RIHA Journal 0168 | 27 June 2017

Eine aus der Resistenza geborene Republik? Die Kultur des Gedenkens an den italienischen Widerstand am Beispiel der Provinz Ancona

Vorüberlegungen zu einem Forschungsprojekt

Flavio Venturelli

Abstract
In Italy, the commemorative culture regarding World War II has a rather multi-faceted appearance. This seems to be the consequence of the variety of military and civil groups involved in the Italian front as well as in the political post-war scene. The case of the fallen combatants (partigiani) who belonged to the Resistance is emblematic. Despite any historical truth, their commemoration has been considered as a left-wing issue. Following the dynamics of the political debate, fallen partisans were remembered in a strongly familiar dimension (1950s), as heroic rebels (1960s-1980s) or as epic founders of the Italian Republic (partially up the 1990s). This case study of the central Italian province of Ancona shows how both the sepulchral and the commemorative culture of the members of the Resistenza is closely linked to this general development.

Thema und Zielsetzungen einer möglichen Untersuchung

[1] Die hier präsentierten Überlegungen knüpfen an die bisher vorgelegten italienischen Studien zum Thema Erinnerungskultur als Aufgabe der Landschaftsarchitektur seit der Einigung Italiens in der Mitte des 19. Jahrhunderts an. Relevant sind diesbezüglich die Studien von Luigi Latini zum Gedenken als Thema der italienischen Gartenarchitektur.1 Eine viel beachtete Anstrengung zur Systematisierung wurde zudem in dem von Maria Giuffré, Fabio Mangone, Sergio Pace und Ornella Selvafolta herausgegebenen Band mit architekturhistorischen Untersuchungen unternommen,2 die bis zu Beispielen aus den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts reicht. Es erscheint daher naheliegend, sich zu fragen, wie die Denkmalarchitektur sich in den folgenden Jahrzehnten weiterentwickelt hat. Die Gedenkstätten für diejenigen, die im Kampf gegen die nationalsozialistische Besetzung und gegen die Faschisten gefallen waren, können angesichts ihrer Verbreitungsdichte und Dominanz in manchen Gebieten Italiens als repräsentativ für die Memorialarchitektur der Nachkriegszeit erachtet werden.

[2] Eine systematische Auseinandersetzung mit den architektonischen und landschaftlichen Ausdrucksformen der Erinnerung an die Widerstandskämpfer kann trotz der genannten Studien noch weitgehend als Desiderat gelten. Dieser Eindruck lässt sich folgendermaßen belegen: Bis heute gibt es nur eine Studie über die Gedenkorte der italienischen Resistenza, die wenigstens dem Anspruch nach mit systematischer Absicht durchgeführt wurde. Sie bezieht sich auf das ganze Landesgebiet. Es handelt sich um den 1986 von Luciano Galmozzi veröffentlichten Band Antifascismo, Resistenza e pace nei monumenti italiani dal 1945 al 1985.3 Gegenüber der großen Zahl regionaler Untersuchungen4 besteht das Verdienst von Galmozzis Studie darin, dass sie einen Gesamtüberblick liefert, der die Verbreitung solcher Denkmäler in Italien widergibt und einige Grundaspekte des Phänomens einsichtig macht. Dazu zählen die Heterogenität, die sich in hunderten unterschiedlicher Beispiele äußert, die große Anzahl von Architekten, die solche Denkmäler entwarfen, sowie die Vielfalt der künstlerischen und architektonischen Stile; ferner, wenngleich mit einigen bedeutenden Ausnahmen, auf die weiter unten eingegangen wird, die wesentliche Reduktion der ideellen Wurzeln dieser Denkmalbauten auf zwei dominierende Ausprägungen des politischen Denkens der Nachkriegszeit: die sozialistisch/kommunistische und die christlich-demokratische. Eine Schwäche von Galmozzis Untersuchung ist wohl in der zu geringen Differenzierung zwischen den Erinnerungskulturen der verschiedenen unmittelbar an den Ereignissen der Resistenza beteiligten oder mittelbar mit ihr verbundenen Gruppen zu sehen. Denn Galmozzi unterscheidet in seiner Systematik nicht zwischen den bereits erwähnten Widerstandskämpfern und den Zivilopfern der nazistischen und faschistischen Massaker sowie den Opfern der Deportation in Konzentrationslager.

[3] Es gilt, Galmozzis vor rund dreißig Jahren begonnene Forschungslinie aus architekturhistorischer Sicht wieder aufzugreifen und mit historischen Untersuchungen zum Gebiet der Provinz Ancona zu verbinden. Das Ziel dieses Beitrags ist also weniger die Vorstellung eines außerhalb Italiens wenig bekannten Themas. Vielmehr geht es um die Präsentation einer ersten, knappen Bestandsaufnahme, aus der sich mögliche Leitlinien für eine künftige systematisch vertiefte Untersuchung ableiten lassen.

