RIHA Journal 0154 | 27 June 2017

Der Erste Weltkrieg im Spiegel nationalen Gedenkens – Die drei Soldatenfriedhöfe auf dem Südwestkirchhof Stahnsdorf bei Berlin

Anett Ladegast

Abstract
In a unique constellation, and in immediate proximity to one another, the Südwestkirchhof in Stahnsdorf near Berlin comprises three World War I military cemeteries: A German, a British, and an Italian war cemetery. The article not only compares the design of the three cemeteries, but also the alterations across the decades following the war; especially World War II and the period of the Division of Germany brought about substantial changes to these sites. By analyzing the handling of the often very practical problems of maintenance and attendance of these diplomatically highly sensible memorial sites, they emerge as indicators of changes in international relationships and national remembrance politics.


[1] Das weitläufige, waldartige Gelände des Südwestkirchhofs in Stahnsdorf bei Berlin beherbergt mit dem South-Western Cemetery, dem Cimitero Militare Italiano und dem deutschen Ehrenblock drei Kriegsgräberstätten, die an die Gefallenen des Ersten Weltkrieges dieser drei Nationen erinnern. Als ein höchst fruchtbares Fallbeispiel zum Vergleich unterschiedlicher nationaler Konzepte soldatischer Erinnerungskultur vor dem sich wandelnden Hintergrund der nachfolgenden Geschichte erlauben sie den Blick auf eine frühe Phase der von zunehmender Zentralisierung, Formalisierung und Institutionalisierung geprägten Entwicklung der Bauaufgabe Soldatenfriedhof. Für eine diachrone Beobachtung der Gestaltung, aber auch der Veränderung der Wahrnehmung der drei Soldatenfriedhöfe waren neben der Analyse der heutigen Anlagen sowie ihrer durch Pläne und Fotografien dokumentierten früheren Zustände vor allem die heute im Evangelischen Zentralarchiv Berlin aufbewahrten Akten der Friedhofsverwaltung bzw. der sie betreibenden Evangelischen Stadtsynode Berlin aufschlussreich.1 Zum Forschungsstand sei angemerkt, dass bisher keine der drei Anlagen über summarische Erwähnungen und die Erschließung der Kerndaten hinaus nähere Beachtung erfahren hat.2

[2] Nicht nur in Ausmaß und Technisierung der Kriegsführung selbst bedeutete der Erste Weltkrieg eine Zäsur, auch die – rein praktische wie kulturelle – Aufarbeitung des millionenfachen Sterbens auf den Schlachtfeldern verlangte neue Lösungen. Neben wechselseitigen Abkommen der Kriegsparteien zum Umgang mit militärischen wie zivilen Opfern, welche die Ansätze der ersten Genfer Konvention von 1864 weiterführten, wurden in den kriegsführenden Nationen Organisationen gegründet, welche die provisorischen Bestattungen auf den Schlachtfeldern in stetige Friedhöfe überführen sollten, und für deren Anlage sowie deren dauerhafte Pflege und Erhaltung zuständig waren. Daneben dienten sie als Auskunftei für Angehörige, organisierten Kranzniederlegungen oder den Besuch der Gräber. Im Fall des Deutschen Reiches war dies der 1919 gegründete, privat geführte und weitgehend durch Spenden finanzierte Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge (VDK).3 Während den Opfern der Schlachten des Deutsch-Französischen Krieges 1870/71 noch vorrangig durch die Errichtung von Denkmälern in der Heimat gedacht wurde, und die Gefallenen selbst – wenn überhaupt – in der Nähe der Schlachtfelder in Sammelgräbern beigesetzt wurden,4 trat im Angesicht des Massensterbens in der Folge des Ersten Weltkrieges die Bergung und Identifizierung einzelner Soldaten in den Vordergrund.5 Soldaten kamen aber nicht nur auf den Schlachtfeldern, sondern auch in Lazaretten und vor allem in den Kriegsgefangenenlagern durch Entkräftung und Krankheiten ums Leben. Weitab von den Frontlinien des Ersten Weltkrieges zeugen die Soldatenfriedhöfe auf dem Südwestkirchhof vor allem von dieser Seite des Krieges. Parallel zu einer institutionellen Zentralisierung setzte sich die Errichtung von individuellen Grabzeichen auf den Friedhofsanlagen, die nun zentral organisiert und einheitlich gestaltet wurden, durch.6 Als architektonische und landschaftsplanerische Bauaufgaben sind die Soldatenfriedhöfe Transformatoren, die dem Kriegsschrecken ein bleibendes Bild der Ordnung und Geschlossenheit entgegensetzen; sie sind erstrangige Beispiele nationaler Repräsentationsarchitektur.7 Auch wenn die Abwicklung von Pflege und Visitationen nicht immer konfliktfrei blieb, so zeugt die wechselseitige Duldung der Errichtung von Soldatenfriedhöfen im Feindesland eindrucksvoll von der gemeinsamen normativen Basis, welche die symmetrische Kriegsführung kennzeichnet.8

[3] Als Großbritannien und Italien nach dem Ende des Ersten Weltkrieges nach geeigneten Standorten für die Errichtung von Ehrenfriedhöfen suchten, um die verstreuten Einzelgräber der Kriegsgefangenlager auf deutschem Territorium in zentrale Anlagen zu überführen, fiel die Wahl schnell auf den Südwestkirchhof Stahnsdorf bei Berlin. Der nach Plänen des Lenné-Schülers Louis Meyer angelegte Stahnsdorfer Zentralfriedhof war 1909 eröffnet worden und sollte das Problem der überlasteten Berliner Friedhöfe langfristig lösen. Bei der Zusammenlegung zu Groß-Berlin im Jahr 1920 hatte sich die Einwohnerzahl der jungen Metropole innerhalb weniger Jahrzehnte auf 3,9 Millionen vervielfacht und sollte 1942 einen Höchststand von fast 4,5 Millionen erreichen. Da nicht nur die Lebenden, sondern auch die Toten Platz brauchten, gehörte die Gründung großer Zentralfriedhöfe außerhalb des bebauten Stadtgebietes zu den zentralen, auf weiteres Wachstum ausgerichteten Infrastrukturmaßnahmen.9 Trotz seiner peripheren Lage ca. sechs km vor den Toren der Stadt erhielt der Stahnsdorfer Friedhof 1913 entscheidenden Aufschwung durch den Anschluss an das S-Bahn-Netz.10 Vom Berliner Volksmund als Witwenbahn oder gar Leichentaxe tituliert, sorgte die bequeme Verkehrsanbindung für eine schnelle Akzeptanz des Waldfriedhofes. In den Folgejahren wurde das weitläufige Gelände sukzessiv durch die Anlage individuell gestalteter Blöcke und Quartiere für die unterschiedlichen Gemeinden, Konfessionen und kommunalen Bezirke erschlossen.11 Mit einer Fläche von 206 ha ist er nach dem Ohlsdorfer Friedhof in Hamburg die zweitgrößte Friedhofsanlage Deutschlands.12 Der Stahnsdorfer Zentralfriedhof versprach jedoch nicht nur genügend Raum für großflächige Anlagen. Denn während die Schlachtfelder des Ersten Weltkrieges – und damit die an sie lokal gebundenen Kriegsgräberstätten – fernab der deutschen Hauptstadt gelegen hatten, erlaubte die Zusammenlegung der Bestattungen aus den verstreuten Gefangenenlagern die Errichtung repräsentativer Gedenkstätten an einem frei zu wählenden Ort.13 Großbritannien und Italien nutzten diese Chance, steinerne diplomatische Präsenzen im Einzugsgebiet der Reichskapitale zu errichten.

[4] Das Vereinigte Königreich Großbritannien schloss 1924 mit dem Betreiber, der evangelischen Stadtsynode einen Vertrag zur Gebietsübertragung eines 7.700 qm großen Grundstückes am südöstlichen Ende des Friedhofes für die Zahlung von 3.600 Pfund.14 Die in sich geschlossene Anlage des Berlin South-Western Cemetery ist klar von dem sie umgebenden Gelände abgegrenzt. Eine massive Portalanlage mit überkuppelten Eckbauten öffnet den Weg in die weitläufige, ursprünglich von einer Rotbuchenhecke umgebene Kriegsgräberstätte (Abb. 1).

1 Portalanlage des Berlin South-Western Cemetery, Südwestkirchhof Stahnsdorf bei Berlin, 1924-1926 (Foto: Archiv der Autorin)

[5] Zwei Inschriftentafeln an der Einfriedungsmauer klären Bestimmung und vertragliche Grundlagen des Friedhofes in Englisch und Deutsch. Um ein zentrales, weithin sichtbares Hochkreuz ("Great Cross") aus Stein mit eingelegtem Bronzeschwert sind die Einzelgrabsteine in konzentrischen Kreisen, im äußeren Teil in Reihen gruppiert (Abb. 2).

