RIHA Journal 0151 | 27 June 2017

Historische Rahmenbedingungen für den Bau von Kriegsgräberstätten in Deutschland und Europa im 20. Jahrhundert

Jakob Böttcher

Abstract
State obligation to guarantee both individual burial and upkeep of graves of fallen soldiers and victims of political violence has become a respected principle in international relations during the course of the 20th century. Much academic attention has been paid to responses of societies to western front wartime experiences and the subsequent creation of vast interwar period cemeteries, which established a common notion of the war grave as a symbol for the destructive outcome of modern warfare. In Germany, however, where most war cemeteries were built after 1945, war graves are less entangled with the history of trench warfare. Since maintenance of war graves can be understood as an international practice since WW I, this nevertheless allowed Germany to build war cemeteries in various countries in the decades after the Second World War. This article examines the international preconditions under which war cemeteries were built after both World Wars and how this affected access to gravesites, maintaining war graves, and even cemetery design.

Einleitung

[1] Friedhöfe für die Toten vergangener Kriege haben in vielen Ländern eine besondere Bedeutung als Orte, die das erlittene gewaltsame Schicksal des Einzelnen in eine Beziehung zum politischen Selbstverständnis der Überlebenden setzen. Sie sind nicht allein Orte der privaten Trauer für die Hinterbliebenen, sondern zugleich Bezugspunkte für das kollektive öffentliche Gedenken. In Europa sind es vor allem die Gräber der Toten der beiden Weltkriege, die bis heute sichtbares Zeichen des Massensterbens sind. Und es sind überhaupt erst die wesentlichen Merkmale moderner Kriegsführung, die die großangelegten Bauprogramme zur Schaffung von Grabanlagen für die Millionen Kriegstoten in den Nachkriegsjahren nach dem Ersten und Zweiten Weltkrieg hervorgebracht haben und die den Kriegsfriedhof fast schon als eigenständigen Bautypus erscheinen lassen. Dieser Beitrag unternimmt den Versuch, den historischen Kontext und die Entwicklungsbedingungen für den Bau von Grabstätten für die Toten der beiden Weltkriege auszuleuchten. Es wird argumentiert, dass dies als Teil einer internationalen Praxis angesehen werden muss, die sich im Umgang mit den Gräbern der Kriegstoten seit dem Ersten Weltkrieg herausgebildet hat. Dies soll helfen, häufig fragmentarisch wirkende Einzeluntersuchungen besser in einen übergreifenden Zusammenhang einbinden zu können und als Bestandteil übergeordneter politischer und gesellschaftlicher Prozesse erkennbar zu machen. Der Text ist vornehmlich aus dem Blickwinkel der deutschen Entwicklungen geschrieben, bemüht sich aber um eine angemessene Einbeziehung anderer Länder.

Historischer Hintergrund

[2] Die in vielen Ländern im 19. Jahrhundert eingeleiteten Heeresreformen ließen Armeen entstehen, die sich auf eine große Zahl von Wehrpflichtigen stützten und im Kriegsfall die Massenmobilisierung eines Großteils der wehrfähigen Bevölkerung erlaubten. Der Kriegsdienst als Bürgerpflicht löste den Soldaten aus seiner sozial randständigen Stellung und rückte den Einsatz für das Vaterland in den Bereich bürgerlicher Ehrbekundungen. Reinhart Koselleck hat in seinen Arbeiten zum politischen Totenkult dabei die egalitäre Stoßrichtung des Gefallenengedenkens betont. Alle Gefallenen waren gleichermaßen zu ehren, ungeachtet ihres militärischen Ranges oder ihrer sozialen Stellung.1 Als weitere Voraussetzung, die das Kriegsgrab zum Objekt öffentlicher Fürsorge werden ließ, ist die Entwicklung des humanitären Völkerrechtes zu nennen. Mit dem Versuch, die entgrenzte Gewalt der mechanisierten Kriegsführung durch internationale Konventionen einzuhegen, wurde der Anspruch auf ein individuelles Grab als Ausdruck letzter menschlicher Würde im internationalen Recht verbrieft.2

[3] Diese Entwicklungen kulminierten im Ersten Weltkrieg. Sie brachten als grenzübergreifendes Phänomen die soziale Praxis hervor, die in Deutschland unter dem Begriff Kriegsgräberfürsorge zusammengefasst wird. Erstmals in der Geschichte wurde der Versuch unternommen, systematisch alle noch auffindbaren Toten zu bergen und unter ihrem Namen auf eigens zu diesem Zweck geschaffenen, gesonderten Grabanlagen beizusetzen. Rechtlich wurden die Kriegsgräber unter besonderen Schutz gestellt und sollten dauerhaft erhalten werden. Das sogenannte dauerhafte Ruherecht wurde zu einem zentralen Merkmal, das in Deutschland Kriegsgräber von zivilen Gräbern unterscheidet und entscheidende Konsequenzen für die Anlage, Gestaltung und fortlaufende Pflege der Grabstätten nach sich zog.

[4] Die bis dahin unvorstellbaren Opferzahlen machten den Aufbau von Bürokratien und Organisationsstrukturen zur Betreuung der Gräber und Erfassung der Toten notwendig. Die Bestattung der Kriegstoten war in den vom Krieg gezeichneten Gesellschaften begleitet von weitreichenden Debatten über den angemessenen Umgang mit den Kriegstoten. Beim Bau und der Gestaltung der für die Kriegstoten zu errichtenden Begräbnisstätten mussten sowohl die besonderen funktionalen Anforderungen berücksichtigt werden, die das Gebot des dauerhaften Erhalts der Gräber mit sich brachte, als auch das besondere Spannungsverhältnis zwischen privater Grabstätte und Ort der öffentlichen Ehrung ästhetisch gelöst werden. Im internationalen Vergleich tritt eine große Vielfallt gestalterischer Lösungen hervor, die zum Teil durch die bewusste Abgrenzung von Entwürfen konventioneller ziviler Friedhöfe gekennzeichnet sind. Die in der deutschen Bezeichnung Kriegsgräberstätte auch sprachlich zum Ausdruck kommende Abgrenzung zum gewöhnlichen Friedhof macht deutlich, dass baugeschichtlich die Gestaltung von Kriegsgräbern auch immer den Versuch darstellte, die besondere Eigenart des Kriegstodes herauszustellen. Die Suche nach angemessenen Ausdrucksformen wie auch die Emanzipation vom Vorbild des zivilen Friedhofs sind bei der Entwicklung der Gestaltung deutscher Kriegsgräberstätten prägende Motive, die jedoch nie zu einem einheitlichen Gestaltungsschema geführt haben.

