Margaret Daly Davis, Vincenzo Scamozzi als Leser der antiken Schriftquellen und Denkmäler: Der Indice copiosissimo zu Sebastiano Serlio, RIHA Journal 0059

RIHA Journal 0059 | 13 November 2012 | Special Issue Scamozzi

Dieser Beitrag erscheint im Rahmen der Sonderausgabe "Vincenzo Scamozzi: Lektüren eines gelehrten Architekten". Die Sonderausgabe geht zurück auf das gleichnamige Kolloquium, das im Juni 2011 am Zentralinstitut für Kunstgeschichte in München abgehalten wurde.

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Vincenzo Scamozzi als Leser der antiken Schriftquellen und Denkmäler: Der "Indice copiosissimo" zu Sebastiano Serlio

Margaret Daly Davis

Abstract

Already in his early youth Sebastiano Serlio's writings were well-known to Vincenzo Scamozzi. In particular Serlio's third book, dedicated to ancient Roman architecture, and his first two books on geometry and perspective, formed the background to Scamozzi's formation as an architect and theorist. His father Giovan Domenico Scamozzi, a surveyer and architect in Vicenza, played a crucial role in Scamozzi's education. Giovan Domenico compiled the comprehensive index included in Francesco de' Franceschi's new edition of Serlio's Architectura (1584), the "Indice copiosissimo delle cose più degne che si trovano per tutti i sette Libri d'Architettura". Vincenzo edited the index: some entries, those marked by a cross (†) were to be considered of great importance. Other entries, those marked by a comma (,), refer to comments and additions made by Vincenzo. These texts not only testify to Vincenzo's critical involvement with Serlio's works, but also demonstrate his method of reading and interpreting the sources, material and textual. The article investigates the relationship between the comments in the Indice and Vincenzo's own writings: those on the reconstruction of the baths of Diocletian, the Discorso sopra l'antichità di Roma, the Sommarii od estratti da antichi scrittori delle cose che appartengono alle antichità di Roma, as well as his notes in the margins of the treatises of Lucio Fauno and Daniele Barbaro. This provides a significant insight into the methods of research which led to Scamozzi's opus magnum, the L'idea della architettura universale of 1615.

Inhalt


Einleitung

  1. Sebastiano Serlios Schriften waren Vincenzo Scamozzi von jüngsten Jahren an vertraut. (Abb. 1) Das dritte Buch Serlios, in dem antike römische Architektur dargestellt und beschrieben wird, und seine ersten beiden Bücher, über Geometrie und Perspektive, haben den Grund zu Scamozzis Ausbildung als Architekt und Theoretiker gelegt.1 (Abb. 2) Das dritte Buch bot Scamozzi präzis vermessene und erläuterte Darstellungen vieler der wichtigsten antiken Monumente; die ersten beiden Bücher brachten ihm das mathematische bzw. perspektivische Verfahren bei, die Überreste selbst genau aufzunehmen und ihr ursprüngliches Aussehen auf Papier zu rekonstruieren. Die beiden Disziplinen Architektur und Perspektive seien, so Girolamo Porro, Scamozzis "principali professioni",2 und genau dies wird auch in seinem Porträt verdeutlicht.

1 Paolo Veronese (zugeschrieben), Vincenzo Scamozzi, 1580er Jahre. Denver, Denver Art Museum. Nach: Vincenzo Scamozzi 1548-1616, Venedig 2003, S. 526, Abb. A.I

2 Sebastiano Serlio, Il terzo libro, Venedig 1540, Frontispiz. Nach: Sebastiano Serlio, L'architettura. I libri I-VII e Extraordinario nelle prime edizioni, Nachdruck, hg. Francesco Paolo Fiore, 2 Bde., Mailand 2001, Bd. 1, unpag. [I]

  1. Scamozzi genoss zugleich eine hervorragende humanistische Ausbildung und hat sich von jüngsten Jahren an intensiv antiken griechischen und römischen Schriften gewidmet. In seiner Heimatstadt Vicenza dürfte er an der "pubblica scuola" die "bone lettere" studiert haben, und später konnte er diese Interessen im gelehrten Ambiente der Accademia Olimpica fortsetzen.3 Nicht nur die Werke von Vitruv und Frontin hat er als junger Mann eingehend studiert, sondern auch zahlreiche Werke der antiken Historiker, die, wie er es viel später ausdrücken wird, über jene Dinge geschrieben haben, die dazu dienten, das römische Altertum bekannt zu machen: "cose, che servano all'antichità di Roma". Vielleicht dachte er an seine Ausbildungsjahre, als er die zwei Bilder für die Antiporta des 1615 erschienenen Werkes L'idea della architettura universale entwarf. Die beiden Darstellungen, die junge Schüler zusammen mit ihrem Lehrer am Schreibtisch zeigen, wurden neulich als Allegorien der Studien von Mathematik und Disegno und der "buone lettere" gedeutet.4 (Abb. 3, 4 a/b)

3 Vincenzo Scamozzi, L'idea della architettura universale, Venedig 1615, Frontispiz. Vicenza, Biblioteca del Centro Internazionale di Studi di Architettura Andrea Palladio (CISA), CAP C XVII 10 (1,2). Nach: Vincenzo Scamozzi 1548-1616, Venedig 2003, S. 488, Abb. 80.Id

  

4 a / b Lehrer mit Schülern. Details aus dem Frontispiz zu Scamozzis Idea della architettura universale, Venedig 1615. Nach: Vincenzo Scamozzi 1548-1616, Venedig 2003, S. 15, 16

  1. Seine architektonische wie auch seine humanistische Ausbildung verdankte Vincenzo der stetigen Ermutigung seines Vaters, Giovan Domenico (1526-1582), der Landes- und Gebäudevermesser und Baumeister in Vicenza und Umgebung war,5 und er wusste in seinen Veröffentlichungen die Unterstützung des Vaters zu würdigen.6 1578 schickte Giovan Domenico den schon 30 Jahre alten Vincenzo für zwei Jahre nach Rom, um die antiken Monumente zu erforschen. Zugleich sollte Vincenzo seine mathematischen und perspektivischen Kenntnisse bei dem aus Bamberg stammenden Jesuiten Christophorus Clavius am Collegio Romano vervollkommnen.7 (Abb. 5)

5 Francesco Villamena, Christophorus Clavius, Kupferstich, 1606. Wellcome Library, London, ICV No 1338. © Wellcome Images

  1. Auf Rom und seine Monumente war Vincenzo bereits gründlich vorbereitet. Schon im Veneto, vor allem in Verona, hatte er die antike Architektur nicht nur in den Schriften, sondern genauestens an Ort und Stelle erforschen können. Serlio hatte bereits im Terzo libro (1540) das Amphitheater, die Porta de Leoni und den Arco de Gavi in Verona wie auch das römische Theater und den Bogen in Pula gründlich – in Wort und Bild – behandelt.8 Ebenfalls im Jahr 1540 erschien Torello Saraynas Abhandlung und Rekonstruktion des Amphitheaters in Verona.9 Auch die reich kommentierten und illustrierten Vitruv-Editionen von Guillaume Philandrier (1544, 1550) und Daniele Barbaro (1556, 1567) hatte Scamozzi studiert, und er besaß in seiner Bibliothek Exemplare dieser Werke.10 Die in mehreren Ausgaben erschienenen Schriften über die "Antichità di Roma" – von Flavio Biondo, Lucio Fauno, Lucio Mauro und Andrea Palladio – gehörten ebenso zu seinem Arbeitsmaterial und führten ihn in die Topographie der Stadt, die Monumente und ihre Standorte ein. Hinsichtlich der antiken Schriftquellen hatte Vincenzo lange vor seinem Rom-Aufenthalt jene gewaltige Arbeit begonnen, die sich in den Sommarii o Estratti da antichi scrittori delle cose che appartengono alle Antichità di Roma widerspiegeln wird.11 Vincenzos Perspektivstudien hatte er auch schon in Vicenza weit vorangetrieben, bevor er nach Rom fuhr. Grundlegend waren sicherlich die Kommentare von Daniele Barbaro in dessen oben erwähnter Ausgabe von Vitruv (1567) wie auch Barbaros 1569 erschienener Traktat La pratica della prospectiva.12 Wie Barbaro im Vorwort zu Letzterem erklärt, stamme seine perspektivische Arbeit aus seinen Vitruv-Studien.13 Trotz dieser ungewöhnlich gründlichen Vorbereitung war Scamozzi vom Anblick der Ruinen Roms offenbar so überwältigt, dass er (in Anlehnung an Serlio) viele Jahre später schrieb:

Noi possiamo dire con verità, che di alcuna cosa prendessimo giamai maggior ammiratione, e piacere, che non la prima volta, che noi andassimo à Roma; mà la seconda, dove ci trattenessimo qualche tempo, per istudio delle Mathematiche, e delle antichità, allhorache di subito giunti, stando nella costa del Campidoglio, e vedere quella occhiata verso Campo vaccino, et à destra, e sinistra quelle tante rovine vicine, e lontane sino al Coliseo e più oltre, sparse sù per quei colli, dove si veggono tante vestigi di Tempii, Archi Trionfali, et altri edificij: dal che rivenuti in noi, ci rendessimo molto certi delle cose raccontate da gli antichi Scrittori; le quali ci parevano prima, come impossibili, e perciò si può molto ben dire: Quantum Roma fuit, ipsa ruina docet.14

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Die Diokletiansthermen: Chorographia omnium partium

  1. Während seiner römischen Jahre (1578-1589) scheinen die Schriften Serlios, insbesondere das dritte Buch über die Monumente, Scamozzis treueste Begleiter zu sein. Der Libro terzo führte ihn durch die Stadt und informierte ihn; zugleich jedoch wurde er angeregt, die Monumente neu zu befragen und präziser zu erläutern. Dies wird in seinem "Indice copiosissimo" zu Serlios Büchern deutlich. Das erste Ergebnis seiner römischen Studien – die von Mario Cartari gestochene Rekonstruktion der Diokletiansthermen – ist imposant. (Abb. 6, 7, 8)

6 Vincenzo Scamozzi, Rekonstruktion der Diokletiansthermen, gestochen von Mario Cartaro, 1580, 460 x 705 cm. The Resource Collections of the Getty Center for History of Art and Humanities. Nach: Vincenzo Scamozzi 1548-1616, Venedig 2003, S. 190, Abb. 7a

7 Vincenzo Scamozzi, Rekonstruktion der Diokletiansthermen (Abb. 6), Detail

8 Vincenzo Scamozzi, Rekonstruktion der Diokletiansthermen (Abb. 6), Detail

  1. Das sehr große Blatt (460 x 705 mm), heute nur in einem Exemplar bekannt,15 wurde im März 1580, d.h. am Ende seines Aufenthaltes, in Rom gedruckt. Ein Vergleich von Scamozzis Darstellung der Diokletiansthermen mit jener von Serlio (Abb. 9) zeigt die enorme Entwicklung in Vermessungs- wie Darstellungsmethoden, die er vollzogen hat.16 Serlio hatte die antiken Monumente, wie er selbst am Beispiel des Pantheons erklärt, hauptsächlich im orthogonalen Grundriss und in orthogonaler Ansicht dargestellt. Man solle sich nicht wundern, schreibt er, dass er das perspektivische Verfahren nicht angewendet habe, es gehe ihm darum, dass die genauen Maße nicht durch Verkürzungen verloren gingen.17 Scamozzis Chorographia omnium partium ("Beschreibung aller Teile") stellt eine außergewöhnlich genaue und detaillierte perspektivische Rekonstruktion der Diokletiansthermen dar. Die begleitenden Texte, die wie Inschriftentafeln oben auf dem Plan eingefügt sind, berichten über seine Bemühungen, eine perspektivische Ansicht der Thermen zu erstellen, ohne auf Proportion und Symmetrie zu verzichten. So liest man in der linken Aufschrift: "In dieser Beschreibung der Diokletiansthermen, wo Architektur und Perspektive zusammenwirken müssen, habe ich mich angestrengt, mit Können und Fleiß jede Schwierigkeit zu bewältigen (und vielleicht habe ich sie bewältigt), so dass vom Grundriss, vom Aufriss und von den Angaben der Maße her, ein Bild des Ganzen anschaulich wird." ("Quod utilitatem humani generis, difficultati rerum, ambitioni ac voluptati praeponendam semper duxi, factum est, Joannes Corrari Illustrissime, ut in hac descriptione Thermarum Diocletiani, in qua ita sibi invicem respondent Architectura, et Optice, ut in ichnographia, ortographia, et mensuris Scenographia contempletur, arte, et diligentia difficultatem omnem superare [et superarim fortasse] conatus sim: saepe enim fit in optice, ut diligentia, et arte neglecta, opera eurythimia symmetriaque careant.")18