2 Blick entlang der Hauptachse des Berlin South-Western Cemetery, Südwestkirchhof Stahnsdorf bei Berlin, 1924-1926 (Foto: Archiv der Autorin)

[6] Hier fanden 1.172 in Kriegsgefangenschaft verstorbene Angehörige der britischen Armee aus unterschiedlichen Ländern des Commonwealth von Australien bis Südafrika ihre letzte Ruhe; die Gebeine wurden von insgesamt 146 Standorten überführt.15 Dieser Herkunftszusammenhang spiegelt sich im Grundriss der Anlage durch Lücken und Blockbildung der Grabstelen wieder. Ein auf einem Podest erhöhter altarähnlicher Erinnerungsstein ("War Stone") begrenzt die Anlage nach hinten und trägt die Inschrift "Their name liveth for evermore"16. Die einzelnen Grabstelen aus weißem Portlandkalkstein tragen jeweils Rang, Namen und Lebensdaten des Verstorbenen, sowie das Regimentswappen als Relief. Eine hierarchische Unterscheidung bezüglich der Dienstgrade wird explizit vermieden. Der multinationalen und kulturell diversen Zusammensetzung des Commonwealth-Heeres wird durch die Möglichkeit Rechnung getragen, die religiöse Zugehörigkeit durch verschiedene Symbole anzuzeigen und am Fuß der Stele einen individuellen Gedenkspruch anzubringen.

[7] Wie alle internationalen Soldatenfriedhöfe des Commonwealth wurde auch der britische Soldatenfriedhof in Stahnsdorf nach den Vorgaben der 1918 durch das britische Parlament zum Gesetz erhobenen Gestaltungsrichtlinien für britische Soldatenfriedhöfe im Ausland angelegt.17 Die Commonwealth War Graves Commission (CWGC), deren Gründung auf das Jahr 1917 zurückgeht, agiert als autonome, zentralisierte und international aktive Organisation, auch wenn sie, anders als z.B. der privat geführte Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge (VDK), regierungsnah ist und neben Spenden wesentlich aus staatlichen Quellen finanziert wird.18 Sie sorgt für die internationale Abwicklung von Errichtung und Pflege der Anlagen bei Beibehaltung einer einheitlichen Gestaltung unter Anpassung an lokale Gegebenheiten, die für einen hohen Wiedererkennbarkeitswert sorgt.

[8] Im Jahr 1926 unterzeichnete auch das Königreich Italien einen Vertrag zur Errichtung eines Soldatenfriedhofes in Stahnsdorf und erwarb das südlich an die britische Anlage anschließende Gelände von 7.500 m² für die Summe von 75.000 Reichsmark.19 Hier fanden 1.659 größtenteils im Winter 1917/18 in Kriegsgefangenschaft verstorbene Soldaten ihre letzte Ruhestätte, die aus verschiedenen, größtenteils in der Mark Brandenburg gelegenen Lagern überführt wurden.20 Die 1928 fertiggestellte, und ursprünglich von einer dichten Weißbuchenhecke umgebene Anlage wird durch ein gusseisernes Tor abgeschlossen (Abb. 3).

3 Portalanlage des Cimitero Militare Italiano, Südwestkirchhof Stahnsdorf bei Berlin, 1926-1928 (Foto: Archiv der Autorin)

[9] Ähnlich wie auf dem britischen Soldatenfriedhof führt auch hier ein gepflasterter Hauptweg zu einem Zentralmonument. Allerdings blieb der vorgefundene Kiefernbestand zunächst erhalten und gab der Anlage ein eher parkartiges Gepräge. Auf dem zentralen Erdhügel erhebt sich ein Kalksteinobelisk nach Entwürfen des italienischen Bildhauers Angelo Negretti.21 Seine Seitenflächen zeigen ein Kreuz, das auf der Frontseite um "Pax" und die Widmung "L’Italia ai suoi figli caduti nella guerra mondiale 1915-1918" ergänzt wird. Die einzelnen Grabmale, Pultsteine aus grauem Naturstein, waren ursprünglich in parallelen Reihen und zu großen Blöcken zusammengefasst auf beiden Seiten des Hauptweges angeordnet. Anders als auf dem britischen Soldatenfriedhof wurde hier durchaus auf eine Hierarchisierung der Bestatteten Wert gelegt: Die Grabstellen der 32 Offiziere und Offiziersanwärter befanden sich herausgehoben auf dem zentralen Grabhügel. Anders als in Deutschland oder Großbritannien liegt die Verwaltung der italienischen Soldatenfriedhöfe in der Hand einer dem Verteidigungsministerium in Rom direkt untergeordneten Militärkommission, dem 1919 eingerichteten Commissariato Generale Onoranze ai Caduti en Guerra.22 Sie dient als Auskunftsdienst und ist für die Finanzierung von Pflege und Instandhaltung der Anlagen zuständig. Diese wird – anders als im Falle Großbritanniens – allerdings weitgehend an ortsansässige Vertragspartner abgegeben. Die Planung des Italienischen Soldatenfriedhofs in Stahnsdorf erfolgte denn auch nach Entwürfen des lokalen Landschaftsplaners Louis Meyer.23

[10] Der britische wie der italienische Soldatenfriedhof sollte es den Gefallenen ermöglichen "in fremder Erde im Heimatland" zu ruhen.24 Dazu wurden abgeschlossene Friedhofsanlagen auf dem Südwestkirchhof geschaffen, die klar abgegrenzte Bereiche nationalen Gedenkens aus dem sie umgebenden Gelände heraustrennen. Nicht zufällig wurde für die ausländischen Soldatenfriedhöfe ein bis dato noch nicht erschlossener Bereich fernab vom Haupteingang gewählt, in dem bis heute kaum Bestattungsaktivitäten zu verzeichnen sind.

[11] Dies unterscheidet diese beiden Friedhofsanlagen von dem dritten auf den Ersten Weltkrieg zurückgehenden Soldatenfriedhof in Stahnsdorf, der den deutschen Militärangehörigen dieser Zeit gewidmet ist und sich in der Nähe des Haupteingangs in einer schleifenförmigen Ausbuchtung des nördlichen Hauptweges befindet. Im sogenannten Heldenblock wurden 173 deutsche Militärangehörige größtenteils Berliner Herkunft bestattet.25 Auch hier wird das zentrale Gräberfeld mit Reihen von niedrigen Grabkreuzen von einem hölzernen Hochkreuz dominiert. Ein grober Granitstein mit dem Eisernen Kreuz liegt im Zentrum der plateauartig erhöhten Fläche, auf der sich die Bestattungen höherer Offiziere befinden (Abb. 4).

4 Deutscher Soldatenfriedhof mit Gedenkstein und Offiziersgräbern im Vordergrund, Südwestkirchhof Stahnsdorf bei Berlin (Foto: Archiv der Autorin)

Auf der südlichen Seite befindet sich ein weiteres Steinkreuz für Kranzniederlegungen. Zur Eigenart dieser Anlage gehört, dass die einheitlich konzipierte zentrale Fläche von individuell gestalteten Grabsteinen flankiert wird (Abb. 5).

5 Seitliche, individuell angelegte Grabstätten auf dem Deutschen Soldatenfriedhof, Südwestkirchhof Stahnsdorf bei Berlin (Foto: Archiv der Autorin)

[12] Dies ergibt sich aus der Entstehungsweise dieses Blockes, der sich grundsätzlich von dem der beiden ausländischen Friedhofsanlagen unterscheidet. Parallel zu den wachsenden Bemühungen, eine würdige Bestattung der Gefallenen in der Nähe der Schlachtfelder zu ermöglichen, blieb der Wunsch der Angehörigen nach einer Überführung in die Heimat. Die im Vergleich zu den beiden ausländischen Anlagen mit jeweils weit über 1.000 Bestattungen eher kleine Zahl der Grabstellen zeigt, dass die Fälle, in denen Soldaten in der Heimat an ihren Verletzungen verstarben oder die Überführung von den provisorisch angelegten Grabstätten gelang, in der Minderzahl blieben. Die Planung eines Helden- oder Ehrenfriedhofs in Stahnsdorf begann schon 1916 und wurde zunächst von privaten Einzelinitiativen geprägt.26 Hier finden sich allerdings nicht nur Grabstätten von während des Ersten Weltkrieges gefallenen Soldaten, sondern auch die von später verstorbenen Veteranen und deren Angehörigen. Ihre rund um das zentrale Gräberfeld angelegten Grabstellen bieten ein uneinheitliches Bild ganz unterschiedlicher Formen und Erhaltungszustände.27 So wie der Personenkreis der hier Bestatteten ist auch der Ehrenblock selbst formal nicht klar gegenüber dem umliegenden zivilen Friedhof abgegrenzt. Nahtlos fügt er sich in Louis Meyers gartenplanerisches Gesamtkonzept des Südwestkirchhofes ein, das dessen waldartigen Charakter in den Vordergrund stellte, in den sich die schlicht gehaltenen Grabstellen als ein Sinnbild der Einheit von Natur und Monument durch geschickte Blickachsenführung einschmiegen sollten.28 Der verwendete dunkle, naturraue Stein und der enge Bewuchs lassen zudem an den Denkmalstypus des Heldenhaines denken, der als besonders "germanisch" geschätzt wurde,29 sich aber, wie die weiteren Entwicklungen zeigen sollten, nicht langfristig durchsetzen konnte. Auch die Tatsache, dass nur der mittig gelegene Kern des Heldenblockes zentral organisiert und einheitlich gestaltet war, jedoch von privat gesetzten Einzelgrabstellen mit individuellem Gepräge umgeben wurde, sorgte für eine zunehmend negative Bewertung dieser Anlage. Die in einem Schreiben der Kirchhofverwaltung der Berliner Stadtsynode aus dem Jahr 1937 geäußerte Kritik steht exemplarisch für diese Tendenz:

Der Teil des SWK, auf dem sich nur Kriegergräber befinden, macht in seiner bisherigen Anlage und Ausgestaltung […] keinen befriedigenden Eindruck. […] Die Angehörigen der Toten haben die Ruhestätten damals nach Belieben bepflanzt und mit Grabzeichen versehen. Die Folge davon ist, dass dieser Kirchhofsteil keinen geschlossenen Ehrenfriedhof bildet, sondern einen ganz uneinheitlichen Eindruck macht, ähnlich wie es sonst bei Zivilgräbern der Fall ist. […] Ganz besonders unangenehm wirkt der augenblickliche unbefriedigende Zustand dieses Kirchhofteiles, wenn man ihn mit dem sehr schönen, einheitlich angelegten und hervorragend gepflegten britischen Ehrenfriedhof […] vergleicht.30

[13] Die Quelle formuliert beispielhaft die geradezu diametralen Mechanismen von ziviler und militärischer Erinnerungskultur, die sich in den unterschiedlichen Gestaltungsprinzipien der drei Stahnsdorfer Soldatenfriedhöfe niederschlägt. Die Einrichtung einer Grabstätte für Gefallene in der Heimat ist nicht zuletzt Bewältigungsmechanismus und Bühne der gesellschaftlichen Selbstdarstellung im Trauerprozess der zurückbleibenden Familien. Eine Einheitlichkeit der Grabstellen wird schon durch deren sukzessive und unabhängig ausgeführte Errichtung erschwert. Ganz im Gegensatz dazu steht die zentral organisierte Einrichtung von Soldatenfriedhöfen. Im Ausland war dies von Anfang an – aus naheliegenden, pragmatischen Gründen – die Regel, doch in der Folge des Ersten Weltkrieges sollte sich dieses Vorgehen zunehmend auch für die Anlagen im Heimatland durchsetzen. Sowie der Soldat zu Lebzeiten aus dem Gefüge seiner Familie in die Gesamtheit des Heeres übergetreten war, bleiben sein Körper und sein Andenken auch über den Tod hinaus an das größere Ganze gebunden. Wenn Thomas Hobbes den Staatskörper als aus den vielen Einzelpersonen seiner Bürger zusammengesetzt beschreibt,31 so findet dieses Prinzip seine Fortsetzung in den Gräberlandschaften der Soldatenfriedhöfe nach angelsächsischer Prägung, bei denen die Einzelgrabmäler standardisierte Formen erhalten und so zu einem Gesamtmonument verschmelzen.32

[14] Während sich auf dem deutschen Heldenhain als Heimatfriedhof einheitliche Gestaltung und individuelles Engagement vermischen, verdanken die beiden ausländischen Anlagen ihr Aussehen gänzlich anderen Prämissen.33 Offenbar wurden sie jedoch mit der gleichen Erwartungshaltung konsumiert und rezipiert – was sich höchst negativ auf die Bewertung des Heldenblockes auswirkte. Folgerichtig fand der Stahnsdorfer Heldenblock auch keine Erwähnung in den in Mode kommenden Gedenkbüchern mit Sammlungen Deutscher Ehrenmonumente und Ehrenfriedhöfe, die ihr Aussehen überregional verbreiteten.34 Diese Ablehnung begann schon früh und, so meine These, erfolgte umso klarer, da mit dem britischen wie italienischen Soldatenfriedhof in direkter Nachbarschaft zwei unterschiedliche, in ihrer Strenge und Klarheit aber gleichermaßen als modern und erstrebenswert angesehene Friedhofskonzepte zu einem Vergleich einluden. Eine Vereinheitlichung des Heldenblocks sollte 1939 umgesetzt werden, wurde aber vom Ausbruch des Zweiten Weltkrieges eingeholt. Nun wollte man aus vorherigen Fehlern lernen und nur eine Woche nach Kriegsausbruch, am 8. September 1939 erging eine Anweisung der Stadtsynode an alle Groß-Berliner Gemeinden, dass, "wenn irgend möglich, vermieden werden muss, dass wie im Weltkriege die durch Kampfgemeinschaft verbundenen Toten des Krieges getrennt auf den Gemeindefriedhöfen beigesetzt werden".35 Statt aber den bestehenden Heldenblock zu erweitern, wurde auf dem Südwestkirchhof eine neue Anlage, der Neue Ehrenhain eingerichtet. Hier wurden nicht nur Militärangehörige, sondern auch zivile Opfer bestattet, die nach dem Gesetz zur Übernahme von Kriegsfolgekosten einen Anspruch auf staatliche Bestattungsbeihilfen und Grabpflege hatten.

[15] Waren die Fronten des Ersten Weltkrieges noch fernab der Hauptstadt verlaufen, wurde Berlin nun selbst Schauplatz erbitterter Kämpfe und massiver Zerstörung. Wie ernst aber auch weiterhin die Verpflichtung gegenüber den "Feindgräbern im Reich" genommen wurde, zeigt eine Anweisung der Oberkommandantur der Wehrmacht aus dem Jahr 1944, in der betont wird, dass die Pflege aller Soldatenfriedhöfe aufrechtzuerhalten sei. Angefügt ist dem Schreiben eine offenbar als notwendig erachtete aufschlussreiche Begründung:

Schließlich wird den Gemeindebehörden klarzumachen sein, daß die menschenwürdige Erhaltung und Pflege der Feindgräber, auch wenn sie dem Empfinden der Bevölkerung oft widerstrebt, das beste Mittel ist, um eine entsprechende Pflege der deutschen Gräber im Feindesland zu erreichen, […] um die Brücke der Verständigung nicht ganz abzubrechen.36

[16] So erbittert man sich auf den Schlachtfeldern bekämpfte, waren sich die Kombattanten doch darin einig, dass ein wechselseitiges Recht auf die würdige Bestattung der Toten auch im Feindesland bestand. Schon aus dem Jahr 1942 stammen Pläne für die Erweiterung des italienischen und englischen Soldatenfriedhofs in Stahnsdorf. Die Festlegung der Sektorengrenzen 1945, durch die das außerhalb der Stadtgrenzen Berlins im Landkreis Potsdam-Mittelmark liegende Stahnsdorf nun der sowjetischen Besatzungszone zugeschlagen wurde, ließ das Interesse der westlichen Alliierten jedoch schnell versiegen. Der britische Friedhof für die Gefallenen des Zweiten Weltkrieges, der Berlin War Cemetery, wurde schließlich 1945 bis 1957 an der Heerstraße angelegt;37 der entsprechende italienische Soldatenfriedhof befindet sich auf dem Waldfriedhof Zehlendorf.38

[17] Auf die teils absurden Verwicklungen, die es mit sich brachte, eine auf DDR-Territorium gelegene, aber in West-Berliner Besitz und Verwaltung befindliche Anlage zu bewirtschaften, für die Bestellungen getätigt, Rechnungen gestellt und Löhne gezahlt werden mussten, kann hier nur summarisch hingewiesen werden. Dies zwang die Beteiligten vor dem Hintergrund von Nachkriegswirren und dem sich verschärfenden Kalten Krieg zur Aushandlung eines Modus Operandi, von dem die in den Quellen überlieferten schriftlichen Stellungnahmen zeugen.39 Aus dem Jahr 1950 stammt eine Auflistung des geleisteten Pflegeaufwandes auf den Soldatenfriedhöfen, die sich auf 25.000 DM-Ost beläuft – verbunden mit großer Klage: "Wir sind auf Grund des Befehls 184 zur Unterhaltung dieser Anlage verpflichtet, erhalten aber, da wir eine westliche Verwaltung sind, von keiner Seite Gelder hierzu."40 Rechtliche Grundlage für den Umgang mit ausländischen Soldatenfriedhöfen in der Nachkriegszeit wurde das bundesdeutsche Kriegsgräbergesetz von 1952. Als bei der Begehung des SWK am Totensonntag in eben diesem Jahr auffiel, dass auf den Ehrenfriedhöfen für die im Ersten Weltkrieg gefallenen Soldaten keinerlei Blumenschmuck vorhanden war, folgte eine wiederum sehr signifikante Anweisung des Berliner Synodalverbundes: "Im Hinblick auf die z.T. sehr sorgfältige Pflege der Friedhöfe von gefallenen Deutschen im Ausland dürfte sich empfehlen, zum Totensonntag auf den Ehrenfriedhöfen des Südwestkirchhofes Blumen niederzulegen".41 Sie bekräftigt den bereits angesprochenen appellativen do-ut-des-Charakter der Pflege ausländischer Soldatenfriedhöfe. Als kommentarlose Reaktion folgen in den Unterlagen die Rechnungen für Kränze aus den Folgejahren. In den 1950er Jahren wurden schließlich bilaterale Abkommen mit dem Vereinigten Königreich und Italien geschlossen, welche die Zuständigkeiten konkret klären sollten.42 Erst 1985 gingen die bisher im Auftrag vom Stadtsynodalverband Berlin/West gepflegten britischen Kriegsgräber in die Obhut der DDR über.