Zum Forschungsstand

[5] Kriegsgräberstätten als Gegenstand der kunsthistorischen Forschung wie auch Kriegsgräberfürsorge als Handlungsfeld mit all seinen sozialen und politischen Bezügen sowie die Strukturen der öffentlichen Trägerschaft sind bisher nur unzureichend untersucht worden. Die in Deutschland vor allem von Reinhart Koselleck angestoßenen Arbeiten zum politischen Totenkult haben die Funktion von Praktiken des öffentlichen Kriegstotengedenkens für die politische Identitätsbildung in den Blick genommen.3 Medium der untersuchten Vorgänge sind hier aber vor allem Denkmäler; der zeitliche Schwerpunkt der Studien reicht vom 19. Jahrhundert bis zum Zweiten Weltkrieg. Damit wird die für den Bau deutscher Kriegsgräberstätten besonders relevante Nachkriegszeit nach dem Zweiten Weltkrieg nicht betrachtet. Durch die Ausrichtung der Fragestellung auf die Stellung der Kriegstoten im politischen Raum wird außerdem die auch einer Kriegsgräberstätte innewohnende Funktion als private Grabstätte nicht berücksichtigt.

[6] Die Bedeutung individueller Trauer als Faktor für innergesellschaftliche Debatten über den Umgang mit den Kriegstoten hat stärker in der angelsächsischen Forschung Niederschlag gefunden. Einflussreiche Arbeiten wie Jay Winters Sites of Memory, Sites of Mourning haben die Anlage von Friedhöfen an der Westfront dabei nicht nur als Reaktion zur kollektiven Bewältigung der Trauer gedeutet, sondern auch als weitreichende Auseinandersetzung mit überkommenen und neuen ästhetischen Ausdrucksformen.4 Der Aufmerksamkeit, die die Entwicklungen auf den Schlachtfeldern in Frankeich und Belgien in der internationalen Forschung erfahren haben,5 steht jedoch die weitreichende Unkenntnis über den Umgang mit Kriegstoten und Kriegsgräbern in Ost- und Südosteuropa entgegen.6 Diese thematische sowie räumliche und zeitliche Einengung des Themas auf Westeuropa in der Zwischenkriegszeit macht es sehr schwierig, Einzelstudien, die sich nicht innerhalb dieses Zuschnitts bewegen, angemessen zu kontextualisieren. Insbesondere die Geschichte des Baus deutscher Kriegsgräberstätten ist ein langfristiger Entwicklungsprozess, der sich zeitlich weit in die Bundesrepublik hinein erstreckt.

[7] Bevor auf die besondere Stellung von Kriegsgräbern eingegangen wird, ist zunächst noch eine begriffliche Klärung notwendig. Bisher wurde nur sehr allgemein von Grabstätten für die Toten der Weltkriege gesprochen. Im allgemeinen Sprachgebrauch existiert eine Reihe von gebräuchlichen, teilweise aber inzwischen auch antiquierten Bezeichnungen, die alle auf Begräbnisplätze für Kriegstote referieren. Neben der in Deutschland offiziellen Bezeichnung Kriegsgräberstätte werden diese geschlossenen Kriegsgräberanlagen mitunter auch einfach Soldaten- oder Kriegsfriedhof genannt. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde zudem der Begriff des Ehren- oder Heldenhains häufig synonym verwendet, auch wenn das Konzept des Hains ursprünglich nicht auf den Bau von konventionellen Friedhöfen bezogen war.7 Für gesonderte Kriegsgräberabschnitte auf bestehenden Friedhöfen findet sich in Deutschland außerdem die Bezeichnung Ehrenteil oder Ehrenstätte. Im Ausland sind sprachlich analoge Konstruktionen geläufig, die entweder auf den Krieg verweisen oder die Toten als Soldaten ausweisen. Wichtig ist, sich vor Augen zu führen, dass der Begriff des Kriegsgrabes keine rein allgemeinsprachliche Umschreibung ist, sondern einen seit Ende des Ersten Weltkrieges etablierten Rechtsbegriff darstellt, der durch die völkerrechtliche Praxis geprägt und inhaltlich durch nationales Recht bestimmt wird. Hierbei werden im internationalen Vergleich Unterschiede deutlich, die den spezifischen nationalen und kollektiven Gewalterfahrungen geschuldet sind. Insbesondere nach dem Zweiten Weltkrieg ist erkennbar, dass sich in vielen europäischen Gesellschaften das Verständnis des Kriegstodes in unterschiedlichem Ausmaß von seinem ursprünglich militärischen Bezug auch auf zivile Kriegstote bis hin zu Opfern der NS-Gewalt erweiterte.8 In Deutschland ist die Entwicklung der gesetzlichen Bestimmungen der Gräber, die in den Geltungsbereich der öffentlichen Fürsorge fallen und dem Schutz des dauerhaften Ruherechtes unterliegen, durch die Erfahrung der beiden Weltkriege, die NS-Diktatur und die deutsche Teilung geprägt. Der Begriff des Kriegsgrabes selbst wird in Deutschland jedoch "eng" ausgelegt. Er erfasst ausschließlich die Gräber der Toten, die bei der Ausübung militärischen oder militärähnlichen Dienstes oder durch unmittelbare kriegerische Gewalteinwirkung im Ersten oder Zweiten Weltkrieg ums Leben kamen. Die Gräber von verschiedenen weiteren Opfergruppen wie u. a. den Opfern der NS-Gewalt, Toten, die bei Flucht und Vertreibung umkamen, oder auch der Toten an der innerdeutschen Grenze wurden bis in die 1960er Jahre rechtlich den Kriegsgräbern gleichgestellt, womit sie innerhalb der Bundesrepublik durch staatliche Maßnahmen zu schützen und zu erhalten waren. Die verschiedenen zwischenstaatlichen Vereinbarungen zur Betreuung deutscher Kriegsgräber im Ausland, die nach dem Zweiten Weltkrieg von der Bundesrepublik ausgehandelt wurden, orientieren sich dagegen am tradierten Kriegsgräberbegriff und sollten Maßnahmen zum Schutz der Gräber der im Ausland zurückgelassenen Gefallenen sicherstellen. Aus deutscher Sicht kann somit die praktische Durchführung der Kriegsgräberfürsorge im Ausland weitgehend gleichgesetzt werden mit der Errichtung militärischer Grabstätten.9 Innerhalb der Bundesrepublik finden sich dagegen auch Ruhestätten, die Gräber unterschiedlicher ziviler wie auch militärischer Opfergruppen vereinen, die unter den Geltungsbereich des Gräbergesetzes fallen.