9 Sebastiano Serlio, Rekonstruktion der Diokletiansthermen. Nach: Sebastiano Serlio, L'architettura. I libri I-VII e Extraordinario nelle prime edizioni, Nachdruck, hg. Francesco Paolo Fiore, 2 Bde., Mailand 2001, Bd. 1, Il terzo libro, S. XCVI, XCVII

  1. Scamozzi berichtet weiter über die ursprüngliche Benutzung der Thermen und wie sie technisch funktionierten. Seine knappe Ausführung basiert auf den antiken Quellen: Er nennt Plinius, Tacitus und Vitruv, auch die Briefe Senecas an Lucilius. Er bespricht ferner das Ornament ("Ornamenta infinita fuere") – vor allem die Säulen – und vergleicht einzelne Elemente der römischen Thermen mit jenen, die er selbst in der Umgebung Neapels – in Baia, Trepergole und Pozzuoli – untersucht hat. Somit kommen auch seine eigenen archäologischen Forschungen zur Geltung. In der rechten Aufschrift teilt Scamozzi dem Leser mit, wie er sich mit größter Sorgfalt dem Vermessen aller Gebäude der Stadt Rom gewidmet habe, sowohl der noch bestehenden als auch der noch unter der Erde verborgenen. Im Falle der zum größten Teil zerstörten Diokletiansthermen habe er die erhaltenen Teile mit Großbuchstaben, die nicht mehr erhaltenen, d.h. die von ihm rekonstruierten, mit Kleinbuchstaben bezeichnet. Die notwendigsten Maße habe er angegeben und damit versucht, Verwirrung hinsichtlich der vielen kleinen Gebäudeteile zu vermeiden. Auf diese Weise liefert Scamozzi – im Sinne Serlios – ein genau vermessenes und korrekt proportioniertes Bild der Thermen, wie sie einmal gewesen waren.19

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Discorsi sopra le Antichità di Roma und Scamozzis postillierte Ausgabe von Lucio Faunos Delle antichità della città di Roma

  1. Bald nach seiner Rückkehr ins Veneto wurde Scamozzi vom venezianischen Verleger Girolamo Porro beauftragt, erläuternde Texte zur Publikation der römischen Ansichten von Battista Pittoni zu verfassen. 1582 erschien dieses Werk unter dem Titel Discorsi sopra le Antichità di Roma.20 (Abb. 10)

10 Vincenzo Scamozzi, Discorsi sopra l'antichità di Roma, 1582, Frontispiz. Nachdruck, hg. Loredana Olivato, Mailand 1991

  1. Das erste Kapitel des Werkes berichtet über die Entstehung und Erweiterung der Stadt Rom, "Della edificatione di Roma et del vario accrescimento di quella". (Abb. 11) Scamozzi führt am Ende des Abschnitts die Namen der antiken Autoren an, deren Werke er eingehend studiert hat. Im nachfolgenden ersten Discorso zur Tavola I (Abb. 12) erläutert er eine Ansicht der Stadt, ebenfalls nach den antiken Schriftstellern, die das Forum Romanum, die Curia, sechs Tempel – alle sechs oben im Titel identifiziert –, außerdem die Via Sacra, den Titusbogen und das Colosseum darstellen.21 (Abb. 13)

11 "Della edificatione di Roma". Nach: Vincenzo Scamozzi, Discorsi sopra l'antichità di Roma, 1582 (Abb. 10), fol. B [1] recto

12 "Discorso, nel qual si mostra il Foro Romano"; "Incontri segnati in questa tavola". Nach: Vincenzo Scamozzi, Discorsi sopra l'antichità di Roma, 1582 (Abb. 10), unpag.

13 Stadtansicht Roms mit Forum Romanum, Curia, sechs Tempeln, Via Sacra, Titusbogen und Colosseum. Nach: Vincenzo Scamozzi, Discorsi sopra l'antichità di Roma, 1582 (Abb. 19), unpag.

  1. Die Monumente werden in der Tat ausschließlich nach den "buoni autori antichi" identifiziert und behandelt. Scamozzi setzt sich mit den Schriften von Fabius Pictor, Livius, Sueton, Herodianus und vor allem mit dem späteren Katalog der Regionen von "Publius Victor" auseinander, und er versucht, ein getreues Bild der fortdauernd sich erweiternden Stadt anzubieten. Der erste "Discorso" zeigt eindeutig, wie gut Vincenzo, über die Schriften der antiken Autoren hinaus, auch die Schriften der oben erwähnten modernen Schriftsteller – Biondo, Fauno, Mauro und Palladio – kannte. Die genaue Lokalisierung des römischen Forums zum Beispiel war unter den Antiquaren des 16. Jahrhunderts umstritten: Die Angaben der antiken Autoren waren oft zu knapp und zudem widersprüchlich. Die Auseinandersetzungen hierüber kann man vor allem in den Schriften von Pirro Ligorio und Lucio Fauno verfolgen.22 Sowohl im ersten Kapitel wie auch im ersten Discorso behandelt Scamozzi das Forum und seine Lokalisierung in der Stadt. Unterstützend stand ihm insbesondere Lucio Faunos Delle antichità della città di Roma zur Verfügung. Das Werk wurde 1548, 1549 und 1552 in Venedig veröffentlicht, und auch wenn er die modernen Autoren nicht erwähnt, besaß Scamozzi ein Exemplar des Werkes in seiner Bibliothek. Heute ist das Exemplar – auf dem Titelblatt liest man in Scamozzis Hand: "Dei Libri di Vincenzo Scamozzio" – in der Biblioteca Correr in Venedig aufbewahrt. (Abb. 14)

14 Lucio Fauno, Delle antichità della citta di Roma, Venedig: Tramezzino, 1552, Frontispiz. Exemplar aus der Bibliothek Scamozzis (Museo Correr, Biblioteca, I.1317.3)

  1. Vincenzos zahlreiche, zum Teil knappen, zum Teil ausführlichen Randglossen bestätigen nicht nur seine aufmerksame Lektüre: Sie bieten zudem wichtige Hinweise auf seine Forschungsmethoden. Lucio Fauno behandelt im ersten Buch das allmähliche Wachstum, den "accrescimento" der Stadt Rom nach den Aussagen der antiken Autoren. In seiner Randglosse zu Faunos Rekonstruktion der Stadt zur Zeit des Romulus setzt sich Scamozzi mit Faunos Lokalisierung des Palatins, des Kapitols und des Forum Romanum auseinander. (Abb. 15) Er schreibt am Seitenrand: "Diese stützen sich auf die Autorität des Livius, der schreibt, dass im Krieg gegen die Sabiner die Reiter des Romulus zwischen Palatin und Kapitol bis zum Tor der Stadt Aufstellung genommen hatten, aber vom Kapitol zurückgedrängt wurden." Romulus habe deshalb dem Jupiter Stator einen Tempel geweiht. "Dessen Ort kennen wir", schreibt Fauno weiter, "auch wissen wir, wo das Tor, die alte porta Mugonia, war. Ferner wissen wir durch die Autorität des Dionysius, dass sich das Kapitol bei dem von Romulus und Tatius geschlossenen Frieden in der Stadt befand und das Forum Romanum im Tal." ("Questi si muovono con l'autorità di Livio, che dice che nella guerra con Sabini essendo [arrivati?] quelli di Romolo per cavallo fra il Palatino e Campidoglio fino alla porta, egli perciò votò il tempio a Giove Statore, il quale sapiamo dov'è, e dovè era la porta Mugonia, quella vecchia, et anche dalla autorità di Dionisio il quale dice, che nella pace fatta fra Romolo et Tatio fusse messo il Campidoglio nella città. Et nella valle rimasti posero il Foro".) Hinsichtlich des Laufes der "Strada Flaminia" notiert Scamozzi, "questo si tratta dal'itinerario d'Antonio Pio imp. et altri".

15 Vincenzo Scamozzi, Randglossen zur Stadt Rom zur Zeit des Romulus in Lucio Fauno, Delle antichità della citta di Roma (Abb. 14)

16 Vincenzo Scamozzi, Randglossen zur "Porta Flumentana" in Lucio Fauno, Delle antichità della citta di Roma (Abb. 14)

  1. Viele der Randglossen Scamozzis ergänzen oder verbessern Fauno. Beispielsweise vermerkt er bezüglich der "Porta Flumentana" als Glosse, das Tor habe nie nahe der Flaminia gestanden, sondern mehr in Richtung des Kapitols, und zwar beim antiken Asyl: "La porta flumentana non fu mai dov'è la Flaminia ma piu verso il Campidoglio nell'antico asilo." (Abb. 16) Hinsichtlich des antiken Stadttors "La Trigemina" notiert er weiter unten: "La Trigemina era verso il foro Boario." Was den Altar des Appolinus und den "Tempio de la Speranza" betrifft, schreibt er: "ma avvertisci che allhora la citta e assai picciola, et la porta più in dentro, et percio non puo esser nell'una nell'altra cosa in questo luogo" ("Nota bene, dass die Stadt damals sehr klein war, und das Tor war weiter innen, und deshalb können weder das eine noch das andere der Monumente an dieser Stelle gewesen sein.") (Abb. 17).

17 Vincenzo Scamozzi, Randglossen zum Standort des Altars des Apollinus und des "Tempio della Speranza" in Lucio Fauno, Delle antichità della citta di Roma (Abb. 14)

18 Vincenzo Scamozzi, Randglossen über eigene Erkundungen in Lucio Fauno, Delle antichità della citta di Roma (Abb. 14)

19 Vincenzo Scamozzi, Randglossen zu noch erhaltenen Resten in Lucio Fauno, Delle antichità della citta di Roma (Abb. 14)

  1. Andere Randglossen belegen Scamozzis eigene Erkundungen in situ: "Oggidi vi sono anche molti vestigi de sepolcri et capellete", bemerkt er ("hier sieht man heute viele Reste von Grabmälern und Kapellen") (Abb. 18), oder zu einem Triumphbogen: "et hora è in piede ma attorniato da muro per fortezza." ("er ist noch erhalten, doch ringsum von Stützmauern umgeben.") (Abb. 19) Das postilliertes Exemplar von Delle antichità di Roma in der Biblioteca Correr bestätigt den Quellenwert von Faunos Studien für Scamozzis Ausarbeitung der Discorsi sopra l'antichità di Roma; ferner stellen die Postillen Beispiele seiner "Lesespuren" dar, die wiederum seine Kommentare im Indice copiosissimo der Bücher Serlios erläutern.

