mengs 1728-1779, Bd. I: Das malerische und zeichnerische Werk, München 1999, 51, Kat.-Nr. WK 6; auch Gregor J. M. Weber, "Ein Ehrenplatz in Dresden: 'Die Heilige Nacht' Correggios 1746 bis 1816," in: La famosissima Notte! (Anm. 3), 45-58 (54-55), und ibid., 77, Kat. Nr. 18.

12 Diese Information brachten Richardson, Pere et Fils, Traité de la peinture et de la sculpture divisé en trois tomes, Amsterdam 1728, Bd. III, 676. Siehe Battaglia (Anm. 8), 21-22. Zu dieser Zeichnung siehe auch Arthur E. Popham, Correggio's Drawings, London 1957, 163-164, Kat.-Nr. 72, Taf. XXXVI; Weber (Anm. 3), 11-12 u. 16, Anm. 17; Lucia Fornari Schianchi (Hg.), Correggio, Ausst.-Kat. Parma, Milano 2008, 361, Kat.-Nr. IV.34 und 407-408 (Angelo Loda).

13 Vgl. Birgit Kloppenburg, "Das Licht in Correggios Notte," in: La famosissima Notte! (Anm. 3), 25-31, die bei dieser Gelegenheit Wolfgang Schönes Terminus "sakrales Leuchtlicht" verwendet. Die Bewertung von Correggios Kolorit und Helldunkel diskutiert eingehend Steinhardt-Hirsch (Anm. 3), 268-269.

14 Siehe wenigstens C. Müller, Die geschichtlichen Voraussetzungen des Symolbegriffs in Goethes Kunstanschauung, Leipzig 1937; Liselotte Dieckmann, "Friedrich Schlegel and Romantic Concepts of the Symbol," in: The Germanic Review 34 (1959), 276-283; Bengt Algot Sörensen, Symbol und Symbolismus in den ästhetischen Theorien des 18. Jahrhunderts und der deutschen Romantik, Kopenhagen 1963; Gunnar Bereflt, "On 'Symbol' and 'Allegory'," in: Konsthistoriska studier tillägnada Sten Karling, Stockholm 1966, 321-340 (auch in: Journal of Aesthetics and Art Criticism, 27 (1969), 201-212); Bengt Algot Sörensen, Allegorie und Symbol: Texte zur Theorie des dichterischen Bildes im 18. und frühen 19. Jahrhundert, Frankfurt a. M. 1972; Michael Titzmann, Strukturwandel der philosophischen Ästhetik 1800-1880. Der Symbol-Begriff als Paradigma, München 1978; Günter Niklewski, Versuch über Symbol und Allegorie (Winckelmann – Moritz – Schelling), Erlangen 1979; idem, "Symbol und Allegorie," in: Manfred Lurker, Hg., Beiträge zu Symbol, Symbolbegriff und Symbolforschung, Baden-Baden 1982, 171-180; Renate Vonessen, "Der Symbolbegriff in der Romantik," ibid., 189-198; Götz Pochat, Der Symbolbegriff in der Ästhetik und Kunstwissenschaft, Köln 1983, 32-52; Ralph Ubl, "Symbol," in: Ulrich Pfisterer (Hg.), Metzler Lexikon der Kunstwissenschaft. Ideen, Methoden, Begriffe, Stuttgart/Weimar 2003, 340-348.

15 Friedrich Schlegel, Ansichten und Ideen von der christlichen Kunst, hg. Hans Eichner, München/Zürich 1958, 24 (Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe, hg. Ernst Behler et al., Bd. 4). August Wilhelm Schlegel schrieb sogar ein Sonett "Christi Geburt" über Correggios Notte und publizierte es 1799 in der Zeitschrift Atheneum, 140-143. Zu diesen Texten siehe Herzog von Mecklenburg (Anm. 8), 39-42 und 86-87; Weber (Anm. 11), 56; Steinhardt-Hirsch (Anm. 3), 266-267.

16 Pochat (Anm. 14), 33-35. Siehe Friedrich Schelling, "Philosophie der Kunst," in: Sämtliche Werke, Stuttgart 1859, Bd. 5, 354-472.

17 Pochat (Anm. 14), 33-34.

18 Dieckmann (Anm. 14), 277-278.

19 Řezník (Anm. 3), 244. Im folgenden Abschnitt stütze ich mich im Wesentlichen auf Řezníks tiefgreifende Analyse und zitiere daraus wiederholt.

20 Vgl. auch Buquoys Schrift Anregungen für philosophisch-wissenschaftliche Forschung und dichterische Begeisterung, Leipzig 1825 (2. Ausg. 1828).

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