[8] Die Weltkriege und die NS-Diktatur sind die zentralen historischen Bezugspunkte, die die rechtlichen Rahmenbedingungen und die Arbeit der eingesetzten Organisationen zum Erhalt der Gräber bestimmen. Sie definieren den Kreis der Toten, die in die Maßnahmen einbezogen werden; auf sie beziehen sich symbolische Verweise im öffentlichen Raum, die konstitutiv für das politische Selbstverständnis der Bundesrepublik als politisches Gemeinwesen sind. Gegenstand der Kriegsgräberfürsorge in der Bundesrepublik sind damit ausschließlich Gräber historischer Opfergruppen. Das bedeutet auch, dass zum Beispiel den Gräbern von Angehörigen der Bundeswehr, die bei militärischen Auslandseinsätzen ums Leben gekommen sind, kein besonderer rechtlicher Status eingeräumt wird. Auch wenn diese Toten seit 2006 in das öffentliche Totengedenken am Volkstrauertag mit einbezogen werden, haben sie für die praktische Kriegsgräberfürsorge keine Relevanz.10

Völkerrechtliche Praxis und geografischer Raum

[9] Es werden nun die internationalen Rahmenbedingungen betrachtet, die die Möglichkeiten zur Errichtung von Grabstätten für Kriegstote nach den beiden Weltkriegen begrenzten. Kriegsgräberfürsorge wird dabei als zwischenstaatliche Praxis begriffen, die sich im 20. Jahrhundert als völkerrechtliche Norm etabliert hat, auf ihrem Weg dorthin jedoch verschiedene geografische Räume entstehen ließ, in denen Umfang und Möglichkeiten zur Betreuung von Kriegsgräbern unterschiedlich ausgeprägt waren und somit auch die Gestaltung einzelner Friedhofsanlagen beeinflussten. Im internationalen Vergleich treten eine Vielzahl von gestalterischen Lösungen beim Bau von Begräbnisstätten für Kriegstote hervor, die sich oft am Vorbild traditioneller Friedhöfe orientieren oder aber bewusst von diesem Konzept distanzieren.

[10] Auch wenn in Teilen Europas oder in den Vereinigten Staaten bereits im 19. Jahrhundert Ansätze zum individuellen Kriegstotengedenken und Maßnahmen zum Erhalt von Kriegsgräbern erkennbar sind, bedeutet der Erste Weltkrieg einen Umbruch.11 Der Versailler Vertrag stellte die Gräber aller Gefallenen unter dauerhaften Schutz. Was darüber hinaus das Vorgehen nach dem Ersten Weltkrieg von bekannten Vorformen des 19. Jahrhunderts unterscheidet, ist das Entstehen von umfangreichen staatlichen Programmen zur Bestattung der Kriegstoten, die jedem einzelnen zu einer individuellen Grabstätte verhelfen sollten. Die Massengräber, die für viele einfache Soldaten im 19. Jahrhundert in Europa noch die Norm darstellten, galten im Ersten Weltkrieg bereits als Ausdruck der entsetzlichen zerstörerischen Gewalt, die vor allem der Stellungskrieg im Westen hervorgebracht hatte und die nicht nur das Leben von Millionen ausgelöscht hatte, sondern eine Identifizierung der Toten oft unmöglich machte. Der Versailler Vertrag knüpfte an die bereits während des Krieges zur Anwendung gekommenen Bestimmungen der Haager Landkriegsordnung und der Genfer Abkommen an, aus denen sich die angemessene Bestattung der Toten des Kriegsgegners und eine Registrierung der Kriegsgräber herleitete.12 Der dauerhafte Erhalt der Gräber, der es Angehörigen ermöglichen sollte, die Grabstätte zu besuchen oder den Leichnam zu einem späteren Zeitpunkt zu überführen, wurde als zeitlich unbegrenztes Ruherecht interpretiert, das etwaigen Ruherechtsregelungen für zivile Gräber entgegenstand. Neben dem Versailler Vertrag, der den Umgang mit den Kriegsgräbern zwischen Deutschland und seinen früheren Kriegsgegnern regelte, bestanden weitere Vereinbarungen zwischen den Alliierten, die bereits zu Kriegszeiten den rechtlichen Status britischer Friedhöfe auf französischem Boden geklärt hatten.13 Die zwischen den Alliierten getroffenen Vereinbarungen gestatteten es Briten und Amerikanern nach dem Krieg selbständig Friedhöfe für die Gefallenen in Frankreich und Belgien zu errichten und diese zu betreuen. Gegenüber Deutschland fand im Versailler Vertrag jedoch zunächst ein anderes Prinzip Anwendung. Die Verantwortung für die Kriegsgräber wurde dem Land auferlegt, auf dessen Territorium sich die Gräber befanden.

[11] Für die weitere Entwicklung der Kriegsgräberfürsorge als internationale Praxis sowie für die konkreten Bedingungen zur Anlage von Friedhöfen hatte diese Konstellation zentrale Bedeutung. War es Briten und Amerikanern durch die getroffenen Vereinbarungen möglich, in wenigen Jahren den Bau ihrer Friedhöfe an der Westfront abzuschließen,14 hatten Frankreich und Belgien auch die Sorge für die deutschen Kriegsgräber auf ihrem Territorium zu tragen. Ein Umstand, der aus deutscher Sicht wie ein Ausschluss von der Betreuung der eigenen Kriegsgräber erschien, von den Franzosen und Belgiern dagegen als eine erhebliche finanzielle Belastung empfunden wurde und letztendlich für alle Beteiligten keine befriedigende Lösung darstellte.

[12] Der Zustand der deutschen Kriegsgräber in Frankreich wurde nach dem Ersten Weltkrieg Gegenstand heftiger öffentlicher Kritik.15 Jedoch wäre es falsch, das karge Erscheinungsbild der deutschen Friedhöfe als rein mutwillige Bösartigkeit der Siegermächte auszulegen, denn die Gräber der gefallenen Franzosen gaben in den ersten Nachkriegsjahren auch kein besseres Bild ab.16 Der auffälligste Kontrast bestand gegenüber den wohlgepflegten Anlagen der Briten und Amerikaner. Belgien trat daher in einem 1926 geschlossenen Abkommen die Pflege der deutschen Kriegsgräber an Deutschland ab,17 Frankreich gestattete seit Ende der 1920er Jahre eine deutsche Beteiligung bei der Ausgestaltung der Friedhöfe. Insgesamt bleibt festzuhalten, dass sich in Westeuropa in der Zwischenkriegszeit ein Geflecht aus völkerrechtlichen Verträgen und institutionellen Arrangements entwickelte, die wechselseitig auf nationalstaatlicher Ebene umgesetzt wurden und langfristig das normative Verständnis der Kriegsgräberfürsorge prägten. Unter den beteiligten Behörden und Organisationen etablierten sich in den 1920er Jahren belastbare Arbeitsbeziehungen und Verfahrensweisen in der Kriegsgräberfürsorge, die grenzübergreifend die Pflege der Kriegsgräber ermöglichten.18