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Sebastiano Serlios Tutte l'opere d'architettura (1584): Der Indice copiosissimo delle cose piu degne che si trovano per tutti i sette Libri d'Architettura del Serlio von Giovan Domenico Scamozzi

  1. In den ersten Jahren nach seiner Rückkehr aus Rom und Ansiedlung in Venezien bereitete der Verleger Francesco de' Franceschi Senese eine neue Ausgabe der Architettura des Sebastiano Serlio in einem handlichen Format vor ("in commoda forma"), an der Giovan Domenico und Vincenzo Scamozzi mitgewirkt haben.23 (Abb. 20)

20 Sebastiano Serlio, Tutte le opere di architettura, Venedig 1584, Frontispiz. Exemplar des Zentralinstituts für Kunstgeschichte München mit Postillen Scamozzis, Bibliothek, CA 255/444 R

  1. Das Werk erschien 1584 in Venedig und enthält die sieben Bücher (1) über die Geometrie, ed. pr. Paris 1545, (2) über die Perspektive, ed. pr. Paris 1545, (3) über die antiken Monumente, ed. pr. Venedig 1540, (4) über die Säulenordnungen, ed. pr. Venedig 1537, und (5) über die Tempel, ed. pr. Paris 1547. Es folgt Buch (6), der Libro estraordinario über die Portale, ed. pr. Lyon 1551, der als Ersatz für das noch nicht veröffentlichte sechste Buch über Häuser und Paläste diente, und Buch (7) "nel qual si tatta di molti accidenti, che possono occorer'al Architetto", ed. pr. Frankfurt 1575.24 Vom Verleger wurde ein reichhaltiges Register ("indice copiosissimo") hinzugefügt (Abb. 21), das nach den "considerazioni" (Überlegungen, bzw. schriftlichen Notizen) von Giovan Domenico (†1582) erstellt wurde: "et hora di nuovo aggiunto […] un indice copiosissimo raccolto per via di considerationi da M. Gio. Domenico Scamozzi", steht auf dem Titelblatt.25

21 Giovan Domenico Scamozzi, "Indice copiosissimo", in: Sebastiano Serlio, Tutte le opere di architettura, Venedig 1584. Exemplar des Zentralinstituts für Kunstgeschichte München mit Postillen Scamozzis, Bibliothek, CA 255/444 R

  1. Die Autorschaft Giovan Domenicos wird auch auf der ersten Seite des Registers wiederholt: "Raccolte per via di considerationi da M. Gio. Domenico Scamozzi". Die Eintragungen, liest man ferner, enthalten Seiten- und Zeilenangaben: Die wichtigsten von ihnen sind mit einem Kreuz (†) vermerkt; diejenigen, die mit Kommata (,) gekennzeichnet sind, weisen auf die Meinungen ("opinioni") von Vincenzo Scamozzi, die er zugefügt habe: "Il primo numero mostra la faccia, ò tergo. Il secondo à quanti versi d'essa. La in margine avertisce le cose più gravi, et importanti: et il (,) dove egli hà posto il parere di Messer Vicenzo [sic] Scamozzi."26 (Abb. 22) So habe Vincenzo die Notizen seines 1582 verstorbenen Vaters redigiert, ergänzt und kommentiert.

22 Giovan Domenico Scamozzi, "Indice copiosissimo" (Abb. 21)

  1. Die Paginierung des Werkes läuft durchgängig durch die ersten fünf Bücher;27 das sechste und siebte Buch besitzen jeweils eigene Seitenangaben.28 Die Eintragungen sind alphabetisch geordnet, doch sind einzelne Themen, Personen oder Monumente nicht zusammen gruppiert, sondern, wie in vielen Register der Zeit, über den Index verstreut. In vielerlei Hinsicht ist das Register eine Art "Tavola delle cose notabili". Der besondere Wert, den der Verleger, Francesco de' Franceschi Senese, der Erschließung der Bücher Serlios beigemessen hat, ist durch die Platzierung des Registers am Anfang des Werkes verdeutlicht. So fungiert der Indice copiosissimo von Giovan Domenico, bereichert durch die Bearbeitung Vincenzos, als Überblick über die folgenden Bücher Serlios, dessen Lektüre die Werke – zum Teil in lebhafter Weise – den Lesern nahe bringt und gleichsam zum Weitererkunden ermutigt.

  2. Dem Indice copiosissimo ist ein 1584 datierter Brief des Vicentiner Humanisten Lodovico Roncone an den Verleger, Francesco de' Franceschi Senese, vorangestellt.29 Roncone sei Freund und Nachbar des verstorbenen Giovan Domenico (†1582) gewesen, habe auch Schriften von ihm sowie von Vincenzo in seinem Besitz gehabt. Unter den von Roncone untersuchten Blättern habe sich eine "fatica" (= Schrift) von Giovan Domenico über Serlio gefunden, "auttore di architettura a' suoi tempi molto famoso". Da er, Roncone, von dem Vorhaben des Francesco de' Franceschi, die Bücher Serlios neu herauszugeben, wisse – und auch, das der Verleger plane, das siebte Buch sogar Vincenzo Scamozzi zu widmen –, denke er, diese 'fatica' Giovan Domenicos könne zum allgemeinen Nutzen der Wissenschaftler dieser Profession zugute kommen ("mi sono imaginato, che vi debba esser cara tal fatica, per utilità universale de gli studiosi di tal professione"). Auch wenn Giovan Domenico nicht den Höhepunkt der Vortrefflichkeit erreicht habe, zu dem der Scharfsinn seiner Begabung zweifellos hätte führen können, hätte er sich für seine Studien voll eingesetzt; so gäbe es nichtsdestoweniger, aufgrund seiner Begabung, sehr gelungene Bauten von ihm in Vicenza und in der Umgebung. ("Et, se bene esso M. Giovan Domenico non è arrivato à quel colmo d'eccellenza nell'architettura, al quale l'acutezza dell'ingegno suo ciò havesse impiegato ogni suo studio; non resta però, che non appaiano opere del felicissimo ingegno suo dignissime di molta lode et in Vicenza, et nel contado.") Es sei sicherlich auch wünschenswert, dass Vincenzo, der selbst lange Stunden über den Schriften Serlios zugebracht habe, das Licht, das sein Vater auf diese Bücher geworfen habe, mit der Größe seines eigenen göttlichen Intellekts noch steigere ("Era cosa certo desiderabile, ch'l Signor Vicenzo suo figliuolo havesse veggiato qualche hora intorno à questo Auttore, accrescendo il lumo dato dal padre à questi libri, con la grandezza del suo divinissimo intelletto").30 Hier bezieht sich Roncone selbstverständlich auf die mit Kreuzen und Kommata gekennzeichneten Hinweise und auf die Kommentare Vincenzos. Dem Brief folgt zunächst ein Sonett Roncones, "Sonetto del Signor Lodovico Roncone sopra l'indice di M. Gio. Domenico, padre del Signor Vicenzo [sic] Scamozzi, Architetto Vicentino, fatto nel Serlio", sodann eines von M. Marco Stecchini zum selben Anlass ("per l'istessa occasione") und schließlich der "Indice copiosissimo delle cose piu degne che si trovano per tutti i sette Libri d'Architettura del Serlio, raccolte per via di considerationi da M. Giovan Domenico Scamozzi Vicentino".31

  3. Wie ist der Indice copiosissimo entstanden? Das Register der sieben Bücher Serlios ist fast 40 Seiten lang und enthält etwa 1.500 Eintragungen. Sicherlich waren die Bücher Serlios für den Baumeister Giovan Domenico jahrzehntelang wegweisend, wie die vielen Angaben zu Baumethoden und -praxis im "Indice" zeigen.32 Zugleich werden sie seine theoretischen Interessen – für die Perspektive wie auch für die römischen Bauten – angeregt haben. Im Jahre 1566 hat Francesco de' Franceschi schon eine durchnummerierte Gesamtausgabe der ersten fünf Bücher, wie auch eine neue Ausgabe des "Libro estraordinario" – alle im Großformat – publiziert.33 Die Vermutung liegt nahe, dass Giovan Domenico eine ganze Reihe von Notizen und Auszügen aus diesen Ausgaben, auch Postillen, als "pro memoria" zum eigenen Gebrauch erstellt hat. Diese knapperen Vermerke in eine alphabetisch geordnete Liste "der würdigsten Dinge" ("delle cose più degne") zu übertragen und somit ein Register zu erstellen, sei, möchte man annehmen, die "Fatica", die Roncone im schriftlichen Nachlass Giovan Domenicos fand.

  4. Unter den etwa 1.500 Eintragungen wurden sehr viele von Vincenzo mit einem Kreuz (†) vermerkt. Etwa 145 mit Kommata "(,)" versehene Eintragungen beinhalten seine Ergänzungen und Kommentare. Vincenzos Kommentare lassen sich mehreren Themenbereichen zuordnen. Im Zentrum steht – was naheliegt – die Lehre Vitruvs, wie sie in der Antike beachtet worden sei oder auch nicht, wie Serlio sie ausgelegt hat, wie Vincenzo sie selbst verstand, und wie der Baumeister von heute sie am besten zu verstehen habe. Vitruv kommt immer wieder im Register vor; unter seinem Namen gibt es 14 Eintragungen, und sehr oft wird in den Eintragungen über die einzelnen Monumente und Säulenordnungen auf seine Lehre hingewiesen. (Abb. 23) Die erste, mit einem Kreuz versehene Eintragung zu Vitruv, "Vitruvio ristorato da Monsignor Daniel Barbaro, con utili annotationi", bezieht sich auf die Dieci libri dell'architettura di M. Vitruvio, von Daniele Barbaro übersetzt und kommentiert und 1567 bei Francesco de'Franceschi Senese in Venedig erschienen. (Abb. 24) Wie oben erwähnt besaß Vincenzo in seiner Bibliothek ein Exemplar des Buches, und unter den heute bekannten, von Scamozzi mit Postillen versehenen Büchern enthält das Werk von Vitruv die ausführlichsten Spuren von Vincenzos Lektüre. (Abb. 25)

  5. Eine Analyse seiner zahlreichen Randglossen, kürzlich von Branko Mitrović und Vittoria Senes publiziert,34 liefert wichtige Anhaltspunkte hinsichtlich Scamozzis wissenschaftlicher Methoden; ferner scheinen die Randglossen zur Vitruv-Ausgabe und die Kommentare im Indice copiosissimo in vielerlei Hinsicht aus einem Guss zu sein. Scamozzi hat Textstellen der Vitruv-Ausgabe oft einfach mit einem Strich oder Kreuz vermerkt – Ähnliches kommt auch in seiner Fauno-Ausgabe vor –, Konzepte sind oft mit Großbuchstaben gekennzeichnet, nach Mitrović und Senes, "a procedure which looks like an attempt to make an indice ancora più copioso than the standard index of the 1567 edition of Barbaro's commentary".35 Beinahe 10.000 Wörter hat Vincenzo, laut Mitrović und Benes, an die Seitenränder geschrieben. In unserem Zusammenhang ist wichtig zu vermerken, dass Scamozzis Postille zur Ausgabe von Barbaro auch seine eingehende Lektüre der Bücher Serlios immer wieder belegt. Scamozzis Auseinandersetzung mit der Ausgabe wird sich von der Zeit des Erscheinens im Jahre 1567 an über Jahrzehnte erstreckt haben. An einer Stelle notiert Vincenzo, er lese das Werk zwischen dem 4. April und dem 2. Juli 1574 zum dritten Mal. An anderen Stellen bezieht er sich auf seine Forschungen in Rom aus den Jahren 1578 bis 1580.