[18] Die britische Regierung hatte gut daran getan, in das Pflegeabkommen mit der DDR-Regierung auch einen Passus zum besonderen Schutz der Gestaltung ihrer Friedhöfe aufzunehmen,43 wie der Umgang mit dem benachbarten italienischen Soldatenfriedhof zeigt. Anders als die Commonwealth War Graves Commission, die die Pflege ihrer Anlagen streng überwachte, überwies das italienische Konsulat eine jährliche Pauschale für Gießen und Sauberhalten ihres Soldatenfriedhofes an die Stadtsynode, 1970 waren dies 12.000 DM, hielt sich aber ansonsten weitgehend zurück. Da die Grabsteine zunehmend verwitterten und die maschinelle gärtnerische Pflege der Anlage massiv erschwerten, erfolgte eine Umgestaltung der Anlage unter deutscher Leitung.44 Die 1.632 Kissensteine, welche die Grabstellen der italienischen Soldaten markierten, wurden 1974 entfernt und der italienischen Botschaft übergeben. Sie wurden symbolisch durch 25 neue, in Dresden angefertigte Grabkreuze ersetzt, die in lockerem Verbund auf der Wiese vor dem erhöhten zentralen Obelisken errichtet wurden (Abb. 6).45 Die Anlage erhielt nun einen weitläufigen, parkartigen Charakter, der sich weit von der ursprünglichen Funktion, der Kennzeichnung des individuellen Grabortes, entfernt hatte.

6 Cimitero Militare Italiano, Südwestkirchhof Stahnsdorf bei Berlin, Zustand um 1980 (nach: 100 Jahre Südwestkirchhof 1909-2009, hg. v. Förderverein Südwestkirchhof Stahnsdorf e. V., 2009, Abb. 12)

[19] Allerdings hatte der gesamte Südwestkirchhof zu diesem Zeitpunkt durch seine Lage jenseits der Berliner Mauer massiv an Bedeutung verloren und war in einen 40-jährigen Dornröschenschlaf versunken, der nur durch die jährlichen Kranzniederlegungen auf den Soldatenfriedhöfen unterbrochen wurde. Obwohl theoretisch weiterhin Bestattungen durchgeführt werden konnten, war der Friedhof doch abgeschnitten von seinem einstigen Einzugsgebiet, den wohlhabenden Bezirken Charlottenburg und Steglitz/Zehlendorf im Südosten Berlins.46 Mit dem Bau der Mauer 1961 wurde der S-Bahnverkehr eingestellt, die Gleise 1976 schließlich ganz demontiert.47 Zwar wurde der Friedhof am 20. Januar 1982 unter Denkmalschutz gestellt, was jedoch kaum eine Hilfe für die Instandhaltung von Anlage und Monumentenbestand bedeutete.48 Die Durchmischung mit privaten Einzelgrabstellen bedeute für den deutschen Ehrenblock eine zunehmende Belastung, da sie zwar vom Gräbergesetz gestützt wurden, sich ihre Pflege aber kaum zufriedenstellend aus den knappen Pflegepauschalen abdecken ließ.49

[20] Das Schicksal des Südwestkirchhofs belegt eindrucksvoll, dass Zentrum und Peripherie nicht primär durch geografische Lage und Entfernung determiniert sind, sondern durch Anbindung und kulturelle Inklusion. Nach der raschen Erschließung in der Blütezeit der Anfangsjahre, in der viele Prominente und Persönlichkeiten Berlins hier ihre letzte Ruhestätte fanden und der Friedhof ein vielbesuchter Bezugsort Berliner Identität war, folgten Jahrzehnte der völligen Vergessenheit.50 Bis heute ist der Friedhof nur zu 10 % seines Fassungsvermögens belegt und bewahrt wie in einer Zeitkapsel weitgehend die Strukturen aus der Zeit vor dem Ende des Zweiten Weltkrieges.51

[21] Erst mit der Wiedervereinigung kam neues Leben nach Stahnsdorf und der neugegründete Förderverein bemüht sich um Schutz und Erhaltung der historischen Anlage.52 Auch die ausländischen Soldatenfriedhöfe wurden einer Generalüberholung unterzogen. Schon 1992 fand eine erste Restaurierung der britischen Kriegsgräberanlage statt.53 Im Winter 2014 wurden zum 90. Jahrestag seines Bestehens und in Vorbereitung auf das Gedenkjahr zum Ausbruch des 1. Weltkrieges umfassende Sanierungsarbeiten vorgenommen. Es war eine der aufwendigsten und teuersten Kampagnen auf einem britischen Soldatenfriedhof außerhalb des Britischen Königreichs.54 Die Arbeiten beschränkten sich jedoch auf rein erhaltende Maßnahmen ohne strukturelle Veränderungen vorzunehmen. Stattdessen wurden 250 der weißen Grabstelen originalgetreu ersetzt, Toranlage und Eckbauten aufwendig restauriert. Letztere dienen nicht nur dem Wetterschutz der Besucher, sondern beherbergen in einer Wandnische nun auch wieder das Friedhofsregister (vgl. Abb. 2). Neben einem Besucherbuch und Informationsmaterial findet sich hier ein ausführliches Verzeichnis der Bestatteten, das über die üblichen Kerndaten hinaus ausführliche prosopografische Vignetten von Heimatadresse bis Todesursache und Familienstand umfasst.

[22] Anders war der Umgang mit dem benachbarten italienischen Soldatenfriedhof; hier wurde erst 2006 die erste Generalsanierung vorgenommen. Die Planung übernahm der in Berlin lebende Architekt Maurizio Nieri, dessen Aufgabe nicht in der Konservierung der Anlage, sondern ihrer Neukonzeption unter Beibehaltung der historisch überkommenen Elemente bestand. Die 25 Steinkreuze der DDR-Ära wurden entfernt, fanden aber als Umrandung des zentralen Podestes Wiederverwendung. Von den ursprünglich 1.626 Kissensteinen waren jedoch nur 415 erhalten geblieben. Die Neugestaltung verstetigt den 1974 vorgenommen Paradigmenwechsel: Statt die verlorenen oder beschädigten Grabsteine wie auf dem britischen Friedhof zu ergänzen und die Lage der Gräber zu rekonstruieren, ordnete Nieri die verbliebenen Pultsteine nun in 32 konzentrischen Strahlen um den zentralen Obelisken an (Abb. 7).

7 Cimitero Militare Italiano, Südwestkirchhof Stahnsdorf bei Berlin, Lageplan zum Zustand nach den Umbaumaßnahmen 2006 (© Architekturbüro Maurizio Nieri, Berlin)

[23] Zusammen mit der Beseitigung des Kiefernbestandes führte dies zunächst vor allem zu einer formalen Annäherung an den benachbarten britischen Soldatenfriedhof, dessen Einzelgrabsteine größtenteils ebenfalls radial um das Zentralmonument angeordnet sind. Die verbliebenen Pultsteine erhielten Bronzetafeln mit den Kerndaten der Verstorbenen (Name, Lebensdaten, Rang), die nun jeweils in Gruppen von fünf bis sieben Personen zusammengefasst wurden.55 Die einstig zentrale Prämisse der Soldatenfriedhöfe, die Kennzeichnung der individuellen Grabstelle durch ein Mal mit Namen des Verstorbenen sicherzustellen, wurde hier im Prozess der Neugestaltung endgültig aufgegeben, und die ursprünglichen Bestattungen, die nach mehr als 80 Jahren als vergangen gelten, wurden nicht angetastet. Auch das gartenplanerische Konzept wurde angepasst: Das Gräberfeld wurde vom alten Baumbestand befreit und an den Endpunkten der Strahlen Pappeln gepflanzt, die an die für italienische Friedhöfe typischen Zypressen erinnern sollen. Wie ein Ehrenspalier flankieren vor den Blumenrabatten aufragende Pultsteine den breiten Zugangsweg (Abb. 8).