[13] Formal bildete der Versailler Vertrag auch in weiten Teilen Osteuropas die Grundlage für die Betreuung deutscher Kriegsgräber. Lediglich die baltischen Staaten, die nicht zu den Signatarstaaten gehörten, stellten einen Sonderfall dar. Dennoch waren die Voraussetzungen für den Erhalt von Kriegsgräbern an der ehemaligen Ostfront völlig anders als in Westeuropa. Die Toten waren nicht auf engstem Raum konzentriert, sondern durch den weitläufigen Frontverlauf weit verstreut. Die geopolitische Neuordnung Mittel- und Osteuropas nach dem Ersten Weltkrieg bedingte zudem, dass viele der nach 1918 entstandenen Nationalstaaten die Verantwortung für die Gräber des Deutschen Heeres auf ihrem Staatsgebiet erbten, ohne selbst am Krieg beteiligt gewesen zu sein. Vielfach hatten Teile der Bevölkerung in verschiedenen Armeen auf beiden Seiten der Front gedient. Die Betreuung der Gräber und das Gedenken an die Toten verliefen daher stärker entlang ethnischer und religiöser Linien, unterhalb oder auch entgegen staatlicher Gedenkpolitik.19 Entsprechend wurden deutsche Kriegsgräber von Angehörigen deutscher Minderheiten vor Ort betreut.20 Umfangreiche staatliche Maßnahmen wie in Frankreich, wo hunderttausende Tote geborgen und auf neuangelegte Friedhöfe umgebettet wurden, unterblieben jedoch. Zu einer geregelten Kriegsgräberfürsorge, die auch die deutschen Kriegsgräber erfasst hätte, kam es in vielen Ländern Osteuropas nicht. Die während des Krieges von den Armeen angelegten Friedhöfe und Gräber wurden bestenfalls in ihrer bestehenden Form gepflegt oder verfielen mit der Zeit.

Kriegsgräberfürsorge nach dem Zweiten Weltkrieg

[14] Nach dem Ersten Weltkrieg bestand zwar in Form des Versailler Vertrages ein einheitlicher Rahmen, der den Erhalt von Kriegsgräbern sicherstellen sollte, jedoch treten deutliche regionale Unterschiede in der Umsetzung hervor. Hiervon ungeachtet wurde die Behandlung von Kriegsgräbern im Kriegsfall 1929 im Genfer Abkommen präzisiert. Eine einheitliche vertragliche Lösung, die die Frage der Betreuung der deutschen Kriegsgräber in die geordneten Bahnen einer zivilen Nachkriegsordnung überführt hätte, gab es nach dem Zweiten Weltkrieg dagegen nicht. Die gewonnenen Erfahrungswerte des Ersten Weltkrieges und der Zwischenkriegszeit und deren Niederschlag im humanitären Völkerrecht prägten jedoch auch die praktischen Verfahrensweisen bei der Bestattung von Kriegstoten während und nach dem Zweiten Weltkrieg. Nach Kriegsende begannen die Alliierten mit der Suche nach Kriegstoten und der Umbettung der Toten auf zentrale Sammelfriedhöfe.21 Hierbei wurde auch ein Teil der deutschen Kriegstoten erfasst. Bereits während der Besatzungszeit wurden zugleich Maßnahmen getroffen, die Betreuung der deutschen Kriegsgräber wieder in deutsche Hände zu überführen. Wenn auch konkrete Details zur Betreuung von Kriegsgräbern auf fremden Boden in bilateralen Verhandlungen zwischen der Bundesrepublik und den jeweils betroffenen Staaten geregelt werden mussten, blieb das Anliegen vor allem zwischen den Ländern, die bereits auf vergleichbare Erfahrungen nach dem Ersten Weltkrieg zurückblicken konnten, unstrittig. Im Gegensatz hierzu standen die Länder im sowjetischen Machtbereich. Die schon vor dem Zweiten Weltkrieg schwach entwickelten institutionellen Beziehungen in der Kriegsgräberfürsorge in Osteuropa und der nun aufziehende Kalte Krieg führten dazu, dass Gräberabkommen zwischen der Bundesrepublik und den ehemaligen sozialistischen Staaten erst in den 1990er Jahren geschlossen wurden.22

[15] In Westeuropa sind dagegen bei den nach dem Zweiten Weltkrieg eingeleiteten Aktionen zur Suche nach Kriegstoten und zum Friedhofsbau bereits unterschiedliche nationale Traditionen erkennbar, die auf den etablierten Vorgehensweisen des Ersten Weltkrieges aufbauten. In der Nachkriegszeit waren verschiedene ausländische Gräberdienste in Deutschland aktiv, um Kriegstote zu überführen oder Informationen über Lage und Zustand von Kriegsgräbern einzuholen. Die britischen und US-amerikanischen Streitkräfte überführten ihre Gefallenen aus Deutschland auf Friedhöfe in Belgien und den Niederlanden, denn die Toten sollten nicht auf feindlichem Boden zurückgelassen werden. Zugleich entsprach dies den nach dem Ersten Weltkrieg angewandten Verfahrensweisen. Großbritannien überführte grundsätzlich keine Kriegstoten in die Heimat, um die Gleichbehandlung aller Gefallenen sicherzustellen. Die US-Regierung überließ es den Angehörigen, über den Bestattungsort zu entscheiden, und übernahm die Kosten für Begräbnis und Überführung.23 Die Sowjetunion dagegen vollzog keine Überführungen, weshalb mehr als 320.000 Gräber russischer Kriegsgefangener und Zwangsarbeiter in Westdeutschland verblieben.

[16] Deutsche Kriegsgräber jenseits der deutschen Grenze wurden wie auch schon nach dem Ersten Weltkrieg im Ausland belassen. Vor allem im Zeitraum von den frühen 1950er bis in die 1970er Jahre wurden im Rahmen der geschlossenen Gräberabkommen in zahlreichen Ländern Kriegsgräberstätten für die Toten der Wehrmacht errichtet, die das dauerhafte Ruherecht der Toten sicherstellen sollten. Die Maßnahmen zur Sicherung der militärischen Gräber bewegten sich entlang der völkerrechtlichen Konventionen und Praktiken. Die sich noch im Versailler Vertrag ausdrückenden Vorbehalte, insbesondere Frankreichs, Deutschland an der Pflege seiner Kriegsgräber mitwirken zu lassen, wurden nach dem Zweiten Weltkrieg bis auf wenige Ausnahmen fallen gelassen.24

[17] Der Zweite Weltkrieg zeigte auch, dass das traditionelle, aus dem 19. Jahrhundert herrührende Verständnis des Kriegsgrabes als militärische Grabstätte nicht ausreichte, um all denen, die nach menschlichem Ermessen im Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg und der NS-Herrschaft gewaltsam zu Tode gekommen waren, zu einer dauerhaften letzten Ruhestätte zu verhelfen. Bereits während des Krieges hatte sich in Deutschland das Verständnis des Kriegsgrabes unter dem Eindruck auch vermehrter ziviler Opfer erweitert.25 Wurde nach dem Ersten Weltkrieg noch vom "Kriegergrab" gesprochen, das dem Soldaten vorbehalten war, ist für das "Kriegsgrab" der erlittene Kriegstod das relevante Kriterium. In der Nachkriegszeit wurden die unterschiedlichen zivilen Opfergruppen des NS-Regimes innerhalb Deutschlands in den Geltungsbereich kriegsgräberfürsorgerischer Maßnahmen mit einbezogen. Dies geschah zunächst durch Vorgaben der Besatzungsmächte und wurde mit Neufassung des Kriegsgräbergesetzes 1952 rechtlich verankert. Zugleich war eine Reihe von Gräbern ziviler Opfer der NS-Zeit durch internationale Verpflichtungen geschützt, die durch von der Bundesrepublik geschlossene bilaterale Abkommen entstanden. Ähnlich dem Vorgehen der militärischen Gräberdienste ermöglichten sie französischen, belgischen und niederländischen Delegationen die Suche nach und die Exhumierung und Überführung von Toten, die die Deportation nach Deutschland nicht überlebt hatten. Sie sicherten den Angehörigen zugleich besondere Zugangs- und Besuchsrechte zum Grab, wenn die Heimführung eines Leichnams nicht mehr möglich war.