Untersuchungsmethode, exemplarischer Charakter des Raums Ancona und Gliederung des Beitrags

[4] Aus der Zielsetzung der vorliegenden Ausführungen ergibt sich folgerichtig die gewählte Methode. Die Arbeit von Galmozzi liefert sicher einen obligatorischen Überblick und kann als Ausgangspunkt einer vertiefenden und systematischen Erschließung der Memorialkultur dienen. Doch zunächst müssten die Kriterien seiner Auswahl herausgearbeitet und überprüft werden, um daran anschließend entscheiden zu können, welche Aspekte seiner Arbeit auszubauen und zu vertiefen sind.

[5] Da es um eine erste Bestandsaufnahme geht, auf die weitere folgen sollen, wurde beschlossen, diesen ersten Schritt auf den Vergleich zwischen den Hinweisen von Galmozzi und denen der historischen Untersuchungen auf dem Gebiet der Provinz Ancona zu konzentrieren. Dieses Gebiet kann aufgrund der strategisch-militärischen Rolle, die seine geografische Lage mit sich bringt, als exemplarisch gelten. Die Marken, einschließlich Ancona, waren in verschiedenen historischen Epochen, nicht zuletzt mit der befestigten "Gustav-Linie" und der "Gotenstellung", an denen die Widerstandskämpfer aktiv waren, ein Grenzgebiet. Im Unterschied zu anderen italienischen Regionen, z. B. dem Toskanisch-Emilianischen Apennin, kam es hier kaum zu schwerwiegenden Vorfällen, in die auch andere Gruppen als die Partisanen verwickelt waren. Zu einer dieser Gruppen zählen zivile Opfer der nazistischen und faschistischen Kräfte, die nicht unmittelbar mit der Resistenza in Verbindung stehen. Im Gegensatz zu Galmozzis Vorgehensweise kann im Fall der Marken somit die spezifische Erinnerungskultur der aktiven Widerstandskämpfer in den Fokus genommen werden. Lassen wir die – ohnehin spärlichen und fragmentarischen – Primär- und Sekundärquellen zu den einzelnen Denkmälern beiseite, sind als die für den Raum Ancona relevanten Studien zu dieser Erinnerungskultur die beiden Arbeiten von Lorenzo Campanelli bzw. Luisella Pasquini und Nazareno Re zu nennen, die im Abstand weniger Jahre voneinander erschienen.5

[6] Es wird also darum gehen, zunächst die Wirklichkeit des italienischen Partisanenkampfs zu umreißen, die in den anschließenden Jahrzehnten im Mittelpunkt der Erinnerung stand, und dann vier Zeitabschnitte der Nachkriegszeit in Italien in den Blick zu nehmen.6 Für jeden dieser Zeiträume werden die sozialen, politischen und kulturellen Zusammenhänge skizziert, die auf nationaler und lokaler Ebene einen erheblichen Einfluss auf die Erinnerungskultur des Partisanenkampfs ausgeübt haben, ebenso wie die Tendenzen diesbezüglicher Denkmalkultur auf der Halbinsel. Diese Tendenzen werden den Repräsentanten dieser Kultur in der Provinz Ancona gegenübergestellt. So lässt sich feststellen, inwiefern sie die von Galmozzi herausgearbeiteten Kriterien genügen oder sich Abweichungen und offene Fragen ergeben, sodass auf dieser Grundlage Hypothesen für ein breiter angelegtes Forschungsprojekt formuliert werden können.

Hintergrund: Die Erinnerung an die Resistenza in Italien. Eine vollendete Mythisierung?

[7] Am 23. März 1944 tötete eine Gruppe italienischer Widerstandskämpfer (GAP) 33 Soldaten des Polizeiregiments "Bozen" bei einem Attentat in der via Rasella in Rom. Am selben Tag planten die deutschen Befehlshaber in Italien in direkter Abstimmung mit Hitler eine Vergeltungsaktion, die in den anschließenden vierundzwanzig Stunden durchgeführt wurde. Bei der heute als Massaker der Fosse Ardeatine bekannten Aktion verloren 335 Menschen, zum Großteil unschuldige Zivilisten, das Leben. Schon kurze Zeit später, als der Krieg noch im Gang war, zirkulierten die ersten Ideen zu einer Gedenk- und Begräbnisstätte an dem Ort des Massakers. Ein Architekturwettbewerb wurde 1946 ausgeschrieben, wie der in Anm. 2 zitierte Manfredo di Robilant referiert. Die Einweihung fand drei Jahre später statt. Im Jahr 2015 besuchte Sergio Mattarella, kaum dass er von seiner Wahl zum Präsidenten der Republik erfahren hatte, dieses Denkmal.