8 Blick entlang der Hauptachse des Cimitero Militare Italiano, Südwestkirchhof Stahnsdorf bei Berlin, Zustand nach den Umbaumaßnahmen 2006 (Foto: Archiv der Autorin)

[24] Sie tragen Bronzetafeln, welche die Zuordnung der Grabsteine zu den korrespondierenden Personendaten erleichtern sollen. Die Duplizierung des Namens ersetzt nun die Authentizität des Grabortes. Desweiteren informieren zwei hervorgehobene Tafeln am Eingang den Besucher auf Deutsch und Italienisch über Geschichte und Konzept der Anlage. So basiere das geometrische Gestaltungssystem der zentralen Erhebung auf den zwei Grundelementen Kreis und Quadrat: "Die Vereinigung dieser beiden Formen symbolisiert die Harmonie zwischen den beiden entgegen gesetzten Welten, der himmlischen und der irdischen, zwischen dem Reich der Ideale, für das diese Soldaten sich geopfert haben, und der realen Welt." Im Namen des Gedenkens an die hier Bestatteten findet eine bemerkenswerte Überhöhung des soldatischen Opfertodes statt, während die Auseinandersetzung mit historischem Hintergrund und Gestaltungskonzept räumlich wie inhaltlich klar getrennt bleibt. Im Gegensatz zu den festen Formprinzipien der britischen Soldatenfriedhöfe erlaubt der größere Spielraum der italienischen Soldatenfriedhöfe eine derartige Transformation. Die Aufgabe der konkreten Einheit von Körper und Name, Grab und Mal geht einher mit der Hinwendung zu einem universelleren nationalen Gedenken. Auch wenn diese Differenz wohl den wenigsten Besuchern auffallen dürfte, kennzeichnet sie den Übertritt von einer konkreten zu einer stärker symbolischen Erinnerungskultur.

[25] Ganz im Gegensatz zu den aufwendigen Eingriffen auf britischer und italienischer Seite stehen die auf dem deutschen Heldenblock durchgeführten Maßnahmen, die sich weitestgehend auf Instandhaltung und gärtnerische Pflege im Rahmen des Kriegsgräbergesetzes beschränken.56 Offenbar ist dort keine Aktualisierung der Erinnerungsformen nötig – im Gegenteil: es scheint als ob das Wachsen des Moses auf den im schummrigen Dunkel der Bäume ruhenden Grabsteinen zu einer weiteren, willkommenen Distanzierung des hier Gemahnten beiträgt. Zu stark war die Erinnerung an den Ersten Weltkrieg durch das Trauma des Zweiten Weltkrieges verdrängt und überformt worden; die eigenen Kriegstoten nun nicht mehr als Opfer oder Helden wahrgenommen, sondern als potentielle Täter höchst verdächtig.57

[26] Zu Zeiten des Eisernen Vorhanges waren die ausländischen Soldatenfriedhöfe als Geisterfriedhöfe in Erfüllung vertraglicher Pflichten gepflegt worden, welche die gegenseitige Anerkennung der ehemaligen Kriegsparteien, die sich nun im Kalten Krieg in neuen Lagern gegenüberstanden, sichtbar machten. War die Zugänglichkeit zu den ausländischen Soldatenfriedhöfen auch während dieser Zeit prinzipiell gewährleistet, so gewannen Einzelbesucher doch erst nach der Wiedervereinigung wieder an Bedeutung. Auch wenn der Südwestfriedhof bis heute unter seiner peripheren Lage und dem schlechten Anschluss an den öffentlichen Nahverkehr leidet, ist die beredte Ansprache der Rezipienten durch Tafeln und Materialien ein zentrales Anliegen der beiden ausländischen Anlagen, während ein derartiges Informationsbedürfnis auf dem Heldenblock fehlt, der nach wie vor ohne jegliches didaktisches Programm, ohne erklärende Hinweisschilder oder Ähnliches auskommt.

[27] Soldatenfriedhöfe lösen das an die Militärangehörigen gegebene letzte Fürsorgeversprechen über den Tod hinaus ein. Sie sind Orte individueller Trauer. Vor allem aber – und das gilt umso mehr mit zunehmendem zeitlichem Abstand – sind sie Monumente nationaler Selbstdarstellung im In- und Ausland. Durchgängig fanden und finden auf allen drei Stahnsdorfer Soldatenfriedhöfen offizielle Kranzniederlegungen an den verschiedenen nationalen Gedenktagen statt; sie sind Schauplätze sozialen Handelns. Der deutsche Heldenblock zeigt, dass dieses Handeln sich aber gerade auch als Nichtstun, eine Stellungnahme im Schweigen äußern kann. Während Kriegsgedenken in Deutschland primär die Auseinandersetzung mit dem Trauma von Nationalsozialismus und Zweiten Weltkrieg bedeutet, ist im britischen Geschichtsverständnis der Erste Weltkrieg nach wie vor "The Great War" und das Gedenken daran entsprechend aktiv. Unbestrittener Höhepunkt aller Aktivitäten war der Besuch von Königin Elisabeth II. und ihre Teilnahme am Remembrance Day auf dem britischen Soldatenfriedhof im November 2004, der breite mediale Beachtung fand.58 Er zeigt die Bedeutung des Soldatenfriedhofes als Etappe beim rituellen Abgehen historischer Stätten, die als Symbole und Bühnen innerhalb des komplexen Balletts diplomatischer Verbindlichkeiten dienen.

[28] Dies gilt ganz besonders für die Stahnsdorfer Soldatenfriedhöfe. Hatte der Hauptstadtbezug zunächst für eine größere Wahrnehmung der drei Soldatenfriedhöfe in Stahnsdorf gesorgt, so führte die direkte Nachbarschaft untereinander zu einem erhöhten Konkurrenzdruck. Zusammen mit der zunehmenden Professionalisierung der verantwortlichen Institutionen verstärkte der Vergleich der ausländischen Anlagen den Wunsch, auch die eigenen Soldatenfriedhöfe im Inland klarer und einheitlicher zu gestalten, der sich schließlich in den Friedhofsentwürfen des Zweiten Weltkrieges niederschlug. Das Beispiel der Soldatenfriedhöfe auf dem Südwestkirchhof zeigt aber vor allem, dass diese zwar als Mahnmale gegen das Vergessen mit dem Anspruch ewigen Überdauerns geschaffen wurden – tatsächlich sind sie als Einheit von architektonischen und gärtnerischen Elementen aber höchst fragile wie pflegeintensive Gebilde, zu denen jede Generation aufs Neue eine Haltung beziehen muss.59 Somit verweisen sie nicht nur auf den Anlass ihrer Errichtung, sondern sind vor allem aktive, sich ständig aktualisierende Marker für den Umgang mit der eigenen Geschichte und ihren Monumenten.

Gastherausgeber des Special Issues
Christian Fuhrmeister und Kai Kappel (Hg.), War Graves, War Cemeteries, and Memorial Shrines as a Building Task, 1914-1989. Die Bauaufgabe Soldatenfriedhof/Kriegsgräberstätte zwischen 1914 und 1989, in: RIHA Journal 0150-0176

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1 Das Evangelische Landeskirchliche Archiv in Berlin (ELAB) ist Teil des Evangelischen Zentralarchivs Berlin (EZAB). Das Archiv der Friedhofverwaltung besteht aus thematisch geordneten, meist jedoch nicht durchgehend paginierten Aktenkonvoluten. Leider kann der vorliegende Text nur einen kurzen Abriss der Entwicklung der drei Soldatenfriedhöfe geben; das reichhaltige Quellenmaterial macht den Fall Stahnsdorf zu einem erstklassigen Studienobjekt der Sozial- und Mentalitätsgeschichte lokaler und nationaler Identitätsbildung vor dem wechselhaften Hintergrund des 20. Jahrhunderts. Ich danke Olaf Ihlefeldt (Friedhofverwalter des Südwestkirchhofs Stahnsdorf, Leiter des Fördervereins Südwestkirchhof Stahnsdorf e. V.), dem Architekten Maurizio Nieri, Jonathan Reeve (Commonwealth War Graves Commission CWGC) und den Mitarbeitern vom Evangelischen Zentralarchiv Berlin EZAB für ihre Unterstützung bei meinen Recherchen. Weitere Anregungen lieferten die Diskussionen des Themas in den Kolloquien von Prof. Horst Bredekamp und Prof. Philipp Zitzlsperger.

2 Noch am ausführlichsten zu den Stahnsdorfer Soldatenfriedhöfen informieren die letzte Monografie zum Südwestkirchhof, die wesentliche Grunddaten zu den dortigen Soldatenfriedhöfen zusammenträgt: Peter Hahn, Hg., Südwestkirchhof Stahnsdorf. Lexikon, Lesebuch, Parkführer, Badenweiler 2003; sowie zuvor: Wolfgang Gottschalk, Der Südwestfriedhof Stahnsdorf: ein Zentralfriedhof des Berliner Stadtsynodalverbandes, 2. Aufl., Berlin 1991.

3 Zu dessen Gründungsgeschichte siehe mit Hinweis auf die ältere Literatur Helmut Schoenfeld, "Grabzeichen für Soldaten", in: Grabkultur in Deutschland: Geschichte der Grabmäler, hg. v. der Arbeitsgemeinschaft Friedhof und Denkmal und dem Museum für Sepulkralkultur, Kassel, Berlin 2009, 263-287, 266-270; Für den Frieden: Gedenkstätten und Gräber der Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft in Berlin, hg. v. Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V., Landesverband Berlin in Zusammenarbeit mit der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung von Berlin, Berlin 2000; sowie den Beitrag von Jakob Böttcher in diesem Sonderheft.