[18] Rechtlich wurde in der Bundesrepublik außerdem dem weitverbreiteten Empfinden Rechnung getragen, auch mittelbare Kriegsfolgen wie Flucht und Vertreibung anzuerkennen und in die Kriegsgräbergesetzgebung mit einzubeziehen. Seit 1965 fasst das deutsche Recht alle Gräber, die in den Geltungsbereich der Kriegsgräbergesetzgebung fielen, unter der Bezeichnung der "Gräber der Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft" zusammen. Mit dieser Gesetzesreform sollte vor allem deutlich gemacht werden, dass die Gräber der Toten der Wehrmacht keine Vorrangstellung vor anderen Opfergruppen genossen.26 Die damit verbundene Gewährung des dauerhaften Ruherechtes führt in der praktischen Anwendung häufig dazu, dass bei der Anlage und Gestaltung der Gräber Grundsätze Anwendung finden, die aus dem Bereich der militärischen Kriegsgräberfürsorge entsprungen sind und seit dem Ersten Weltkrieg beim Bau von militärischen Gräberfeldern erprobt wurden.

[19] Auch wenn sich in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg das Selbstverständnis des öffentlichen Kriegstotengedenkens gewandelt hat und den Kriegstoten ungeachtet ihrer zivilen oder militärischen Rolle wegen des erlittenen gewaltsamen Todes im spezifischen historischen Kontext gedacht wird, sind der überwiegende Teil der deutschen Kriegsgräber Grabstätten von im Zweiten Weltkrieg gestorbenen Soldaten. Im internationalen Zusammenhang beziehen sich die seit dem Ersten Weltkrieg entstandenen Strukturen zur Anlage und Betreuung von Kriegsgräbern auf die "klassischen" Kriegstoten, die Gefallenen. Entsprechend beziehen sich die von der Bundesregierung geschlossenen internationalen Gräberabkommen auf den Kriegsgräberbegriff des humanitären Völkerrechtes. Sie erfassen ausschließlich militärische Kriegstote. Die Bestattung von Gefallenen während des Krieges wurde von den beteiligten Streitkräften selbst übernommen. Für den in der Regel erst in der Nachkriegszeit erfolgten Ausbau von Sammelbegräbnisplätzen zu endgültigen Friedhöfen sowie für deren Gestaltung und fortwährende Pflege finden sich im internationalen Vergleich unterschiedliche Organisationsmodelle, die im militärisch-staatlichen Verantwortungsbereich angesiedelt sein können und bis hin zu Formen ziviler Trägerschaft reichen. In Deutschland wird die Betreuung der Kriegsgräber im Ausland vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e. V. im Auftrag der Bundesregierung übernommen. Der Verein übernimmt dabei auch einen Teil der anfallenden Kosten mit den von ihm eingeworbenen Spenden und Mitgliedsbeiträgen. Im Inland ist Kriegsgräberfürsorge Aufgabe der Länder, der Volksbund wird dabei beratend hinzugezogen oder aktiv mit eingebunden.

Zwischen Friedhof und nationaler Kultstätte – zur Gestaltung von Kriegsgräberstätten

[20] Bei der Gestaltung von Kriegsgräbern haben sich seit dem Ersten Weltkrieg einige Grundsätze entwickelt, die als Maßgabe für eine als angemessen empfundene Anlage insbesondere von fremden Kriegsgräbern gelten und die funktional den Anforderungen des dauerhaften Erhalts gerecht werden. Darüber hinaus zeigt sich jedoch eine große Varianz von Gestaltungsansätzen beim Bau von Friedhöfen für die Kriegstoten im 20. Jahrhundert. Übliche Vorgaben für ein nach internationalem Maßstab als angemessen anzusehendes Kriegsgrab gehen von ebenerdig angelegten Einzelgräbern mit einfacher, beständiger Bepflanzung und einer witterungsbeständigen Grabmarkierung aus, die den Namen und die Lebensdaten des Toten trägt. Die Anforderungen, die an das einzelne Kriegsgrab gestellt werden, sind somit ausgesprochen gering. Gerade die minimalistische Gestaltung sichert jedoch den dauerhaften Erhalt, weil es die Gräber vor Witterungseinflüssen schützt, damit den Pflegeaufwand minimiert und letztendlich auch die Kosten zum Erhalt des Grabes senkt. Hierzu dient auch die Konzentration der Toten auf wenige große Friedhofsanlagen, die den Gesamteindruck eines endlosen Meeres von Grabsteinen wecken kann, was auch populären Vorstellungen vom typischen Weltkriegsfriedhof entspricht, jedoch nur begrenzt verallgemeinerbar ist.

[21] Die Anlage von Kriegsgräberstätten als großflächige Gräberfelder für mehrere Tausend oder Zehntausend Tote folgte der pragmatischen Erkenntnis, dass wenige einzelne Friedhöfe leichter zu erhalten sind als eine große Zahl verstreuter Einzelgräber. Dies war vor allem für Briten und Amerikaner relevant, die eine praktikable Lösung für die Betreuung der überseeischen Kriegsgräber finden mussten. Die Gestaltung der britischen Friedhöfe erfolgte nach einem von der Imperial War Graves Commission entworfenen Muster, das ein insgesamt homogenes Erscheinungsbild aller britischen Gräber erzeugt. Auch die deutschen Kriegstoten wurden von den französischen Behörden nach dem Ersten Weltkrieg auf größere Sammelfriedhöfe umgebettet, wobei kleinere, während des Krieges von den deutschen Truppen gebaute Friedhöfe aufgelöst wurden. Die zunächst nur provisorisch mit einfachen Lattenkreuzen markierten Gräber waren in der deutschen Öffentlichkeit immer wieder Anlass zu Klage. Die Briten hatten mit ihrer nach Kriegsbeginn getroffenen grundsätzlichen Entscheidung, alle Gefallenen an der Front zu belassen und nach einem einheitlichen Muster zu bestatten, günstige Voraussetzungen für den raschen Bau von Friedhöfen geschaffen. In Deutschland bestanden dagegen keine einheitlichen Vorstellungen über die Gestaltung von Kriegsgräbern, sondern eine Vielzahl von Entwürfen und Vorschlägen, die von Künstlern und Architekten vorgelegt und von eingerichteten staatlichen Beratungsstellen für Kriegerehrungen verbreitet wurden.27 Diese standen gerade Anfang der 1920er Jahre in radikalem Kontrast zum wüsten Zustand deutscher Kriegsgräber an der früheren Westfront. Auch wenn sich mit zunehmender Verständigung in der Kriegsgräberfrage zwischen Deutschland und Frankreich die Einsicht durchgesetzt hat, dass die Auflösung kleiner Friedhofsanlagen nach rationalem Ermessen notwendig war und die von den deutschen Truppen angelegten Friedhöfe in ihrer ursprünglichen Form nicht zu erhalten waren, diente die Vorstellung der ununterbrochenen Grabreihen an der Westfront für die deutschen Architekten aber gerade nicht als Vorbild, sondern als zu überwindende gestalterische Herausforderung.