[8] Diese Tatsachen scheinen darauf hinzudeuten, dass es in Italien eine verbreitete, akzeptierte und institutionell gepflegte Erinnerungskultur im Zusammenhang mit den Opfern des Zweiten Weltkriegs gibt. Die Ehrerweisung des Präsidenten war eine rein private Handlung, die er vor seine Amtsübernahme als privater Bürger begangen hat. Wie alle seine Vorgänger erwies er am Tag seines offiziellen Amtsantritts und am Nationalfeiertag der Befreiung vom Nazifaschismus den unbekannten Soldaten die Ehre. Er begab sich nämlich an einen Ort, der dem Gedenken an den Ersten Weltkrieg gewidmet ist: der Altar des Vaterlands in Rom, der in der Zeit der Monarchie und Mussolinis für unzählige Feierlichkeiten den Hintergrund abgab. Für einen demokratischen Staat, dessen Verfassung den Faschismus ablehnt und der die königliche Familie – genauer: deren männliche Nachfahren – lange Zeit aus dem Land verbannt hat, ist dies sicher eine erstaunliche Entscheidung. Die Frage der Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg ist entschieden komplexer und die Geschichte der Gedenk- und Begräbnisstätten für die Gefallenen bestätigt dies.

1 Anzahl der in Italien eingeweihten Widerstandsdenkmäler und ihre Verdichtung zwischen 1945 und 1985 (Grafik des Autors)

[9] Zum Teil ergibt sich diese Komplexität aus den Entwicklungen an der italienischen Front (Abb. 1). Zwischen 1943 und 1945 war das Land voller fremder Streitkräfte: An der Seite der regulären italienischen Truppen rückten die Alliierten nach dem Waffenstillstand von Süden aus gegen die deutsche Besatzungsmacht vor, die von den faschistischen Milizen unterstützt wurde. Der Konflikt nahm in jeder Hinsicht die Züge eines Bürgerkriegs an, in dem offen und im Untergrund kämpfende Widerstandsgruppen operierten, die von den Alliierten unterstützt wurden, aber unabhängig von ihnen waren. Diese beiden Jahre waren nicht nur durch Kampfgefechte und Guerillakrieg geprägt. Auch die zum Teil neutrale, zum Teil Partei ergreifende Zivilbevölkerung wurde Opfer von Denunziationen, Deportationen, Repressalien und Bombardierungen. Das Gedenken ist in Italien daher nicht nur durch die Zahl der Toten, sondern auch durch die Entstehung verschiedener spezifischer Erinnerungskulturen geprägt (durch Kriegshandlungen umgekommene Zivilisten; Opfer der politischen, ethnischen und religiösen Verfolgung; deportierte Zivilisten und Soldaten; Kämpfer aller entgegengesetzten Truppen, ganz zu schweigen von den Gefallenen der regulären Truppen verschiedener Nationalität).

[10] Diese Kulturen scheinen sehr unterschiedliche Entwicklungen zu nehmen. Zum Teil ist dies den Ergebnissen einer anhaltenden historischen Forschungsarbeit zuzuschreiben, die im Laufe der Jahre zur Veränderung gängiger Vorstellungen von Ereignissen und Opfern führt. Doch vor allem beeinflusst die politische Debatte im Italien der Nachkriegszeit die allgemeine Wahrnehmung und die Erinnerungspraxis.7 Exemplarisch ist in diesem Sinne der italienische Widerstand.8 So stellt Carlo Campani fest:

Die aus der Widerstandsbewegung hervorgegangene politische Allianz aller antifaschistischen Kräfte […] hatte eine große Bedeutung für die politische Entwicklung der Nachkriegszeit. Sie dauerte auch nach Kriegsende an und führte zur Gründung der Republik und zur Mitarbeit aller Parteien an der Verfassungsgebung.9

[11] Vor diesem Hintergrund könnte man annehmen, die Resistenza werde als eine Art "Gründungsmythos" wahrgenommen und ihre Vertreter würden – beispielsweise durch die ihnen gewidmeten Begräbnisstätten – als heroische Protagonisten gefeiert. Doch scheint unter den Historikern Einigkeit darüber zu herrschen, dass dies nicht der Fall ist. Im Gegensatz zu Ereignissen wie der Amerikanischen oder der Französischen Revolution kann vom italienischen Partisanenkampf nicht behauptet werden, dass er je die sakrale Aura eines nationalen Mythos erlangt hätte, auch nicht unter Abschwächung seiner Widersprüche und Schatten.10 Eine solche Abschwächung nimmt z. B. Adriano Ballone in seinem Beitrag zur von Mario Isnenghi herausgegebenen Studie über die physischen und idealen Erinnerungsorte im modernen Italien vor.11