4 Schoenfeld, "Grabzeichen für Soldaten", 262: "Solches Heldengedenken galt letztlich meist nicht den eigentlichen Opfern der Kriege, sondern es verherrlichte den Sieg und die Opferbereitschaft des tapferen Kriegers als Vorbild für nachfolgende Generationen." Erste Beispiele für die individuelle Kennzeichnung von Soldatengrabstätten stammen aus der Zeit des Schleswig-Holsteinischen Krieges von 1848-1851 und des Deutsch-Dänischen Krieges von 1864, z.B. auf dem Alten Friedhof in Flensburg, so Schoenfeld, Grabzeichen für Soldaten, 264 mit weiterer Literatur. Erstmals wird die gegenseitige Respektierung der Soldatengräber in einem Friedensvertrag zwischen dem Deutschen Reich und Frankreich nach 1870/71 aufgenommen. Rainer Knauf, "Soldatentod und individuelles Gedenken – Zwei frühe Gefallenenfriedhöfe in Saarbrücken", in: Ohlsdorf, Zeitschrift für Trauerkultur (2006), Nr. 92, 30-33; diese frühen Einzelgrabsteine gehen allerdings auf das individuelle Engagement der Angehörigen zurück. Einen Eindruck von den frühen Bemühungen um eine einheitliche Gestaltung der Grabstätten bietet die Publikation von Peter Jessen (Schriftleitung), Kriegergräber im Felde und daheim, München 1917 (= Jahrbuch des Deutschen Werkbundes 1916/1917). Erst nach 1923 konnten die Anlagen im Ausland in größerem Ausmaß dauerhaft neugestaltet werden; im Inland sorgten Grabmalsberatungsstellen, die 1922 veröffentlichen Richtlinien des Reichsinnenministeriums für die Gräberfürsorge im Inland für die Durchsetzung einheitlicher Vorgaben, so Schoenfeld, Grabzeichen für Soldaten, 275, 267-269; Meinhold Lurz, Kriegerdenkmäler in Deutschland, 6 Bde., Heidelberg 1985-87, Bd. 4, 124.

5 Bis zum Kriegsende 1918 waren fast zwei Millionen deutsche Soldaten an allen Fronten gefallen, allein in den ersten fünf Kriegsmonaten starben fast 500.000 Soldaten. Insgesamt verloren fast zehn Millionen Militärangehörige aller Kriegsparteien ihr Leben.

6 Umfassend: Lurz, Kriegerdenkmäler, sowie In fremder Erde, hg. v. Museum für Sepulkralkultur, Kassel, nach 1994; Norbert Fischer, "Der Uniformierte Tod. Soldatenfriedhöfe", in: Raum für Tote: die Geschichte der Friedhöfe von den Gräberstraßen der Römerzeit bis zur anonymen Bestattung, hg. v. der Arbeitsgemeinschaft Friedhof und Denkmal, Zentralinstitut und dem Museum für Sepulkralkultur Kassel, Braunschweig 2003, 255-264. Für die Gestaltung der Anlagen musste die Aussageabsicht mit pragmatischen Anforderungen des Pflegeaufwandes abgewogen werden: Konform zu den Zielen der Friedhofsreform sollten sich die Einzelgrabmäler in ein insgesamt schlicht gehaltenes Gesamtkonzept einfügen. Schoenfeld, "Grabzeichen für Soldaten", 268-269 mit Verweis auf Hans Grässel, "Über Kriegerehrungen", in: Bayerischer Heimatschutz 14 (1916), 2-8, hier 4: die Grabzeichen sollen sich "sofort ersichtlich" von zivilen Grabzeichen unterscheiden; angestrebt war der Eindruck "soldatische Schlichtheit" und "Gleichmäßigkeit". Der Deutsche Werkbund widmete das Jahrbuch 1916/17 ganz dem Thema Kriegergräber/-denkmäler. Norbert Fischer, "100 Jahre Friedhofsreform", in: Friedhof und Denkmal 47 (2002) Nr. 1, 15-22; die Bedeutung der Soldatenfriedhöfe für die Friedhofsreform schränkt dagegen ein: Schoenfeld, "Grabzeichen für Soldaten", 274-276, sowie ausführlicher Helmut Schoenfeld, "Soldatenfriedhöfe: Ihre Entwicklung und ihr Einfluss auf die Friedhofsreform des 20. Jahrhunderts", in: Nekropolis. Der Friedhof als Ort der Toten und der Lebenden, hg. v. Norbert Fischer und Markwart Herzog, Stuttgart 2005, 95-106.

7 Eine kritische Revision der unter Ägide des VDK errichteten Kriegsgräberstätte und der in ihnen zum Ausdruck kommenden Inszenierung nationalen Gedenkens bietet Christian Fuhrmeister, "Der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge im 20. und 21. Jahrhundert. Bemerkungen aus Sicht der Politischen Ikonographie", in: Soldaten und andere Opfer? Die Täter-Opfer-Problematik in der deutschen Erinnerungskultur und das Gedenken an die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft, hg. v. Ellen Ueberschär, Rehburg-Loccum 2007 (= Loccumer Protokoll 73/05), 45-66. Siehe außerdem einführend Gunnar Brands, "From World War I cemeteries to the Nazi "Fortresses of the dead": architecture, heroic landscape, and the quest for national identity in Germany", in: Places of Commemoration – Search for Identity and Landscape Design, hg. v. Joachim Wolschke-Bulmahn, Washington DC 2001, 215-256.

8 Zu diesem Begriff siehe Herfried Münkler, "Symmetrische und asymmetrische Kriege", in: Merkur 58 (August 2004), Nr. 664, 649– 659, sowie Herfried Münkler, Der Wandel des Krieges. Von der Symmetrie zur Asymmetrie, Weilerswist 2006.

9 Zu den drei großen Friedhofsgründungen des Berliner Stadtsynodalverbundes siehe Uta Schaubs, "Die Friedhöfe des Berliner Stadtsynodalverbands in Brandenburg", in: Brandenburgische Denkmalpflege 14 (2005), Nr. 1, 26-30: wichtige strukturelle Voraussetzung war die Gründung des Stadtsynodalverbundes der Haupt- und Residenzstadt Berlin am 18. Mai 1895. Während die Planungen für einen Zentralfriedhof in Mühlenbeck bei Berlin aufgrund ungünstiger lokaler Bodenverhältnisse (hoher Grundwasserspiegel) schnell eingestellt wurden, konnte das Grundstück in Stahnsdorf 1902 für eine Summe von 1.044.000 Mark gekauft werden; der Kauf von Boden für einen dritten Zentralfriedhof in Ahrensfelde wurde 1906 abgeschlossen. Siehe hierzu auch Schaubs, "Friedhöfe des Berliner Stadtsynodalverbands", 74; Gottschalk, Der Südwestfriedhof Stahnsdorf, 14, sowie Gartenkunst 4 (1914), Nr. 6, 117.

10 Siehe hierzu Förderverein Südwestkirchhof Stahnsdorf e. V., Hg., Festschrift 1909-2009. 100 Jahre Südwestkirchhof, Berlin 2009, 10; zum Bahnanschluss auch Gottschalk, Der Südwestfriedhof Stahnsdorf, 36-37. Die Ausschreibung der Friedhofsgestaltung Stahnsdorf erfolgte 1908 und erzielte 3 Nominierungen aus 15 Einsendungen, die in der Zeitschrift Gartenkunst 10 (1908), Nr. 6, 99-104 veröffentlicht wurden. Keine der Einsendungen wurde umgesetzt, da diese "weniger auf die Topographie des vorhandenen Geländes und den gestalterisch wertvollen Baumbestand" eingingen. Schließlich übernahm Louis Meyer den Auftrag. Seine Berücksichtigung der lokalen Verhältnisse ermöglichte eine Kostenminimierung. Meyer profitiert von seinen Erfahrungen auf dem Zentralfriedhof Ahrensfelde, der schon im Juli 1909 eingeweiht wurde (Schaubs, "Friedhöfe des Berliner Stadtsynodalverbands", 78-79).

11 Dieses Vorgehen half, die Kosten für den Unterhalt der Infrastruktur geringzuhalten (Wege, Bewässerungssystem, gärtnerische Pflege); nicht benötigte Flächen wurde landwirtschaftlich genutzt oder verpachtet (Schaubs, Friedhöfe des Berliner Stadtsynodalverbands, 84-85). Insgesamt wurden 21 individuell gestaltete Abteilungen eingerichtet; siehe Hahn, Südwestkirchhof Stahnsdorf, 27-34; außerdem: Festschrift 100 Jahre Südwestkirchhof, 11; Gottschalk, Der Südwestfriedhof Stahnsdorf, 19.

12 Der 191 ha große Waldfriedhof in Hamburg-Ohlsdorf wurde ab 1875 durch Wilhelm Cordes als Landschaftspark angelegt und stellte einen wichtigen Bezugspunkt für die Gestaltung des Stahnsdorfer Friedhofs; Gottschalk, Der Südwestfriedhof Stahnsdorf, 18.