[22] Die in den 1920er Jahren zunächst beschränkten Möglichkeiten, Einfluss auf den Zustand deutscher Kriegsgräber im Ausland zunehmen, führten dazu, dass die Wahrnehmung der Kriegsgräberfürsorge in Deutschland als zu erbringende staatliche Leistung vornehmlich als administrative Aufgabe erfolgte. Das 1919 eingerichtete Zentralnachweiseamt für Kriegerverlust und Kriegergräber (ZAK) führte den amtlichen Nachweis über Kriegsgräber im In- und Ausland und hielt den Kontakt zu ausländischen Stellen, entwickelte jedoch keine eigenen Baukompetenzen. Im Ausland wurden Maßnahmen zur Instandsetzung von Friedhöfen, soweit dies möglich war, vom Auswärtigen Amt über die deutschen Gesandtschaften abgewickelt. Als Belgien 1926 den Ausbau der deutschen Gräberfelder an Deutschland abtrat, wurde vom Auswärtigen Amt unter der Bezeichnung Amtlicher Deutscher Gräberdienst eine Dienststelle in Belgien eingerichtet, die den Bau der Friedhöfe durchführte. Zugleich trat der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e. V. in Erscheinung. Der Verein war 1919 von ehemaligen Gräberoffizieren ins Leben gerufen worden und wollte den Verlust der deutschen Gräber im Ausland und die als unzureichend empfundenen staatlichen Möglichkeiten in der Kriegsgräberfürsorge durch privates Engagement unterstützen.28 In Frankreich und Belgien bot sich dem Verein nun erstmals die Möglichkeit, umfassende Gestaltungspläne für Friedhofsanlagen zu realisieren. Die Einbindung des Volksbundes war willkommen, weil seine durch Mitgliedsbeiträge und Spenden eingeworbenen Mittel die knapp bemessenen öffentlichen Gelder für Kriegsgräberfürsorge ergänzten. Unter der Leitung des Architekten Robert Tischler entwickelte die Bauabteilung des Volksbundes eine Reihe von Friedhofsentwürfen, bei denen sich Tischler vom Vorbild des klassischen Friedhofes löste und die Kriegsgräberstätte als eigene Form der militärischen Grabstätten zur Geltung zu bringen versuchte. Bekanntestes Beispiel sind die unter der Bezeichnung "Totenburgen" bekannt gewordenen Nekropolen, die der Volksbund in Italien, dem Balkan und Nordafrika errichtete.29 Tischler rechtfertigte seine Bauweise immer mit dem Verweis auf die Sicherung der dauerhaften Ruhe der Toten, die durch die monumentale Bauweise eher zu realisieren sei als mit herkömmlichen Grabbeeten. Grundsätzlich problematisch sind die Entwürfe aus kriegsgräberfürsorglicher Sicht aber noch nicht allein wegen der martialischen Formensprache und den historischen Referenzen der Bauten, sondern wegen der bewussten Aufgabe des Einzelgrabanspruches der Toten, der durch die monumentale Gestaltung der Grabstätte auch ästhetisch potenziert wird. Die Individualität der Toten wird vom Bau geradezu verschluckt. Zieht man den Vergleich zu monumentalen Grabanlagen in Westeuropa, etwa zu den französischen Ossuarien, die auch nach dem Ersten Weltkrieg noch errichtet wurden, so bleibt festzuhalten, dass diese nur noch als Massengrab für die Gebeine der Toten geduldet wurden, denen kein Name mehr zugeordnet werden konnte. Sie waren damit Ausdruck des namenlosen Sterbens, das für Hunderttausende im Ersten Weltkrieg zum Schicksal wurde. Gerade hiergegen lehnte sich der humanitäre Gedanke der Kriegsgräberfürsorge eigentlich auf. Bei den Totenburgen wurden jedoch Einzelgräber zum Teil bewusst zugunsten der Bauten aufgegeben. Die Toten wurden zwar namentlich ausgewiesen, ein individueller Zugang zum Grab bestand aber nicht mehr.

[23] Die monumentale Vereinnahmung der Kriegstoten tritt vor allem bei den in den 1930er Jahren in Norditalien errichteten Begräbnisstätten hervor. Die Totenburgen des Volksbundes standen an neuralgischen Punkten der Alpenfront den italienischen Toten gegenüber, die vom faschistischen Regime symbolisch an die einst umkämpfte Grenze auf zum Teil riesige Grabanlagen umgebettet wurden.30 Diese Anlagen stehen für eine Form der Grabmalgestaltung, die sich deutlich von den Gräberfeldern der Westfront oder den angelegten Friedhöfen der deutschen oder österreichischen Truppen des Ersten Weltkrieges abhebt. Sie stehen dabei nicht repräsentativ für alle deutschen oder italienischen Kriegsgräberstätten, verdeutlichen aber sowohl die Formenvielfalt der nach dem Ersten und auch nach dem Zweiten Weltkrieg errichteten Begräbnisstätten für die Kriegstoten in Europa, die sich nicht einfach auf einige flandrische Gräberfelder reduzieren lässt, als auch das Potential zur politischen Vereinnahmung, das die Kriegsgräberfürsorge birgt.

[24] Auch nach 1945 finden sich noch Beispiele für den eingeschlagenen Pfad beim Bau von deutschen und italienischen Kriegsgräberstätten, die vor allem durch personelle und strukturelle Kontinuitäten bedingt sind. Langfristig hat es sich in der Gestaltung deutscher Kriegsgräberstätten durchgesetzt, die Gräber nach funktionalen Kriterien anzulegen und eine ästhetische Wirkung durch die Gestaltung der Gesamtanlage zu erzielen. Hierbei wurde auch nach dem Zweiten Weltkrieg kein einheitliches Muster vom Volksbund entworfen, der im staatlichen Auftrag nach 1945 den Bau von Kriegsgräberstätten im Ausland vollständig übernahm. Im Anschluss an Gestaltungsrichtlinien der Zwischenkriegszeit, sollten Kriegsgräberstätten in Auseinandersetzung mit dem sie umgebenden Landschaftsbild entwickelt werden. In den Vordergrund trat dabei wieder die Betonung der Sicherung der dauerhaften Ruhe der Toten mit dem Einzelgrab als angestrebter Norm. Die Planung von Kriegsgräberstätten blieb dennoch nicht unbeeinflusst von den gedenkpolitischen Kontroversen ihrer jeweiligen Entstehungszeit. Dies waren insbesondere die Fragen nach der Möglichkeit einer positiven Sinngebung des Soldatentodes in Deutschland nach 1945 oder das sich in den 1950er Jahren ausbildende passive Opferverständnis im öffentlichen Totengedenken der Bundesrepublik, das die Gefallenen neben allen anderen Kriegstoten und den NS-Opfern als Opfer des Krieges auslegt.