[12] Einer der Gründe für diese nie vollständig vollgezogene Mythisierung ist in der Partisanenbewegung selbst zu suchen. Es hatten darin Personen mitgekämpft, die ganz unterschiedlichen ideologischen Strömungen angehörten. Die nationale Führung der Bewegung lag bei einem Komitee, das aus allen antifaschistischen Parteien zusammengesetzt war. In den ersten beiden Jahren nach Kriegsende wirkten dieselben Kräfte an der Regierung und an der Abfassung der neuen republikanischen Verfassung mit. Um sich gegenüber den Gruppierungen abzuheben, die sich mehr oder weniger ausdrücklich auf den Faschismus beriefen – allen voran die Partei namens M.S.I. (Movimento Sociale Italiano) –, prägten die an der Resistenza und am demokratischen Wiederaufbau des Landes beteiligten Kräfte für sich die Formel des "Verfassungsbogens" ("Arco Costituzionale"). Nachdem diese Phase zu Ende war, bildete ein Teil der politischen Kräfte die linke Opposition. Was den normalen Verlauf von einer Notsituation zu einer Festigung des demokratischen Lebens hätte darstellen können, wurde aufgrund des Aufeinanderprallens zwischen dem sowjettreuen Block und der westlich orientierten Regierungsmehrheit als dramatischer Bruch erlebt, der das nationale Leben in den folgenden Jahrzehnten nachhaltig beeinflusst hat.12

1943-1945: die Erinnerung an die Gefallenen der Resistenza in Italien

[13] Wie haben sich diese unterschiedlichen Erinnerungskulturen an die Resistenza auf die entsprechende Denkmalkultur ausgewirkt? Im Allgemeinen erfährt das Gedächtnis der Resistenza – Ballones Rekonstruktion zufolge – einerseits eine Marginalisierung und andererseits eine Wiederaufwertung seitens der Regierungsinstitutionen und Teilen der Politik, während daraus parallel ein unersetzliches Element für die Identität unterschiedlicher gesellschaftlicher und politischer Gruppen erwuchs, die sich nicht auf die Vereine ehemaliger Partisanen beschränkte:

Das Drehbuch steht fest: Auf der einen Seite die Feierlichkeiten mit den repräsentativsten staatlichen Autoritäten (von denen manche stark in das Regime verstrickt waren), die nach demselben Schema ablaufen, wie die traditionelle Zeremonie zum 4. November (Messe auf dem Friedhof für 'alle Gefallenen', Kranzniederlegung, Schweigeminute und 'innere Sammlung');13 auf der anderen Seite die Suche nach einer solidarischen Feier mit Volksbeteiligung auf den Plätzen.14

[14] Bis 1947 herrschte Konsens unter den Parteien des "Arco Costituzionale". Das Gedenken an die Gefallenen, einschließlich der gefallenen Partisanen, war Ausdruck der Erleichterung über das Ende der Kriegsgräuel und der Besatzung und verband sich mit dem Aufruf zum moralischen und materiellen Wiederaufbau des Landes. In diesem Rahmen wurde der neue nationale Feiertagskalender festgelegt, der neben der Feier des Sieges im Ersten Weltkrieg (4. November) die Geburtsstunde der neuen republikanischen Ordnung (2. Juni)15 und die Erinnerung an die Befreiung (25. April) vorsieht.16

[15] In Folge dieser Entwicklung wurden die sterblichen Überreste der gefallenen Partisanen exhumiert und oft an Orten unweit der Stelle beigesetzt, wo sie den Tod gefunden hatten. Diese Orte wurden vielfach durch kleine "Bestattungszeichen" kenntlich gemacht.17

2 Orte der Resistenza (1943-1944) und Verdichtung der Gedenkorte in der Provinz Ancona (1944-2004) (Grafik des Autors)

1943-1945: die Erinnerung an die Gefallenen der Resistenza in Ancona

[16] Für die vorstehenden Feststellungen lassen sich unschwer Belege finden, zum Beispiel in einem Gebiet wie der Provinz Ancona in Mittelitalien, wo Partisanenverbände vor allem zwischen Sommer 1943 und Sommer 1944 an der Seite der englischen und polnischen Truppen unter General Alexander in den Bergen des Apennin kämpften (Abb. 2).18 Der Historiker Lorenzo Campanelli hat hier alle physischen Spuren der Erinnerungskultur erfasst und 104 Zeugnisse in 33 der 47 Gemeinden im Provinzgebiet ermittelt.19 Bei 46, also fast der Hälfte dieser Spuren, handelt es sich um kleine Gedenkstätten, die vorwiegend zwischen 1944 und 1946 in den Ortschaften, in denen die meisten Partisanen gefallen waren (Arcevia, Fabriano, Jesi), errichtet wurden.20 All diese kleinen Denkmäler orientieren sich eindeutig an den Bautypologien und der Formensprache der im modernen Italien verbreiteten traditionellen Sepulkralkultur.

[17] Ähnliches gilt für die Bestattung der Gefallenen. Auch bei ihrer Beisetzung auf den Friedhöfen im Rahmen von Einzel- oder Sammelbestattungen wurden auf der ganzen Halbinsel durchaus konventionelle Typologien, in erster Linie die der Grabkapelle, gewählt.21 Dies sollte nicht überraschen, da mit Ausnahme von besonders grausamen Geschehnissen wie dem Massaker in den Ardeatinischen Höhlen in jener Phase verständlicherweise die private, familiäre Trauerarbeit überwog. Bemerkenswert ist jedoch, dass die Leichname der Partisanen im Gegensatz zu denen der gefallenen italienischen und ausländischen Soldaten nie in eigens gestaltete Kriegergrabstätten überführt, sondern auf den örtlichen Friedhöfen beigesetzt wurden. So sehr sich die Wahrnehmung der Resistenza wandelte und immer mehr Denkmäler entstanden, die an sie erinnerten, so unverändert blieb im Fall der Partisanen die Sepulkralkultur (Abb. 3).22