23 Giovan Domenico Scamozzi, "Indice copiosissimo" (Abb. 21), Eintragungen zu Vitruv

24 Vitruv, I dieci libri dell'architettura di M. Vitruvio, tradotti et commentati da Mons. Daniel Barbaro, Venedig 1567, Frontispiz. Exemplar aus der Bibliothek Scamozzis. Vatikanstadt, Biblioteca Apostolica Vaticana, Cicognara IV.718

25 Vitruv, I dieci libri dell'architettura di M.Vitruvvio, tradotti et commentati da Mons. Daniel Barbaro, Venedig 1567, Detail des Frontispizes (Abb. 24) mit Besitzvermerk von Scamozzi

  1. Eine besonders aufschlussreiche Stelle befindet sich in seiner Glosse zum fünften Buch Vitruvs, Kapitel VI, über die Gestalt, oder "Conformatione", des antiken Theaters, über das Bühnenbild, die Apparate und die Maschinen. Scamozzi schreibt am Seitenrand, dass sich Kupfervasen unter dem Proszenium befanden und dass diese mit Steinen gefüllten Gefäße Klänge hervorbrächten. (Abb. 26) Er weist als Quelle auf den Schriftsteller Julius Pollux, Buch 4, Kapitel 19, hin: "sotto il proscenio erano vasi di rame con pietre che facevano questo [sic] tuoni, vedi Julio Polluce, lib. 4, cap. 19." So trägt Scamozzi eine Notiz aus dem Onomastikon des Julius Pollux bei, einem antiken Lexikon, das viel über das antike Theater enthält – zur Architektur wie auch zur Bühne und zu den verschiedenen Arten der Inszenierung.

26 Vincenzo Scamozzi, Randglosse mit Verweis auf Julius Pollux, Onomastikon, in Vitruv, I dieci libri dell'architettura di M.Vitruvvio, tradotti et commentati da Mons. Daniel Barbaro (Abb. 24)

  1. Darüber hinaus enthält Scamozzis Exemplar von Vitruv die längere Zusammenfassung einer Textstelle von Julius Pollux, die er auf die leere Rückseite der Abbildung des Theatergrundrisses eingetragen hat. Die Schrift trägt den Titel "In dictionarium Juliis Pollucis, De partibus Theatri" und bezieht sich auf das in der Randglosse erwähnte Buch 4, Kapitel 19, über die Musik und ihre Instrumente, über Tanz, und vor allem über das Theater. (Abb. 27) Scamozzi exzerpiert aus dem Werk von Pollux die relevanten Passagen über den Bau und seine Teile, aber gleichfalls wichtig waren die Äußerungen von Pollux über die Bühne und die Inszenierungen, denn diese liefern auch zusätzliche Hinweise zur Architektur. Da keine weitere so detaillierte Zusammenfassung aus Scamozzis Quellenlektüre erhalten ist – und mehrere Stellen in Barbaros Werk sowie im Indice copiosissimo des Serlio lassen vermuten, dass es sie in großer Zahl gegeben hat –, ist das Blatt als Indiz für Scamozzis Methoden besonders wertvoll. Man kann mit gutem Grund annehmen, dass Scamozzi auch für seine Kommentare im Indice copiosissimo über längere Exzerpte und Zusammenstellungen verfügt hat. Nicht zuletzt ist der resümierte Text aus Pollux' Onomastikon im engen Zusammenhang mit Scamozzis Sommarii zu betrachten.

27 Vincenzo Scamozzi, Zusammenfassung von "De partibus theatri" von Julius Pollux, in Vitruv, I dieci libri dell'architettura di M.Vitruvvio, tradotti et commentati da Mons. Daniel Barbaro (Abb. 24)

  1. In seinen Kommentaren zu Vitruv im Indice copiosissimo erwähnt Scamozzi auch das Werk des französischen Freundes Serlios, Guillaume Philandrier, die Annotationes zu den zehn Büchern Vitruvs. Hinsichtlich der verbreiteten Meinung, Vitruv sei der Architekt des Bogens in Verona, fügt Vincenzo im "Indice" hinzu: "Secondo lo Scamozzi è falso, et vedi il Filandro nelle annotationi che fa in Vitruvio". Philandriers' Annotationes zu Vitruvs zehn Büchern wurden 1544 in Rom gedruckt. Das Exemplar in der Biblioteca Nazionale in Florenz stammt aus der Bibliothek Scamozzis, wie man auf dem Titelblatt liest, "Ex libris Vinc.tij Scamotij".36 (Abb. 28) Es enthält keine Randglossen; dafür notiert Vincenzo die für ihn wichtigen Stellen mit Buchstaben und Nummern, die sich wiederum auf getrennt erfasste Texte beziehen könnten. Eine Untersuchung der Philandrier-Augabe steht noch aus.

28 Guillaume Philandrier, Gulielmi Philandri Castilionii Galli Civis Ro. In decem libros M. Vitruvii Pollionis de Architectura Annotationes, Rom 1544, Frontispiz mit Besitzvermerk von Scamozzi. Biblioteca nazionale centrale, Florenz, Magl. 4.5.66. Nach: Vincenzo Scamozzi 1548-1616, Venedig 2003, S. 508, Abb. 80.7c

  1. Im Indice copiosissimo hebt Vincenzo manche Monumente hervor, die ausführlich von Serlio behandelt wurden, das Pantheon zum Beispiel und auch die Diokletiansthermen. Hier spielen weniger die von Scamozzi studierten antiken Quellen eine Rolle als seine Untersuchungen an Ort und Stelle. Für Serlio war das Pantheon der "schönste, vollkommenste und bestverstandene" aller römischen Bauten: "il più bello, il più integro, et il meglio inteso". Seine Behandlung der Ritonda im Terzo libro erstreckt sich über zehn Seiten. Der Bau wird von Serlio ausführlich und genau beschrieben, vermessen, abgebildet und gedeutet.37 (Abb. 29) Er zeigt den Plan des Pantheons, den Bau in orthogonaler Ansicht von außen, eine Ansicht des Inneren ebenfalls orthogonal, architektonische Details der Porticus und des Portals sowie Basen von Pilastern und Elemente des Architravs. Giovan Domenicos Eintragung "Pantheon, ò Ritonda per un corpo solo stimato il più bello, intero, et meglio inteso de gli altri" fügt Vincenzo die folgende Begründung hinzu: "Secondo lo Scamozzi egli è bello per la forma, è conservato come la maggior parte delle forme tonde, et è bene inteso, perche è ornato con una certa gravità, e decoro."

29 Sebastiano Serlio, "La parte dentro del tempio" [Pantheon]. Nach: Sebastiano Serlio, L'architettura. I libri I-VII e Extraordinario nelle prime edizioni (Abb. 9), S. IX

  1. Einige Stellen basieren auf Scamozzis Ausgrabungen am Pantheon. So soll nach Serlio das Fundament des Gebäudes aus einer homogenen Masse sein, doch habe er, Vincenzo, herausgefunden, dass es innen stufenweise erweitert wurde: "Fondamento della Ritonda, tenuto una massa soda; Ma lo Scamozzi ha trovato, che di dentro s'allarga a gradi." Zur Eintragung Giovan Domenicos, "Pantheon si ascendeva alcuni gradi, et hora si discendono", kommentiert Vincenzo: "Secondo lo Scamozzi questo è avenuto à tutti gli edificii, et particolarmente à quelli, che sono come questo nel piano della Città, per le ruine de gli altri edificii." Das Portal des Pantheons sei nach Serlio aus einem einzigen Stück Marmor, und Serlio habe keine Brüche im Stein gefunden – "Porta della Ritonda tenuta da molti d'un pezzo solo di marmo, et il Serlio non vi trovò commissure" –, ist in der Eintragung Giovan Domenicos zu lesen. Vincenzos Kommentar korrigiert dies: Er habe gesehen, wo Teile des Portals, mit größter Sorgfalt, zusammengefügt wurden: "Ma lo Scamozzi trovò la foglia, la pilastrata destra, et il sopralimitare ogn'uno di un pezzo, et la pilastrata sinistra di due pezzi; ma il tutto commesso con somma diligentia." Zu Giovan Domenicos Eintragung, die Hauptkapelle des Pantheons sei nicht antik, sondern in der christlichen Zeit errichtet, da sie die Säulen oben durchbreche ("Cappella maggiore della Ritonda, è opinione, che non sia antica; perche rompe le colonne di sopra; ma sia fatta à tempi de' Christiani"), fügt Scamozzi eine längere Analyse der Architektur hinzu, die auf seinen Forschungen im Pantheon basieren. In präziser Weise erklärt er, weshalb die Kapelle antik sei, und ferner, wie sie in späteren Zeiten restauriert bzw. geändert wurde. Seine Ausführungen dienen dazu, die Zweifel Serlios zu erläutern: "Secondo lo Scamozzi ella è antica, rispetto à gli ornamenti delle colonne, e cornici, con i modiglioni, ch'accompagnano tanto bene: la maniera conforme al rimanente: la corrispondenza in gran parte all'arco di dentro dell'entrata, et perciò è da credere più tosto, che il secondo ordine, (per essere d'investiture, per non concordare con le colonne da basso; perche si rompono nelle finestre, et che quel minuzzamento non hà punto che fare con tutto il rimanente è solo dell'opera) fusse fatto nelle ristaurationi di Adriano, di Settimo, et di M. Aurelio Antonino."

  2. In Giovan Domenicos Register zu Serlio waren unter allen Thermen in Rom die "Terme Antoniniane" bzw. die Caracalla-Thermen die bestbekannten, und auch wenn die Diokletiansthermen größer seien, so Giovan Domenico, habe Serlio dennoch keine schöneren gesehen als die Terme Antoniniane. Hier fügt Vincenzo hinzu, "Siehe die Aufnahme von Scamozzi, und du wirst alle Teile der Thermen verstehen" ("Vedi la Corographia dello Scamozzi, et comprenderai tutte le parti di esse"). So erfährt man aus dem "Indice", dass Serlio eine Corographia oder "Beschreibung" der Terme Antoniniane erstellt hat, die bis heute in keinem Exemplar bekannt ist. Vermutlich wurde sie, wie die oben besprochene Chorographie der Diokletiansthermen, von Scamozzi vermessen und perspektivisch rekonstruiert. Der Verlust des Blattes bedeutet nicht nur den Verlust von Scamozzis wissenschaftlicher Rekonstruktion des Baus, sondern wahrscheinlich auch seiner archäologischen Notizen über das Monument.38

  3. Zur Eintragung Giovan Domenicos über die Diokletiansthermen, "Therme Diocletiane sono un richissimo edificio", ergänzt Vincenzo ähnlich: "Vedi la corographia di esse therme fatta dallo Scamozzi, et vederai come erano anticamente." Zu einer früheren Eintragung von Giovan Domenico hinsichtlich der "Conserva per l'acqua delle Therme Diocletiane", des Wasserreservoirs der Thermen, fügt Vincenzo hinzu, sie sei in der Form einer Pyramide und mit Kreuzgewölbe gebaut: "secondo lo Scamozzi, di forma piramidale, e voltata à crociere". Dies sieht man auch in seiner Ansicht.39 Giovan Domenicos Angabe, der kleinere Platz befände sich laut Serlio vor den Thermen, wird von Vincenzo verbessert; er weist auf seinen Plan hin, wo der Grundriss der Piazza stimme: "Therme Diocletiane secondo il Serlio hanno la minor piazza dinanzi, ma secondo lo Scamozzi ella è molto maggiore dele altre da' fianchi, et di dietro, vedi la sua Corographia."