[25] Die Bedeutung des Kriegsgrabes als militärische Ehrbekundung ist in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg in den Hintergrund getreten. Die völkerrechtliche Verankerung der Kriegsgräberfürsorge ermöglichte es zugleich bereits wenige Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges, Kriegsgräberstätten in Ländern zu errichten, in denen die Wehrmacht zuvor noch als Besatzer aufgetreten war. Diese Vorgänge waren damit nicht vollständig entpolitisiert und blieben nicht ohne öffentliche Kontroversen, jedoch bewegten sich die zwischenstaatlichen Verhandlungen zwischen den beteiligten Behörden und Organisationen und die technische Durchführung der Maßnahmen im Rahmen der in der Zwischenkriegszeit entwickelten Routinen. Erinnerungspolitische Spannungen ließen sich zum Teil überbrücken, indem bei internationalen Verhandlungen vor allem die technischen Aspekte der Durchführung von Umbettungsmaßnahmen und des Friedhofsbaus in den Mittelpunkt gerückt wurden. Der Kalte Krieg und die Westintegration der Bundesrepublik schufen dabei ein außenpolitisches Umfeld, das gerade in Westeuropa eine sachorientierte Lösung der Kriegsgräberfrage begünstigte. Das gemeinsame Gedenken an die Toten der Weltkriege mit den neuen militärischen Bündnispartnern wurde zu einem gepflegten politischen Ritual, das den (west)europäischen Einigungsprozess als auch die Einigkeit der NATO-Partner gegenüber den Staaten des Warschauer Paktes symbolisch zum Ausdruck bringen sollte. Dies kommt weniger in der Gestaltung deutscher Kriegsgräberstätten selbst zum Ausdruck, sondern vor allem in ihrer öffentlichen Nutzung und Wahrnehmung. Die vor allem nach Abschluss des Élysée-Vertrages intensivierte Einbeziehung von Kriegsgräberstätten in deutsch-französische Jugendprojekte hat langfristig auch dazu geführt, dass diese nicht mehr nur als private Grab- oder öffentliche Gedenkstätte verstanden werden können, sondern in ihrer Funktion als Erinnerungsort auch als ein Medium in der politischen Bildungsarbeit eingesetzt werden.31

[26] Betrachtet man einzelne deutsche Kriegsgräberstätten oder auch Friedhöfe anderer Nationen als Fallbeispiele, so müssen diese internationalen Zusammenhänge ebenso berücksichtigt werden wie spezifische nationale Erinnerungsnarrative und kulturelle Prägungen im Umgang mit den Toten.

Gastherausgeber des Special Issues
Christian Fuhrmeister und Kai Kappel (Hg.), War Graves, War Cemeteries, and Memorial Shrines as a Building Task, 1914-1989. Die Bauaufgabe Soldatenfriedhof/Kriegsgräberstätte zwischen 1914 und 1989, in: RIHA Journal 0150-0176

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1 Vgl. Reinhart Koselleck, "Transformation der europäischen Totenmale im 20. Jahrhundert", in: Transit 22 (2001/2002), 59-86, hier 63.

2 Für eine aktuelle Bewertung der völkerrechtlichen Stellung von Kriegstoten und Kriegsgräbern siehe Anna Petrig, "The War Dead and their Gravesites", in: International Review of the Red Cross 91 (2009), Nr. 874, 341-369.

3 Vgl. Reinhart Koselleck und Michael Jeismann (Hg.), Der politische Totenkult. Kriegerdenkmäler in der Moderne, München 1994.

4 Vgl. Jay Winter, Sites of Memory, Sites of Mourning. The Great War in European Cultural History, Cambridge 1995.

5 Vgl. Daniel Sherman, "Bodies and Names. The Emergence of Commemorations in Interwar France", in: American Historical Review 103 (1998), 443-466; Thomas W. Laqueur, "Memory and Naming in the Great War", in: Commemorations. The Politics of National Identity, hg. v. John R. Gillis, Princeton 1996, 150-167. Siehe auch die verschiedenen Aufsätze, die 2000 unter dem Titel "Le Corps dans la Première Guerre Mondiale" in Heft 1 der Annales veröffentlicht wurden. Einleitend hierzu Stéphane Audoin-Rouzeau und Annette Becker, "Présentation", in: Annales. Histoire, Science Sociale 55 (2000), Nr. 1, 43-45.

6 Auf diesen Umstand hat Maria Bucur in ihrer zeitlich breit angelegten Studie zum Kriegstotengedenken in Rumänien hingewiesen: Maria Bucur, Heroes and Victims. Remembering War in Twentieth-Century Romania, Bloomington 2009, 50-53. Zu nennen ist außerdem die international vergleichend angelegte Arbeit von Luc Capdevila und Danièle Voldman zum Umgang mit Kriegstoten seit dem 19. Jahrhundert, die auch auf Entwicklungen in Südamerika hinweist, insgesamt allerdings ebenfalls durch einen starken Akzent auf der Westfront des Ersten Weltkrieges gekennzeichnet ist: Luc Capdevila und Danièle Voldman, War Dead. Western Societies and the Casualties of War, Edinburgh 2006.

7 Zur Entstehung der Idee des Heldenhains siehe Willy Lange, Deutsche Heldenhaine, herausgegeben im Auftrag der Arbeitsgemeinschaft für Deutschlands Heldenhaine, Leipzig 1915.

8 Vgl. Capdevila und Voldman, War Dead, 61-62.

9 Einzige Ausnahme ist Dänemark, wo neben militärischen Toten auch die Gräber von etwa 15.000 deutschen Flüchtlingen, die bis 1949 in dänischen Auffanglagern untergebracht waren, als Kriegstote behandelt und auf Kriegsgräberstätten bestattet wurden. Vgl. John V. Jensen, "Versöhnung über den Gräbern. Krigskirkegårde fra Anden Verdenskrig i Danmark", in: Kirkegårdskultur 19 (2011-2012), 60-77.

10 Zur Einbeziehung getöteter Bundeswehrsoldaten in die Totenehrung am Volkstrauertag vgl. Alexandra Kaiser, Von Helden und Opfern. Eine Geschichte des Volkstrauertags, Frankfurt am Main 2010, 397.

11 In den Vereinigten Staaten wurden bereits nach dem US-Bürgerkrieg staatliche Friedhöfe für die Gefallenen der Unionstruppen errichtet. Vgl. Drew Gilpin Faust, This Republic of Suffering. Death and the American Civil War, New York 2008. Bestimmungen zum Schutz von Gräbern und Denkmälern auf den Schlachtfeldern beinhaltete auch schon der Friedensschluss des deutsch-französischen Krieges 1871. Vgl. Annette Becker, "War Memorials: A Legacy of Total War?", in: On the Road to Total War. The American Civil War and the German Wars of Unification, 1861-1871, hg. v. Stig Förster und Jörg Nagler, Washington, D.C. 1997, 657-680.