3 Unbekannter Autor, Denkmal für die gefallenen Partisanen, Tafeln aus Travertin und Fassung aus Bronze, 1967, Parco di Forte Bravetta, Rom (Foto: Francesco Bardanzellu)

Die fünfziger Jahre in Italien: Marginalisierung der Erinnerung an die Resistenza

[18] Von 1948 bis Anfang der sechziger Jahre galt die Erinnerung an die Resistenza als Trennlinie zwischen den regierungsfreundlichen und den regierungsfeindlichen Kräften und Gruppierungen. Es kam so weit, dass seitens der Regierung 1948 sogar jede Feier zum 25. April verboten wurde.23 In dieser Zeit gab es kaum eine Alternative zum privaten Gedenken. Nur wenige Gemeindeverwaltungen beschlossen, oft auf Druck der Veteranenvereine, den Bau eines Denkmals zur Erinnerung an die Resistenza. Der einzige Versuch einer systematischen landesweiten Erhebung der Gedenkstätten für die Befreiung, der auf das Jahr 1985 zurückgeht, gibt eine Anzahl jährlicher Einweihungen an, die von einem Minimum von Null im Jahr 1954 zu einem Maximum von sechs (1949) reicht (Abb. 1).24 Nicht einmal der zehnte Jahrestag des Endes der Resistenza bildete eine Ausnahme. Im Gegensatz zum Gedenken an die Gefallenen des Ersten Weltkriegs, das während des ganzen faschistischen Ventennio zu Propagandazwecken instrumentalisiert wurde und den Sturz des Faschismus überlebt hat, gab es in dieser Phase bedeutsamer Weise keine staatlicherseits errichtete nationale Gedenkstätte für die Partisanen.25

[19] Auch die wenigen in dieser Zeit realisierten Stätten orientieren sich ihren typologischen und ästhetischen Merkmalen nach an der traditionellen Sepulkralkultur. In der Hauptstadt der bereits erwähnten Provinz Ancona z.B., wo die deutsche Besatzungsmacht vor allem durch Sabotageaktionen bekämpft worden war, wurde 1951 ein kleines Denkmal errichtet; dieses besteht aus der äußerst schlichten Aufstellung eines länglichen Grabsteins mit Inschrift und einer danebenstehenden Zypresse, über denen sich die weitaus gewaltigere Masse eines antiken Stadttors erhebt.

Die sechziger und siebziger Jahre: Mythisierung der Resistenza in Italien

[20] Die Haltung der Institutionen änderte sich, als Mitte der sechziger Jahre die Sozialistische Partei Italiens das breite soziale Reformprogramm zu unterstützen begann, das die christlich-demokratische Mehrheit vorgeschlagen hatte.26 Dies führte zur Überwindung der früheren Gegensätze, sei es bezüglich der allgemeinen Bewertung der Partisanenkämpfe, sei es in Bezug auf die Feier des 25. April, namentlich anlässlich des 20. Jahrestags des Kriegsendes. In diesen Jahren und der anschließenden Phase verankerte sich die Erinnerung an die Resistenza, nicht unmaßgeblich dank des Beitrags der Künste, vor allem des Films und der Erzählliteratur, in der Volkskultur.27 Nach 1968 veranlassten die Jugendprotestbewegung und die ihr nahestehenden Teile der Gesellschaft eine Aufwertung der die Resistenza, deren moralische und ethische Positionen für das bürgerliche Zusammenleben als bedeutsam angesehen wurden. Die Figur des "Widerständlers" erlangte in dieser Zeit eine fast mythische Aura, die sie vorher nicht hatte, wie auch der Anklang belegt, den der sogenannte "Partisanen-Präsidenten", Sandro Pertini, in der Bevölkerung fand. Pertini, in seiner Jugend aktiver Antifaschist, wurde 1978 zum Staatsoberhaupt gewählt.

[21] Diese Neubewertung spiegelt sich auch in der Denkmalkultur wider. Die Statistiken zeigen eine wahre Schwemme von neuen Denkmälern, die schon mit dem ersten Jahr der Mitte-links-Regierung begann.28 Ab 1963 und in den darauf folgenden dreißig Jahren wurden nie weniger als zehn Stätten pro Jahr eingeweiht, mit einem Höhepunkt von 24 Mahnmalen zum 30. Jahrestag des Kriegsendes 1975.29 Bemerkenswerterweise ging die Initiative nicht vom Zentralstaat, von Rom, aus, sondern von in der Hauptsache lokalen Initiativen: Diejenigen, die sich für das Gedenken einsetzten, blieben an eine lokale Dimension gebunden: Die Denkmäler entstanden ausschließlich in den Gegenden, in denen die Partisanenverbände seinerzeit operierten.30

Das Denkmal für den Widerstand im Raum Ancona (1965)

[22] Die Provinz Ancona bildet keine Ausnahme. 15 von 19 Widerstandsdenkmälern im Provinzgebiet wurden in diesem Zeitraum errichtet.31 Mit dem Bau eines Drittels davon, alle in einem vage realistisch-expressionistischen Stil realisiert, wurde sogar derselbe Künstler, der Bildhauer Romolo Augusto Schiavoni, beauftragt (Abb. 4).32 In mehreren Städten wurde ein zweites Denkmal errichtet oder ein bestehendes durch neue Elemente ergänzt.