  4. In dem von Giovan Domenico erstellten "Indice" werden Serlios Beteuerungen der Unentbehrlichkeit gründlicher Perspektivkenntnisse für den werdenden Architekten oft erwähnt. (Abb. 30) An diesen Stellen weist Vincenzo mehrmals auf seine eigenen, allerdings nie veröffentlichten Perspektivbücher hin. Leider reichen seine Hinweise nicht aus, um ein auch nur annähernd vollständiges Bild seiner Lehren zu vermitteln. Das hohe Niveau der verschollenen Arbeit jedoch wird in den Eintragungen, wo er auf die Traktate von Alhazen, Vitellone und Daniele Barbaro hinweist, wie in seinen Postillen zu Barbaro und seinen Hinwiesen in der "Idea dell'architettura" mehrfach nahegelegt. Schließlich haben wir den Beweis seines Könnens in der hervorragenden "Chorographia" der Diokletiansthermen.

30 Giovan Domenico Scamozzi, Indice copiosissimo (Abb. 21), Eintragungen zur Perspektive

  1. Schließlich sind Vincenzos Beobachtungen hinsichtlich der Grotesken im Indice copiosissimo zu erwähnen, denn hier kommen auch seine Erforschungen an Ort und Stelle zur Geltung. Serlios Behandlung der Grotesken im 4. Buch, Blatt 192 recto, erhält von Giovan Domenico drei Eintragungen im Register. Zum ersten, "Grottesche pitture cosi dette, perche furono trovate ne gli edifici antiche sotterranei", fügt Vincenzo hinzu: "Lo Scamozzi ne hà visto molte nelle grotte sotto le Terme di Tito, e Traiano Imperatore à San Pietro in Vincola, ne i bagni d'Agrippina, et in altri luoghi." Zum dritten, nach Serlio "Grottesche si veggono in parte anco oggi di in Roma, Baie, e Pozzuolo", ergänzt Vincenzo: "tutti quelli luoghi furono ricercati diligentemente dallo Scamozzi per le molte antichità che vi si sono."40

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Sommarii o Estratti da antichi scrittori delle cose che appartengono alle Antichità di Roma

  1. Vincenzo Scamozzis Sommarii o Estratti da antichi scrittori delle cose che appartengono alle Antichità di Roma wird heute unter den Handschriften der Biblioteca Marciana in Venedig aufbewahrt. Sie wurden von Scamozzi zwischen April und Oktober 1586 verfasst, d.h. zwei Jahre nach Erscheinen des Indice copiosissimo.41 (Abb. 31) Wie dem ersten Blatt zu entnehmen ist, stellen die Sommarii die wichtigsten Notizen über Rom dar, die Vincenzo seiner Lektüre der antiken Autoren entnommen habe: "Fatiche fatte dallo Scamozzi Architetto sopra le cose più notabili di Roma, tratte da più autori". (Abb. 32) Auf der Rückseite findet sich von der Hand Scamozzis eine Liste der von ihm indizierten Autoren. (Abb. 33) Er führt etwa 55 Schriftsteller auf, drei von ihnen sind modern. Am Ende listet er noch andere Autoren auf – Plinius, Titus Livius, Vitruv und Appianos von Alexandria – deren Zusammenfassungen in den Sommarii fehlen. Jede der Zusammenfassungen ist eigens datiert; sie umspannen, wie gesagt, die Zeit vom 14. April bis zum 20. Oktober 1586. Dem Indizieren der einzelnen Werke widmete er zwischen drei und acht Tage.

31 Vincenzo Scamozzi, Sommarii o estratti da antichi scrittori delle cose che appartengono alle Antichità di Roma [1586], innerer Buchdeckel und Titelblatt. Venedig, Biblioteca Nazionale Marciana, Cod. Italiano Cl. IV, 128 (= 5602)

32 Vincenzo Scamozzi, Sommarii… (Abb. 31), Titelblatt

33 Vincenzo Scamozzi, Sommarii… (Abb. 31), Rückseite des Titelblattes, "Tavola delli Autori"

  1. Welche der indizierten Bücher aus seiner Bibliothek stammten, werden wir nie wissen; durch die Seitenangaben jedoch kann man in manchen Fällen die Edition, die er zur Hand hatte, identifizieren. Die Sommarii stellen keineswegs das Ergebnis einer ersten Lektüre und sicherlich auch keine erste Zusammenfassung früherer Lektüre dar. Eine Überprüfung des Manuskripts lässt eher vermuten, dass es mehrere und verschiedenartige Stadien in der Erforschung und Erschließung der Quellen gab – Postillen wurden verfasst, Notizen erstellt, ganze Abschnitte kopiert –, die zu der ziemlich raschen Anfertigung des Registers führten. Der Titel des Abschnitts lautet: Sommario in Diodoro Siculo delle cose, che servono all'antichità di Roma, und die Eintragungen laufen über 13 Spalten. Wie im Indice copiosissimo werden viele Eintragungen durch einen Strich oder durch ein Kreuz gekennzeichnet; Erläuterungen stehen in Klammern. Die Monumente in Ägypten, die er aus der Bibliotheca historica des grieschischen Gelehrten Diodorus Siculus auswählt, waren für Scamozzi von Interesse (und hierin hat er auch in Serlio einen Vorgänger).42 (Abb. 34) Er vermerkt (fol. 201) z. B.:

Obelischi duoi di Pietra dura (forti granito) fatti da Jesosside 77-

Sepolcro ò labirinto di Meride Re delli Egitii una delli sette miracoli 81-

Dedalo Architetto fece il Labirinto di Creta doppo visto questo di Egitto di Miride 81-

Piramide di Clemmo grandiss.a fra Memfi, et il Nilo e sua grandezza 82-

Pietra della Piramide duriss.a intrattabile, ma(..)erna, et ben conservata 83-

Piramide conservato piu di tremilla anni intera (Granito) 83-

34 Vincenzo Scamozzi, Sommarii … (Abb. 31), "Sommario in Diodoro Siculo delle cose, che servono all'antichità di Roma"

  1. Das Manuskript der Sommarii sowie der Indice zu Serlio und die vielen von Scamozzi postillierten Bücher aus seiner Bibliothek bilden reichhaltige Quellen, um die Planung und Ausarbeitung von Scamozzis 1615 veröffentlichtem Lebenswerk, L'idea della architettura universale, nachzuvollziehen.43 (Abb. 3)

  2. Einige Kapitel des ersten Buches der Idea della architettura universale, nämlich Kapitel 17 bis 22, weisen methodisch wie auch inhaltlich auf einen engen Zusammenhang mit den Sommarii wie auch zum Indice copiossisimo und verdeutlichen, wie beide Werke als Hilfsmittel zur Erstellung der Idea dienten. Dies wird vor allem in der Parte prima, Libro primo, Capitolo XX, "Delle opere stupende, e meravigliose appresso gli antichi Romani", deutlich. Für dieses Kapitel wird Scamozzi beabsichtigt haben, die Monumente Roms ausschließlich nach den Textquellen zu besprechen. Die Quellen werden am Rande der Seite oder am Anfang des Abschnitts einzeln genannt. Viele der erwähnten Autoren kommen auch in den Sommarii vor. Nur an einer Stelle in Kapitel 20 verlässt Vincenzo die Quellen und fügt – fast möchte man denken unabsichtlich oder zufällig – einen Passus aus seinen eigenen archäologischen Forschungen hinzu, und zwar genau so, wie er die Eintragungen seines Vaters im Indice copiosissimo kommentierte. (Abb. 35)

35 Vincenzo Scamozzi, L'idea della architettura universale, Venedig 1615, Parte Prima, Lib. Primo, Cap. XX, S. 62: Kommentar zum "Tempio del Sole". Nach: Vincenzo Scamozzi, L'idea della architettura universale, Nachdruck der Ausg. Venezia 1615, hg. von Franco Barbieri und Werner Oechslin, Vicenza 1997

  1. Nach der Beschreibung des von Kaiser Aurelian errichteten Tempio al Sole, zusammengefasst von Scamozzi in toto aus den Schriften von Flavius Vospiscus und Flavius Eutropius, fügt er als Kommentar hinzu: "E noi teniamo che egli sia quello del quale fà mentione Vittore nel Quirinale, e fino hoggidì appariscono meravigliosi vestigi dietro à Santi Apostoli. E si vede fino al giorno d'hoggi quasi intero il Pantheo, fatto da Marco Agrippa; e tanti altri Tempij, che non raccontiamo in questo luogo, mà serbano altrove, come più convenevole; i quali tutti danno indicio della grandezza Romana." ("Und wir glauben, dass dieser Tempel jener sei, den Publius Victor am Quirinal erwähnt. Bis heute sind seine wunderbaren Reste hinter der Kirche Santi Apostoli zu sehen. Und bis heute sieht man auch das fast gänzlich erhaltene Pantheon, von Marcus Agrippa errichtet, sowie viele andere Tempel, von denen wir an dieser Stelle nicht berichten werden, sondern an einer anderen, wo sie eher angebracht sind.")44 Als Vermerk auf dem Seitenrand steht "Libro 5". Hier scheint Vincenzo auf sein nie veröffentlichtes fünftes Buch hinzuweisen, das seine Forschungen zu den antiken Bauten und deren Abbildungen umfassen sollte. Denn, wie Scamozzi auf seiner Chorographia der Diokletianerthemen schreibt, er habe sich mit größter Sorgfalt dem Vermessen aller Gebäude der Stadt Rom gewidmet, sowohl der noch bestehenden als auch der noch unter der Erde verborgenen. Wir wissen nicht, warum das fünfte Buch nie in den Druck gegangen ist – ein aufwendiger und teuerer Abbildungsapparat wird vielleicht eine wesentliche Rolle gespielt haben –, doch aus diesen wenigen Zeilen über die Überreste des von Aurelian errichtetet Tempels gewinnt man eine, wenn auch knappe, Vorstellung der heute verschollenen Texte.

  2. Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass der von Giovan Domenico erstellte Indice copiosissimo der Bücher Serlios in erster Linie als Hilfsmittel für den Eigengebrauch diente. Durch das Register hatte Giovan Domenico schnellen Zugriff auf die für ihn relevantesten Stellen in den Werken Serlios. An eine Publikation mag er zu einem späteren Zeitpunkt gedacht haben. Auf alle Fälle sind Vincenzos Kommentare und Ergänzungen im engen Zusammenhang mit seinen postillierten Büchern zu verstehen, wie die Vitruv-Ausgabe von Barbaro und Lucio Faunos Antichità di Roma klarstellen. Seine Kommentare sind auch mit den Sommarii o estratti da antichi scrittori delle cose che appartengono alle Antichità di Roma eng verwandt, denn diese wurden ebenfalls als Hilfsmittel für die Abfassung der Idea dell'architettura, wo, im ersten Buch, das Bild Roms ausschließlich nach den antiken Schriftquellen dargestellt wurde. Vincenzos Methode, Auszüge und Zusammenfassungen antiker und moderner Schriften zu erstellen, beschreibt er selbst und er empfielt sie dem angehenden Architekten. Kapitel 22 des ersten Buches der "Idea dell'architettura" trägt den Titel, "Che all'architetto si ricerca la prescienza theoricale, e l'esperienza, e che egli dee osservare l'opere antiche, e moderni più prestante": Der Architekt habe das theoretische wie praktische Wissen zu erforschen und solle die vortrefflichsten antiken und modernen Werke studieren. Das Wissen, oder "prescienza", solle erfasst und in Auszügen und Zusammenfassungen gut organisiert werden. Somit könne der Architekt mit gutem Urteilsvermögen die wichtigsten Dinge erkennen und von ihnen am besten profitieren. "Per via di sommarij bene ordinati sotto a' loro capi, andar distinguendo giuditiosamente le cose più gravi, di maggior importanza, e che alla fine possono esser di più giovamento, che l'altre: perche à questo modo in breve tempo faranno grandissimo profitto." So erfüllen Vincenzo Scamozzi und sein Vater Giovan Domenico im hohen Maße mehrere Empfehlungen Vitruvs45 hinsichtlich der Ausbildung des Architekten: Der Architekt müsse begabt und fähig sein sowie bereit zu wissenschaftlich-theoretischer Schulung. Er müsse im schriftlichen Ausdruck gewandt, des Zeichnens kundig und in der Geometrie ausgebildet sein. Mancherlei geschichtliche Ereignisse müsse er kennen und er müsse fleißig Philosophen gehört (bzw. gelesen) haben.