12 Vgl. Jean Marie Henckaerts et al., Customary International Humanitarian Law, Bd. 1, Cambridge 2005, Rule 112 und 133; Michael Bothe, "War Graves", in: Encyclopedia of Public International Law, hg. v. Rudolf Bernhardt, Amsterdam 2000, 1373f. Anthony P. V. Rogers, Law on the Battlefield, 3. Aufl., Manchester 2012, 80. Die juristische Handbuchliteratur ist in Bezug auf die Ursprünge des Schutzes von Kriegsgräbern im kodifizierten Völkerrecht nicht ganz einheitlich. Sie sind jedoch definitiv bereits vor dem Ersten Weltkrieg anzusetzen und nicht erst mit dem dritten Genfer Abkommen von 1929.

13 Vgl. Laqueur, "Memory and Naming in the Great War", 153.

14 Vgl. Fabian Ware, The Immortal Heritage. An Account of the Work and Policy of The Imperial War Graves Commission during twenty years 1917-1937, Cambridge 1937. Zur Bestattung von Kriegstoten durch die US-Armee im Ersten und Zweiten Weltkrieg siehe Edward Steere, The Graves Registration Service in World War II, Washington 1951, und Michael Sledge, Soldier Dead. How We Recover, Identify, Bury, and Honor Our Military Fallen, New York 2004; Chris Dickon, The Foreign Burial of American War Dead, Jefferson 2011.

15 Siehe z.B. ein 1918 in Berlin erschienenes Heftchen, das reichlich bebildert angebliche französische Übergriffe auf deutsche Friedhöfe dokumentierten sollte: [o. A.], Französische Grabschändung. Wie Frankreich Kriegsgräber schändet und Deutschland Kriegsgräber ehrt, Berlin 1918.

16 Smith, Audoin-Rouzeau und Becker betonen dagegen die sich zunächst fortsetzende Feindseligkeit, die auch im Umgang mit den deutschen Gräbern zum Ausdruck käme. Vgl. Leonard V. Smith, Stéphane Audoin-Rouzeau und Annette Becker, France and the Great War 1914-1918, 3. Aufl., Cambridge 2008, 170.

17 Vgl. Annette Freytag, Die Deutschen Soldatenfriedhöfe in Flandern/Duitse militaire begraafplaatsen, unveröffentlichte Studie für das Vlaams Instituut voor het Onroerend Erfgoed, Brüssel/Zürich 2006, 19.

18 Noch 1935 wurde zwischen Großbritannien, Deutschland und Frankreich ein gemeinsames Abkommen geschlossen, dass die grenzübergreifende Pflege von Kriegsgräbern erleichtern sollte und als Anknüpfungspunkt für die Übernahme der Verantwortung für deutsche Kriegsgräber durch die Bundesrepublik nach dem Zweiten Weltkrieg diente. Zum Vertragstext siehe "Vereinbarung über Kriegsgräber, 1935", in: Verträge der Bundesrepublik Deutschland, Serie A: Multilaterale Verträge Nr. 542-557, Bd. 40, hg. v. Auswärtiges Amt, Bonn 1973, A 557, 532-541.

19 Vgl. Bucur, Heroes and Victims, 55.

20 Vgl. Bernhard Böttcher, Gefallen für Volk und Heimat. Kriegerdenkmäler deutscher Minderheiten in Ostmitteleuropa während der Zwischenkriegszeit, Köln 2009.

21 Vgl. Sledge, Soldier Dead, 71-73.

22 Vgl. Rüdiger Overmans, Deutsche militärische Verluste im Zweiten Weltkrieg, München 1999, 133-137.

23 Vgl. Philip Longworth, The Unending Vigil. A history of the Commonwealth War Graves Commission 1917-1967, London 1967.

24 Nur die Niederlande und Norwegen übernahmen die Bestattung der deutschen Kriegstoten in ihren Ländern zunächst selbst. Die Niederland traten die Verantwortung für die Kriegsgräberstätte Ysselteyn 1976 an die Bundesrepublik ab.

25 Die "Richtlinien über die Fürsorge für die Gräber der Kriegsgefallenen des jetzigen Krieges auf den nichtreichseigenen Friedhöfen und über die Gestaltung von Kriegergräberanlagen" vom 1. Dezember 1943 sah ausdrücklich die Möglichkeit vor, auch Zivilpersonen auf Kriegergräberanlagen beizusetzen, wenn diese durch "Feindeinwirkung gefallen" waren. MBliV Nr 49, 1943, 1818-1867.

26 Vgl. Jürgen Gaedke, "Zur Neuregelung des Gräberrechtes", in: Deutsche Friedhofskultur 57 (1967), 151-152.

27 Vgl. Meinhold Lurz, Kriegerdenkmäler in Deutschland, Bd. 3, Heidelberg 1985, 36; Rainer Knauf, Zivile und militärische Friedhofs- und Grabmalgestaltung im 20. Jahrhundert. Der Saarbrücker Hauptfriedhof 1912-1959, Saarbrücken 2010, 91.

28 Vgl. Johan Zilien, "Der 'Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V.' in der Weimarer Republik. Ein Beitrag zum politischen Denkmalkult zwischen Kaiserreich und Nationalsozialismus", in: Archiv für Kulturgeschichte 75 (1993), 445-478.

29 Zu den Bauten Tischlers siehe Christian Fuhrmeister, "Klatschmohn und Ochsenblut. Zur Ikonographie der Kriegsgräberstätten des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge", in: Gartenkultur und nationale Identität: Strategien nationaler und regionaler Identitätsstiftung in der deutschen Gartenkultur, hg. v. Gert Gröning und Uwe Schneider, Worms 2001, 119-134.

30 Vgl. Mario Isnenghi, "La Grande Guerre", in: L'Italie par elle-même. Lieux de mémoire italiens de 1848 à nos jours, hg. v. ders., 2. Aufl, Paris 2013, 295–333, hier 328f.; Anna Maria Fiore, "La monumentalizzazione dei luoghi teatro della Grande Guerra: il sacrario di Redipuglia di Giovanni Greppi e Giannino Castiglioni", in: Annali di architettura 15 (2003), 233-248. Zu den Bauten des Volksbundes siehe Franz Hallbaum, "Wir bauen in Italien", in: Kriegsgräberfürsorge 17 (1937), Nr. 10, 130-139.

31 Vgl. Jakob Böttcher, "Heldenkult, Opfermythos und Aussöhnung. Zum Bedeutungswandel deutscher Kriegsgräber nach dem Zweiten Weltkrieg", in: Deutschland Archiv 2014 (Schriftenreihe der Bundeszentrale für politische Bildung, Bd. 1544), Bonn 2015, 183-193, hier 191.