13 Diese Entscheidung ist vor dem Hintergrund einer tendenziellen Abwertung der Erinnerung an in Gefangenenlagern verstorbene Soldaten zu sehen; siehe hierzu die Beiträge von Lars Thiele und Jens Nagel in diesem Sonderheft.

14 ELAB, 2.03/75. Der Vertragstext geht über die Bestimmungen zum Soldatenfriedhof selbst hinaus. So wird u.a. die Geltung des Abkommens über eine eventuelle Schließung des Zentralfriedhofes hinaus bekräftigt, und der Ausbau der gesamten Mittelachse des Stahnsdorfer Friedhofes als Zugangsweg festgelegt. Diese war zu diesem Zeitpunkt nur bis etwa zur Hälfte des Geländes ausgeführt, wo sie auf dem Platz einer geplanten, aber nie realisierten zweiten Friedhofskapelle endete.

15 Hahn, Südwestkirchhof Stahnsdorf, 68. Die Abgrenzung derjenigen, die in den Genuss einer derartig geschützten Ruhestätte kamen, verlief allerdings sehr scharf und umfasste nicht alle britischen Militärangehörigen, die während des Ersten Weltkrieges in deutschen Gefangenenlagern umkamen, wie die 1955 gegebene Auskunft der Friedhofsverwaltung Stahnsdorf zum Verbleib von 19 Grabstätten für Angehörige der britischen Handelsmarine zeigt: "Nach nochmaliger Überprüfung haben wir festgestellt, daß die in Ihrer Kartei verzeichneten 19 englischen Staatsangehörigen als Privatpersonen (Zivilinternierte) auf Reihenstellenfeldern, weit auseinander, in den Jahren 1915/18 beigesetzt wurden. Diese Felder machten 1940 schon einen vollkommen verfallenen Eindruck und wurden, weil man den einzelnen Toten als Einzelgrab nicht mehr feststellen konnte, da Merkmale, Holzkreuz oder Stein fehlten, auf Anordnung von Herrn Amtmann Schmitt im Jahre 1952/53 mit eingeebnet." Mitteilung der Friedhofsverwaltung an den Senator zur Korrektur der Kriegsgräberlisten vom 18.3.1955 in ELAB, 2.03/77.

16 Dieses Element wurde zunächst als "War Stone", später als "Stone of Remembrance" bezeichnet und vor allem auf größeren Friedhofsanlagen in Ergänzung zum zentralen Hochkreuz genutzt. Es bietet den Hintergrund für die offiziellen Kranzniederlegungen und Zeremonien. Zu Gestaltung britischer Soldatenfriedhöfe siehe Philipp Longworth, The Unending Vigil. The History of the Commonwealth War Graves Commission, 3. Aufl., Barnsley 2003, 14.

17 Diese gehen auf ein Konzept von Sir Fred Kenyon (Oberstleutnant und Direktor des British Museum in London) zurück und sehen eine einheitliche Gestaltung der Anlagen vor. Gottschalk, Der Südwestfriedhof Stahnsdorf, 43 sowie Longworth, The Unending Vigil, 18.

18 Die Pläne für eine zentrale Institution gehen auf das Jahr 1914 zurück; am 21. Mai 1917 wurde die Imperial War Graves Commission gegründet, später in Commonwealth War Graves Commission (CWGC) umbenannt. Präsident ist jeweils ein naher Angehöriger des Königshauses, Geschäftsführender Vorsitzender der amtierende Britische Verteidigungsminister. Zur Institutionsgeschichte der CWGC siehe ausführlich Longworth, The Unending Vigil. Ein Vergleich deutscher und britischer Erinnerungskultur bietet Rainer Schulze, "Ein Blick über die Grenze. Erinnerung an 'Soldaten und andere Opfer' sowie die Rezeption deutscher Gedenkstätten in Großbritannien – Ein Diskussionsbeitrag", in: Soldaten und andere Opfer? Die Täter-Opfer-Problematik in der deutschen Erinnerungskultur und das Gedenken an die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft, hg. v. Ellen Ueberschär, Rehburg-Loccum 2007 (= Loccumer Protokoll 73/05), 161-174.

19 ELAB, 2.03/75. Der deutsche Vertragstext gleicht dem des Britischen Soldatenfriedhofs, verzichtet aber auf viele der dortigen Sonderfestlegungen; vergleiche oben, Fußnote 13. Schaubs, "Friedhöfe des Berliner Stadtsynodalverbands", 92.

20 Festschrift 100 Jahre Südwestkirchhof, 22.

21 Schaubs, "Friedhöfe des Berliner Stadtsynodalverbands", 92.

22 Zur Institutionsgeschichte, Struktur und Aufgaben siehe http://www.difesa.it/Il_Ministro/ONORCADUTI/Pagine/ICommissariGenerali.aspx (aufgerufen am 10. Dezember 2015), sowie kurz Für den Frieden: Gedenkstätten und Gräber der Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft in Berlin, hg. v. Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e. V. , Landesverband Berlin, in Zusammenarbeit mit der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung von Berlin, Berlin 2000, 81.

23 Hahn, Südwestkirchhof Stahnsdorf, 69-70.

24 "Wer den Tod im Kampfe fand, ruht auch in fremder Erde im Heimatland": in vielen Varianten gebrauchter Sinnspruch deutscher Gefallenendenkmäler; z. B. Gedenktafel Kirchfriedhof Gatow (Berlin), Kriegerdenkmal Heltau (Rumänien).

25 Gottschalk, Der Südwestfriedhof Stahnsdorf, 44.

26 Gottschalk, Der Südwestfriedhof Stahnsdorf, 44.

27 Der Umgang mit den Soldatengräbern, Pflege und Erhalt im eigenen Land wird geregelt durch das "Gesetz über die Erhaltung der Kriegsgräber aus dem Weltkrieg" vom 29.12.1922; die Richtlinien für die Gräberfürsorge im Inland wird am 31.12.1922 mit der "Verordnung über die Erhaltung der Kriegsgräber aus dem Weltkrieg" verabschiedet; sie betrifft Zivilisten wie Militärangehörige. Nach dem Krieg werden im Inland auch gemeinsame Anlagen geschaffen, siehe Schoenfeld, "Grabzeichen für Soldaten", 277-280 sowie Ingolf Wernicke, "Kriegsgräber, Gestaltung und Einflüsse", in: Deutsche Friedhofskultur 8 (2004), 42-45.

28 Das wichtigste, immer wiederkehrende Kriterium, dem die neuen Soldatenfriedhöfe genügen sollten, wurde mit "schlicht und würdig" oder "schön und ehrenhaft" umschrieben; siehe auch oben, Fußnote 6. Beide Begriffspaare hatten schon die Errichtung des gesamten Südwestkirchhofes als weitläufigen Friedhof mit Parkcharakter geprägt, der individuelle gestaltete Abteilungen der 21 Gemeinden umfasst. Zum Ausschreibungsverfahren zur Errichtung des Südwestkirchhofes und der folgenden Diskussion um ästhetische Kategorien siehe Hahn, Südwestkirchhof Stahnsdorf, 27-34; außerdem: Festschrift 100 Jahre Südwestkirchhof, 11; Gottschalk, Der Südwestfriedhof Stahnsdorf, 19.

29 "Die Idee des Heldenhaines ist aus deutschem Geist geboren und nur germanischer Rasse verständlich". Franz Hallbaum 1934, zitiert nach Lurz, Kriegerdenkmäler, Bd. 4, 130-131.

30 Schreiben der Kirchhofverwaltung der Berliner Stadtsynode Berlin Charlottenburg an die Angehörigen von dort bestatteten Personen (Tgb.-Nr. IVB 2492/37; ELAB 2.03/83, Bd. 3 1938-1957).

31 Zur Ikonografie des Staatskörpers bei Thomas Hobbes siehe Horst Bredekamp, "Ikonographie des Staates. Der Leviathan und die Folgen", in: Kritische Justiz 33 (2000), Nr. 3, 395-411.

32 Während Nationen wie Italien, Frankreich und Belgien diesem, vor allen in den USA und Großbritannien formalisierten Beispiel folgten, so wichen die vom VDK, vor allem unter dem Chefarchitekten Robert Tischler errichteten Anlagen von dem Prinzip des gruppierten Einzelgrabes zugunsten symbolischer Grabkreuze zunehmend ab. Zu Robert Tischlers Monumentalstil siehe Schoenfeld, "Grabzeichen für Soldaten", 281-283 sowie Lurz, Kriegerdenkmäler, Bd. 4, 159-160 und die Beiträge in diesem Band.

33 Zum Unterschied von Soldatenfriedhöfen im Ausland und in der Heimat siehe Knauf, "Soldatentod und individuelles Gedenken", 32-33.

34 Als Beispiele für diese Buchgattung seien hier genannt: Siegfried Scharfe, Hg., Deutschland über alles. Ehrenmal des Weltkrieges, Leipzig 1938; Ernst Bergmann, Deutscher Ehrenhain für die Helden von 1914/18, Leipzig 1931.

35 Eingesehen unter ELAB 2.03/83, 8. September 1939.

36 Anweisung vom Oberkommando der Wehrmacht Nr. 2148/44; 20.05.1944 (AZ. 31+AWA/WvW (IIW)); eingesehen unter ELAB 2.03/83, 20. Mai 1944.