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How to cite this article:
Margaret Daly Davis, "Vincenzo Scamozzi als Leser der antiken Schriftquellen und Denkmäler: Der 'Indice copiosissimo' zu Sebastiano Serlio", RIHA Journal 0059, Sonderausgabe "Vincenzo Scamozzi: Lektüren eines gelehrten Architekten" (13 November 2012), URN: + URL: (date of access: [please add]).


1 Sebastiano Serlio, Il terzo libro di Sebastiano Serlio Bolognese, nel qual si figurano e descrivono le antiquita di Roma, e le altre che sono in Italia, e fuori d'Italia, In Venetia: Per Francesco Marcolino da Forlì, 1540; idem, Il primo libro d'architettura, di Sabastiano [sic] Serlio, Bolognese [Premier livre de geometrie], Paris 1545; idem, Il secondo libro di perspettia [sic], [Paris:] De L'imprimerie de Iehan Barbé, 1545 (Nachdruck: Sebastiano Serlio, L'architettura. I libri I-VII e extraordinario nelle prime edizioni, hg. Francesco Paolo Fiore, 2 Bde., Mailand 2001, Bd. 1).

2 Girolamo Porro, Widmungsbrief, "Al Clari.mo S. Giacomo Contarino", in: Vincenzo Scamozzi, Discorsi sopra l'antichità di Roma di Vicenzo [sic] Scamozzi, architetto vicentino, con XL tavole di rame, In Venetia: Appresso Francesco Ziletti, 1583: "Percioche, oltre questa fatica de i presenti discorsi, stà egli in continuo studio per giovare altrui non solo col fondare ogni giorno bellissimi edificii ovunque è chiamato, ma etiandio con lo scrivere et d'architettura, et di prospettiva, sue principali professioni. Nell'una delle quale, ch'è la prospettiva, egli ha composto molti libri con ornamento di molti disegni, i quali sono stati da V.S. Clariss. con gran piacere, et sodisfattione veduti."

3 Siehe Lionello Puppi, "Questa eccellente professione delle Mathematiche e dell'Architettura. Idea di cultura e ruoli sociali nel pensiero di Vincenzo Scamozzi", in: Franco Barbieri und Guido Beltramini, Hg., Vincenzo Scamozzi 1548-1616. Architettura è scienza, Ausst.-Kat. Vicenza, Venedig 2003, S. 10-21.

4 Siehe Fernando Rigon, "L'Idea in figura. Iconografie di antiporta e frontespizio nel Trattato scamozziano", in: Barbieri und Beltramini, Vincenzo Scamozzi, S. 488-495, hier 490, und Puppi, "Questa eccellente professione delle Mathematiche e dell'Architettura", S. 15-17.

5 Für Giovan Domenico Scamozzi, siehe Biblioteca, e storia di quegli scrittori così della città come del territorio di Vicenza, che pervennero fin' ad ora a notizia, del P. F. Angiolgabriello di Santa Maria, Carmelitano scalzo vicentino. Volume quinto, Vicenza: Per Gio: Battista Vendramini Mosca, 1779, S. CCLXII-CCLXIII; Lionello Puppi, Scrittori vicentini d'architettura del secolo XVI (G.G. Trissino, O. Belli, V. Scamozzi, P. Gualdo), Vicenza 1973, S. 73, 97, 99; Ulrich Thieme und Felix Becker, Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler, Bd. 29, Leipzig 1935, S. 524 (Rodolfo Pallucchini); The Dictionary of Art, hg. Jane Turner, Bd. 28, London 1996, S. 30 (Nadia Munari).

6 Siehe Vincenzo Scamozzi, L'idea della architettura universale, Venetiis: Expensis auctoris, 1615, S. a 3: "A' prudenti, e benigni lettori", "Di grandissima lode, e comendatione sono veramente degni que Padri di così sano intelletto, i quali dalle prime etadi de' loro ben nati figliuoli, con ogni maggior prudenza, cercano di allevarli bene, e costumarli, e darle i migliori documenti, osservando tutti i segni, e le note de' loro instinti naturali, specialmente quelli, che à qualche honorata professione, ò sia nelle Lettere, ò nell'Armi, ò in qual altra cosa degna, e Virtuosa gl'inclinino. Mà di grandissimo essempio, et imitatione singolare sono altresi quelli, che da più alti, e purgati giudicii, e naturale inclinatione guidati, ò pure esortati dal consiglio, e scorta de' loro maggiori indirizzano (come Nave, che velleggia à prospero Vento) tutti i loro pellegrini, e nobili pensieri a' sublimi studii delle scientie speculative, overo delle belle Arti, come al vero porto di gloria. Laonde gli uni, e gli altri in progresso di tempo (benche per diverse strade) così aiutati dalla Natura, e favoriti da' loro pellegrini ingegni, e frequenza di studii, co'l tempo divengono ottimi, e perfetti in quelle facoltà: intantoche con questi, e simiglianti mezzi honorano se stessi, e le loro famiglie, apportano beneficio universale al Mondo, et alla fine lasciano degne, e talhor immortali memorie alle loro patrie, et alla posterità, come si è veduto infinite volte. Quindi è, che per tutti questi rispetti non poche gratie noi rendiamo del continouo alla Maestà d'Iddio, che ci sia degnato, mediante i nostri Padri, e genitori, i quali sino da' primi albori della nascita, e dell'Aprile della nostra gioventù per l'inclinatione naturale ne posero sotto precettori eruditissimi a'studii delle buone Lettere, e di mano in mano alle Mathematiche Discipline, anzi potiamo dire di tutte le Arti liberali, e parimente nel Disegno." (Digitalisat: Heidelberg, Universitätsbibliothek, http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/scamozzi1615bd1/0005)

7 Scamozzi, Idea (Anm. 6), Parte prima, Libro primo, Capitolo X, S. 29: "Però servendosi de' principii, che sono communi al Matematico, et all'Architetto, essendoche (come dicemmo altrove) dove finisce la speculatione dell'uno principia quella dell'altro, toccaremo quel tanto di questa materia, che ci parerà convenevole, come parti degli studi fatti sotto il Reverendo Padre Christoforo Clavio, nel tempo che stessimo in Roma, e per maggior intelligenza delle cose, c'habbiamo à trattare in questa nostra opera; e prima del punto, e delle linee, dalle quali secondo Pitagora si compongono gli angoli, e però vi è quel detto d'Aristide: Ad lineam incipere, e poi delle superficie, et ultimamente de' corpi." Siehe Margaret Daly Davis, "Cristoforo Clavio", in: Barbieri und Beltramini, Vincenzo Scamozzi (Anm. 3), S. 509-510. Vincenzo wird in Vicenza schon mit dem Vicentiner Mathematiker Silvio Belli (ca. 1500-circa 1579) und mit den Veröffentlichungen Bellis vertraut sein. Siehe insbesondere: Silvio Belli, Libro del misurar con la vista di Silvio Belli Vicentino. Nel quale s'insegna, senza travagliar con numeri, a misurar facilissimamente le distantie, l'altezze, e le profondità con il Quadrato Geometrico, e con altri stromenti, de' quali in ogni luogo quasi in un subito si puo provedere. Si mostra ancora una bellissima via di ritrovare la profondità di qual si voglia mare; et un modo industrioso di misurar il circuito di tutta la terra, In Venetia: Per Domenico de'Nicolini, 1565.

8 Serlio, Terzo libro (Anm. 1).

9 Torello Sarayna, De origine et amplitudine civitatis Veronae: eiusdem De viris illustribus antiquis Veronensibus; De his qui potiti fuerunt dominio civitatis Veronae; De monumentis antiquis urbis et agri Veronensis; De interpretatione litterarum antiquarum; index praeterea huius operis in calce additus est, Veronae: Ex Officina Antonii Putelleti, 1540; Serlio, Terzo libro (Anm. 1), S. CXXVI.

10 Siehe Vitruvius, I dieci libri dell'architettura di M. Vitruvio. Tradotti et commentati da Mons. Daniel Barbaro eletto Patriarca d'Aquileia, da lui riveduti et ampliati; et hora in piu commoda forma ridotta, In Venetia: Appresso Francesco de' Franceschi Senese, et Giovanni Chrieger Alemano Compagni, 1567; Guillaume Philandrier: Gulielmi Philandri Castilionii Galli Civis Ro. In decem libros M. Vitruvii Pollionis de Architectura Annotationes, In Romae: Apud Io. Andream Dossena Thaurinen. 1544. Für die Ausgaben von Barbaro und Philandrier in der Bibliothek Scamozzis, siehe Branko Mitrovic, in: Barbieri und Beltramini, Vincenzo Scamozzi, S. 505-507, 80.7a und 80.7c.

11 Vincenzo Scamozzi, Sommarii od estratti da antichi scrittori delle cose che appartengono alle antichità di Roma [1586], Venezia, Biblioteca Nazionale Marciana, Cod. Italiano Cl. IV, n. 128 (coll. 5602). Die einzelnen Register tragen den Titel "Sommario […] in quello, che tratta delle antichità di Roma".

12 Vitruvius, I dieci libri; Daniele Barbaro, La pratica della perspettiva di Monsignor Daniel Barbaro eletto Patriarca d'Aquileia. Opera molto profittevole a pittori, scultori, et architetti, In Venetia: Appresso Camillo et Rutilio Borgominieri fratelli, al segno di S. Georgio, 1569. Zum folgenden Passus von Barbaro in seinem Kommentar über die Notwendigkeit der Perspektive für den Architekten (S. 282): "E qui si vede quanto sia necessaria la prospettiva allo architetto, et dimostra la forza sua, quando sia, che la vista nostra meravigliosamente ingannata sia dalle pitture fatte ne i piani, che per ragione di Prospettiva regolata da un sol punto fa parere le cose di relievo, et non si puo certificarsi, che non siano di rilievo se l'huomo non le tocca, o non se le avvicina", schreibt Scamozzi in seiner Postille: "Sin hora nella perspettiva è stato operato un sol punto. Ma io mostro nella mia perspettiva […] d'infiniti punti tutti in un'istesso orizone. Vic. Scamozzi." Siehe Branko Mitrovic und Vittoria Senes, "Vincenzo Scamozzi's Annotations to Daniele Barbaro's Commentary on Vitruvius' De Architectura", in: Annali di architettura. Rivista del Centro internazionale di studi di archiettura Andrea Palladio 14 (2002), S. 195-213, hier S. 208, (http://www.cisapalladio.org/annali/pdf/a14_10_mitrovic.pdf).

13 Barbaro, Pratica della perspettiva, Proemio, Fol. A2 recto: "Tra molte belle, et illustri parti della Perspettiva, una ven'hà, la quale da Greci è detta Scenographia. Di questa ne i miei commentari sopra Vitruvio mi ricorda d'haver promesso di trattare". Siehe auch "Parte quarta", S. 129-147, wo die "descrittione et digradazione" der Säulenbasen (toskanisch, attisch, ionisch) und Kapitellen (toskanisch, dorisch, ionisch, korinthisch) erläutert werden.