4 Romolo Augusto Schiavoni, Partisanendenkmal, 1964, Bronze, Gedenkstätte der Resistenza, Arcevia (Foto: Claudio Stanco)

[23] Die Stadt Ancona ist ein interessanter Fall. Sie gehört zu den ersten Städten Italiens, in denen ab Mitte der sechziger Jahre zum ersten Mal Konservative und Teile der Linken gemeinsam regierten. Gerne verglich man diese Zusammenarbeit mit derjenigen der Resistenza-Jahre, erst recht zum 20. Jubiläum des Kriegsendes. So beschloss der Stadtrat 1965, den Kampf der Widerstandsgruppen der umliegenden ländlichen Gebiete mit einem neuen Denkmal zu würdigen.33 Der Bildhauer Pericle Fazzini und die Architekten Paola Salmoni und Gilberto Orioli wurden mit der Planung beauftragt.34 Diese Gruppe war mehr oder weniger direkt mit dem Widerstand und einer der im Comitato di Liberazione Nazionale (Komitee der nationalen Befreiung) zusammengeschlossenen Parteien, der P.R.I. (Partito Repubblicano Italiano), verbunden. Gerade weil das Denkmal in Ancona auf eine Gruppierung Bezug nimmt, die der Zahl ihrer Kämpfer nach keine Mehrheit in der Widerstandsbewegung bildete, zeugt es von einem besonderen Umgang mit der Erinnerung.

[24] Die Planer versuchten die Beziehung zwischen Widerstand, Stadt und Umgebung durch die Standortwahl zu thematisieren. Dies scheint der Grund zu sein für die Errichtung des Denkmals auf einem Hügel, der zwischen dem historischen Stadtkern, den ebenfalls in den 1960er Jahren entstandenen neuen Stadtteilen und den ländlichen Gebieten liegt (Abb. 5).

5 Paola Salmoni, Gilberto Orioli und Pericle Fazzini, Denkmal für den Widerstand in der Provinz Ancona, 1965, Ancona; Ansicht der nördlichen Seite (Foto: Francesco Paci)

Die Bedeutung des gewählten Ortes wurde durch die damals beschlossene Benennung der wichtigsten Straßen, die zu diesem neuen Stadtpol führen und ihn durchqueren, betont. Alle Straßennamen nehmen nämlich auf die Resistenza Bezug. Die Absicht der Planer bestand darin, durch das Denkmal das Bewusstsein in den Bürgern zu wecken, dass ihr jetziger friedlicher Alltag auch als eine Folge des Widerstandes angesehen werden muss. Das Denkmal besteht im Wesentlichen aus einem Park. In einem bereits existierenden Pinienwäldchen wurde ein System aus mehreren Wegen angelegt. Auf den ersten Blick gibt es in diesem System keine Priorität zwischen den Wegen. Doch im Gegensatz zu allen anderen verläuft ein Weg kantig und abgestuft und führt an der Falllinie den Hang hinauf. Entlang dieses Weges gruppieren sich freistehende Wände aus Sichtbeton. Sie führen den Blick des Betrachters vom Park fort, der nur durch bewusst geöffnete Schlitze sichtbar bleibt. Die Wände tragen zwölf beschriftete Stahltafeln, welche die Entstehung und Entwicklung des Widerstands in Ancona und Umland rekonstruieren. Doch beschränkt sich die Erinnerungskultur nicht nur auf textuale Manifestationen, sondern wird vielmehr durch die Wechselbeziehung zwischen Inschriften, Hang, Pflanzenauswahl und Wänden in einer angedeuteten lokalen Landschaft erlebbar gemacht. Mehrere Aspekte des Widerstandes scheinen dabei angedeutet zu werden:

· sich dem Widerstand anzuschließen war eine bewusste, freie Wahl;
· die Angehörigen der Resistenza haben im Untergrund agiert;
· der Weg des Widerstands hatte keinen geradlinigen, einfachen Verlauf;
· dennoch hat dieser Weg zur Befreiung beigetragen.

[25] Am Ende des Parcours, auf der Spitze des Hügels, symbolisieren die gebrochenen, Explosionen andeutenden Linien der Skulptur die Botschaft der Befreiung (Abb. 6). Die Sockelinschrift gibt an, woher die Freiheit kommt, die der Besucher des Parks heute genießt: „Die aus dem Widerstand geborene Republik rühmt sich ihres Ursprungs.”