37 Hier wurden 3.576 Angehörige der britischen Truppen bestattet, mehr als die Hälfte von ihnen waren Angehörige der Royal Air Force; die Umbettungen erfolgten 1955-1957. Siehe hierzu: Für den Frieden, 84-85.

38 Hier wurden 2.166 Tote in 2105 Einzel- und drei Sammelgräbern bestattet. Es handelt sich um italienische Militärangehörige, die bei Kämpfen an der Ostfront oder in Gefangenlagern gestorben waren, aber auch um italienische Zivilisten und Zwangsarbeiter. An dem Standort in Zehlendorf hatte sich bereits ein Gefangenenlager mit ersten Bestattungen befunden. Die Planungen zum Ausbau wurden noch 1945 aufgenommen; ein erster Entwurf durch die Arbeitsgemeinschaft Foerster, Hammerbacher und Mattern lag schon 1946/47 vor. 1953 beschloss der (West-)Berliner Senat die Anlage, auf der auch Tote aus dem Gebiet der DDR überführt wurden; die Errichtung erfolgte in den Jahren 1954-1958. Siehe hierzu Sacrari e Cimiteri Militari Italiani all’Estero, hg. v. der Agenzia Industrie Difesa – Stabilimento Grafico Militare GAETA, Rom 2005, 73-75.

39 ELAB 2.03/77 – Kriegsgräber – Pflege und Instandsetzungen.

40 ELAB 2.03/77 – Kriegsgräber – Pflege und Instandsetzungen, 1950.

41 ELAB 2.03/77 – Kriegsgräber – Pflege und Instandsetzungen, 1952.

42 1955 wurde die Zuständigkeit der Pflege für die Grabanlagen der insgesamt 14.000 italienischen Kriegstoten auf deutschem Territorium zwischen der Republik Italien und der Bundesrepublik Deutschland festgelegt. 1956 folgte das korrespondierende Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Vereinigten Königreich von Großbritannien sowie den Mitgliedstaaten des Commonwealth (Nordirland, Kanada, Australien, Neuseeland, der Südafrikanischen Union, Indien, Pakistan) über die Kriegsgräber, Militärfriedhöfe und Gedenkstätten des British Commonwealth auf dem Gebiet der Bundesrepublik, das auch für Stahnsdorf Geltung hatte (ELAB 35/6651).

43 "Es ist weiter fixiert, daß die örtlichen Bedingungen des Friedhofs, die Gesamtanlage der Gräber sowie Traditionen in Bezug auf die Gestaltung und Instandhaltung von brit. Kriegsfriedhöfen […] zu berücksichtigen sind, […]." Das Konsistorium der Evangelischen Kirche Berlin Brandenburg wird bereits in einem Schreiben vom 29. August 1985 über den bevorstehenden Vertragsabschluss informiert (für den gesamten Schriftwechsel siehe ELAB 35/6651).

44 Die Quellen (ELAB 35/6651) belegen die deutsche Leitung und Durchführung der Umbaumaßnahme, während die italienische Darstellung eine Eigeninitiative betont: "lavori di ristrutturazione eseguiti a cura del Commissariato Generale Onoranze Caduti in Guerra". Siehe Sacrari e Cimiteri Militari Italiani all’Estero, 72-73.

45 Gottschalk, Der Südwestfriedhof Stahnsdorf, 44, so auch Hahn, Südwestkirchhof Stahnsdorf, 69-70.

46 Die Bestattungszahlen sanken von rund 3.650 im Jahr 1961 auf jährlich 150-200 danach (Schaubs, Friedhöfe des Berliner Stadtsynodalverbands, 84). Rund 90% der über 100.000 bestehenden Gräber wurden verlassen – mit weitreichenden Konsequenzen, da Instandhaltung und Pflege der Monumente im Wesentlichen durch die Angehörigen geleistet bzw. finanziert wurde. Siehe hierzu Olaf Ihlefeld, "Ewige Ruhe auf dem Friedhof der Metropole? Der Südwestkirchhof Stahnsdorf; von historisch gewachsenen Problemen zu einer nachhaltigen Nutzung", in: Provinz und Metropole, Metropole und Provinz. Arbeitshefte des Brandenburgischen Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologischen Landesmuseums 22 (2009), 85-87, hier 86.

47 Festschrift 100 Jahre Südwestkirchhof, 113.

48 Dies war vor allem dem 1937-1940 vom Alten St. Matthäi Kirchhof in Schöneberg transferierten Denkmalsbestand an Mausoleen und Prunkgrabstätten (Alte Umbettung) zu verdanken (Schaubs, "Friedhöfe des Berliner Stadtsynodalverbands", 84-85).

49 Das Friedhofsarchiv (ELAB 35/6651) dokumentiert nur zwei Fälle von privat finanzierten Restaurierungen von Grabstellen auf dem Ehrenblock. Insgesamt wurden rund 90% der über 100.000 bestehenden Gräber verlassen – mit weitreichenden Konsequenzen, da Instandhaltung und Pflege im Wesentlichen durch die Angehörigen geleistet bzw. finanziert wurde. Siehe hierzu Ihlefeld, "Ewige Ruhe auf dem Friedhof der Metropole?", 86.

50 Die Auswirkungen von Weltkrieg und innerdeutscher Trennung für die gesamte Berliner Friedhofskultur waren massiv: Nicht nur gingen durch die Teilung der Stadt der Bezug von Gemeinde und – oftmals fernab gelegenem – Friedhof verloren, auch die Auslöschung von Familien und der Bevölkerungsaustausch in Folge von Vertreibung und Kriegswirren führte zu einer Entfremdung der Bevölkerung mit den überkommenen Friedhöfen, hierzu deutlich Peter Bloch, "Grabmalkunst und Sepulkralkultur", in: Vergänglichkeit und Denkmal – Beiträge zur Sepulkralkultur, hg. v. Jutta Schuchard und Horst Claussen, Bonn 1985, 65-70, hier 66.

51 Festschrift 100 Jahre Südwestkirchhof, 113-114.

52 Förderverein Südwestkirchhof Stahnsdorf e. V., siehe http://www.suedwestkirchhof.de/foerderverein.html (aufgerufen am 1. April 2015).

53 Hahn, Südwestkirchhof Stahnsdorf, 67.

54 Tobias Reichelt, "Restaurierung von 90 Jahre alten Gräbern", in: Der Tagesspiegel, 27.5.2013.

55 Die Pläne Maurizio Nieris sahen zunächst vor, Marmorplatten auf Metallstelen zu setzen und so auf die gleiche Höhe wie die Bestattungen auf der zentralen Erhebung zu bringen, um auf diese Weise eine hierarchische Nivellierung der Grabstätten zu erreichen. Er konnte sich aber mit diesem Vorschlag – sicher auch aus pflegetechnischen Gründen – nicht durchsetzen; siehe hierzu Kirsten Graulich, "Geometrie der Würdigung", in: Potsdamer Neue Nachrichten, 2.11.2005.

56 Eine erste Kampagne zur Aufrichtung umgestürzter Grabkreuze und Herrichtung von Bepflanzung und Grabhügeln ist für das Jahr 1958 belegt. Dies wird auch durch die Mischung von Pflege in staatlichem und privatem Auftrag bedingt; Rechnungen belegen, dass die Instandsetzung einzelner Grabstellen durch Angehörige getragen wurde (ELAB 2.03/77 – Kriegsgräber – Pflege und Instandsetzungen).

57 Zur Problematisierung des Heldenbegriffs in BRD und DDR sowie bis zur Gegenwart siehe René Schilling, Kriegshelden: Deutungsmuster heroischer Männlichkeit in Deutschland 1813-1945, Paderborn/München 2002 (= Krieg in der Geschichte 15), 382-395.

58 Drei Beispiele aus der großen Anzahl deutscher und britischer Zeitungsartikel rund um dieses Ereignis: Caroline Davies, "Queen visits war graves to repay a debt of thanks", in: The Telegraph, 4.11.2004; Volker Eckert, "Die Queen ehrt Stahnsdorf", in: Potsdamer Neue Nachrichten, 21.10.2004; "Auch die Queen gedenkt der Toten", in: Der Tagesspiegel, 15.11.2004.

59 Zur kontinuierlichen Aktualisierung überlieferter Werke vergleiche Gadamers Begriff der Tradition: "Aber die Aufgabe, das Heute und jenes steinerne Verbliebene von Vergangenheit zusammenzubringen, ist eine gute Veranschaulichung für das, was Tradition immer ist. Sie ist nicht Denkmalpflege im Sinne der Bewahrung. Sie ist eine ständige Wechselwirkung zwischen unserer Gegenwart und ihren Zielen und den Vergangenheiten die wir auch sind." Hans Georg Gadamer, "Die Aktualität des Schönen. Kunst als Spiel, Symbol und Fest (1974)", in: Gesammelte Werke, Bd. 4.1: Kunst als Aussage, Tübingen 1993, 94-140, hier 139.