14 Scamozzi, Idea (Anm. 6), Parte prima, libro primo, "Della perfettione dell'opere antiche, e l'ammiratione, ch'esse rendono fino à tempi nostri", S. 65.

15 Das Blatt wurde entdeckt und veröffentlicht von Loredana Olivato, "'Quantum Roma fuit, ipsa ruina docet'. L'itinerario romano di Vincenzo Scamozzi", in: Vincenzo Scamozzi, Discorsi sopra l'antichità di Roma, 1582, Nachdruck, hg. von Loredana Olivato, Mailand 1991, S. XI, XXV, Anm. 18. Siehe auch Davis, in: Barbieri und Beltramini, Vincenzo Scamozzi (Anm. 3), S. 191, Nr. 7.

16 Dies verdankte er vermutlich seinem Vater, dem Landesvermesser Giovan Domenico. Siehe dazu auch die Veröffentlichungen des Vicentiner Mathematikers Silvio Belli.

17 Serlio, Terzo libro, S. IX: "Non si maravigli alcuno se in queste cose che accennano a la perspettiva, non vi si vede scortio alcuno, ne grossezze, ne piano; percioche ho voluto levarle da la pianta dimostrando solamente le altezze in misura, accioche per lo scortiare le misure non si perdano per causa de i scorzi: ma ben poi nel libro di prospettiva dimostrerò le cose ne i suoi veri scorzi in diversi modi, in superficie, et in corpi in varie forme, e gran copia di varii casamenti pertinenti a tal arte, ma nel dimostrare queste antiquità per servare le misure non usarò tal arte."

18 Zitiert aus Margaret Daly Davis, "Corografia delle Terme di Diocleziano (1580)", in: Barbieri und Beltramini, Vincenzo Scamozzi, S. 192-193. Beide Texte werden auch im Vicentiner Katalog im lateinischen Original und in einer italienischen Übersetzung von Francesco Pontarin wiedergegeben. Siehe auch Tomamaso Temanza, "Vita di Vincenzio Scamozzi architetto", in: idem: Vite dei piú celebri architetti e scultori veneziani che fiorirono nel secolo decimo sesto, hg. von Liliana Grassi, Milano 1966 (Gli storici della letteratura artistica italiana 29), S. 414-416.

19 Vgl. auch Scamozzis Kommentare zu Pittonis Ansichten der Diokletiansthermen in den Discorsi (Anm. 2, Nachdruck Anm. 15), Tavola XXXIII: "In questa tavola si mostra parte delle Therme Dioclitiane, et de' suoi ornamenti"; Tavola XXXIII: "Qui si mostra la facciata verso Occidente del corpo di mezo delle Therme Dioclitiane"; Tavola XXXIIII: "Qui si mostra in altra parte la facciata verso occidente delle Therme Dioclitiane"; Tavola XXXV: "Qui si mostra in forma maggiore una capella dell'essedra di fuori delle Dioclitiane".

20 Scamozzi, Discorsi (Anm. 2, Nachdruck Anm. 15 ).

21 Scamozzi, Discorsi (Anm. 2, Nachdruck Anm. 15), Tavola I. "Discorso, nel qual si mostra il Foro Romano, una Curia, il Tempio di Giove Statore, quello d'Antonino et Faustina, di Venere, di Romolo e Remo, di quello della Pace, della Via Sacra, dell'Arco di Tito, et dell'Anfitheatro ò Coliseo".

22 Siehe Lucio Fauno, 'Ai lettori', in: Delle antichità della citta di Roma, raccolte e scritte da M. Lucio Fauno con somma brevità, et ordine, con quanto gli Antichi ò Moderni scritto ne hanno, Libri V, Venezia 1548, herausgegeben und kommentiert von Margaret Daly Davis und Charles Davis, in: Fontes. Quellen und Dokumente zur Kunst 1350-1750 13 [16 September 2008] (http://archiv.ub.uni-heidelberg.de/artdok/volltexte/2008/580), mit weiterer Bibliographie. Für Scamozzis Exemplar, siehe: Lucio Fauno, Delle antichità della città di Roma, raccolte e scritte da M. Lucio Fauno con somma brevità, et ordine, con quanto gli antichi ò moderni scritti ne hanno, libri V, [Venezia: Michele Tramezzino], 1552 (Museo Correr, Biblioteca, I. 1317.3).

23 Für die zwischen 1537 und 1681 erschienenen Ausgaben von Serlio, siehe Sebastiano Serlio à Lyon Architecture et Imprimere, vol. 1: Le Traité d'architecture de Sebastiano Serlio: Une grande entreprise éditoriale au XVIe siécle, hg. Sylvie Deswarte-Rosa, Roanne 2004, und vol. 2: Bibliographia Serliana: Catalogue des éditions imprimées des livres du traité d'architecture de Sebastiano Serlio (1537-1681), hg. Magali Véne, Paris 2007. Francesco de' Franceschi und Johann Krüger haben die ersten fünf Bücher Serlios 1566 in Venedig neu herausgegeben (Libro primo [-Quinto libro, Estraordinario], Venise, Francesco de' Franceschi & Johann Krüger, 1566, S. 108-110). Im selben Jahr (1566) haben sie auch eine neue Ausgabe des Libro estraordinario veröffentlicht (Sebastiano Serlio, Libro estraordinario, di Sebastiano Serlio Bolognese, In Venetia: Francesco de' Franceschi et Johann Krüger, 1566, S. 110-111).

24 In seinem Brief an die Leser des 4. Buches, Regole generali di architettura sopra le cinque maniere de gli edifici, cioè, Thoscano, Dorico, Ionico, Corinthio, et Composito, con gli essempi dell'antiquità, che, per la magior parte concordano con la dottrina di Vitruvio, In Venetia: Per Francesco Marcolini Da Forli, 1537, p. V, stellt Serlio sein Publikationsprogramm vor:

"Nel primo libro tratterò de i principi de la Geometria, et de le varie intersecation di linee, in tanto, che l'Architetto potrà render buon conto di tutto quello, ch'egli opererà.

Nel secondo dimostrero in dissegno, et in parole tanto di prospettiva, che volendo egli, potrà aprir il suo concetto in disegno visibile.

Nel terzo si vedrà la Ichnographia, cio è la pianta: la Orthographia, che è il diritto; la Sciographia; che viene à dir lo Scortio de la maggior parte de gli edifcii, che sono in Roma, in Italia, et fuori, diligentemente misurati, et postovi in scritto il loco dove sono e'l nome loro.

Nel quarto; che è questo si tratterà de le cinque maniere de l'edificare, et de gli ornamenti suoi: Thoscano, Dorico, Ionico,Corinthio, et Composto, et con queste s'abbraccia quasi tutta l'arte per la cognitione de le cose diverse.

Nel quinto dirò de i molti modi de i tempii dissegnati in diverse forme, cio è rotonda, quadrata, di sei faccie, d'otto faccie, ovale, in croce, con le lor piante, i dritti, et i scorzi, diligentemente misurati.

Nel sesto diremo di tutte le habitationi, c'hoggi di si posson usare; incominciando da la piu vil casipula, o capannetta che vogliamo dirla; e di grado in grado seguendo fino al piu ornato palazzo da Prencipe, cosi per la villa, come per la città.

Nel settimo, et ultimo si finira ne i molti accidenti, che possono occorrer all'Architetto in diversi luogi, et istrane forme di siti: et ne li restauramenti, o restitutioni di case: et come habbiano à far per servirci de glialtri edifici, et simili cose che siano, e siano anco state altravolta in opera."

25 Sebastiano Serlio, Tutte le opere di architettura di Sebastiano Serlio bolognese, dove si trattano in disegno, quelle cose, che sono più necessarie all'architetto; et hora di nuovo aggiunto (oltre il libro delle porte) gran numero di case priuate nella città, et in villa, et un indice copiosissimo raccolto per via di considerationi da M. Gio. Domenico Scamozzi, In Venetia, Presso Francesco de' Franceschi Senese, 1584. Digitalisat: Heidelberg, Universitätsbibliothek, http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/serlio1584.

26 In der Ausgabe von 1600 ist der Hinweis deutlicher: "Il primo numero mostra la faccia, o tergo. Il secondo a quanti versi d'essa. La † in margine avertisce le cose più gravi, et importanti, et il (coma) dove è posto il parere di Messer Vicentio Scamozi architetto, etc." Siehe Sebastiano Serlio, Tutte l'opere d'architettura et prrospettiva [sic], di Sebastiano Serlio Bolognese, Dove si mettono in disegno tutte le maniere di edificij, e si trattano di quelle cose, che sono più necessarie a sapere gli Architetti. Con la aggiunta delle inventioni di cinquanta Porta, e gran numero di palazzi publici, e privati nella Città, et in Villa, e varij accidenti, che possono occorrere nel fabricare. Diviso in sette Libri. Con un'Indice copiosissimo con molte Considerationi, et un breve Discorso sopra questa materia, raccolto da M. Gio. Domenico Scamozzi Vicentino. Di nuovo ristampate, e corrette. In Vinegia, Presso gli Heredi di Francesco de' Franceschi, 1600.

27 Siehe Serlio, Buch IV, für die Themen der geplanten sieben Bücher. Das sechste Buch, das die "habitationi di tutti li gradi de gli huomini" behandeln sollte, wurde nicht veröffentlicht. In der Ausgabe von 1584 erscheint als sechstes Werk Serlios "Libro estraordinario nelquale si dimostrano trenta porte di opera Rustica…". Der "Libro estraordinario" wurde schon 1551 in Lyon auf italienisch und französisch veröffentlicht; Serlio ist auf dem Titelblatt beider Editionen als Autor genannt: Extraordinario libro di architettura di Sebastiano Serlio, architetto del Re Christianissimo. Nel quale si dimostrano trenta porte di opera Rustica mista con diversi ordini: Et venti di opera dilicata di diverse specie con la scrittura davanti, che narra il tutto (In Lione: Per Giovan di Tournes, 1551); Livre extraordinaire de architecture de Sebastien Serlio, architecte du Roy trescrestien. Auquel son demonstrees trente portes rustiques meslees de divers ordres. Et vingt autre d'oeuvre delicate en diverses especes (A Lyon: Par Iean de Tournes, 1551). Neuausgaben der ersten fünf Bücher von Serlio wurden schon 1551 und 1559 in einem Band veröffentlicht: (1) In Venetia: Per Pietro de Nicolini de Sabbio. Ad instantia di Melchione Sessa, 1551 (Bibl. Marciana, 122.D.23); und (2) In Venetia: Appresso Gio. Battista, et Marchio Sessa, Fratelli, 1559 (Bibl. Marciana, 120.D.29). Sie sind nicht durchgängig paginiert, sondern behalten die ursprüngliche Seitenangaben.

28 Dies wird jedoch im Register nur an zwei Stellen deutlich gemacht: "Sesto libro del Serlio, è delle habitationi di tutti i gradi de gli huomini. 1. 11" und "Settimo libro promesso dal Serlio per diversi siti, e strane forme, e ristoramenti di cose vecchie. 1. 5".