6 Paola Salmoni, Gilberto Orioli und Pericle Fazzini, Denkmal für den Widerstand in der Provinz Ancona, 1965, Ancona; Aussicht über die südliche Seite der Altstadt (Foto: Flavio Venturelli)

[26] Viele der zahlreichen Denkmäler, die der Resistenza in der Zeit ihrer Neubewertung gewidmet wurden, waren in einem als "lebendig"35 definierten, rhetorisch aufgeladenen Stil gehalten. Demgegenüber hebt sich das Denkmal von Ancona von anderen durch den abgewogenen Einsatz der Ausdrucksmittel, als sorgfältiges Landschaftsprojekt und der engen Verbindung zwischen der Stadt und ihrem Umland ab. Die Grundidee des Denkmals besteht darin, das Gedenken an eine bürgerliche Dimension zu knüpfen, statt den Weg einer Mythisierung der Kämpfer als Helden zu wählen oder an den tragischen Schmerz "aller Kriege" zu gemahnen.36 Galmozzis oben erwähnter Zusammenstellung von Denkmälern zufolge dominierten die beiden letztgenannten Ausdrucksformen in jener Zeit. Daraus ergibt sich eine vorläufige Arbeitshypothese, die an dieser Stelle nur kurz umrissen werden kann. So lassen sich die beiden am häufigsten vertretenen Gestaltungstypen womöglich auf Gestaltungsvorstellung der zahlenmäßig stärksten Gruppierungen innerhalb des ehemaligen Comitato di Liberazione zurückführen. Diese beiden Ausdrucksformen der Erinnerung an die Resistenza wären jedoch nicht die einzigen, was in gewisser Weise die Vielzahl der politischen Strömungen unter den Partisanen widerspiegeln würde. Der Fall Ancona wäre dafür ein Beleg.37

Jüngste Entwicklungen in Italien und in Ancona

[27] In jüngerer Zeit sind Enttäuschung und kritische Tendenzen vor allem bezüglich der sozialen, mehr noch als der materiellen Resultate des Wiederaufbaus sichtbar gewachsen. Wie von verschiedener Seite betont wird, erreichten derlei Tendenzen zu Beginn der neunziger Jahre anlässlich der großen Korruptionsskandale, in die alle großen Parteien der Nachkriegszeit verwickelt waren, einen Höhepunkt. In der Folge übernahmen politische Kräfte die Regierung, die nichts mit der Geschichte des Widerstands zu tun hatten und Träger einer revisionistisch geprägten Sicht der Geschichte waren.38 So zeichnet sich allmählich ein neuer Rahmen ab. Während die Erfahrung der Resistenza erstmals auch durch Institutionen aufgewertet wird, die dem Thema bis dahin entschieden distanziert gegenüberstanden, wie die Schule,39 wird die Erinnerung an den Widerstand erneut zum Terrain des politischen Streits.40

[28] Dennoch, die Erinnerung gewinnt den Charakter der Mahnung an die Gegenwart. Das Gedenken steht im Dienst der Verbreitung eines Ideals des friedlichen Zusammenlebens der Völker. Der Gedanke der Verbreitung lässt sich an der Fortentwicklung der Typologien ablesen, die über die früher kodifizierte Idee von Denkmal hinausgehen. Es überwiegt inzwischen die Gestaltung sogenannter "Gedenkparcours", welche die Orte einzelner Ereignisse in vielfältigen Raum- und Zeitfolgen miteinander verbinden und oft ein Dokumentationszentrum einschließen. Solche Folgen ermöglichen die Einbettung der Erinnerung an Orte und Ereignisse in ihren jeweiligen städtischen oder ländlich-natürlichen Rahmen. Exemplarisch sind diesbezüglich die Einrichtung des Parco Storico del Monte Sole (Geschichtspark am Monte Sole) bei Marzabotto zwischen 1982 und 2011, der Parco Nazionale della Pace (Nationaler Friedenspark) in Sant'Anna di Stazzema (2000) und das "Museo Diffuso" in Turin.41

[29] Auch in Ancona und Umgebung werden inzwischen "Gedenkparcours" gestaltet.42 Wie an anderen Orten wird dabei auch hier versucht, die Erinnerung in eine Gesamtvision einzubetten, welche die lokale, zersplitterte und bisweilen rein private Dimension, die bisher prägend war, überwindet. Den Möglichkeiten des Internets und der neuen Medien insgesamt scheint dabei eine wichtige Rolle zuzukommen. Man kann sich sogar fragen, ob diese Parcours und diese Tendenz, die verschiedenen Erinnerungssplitter der Resistenza "miteinander zu vernetzen", die gleiche Wirksamkeit besäßen, wenn sie nicht im Web zugänglich wären und von jedem Smartphone-Nutzer abgerufen werden könnten. Öffnet sich damit eine mögliche "Zukunft" für das Gedächtnis der Resistenza?