29 Zu Roncone siehe: Biblioteca, e storia di quegli scrittori così della città come del territorio di Vicenza, che pervennero fin' ad ora a notizia, del P. F. Angiolgabriello di Santa Maria, Carmelitano scalzo vicentino. Volume quinto, Vicenza: Per Gio: Battista Vendramini Mosca, 1779, S. CCLXIII: Lodovico Roncone: "Egli fu poeta di molto nome, cosicchè forse non esageri il P. Barbarano appellandolo: famosissimo (Lib. 4, Hist. eccl., 180); Puppi, Scrittori vicentini, ad indicem, insbesondere S. 90-92, hinsichtlich der epigraphischen Kenntnisse Roncones.

30 Serlio, 1584 (Anm. 25) Widmung: "Mentre dunque, io per ritrovar alcune scritture rivolgeva un giorno gli scritti del padre, e del figliuolo, mi venne alle mani una fatica di molte, fatta da detto M. Gio. Domenico sopra il Serlio, auttore di architettura a' suoi tempi molto famoso. Et perche intendo, che voi, nato à giovare à gli huomini, si come in molte altre maniere, così con la stampa, vi sete messo à stampare di nuovo i libri di detto Serlio, con l'aggiunta del settimo libro, il quale à punto (per quello, ch'io posso sapere da persone vostre confederate) sete per dedicare ad esso Signor Vincenzo; mi sono imaginato, che vi debba esser cara tal fatica, per utilità universale de gli studiosi di tal professione." Roncone listet die Bauten Giovan Domenicos in Vincenza und in der Umgebung auf und fügt hinsichtlich seiner Schrift hinzu, "Onde son certo fondandomi sopra la buona opinione, che in universale ciascheduno ha havuto, et io in particolare del giudicio di quest'huomo, che sia fatica molto ingegnosa, et giovevole. Era cosa certo desiderabile, che'l Signor Vincenzo suo figliuolo havesse vegghiato qualche hora intorno à questo Auttore accrescendo il lume dato dal padre à questi libri, con la grandezza del suo divinissimo intelletto. Percioche, havendo egli cercato la Italia, et il regno di Napoli, et in Roma havendo osservato diligentissimamente tutte le antichità con spesa, diligenza, et fatica grandissima, come fanno fede i discorsi suoi sopra le tavole del Pittoni Vicentino, et le Therme Diocletiane, et Antoniane; et del valor suo nella professione d'architetto faranno presto fede i libri d'architettura, e di prospettiva per mezo della stampa, oltre il Palazzo de i Clarissimi Pisani sù un colle delitioso fuori di Lonigo […]."

31 In der Ausgabe von 1600 wird Roncones Brief ediert und dieser Passus ein wenig klarer dargestellt: "Mentre dunque, per ritrovar alcune scritture io rivolgeva un giorno i scritti del padre, e del figliuolo, mi venne alle mani una fatica fra le altre in questa professione, fatta da detto M. Giovan Domenico sopra il Serlio, auttore di architettura a' suoi tempi molto famoso, e molto più ancora per l'opre sue, che si leggono hoggidì fra pratici maestri". Ferner wird der Zeitpunkt von Vincenzos Ergänzungen – "al presente" – präzisiert: "Era cosa certa desiderabile; che'l Sig. Vicentio suo figliuolo havesse al presente vegghiato qualche hora intorno a questo Autore, accrescendo il lume dato dal padre a quest'opera, con la grandezza del suo divinissimo intelletto". Siehe Sebastiano Serlio: Tutte l'opere d'architettura et prrospettiva [sic], di Sebastiano Serlio Bolognese, Dove si mettono in disegno tutte le maniere di edificij, e si trattano di quelle cose, che sono più necessarie a sapere gli Architetti. Con la aggiunta delle inventioni di cinquanta Porta, e gran numero di palazzi publici, e privati nella Città, et in Villa, e varij accidenti, che possono occorrere nel fabricare. Diviso in sette Libri. Con un'Indice copiosissimo con molte Considerationi, & un breve Discorso sopra questa materia, raccolto da M. Gio. Domenico Scamozzi Vicentino. Di nuovo ristampate, e corrette. In Vinegia, Presso gli Heredi di Francesco de' Franceschi, 1600. Diese Ausgabe, wie am Titelblatt zu lesen ist, enthält, nach dem "Indice copiosissimo", den "Discorso di M. Giovan Domenico Scamozzi Vicentino, intorno alle parti dell'Architettura; quelle cose, che sono più necessarie a sapere gli Architetti; ciò che si aspetta a Padroni, e debbono osservare i maestri per fabricar bene; le parti che ricercano havere le fabriche, e l'ornamento, e le commodità che apportano". In der Ausgabe von 1600 wird der Titel geändert, um den in der neuen Ausgabe hinzugefügten Discorso von Giovan Domenico einzuschließen: "Sonetto dell'Eccellente Sig. Lodovico Roncone Sopra l'Indice, e Discorso fatto nel Serlio da M. Giovan Domenico Scamozzi Vicentino, padre del Sig. Vincentio Architetto, etc." Eine eingehende Studie des Discorso fehlt, doch scheint Vincenzos Teilnahme hieran beträchtlich gewesen zu sein. Die Behauptung von Giangiorgio Zorzi ("La verità su Gian Domenico Scamozzi, architetto valtellinese del secolo XVI, imitatore del Palladio", in: Arte lombarda 5, 1961, S. 20-40), das Register sei gänzlich Vincenzo zuzuschreiben, wird von den Angaben am Titelblatt, vom Titel des Registers, von der Widmung und vom Sonnett Roncones ("Sonetto del Signor Lodovico Roncone Sopra l'Indice di M. Gio. Domenico, padre del Signor Vicenzo Scamozzi, Architetto Vicentino, fatto nel Serlio") widersprochen. Zudem fehlen jegliche textliche wie inhaltliche Indizien, die seine Behauptung unterstützen könnten. Siehe dazu Franco Barbieri, Vincenzo Scamozzi, Vicenza 1952, S. 3-4, n. 1, S. 41: "[…] ritengo tuttora che sia il "Discorso" quanto, sopratutto, l'Indice, siano stati impostati dal vecchio Giovan Domenico, che rimane sempre il maggior studioso del' 500".

32 Der Titel des Discorso (Ausg. 1600, siehe Anm. 31) zeigt deutlich Giovan Domenicos rein praktische Überlegungen: "Discorso di M. Giovan Domenico Scamozzi Vicentino, Intorno alle parti dell'Architettura; [1] quelle cose, che sono più necessarie a sapere gli Architetti; [2] ciò che si aspetta a Padroni, e debbono osservare i maestri per fabricar bene; [3] le parti che ricercano havere le fabriche, e l'ornamento, e le commodità che apportano".

33 Sebastiano Serlio, Libro primo [-quinto]d'architettura… In Venetia: Francesco de' Franceschi et Johann Krüger, 1566; Sebastiano Serlio: Libro estraordinario, di Sebastiano Serlio Bolognese, In Venetia: Francesco de' Franceschi et Johann Krüger, 1566.

34 Branko Mitrović und Vittoria Senes, "Vincenzo Scamozzi's annotations to Daniele Barbaro's commentary on Vitruvius' De architectura", in: Annali di architettura 14 (2002), S. 195-213.

35 Mitrović und Senes, "Vincenzo Scamozzi's annotations to Daniele Barbaro's commentary on Vitruvius' De architectura", S. 195.

36 Philandrier, Annotationes; siehe Mitrovic in: Barbieri und Beltramini, Vincenzo Scamozzi, S. 507-508, Eintragung 80.7c.

37 Serlio, Terzo libro (Anm. 1), S. VII-XVII.

38 Siehe auch Scamozzi, Discorsi (Anm. 2), Tavola XXXI: "In questa tavola si mostra parte delle therme Antoniane, et de'suoi ornamenti."

39 Vgl. die rekonstruierte Darstellung der Thermen auf Mario Cartaros Plan von Rom (1579) in: Le piante di Roma, hg. Amato Pietro Frutaz, Bd. 2, Tavole (dal secolo III D.C. all'anno 1625), Roma 1962, Tafel 51, 52.

40 Im "Indice copiosissimo" gibt es folgende merkwürdige Eintragung von Scamozzi: "Sei libri mandati in luce dal Serlio, dove sono accadute tante, & cosi varie inventioni. Secondo lo Scamozzi, qui si conosce apertamente, che non nominando il libro delle porte egli non sia opera sua. 94.4". Der Hinweis 94.4 bezieht sich auf folgende Aussage von Serlio im siebten Buch, S. 94, Zeile 4: "Gran cosa è veramente il voler variare in quelle cose, ch'anno in se pochissimi termini. Nondimeno, poi ch'io sono entrato in cosi gran pelago, che oltra à sei libri, ch'io hò mandato in publico, dove sono accadute tante et cosi diverse inventioni, io voglio ancora in questo settimo libro dimostrare fin'al più avanti, et esprimere parte di quelle propositioni, ch'io per prima, che hora propostemi nella idea." Scamozzi scheint Serlios Angabe im siebten Buch (Ed. pr. Frankfurt am Main 1575) missverstanden zu haben. Die Postillen Scamozzis zu den Künstlerviten Giorgio Vasaris (Le vite de' più eccellenti pittori, scultori, et architettori, Firenze: Appresso i Giunti, 1568), enthalten auch einige Hinweise auf seinen Forschungen in Rom. Diese wurden von Lucia Collavo transkribiert, eingeleitet und kommentiert. Siehe Lucia Collavo, "L'esemplare dell'edizione giuntina de Le Vite di Giorgio Vasari letto e annotato da Vincenzo Scamozzi", in: Saggi e memorie di storia dell'arte, 29, 2005, S. 1-213, insbesondere S. 89 (Nr. 54), "tutti i tempii Antichi di Roma hanno gli Architravi, ne alcuno ho veduto io spezzato". Siehe auch S. 121, Nr. 162 (betr. Brunelleschi und die Domkuppel von Florenz), "queste sono pazzie che sogliono dire i fiorentini milantatori, parendo che la volta della Rotonda non sia difficile, et artificiosamente fatta" und S. 131 (Nr. 191), "Laocoonte e altre statue poste nelle Nicchie in belVedere". Ferner hat Scamozzi in seiner Postille zur Vita Peruzzis auf Serlios drittem Buch hingewiesen (S. 134, Nr. 194). Vasari schreibt: "[…] cominciò un libro dell'Antichitá di Roma: et a comentare Vitruvio". In der Randglosse von Scamozzi steht, "questo libro è forse quello, che hora va fuori sotto nome del Serlio Bolognese". Ferner ist die postillierte Ausgabe von Vasaris Viten in unserem Zusammenhang interessant, denn hier wendet Scamozzi diesselben Methode an, wichtige Passage differenziert zu vermerken, die man aus der Barbaro/Vitruv-Ausgabe, der Fauno Ausgabe und aus dem Indice copiosissimo gut kennt. Siehe insbesondere Collavo, "L'esemplare dell'edizione giuntina …", S. 17, 18, Abbildungen 8, 9.

41 Scamozzi, Sommarii (Anm. 11). Die Sommarii wurde eingehen analysiert von Angelo Fabrizi, "Vincenzo Scamozzi e gli scrittori antichi: studio sui 'sommari inediti'", in: Studi secenteschi 17 (1976), S. 101-152.

42 Für Serlio und Ägypten, siehe auch East of Italy: Early documentation of Mediterranean antiquities. Excerpts from Sebastiano Serlio: Il terzo libro..., ed. Margaret Daly Davis, in: Fontes. Quellen und Dokumente zur Kunst 1350-1750, 57 [10. Januar 2011] (http://archiv.ub.uni-heidelberg.de/artdok/volltexte/2011/1352).

43 Scamozzi, Idea (Anm. 6).

44 Scamozzi, Idea (Anm. 6), S. 62.

45 Siehe Vitruv, De Architectura, Liber primus.

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