Perspektiven für die Denkmalkultur der Resistenza und Hypothesen für ein Forschungsprojekt

[30] Die Bemühungen der Regierungen des ersten Nachkriegsjahrzehnts beschränkten sich darauf, die sterblichen Überreste der italienischen Partisanen auf Friedhöfen beizusetzen, wohingegen sich das Gedenken von einer erzwungen privaten Dimension zur Verherrlichung fortentwickelt hat, bis es schließlich den Status eines "umstrittenen Mythos" errang. Während jedoch die Debatte über die Rolle der Resistenza tendenziell die ganze Nation einbezieht, ist die Denkmalkultur auf die Gegenden begrenzt geblieben, in denen die kämpfenden Gruppen seinerzeit wirkten. Die Möglichkeit einer Verbindung der physischen Orte auch in einer virtuellen, netzbasierten Form wie sie das digitale Zeitalter inzwischen anbietet, eröffnet eine mögliche Perspektive im Fall der Resistenza die bislang kodifizierten Vorstellungen von "Denkmal" künftig zu revidieren. Daher ist es denkbar, dass im Zuge einer solchen Neuformulierung berücksichtigt wird, was Adriano Ballone schreibt:

[…] beim Blick auf die Geschichte des republikanischen Italien ist offensichtlich, dass das Gedächtnis der Resistenza in entscheidenden Momenten der Veränderung und Erneuerung ein strukturierender Bezugspunkt war […]. Wenn sie kein 'Gründungsmythos' geworden ist – und als solcher unbestreitbar, aber vielleicht nicht sehr tief – so war die Erinnerung an sie doch durchgreifend und wirksam. Immer wieder hat sie Werte und Bestrebungen, Modelle der Freiheit und Forderungen nach sozialer Gerechtigkeit hervorgebracht, die vor allem in die italienische Verfassung eingeflossen sind.43

[31] Aufgrund dieser knappen Bestandsaufnahme erscheint ein architekturhistorisches Forschungsprojekt, das eine systematische Untersuchung der physischen Ausdrucksformen der Erinnerung an die Resistenza zu leisten sucht, als ein Desiderat. Eine solche Arbeit müsste auf den bisher durchgeführten Untersuchungen aufbauen, die sich im Wesentlichen auf die Kartierung der Stätten und in einigen Fällen auf eine allgemeine Beschreibung der sie prägenden Ausdrucksstile beschränkten.44

[32] Auf dieser Grundlage könnte die Untersuchung mindestens fünf Arbeitshypothesen verfolgen. Die ersten vier sind recht offensichtlich und betreffen:

· Den systematischen Vergleich der Forschungsergebnisse von Galmozzi mit den bisher gewonnenen Erkenntnissen zu den Partisanendenkmälern in anderen Gebieten Italiens über die Marken hinaus.
· Die mögliche Ermittlung von Parallelen und Unterschieden der Denkmalkultur des italienischen Widerstands im Vergleich zu derjenigen anderer Nationen, in denen es zur selben Zeit ähnliche Bewegungen gab. Die in diesem Beitrag präsentierten Überlegungen sind lediglich ein erster Versuch, Verbindungen mit andernorts durchgeführten Untersuchungen herzustellen.45
· Den Zusammenhang zwischen Denkmalkulturen und politischen Kulturen, der in den Entwürfen für die Gedenkstätten der Resistenza zutage tritt. Eine solche Untersuchung müsste sich auch auf die politischen Strömungen erstrecken, die "wählermäßig" eine Minderheit darstellen, auf kultureller Ebene jedoch von Bedeutung sind.46
· Eine strengere Unterscheidung zwischen den Erinnerungskulturen der verschiedenen am Zweiten Weltkrieg in Italien beteiligten Gruppen. Versuche, das Schicksal verschiedener Gruppen pauschal gleichzusetzen, wurden unter dem Einfluss politischer Instrumentalisierungen unternommen. Eine wissenschaftlich fundierte Annäherung würde neue, von solchen Einflüssen freie Perspektiven eröffnen.

[33] Die letzte Arbeitshypothese, auf die an dieser Stelle hingewiesen werden soll, betrifft die spezifischen Beiträge, die die Geschichte der Landschaftsarchitektur zur Erforschung der Denkmalkultur der italienischen Resistenza liefern kann. In dieser Hinsicht ist vor allem an die Entwurfsmethodik der Architekten zu denken, die am Bau von Gedenkstätten beteiligt waren. Eine diesbezügliche Untersuchung würde beispielsweise zum genaueren Verständnis des Gewichts beitragen, das den spezifischen räumlichen Gegebenheiten bei der Realisierung der Stätten und auch in der Erinnerungskultur selbst zukam.

[34] Ein weiterer Beitrag könnte in der Fortsetzung der landschaftshistorischen Untersuchungen zur italienischen Denkmalkultur bestehen. Wie eingangs hervorgehoben, gehen die bisherigen Veröffentlichungen selten über die ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts hinaus.47 Vertiefenswert ist in diesem Sinn die Verbindung zwischen den ideellen Wurzeln und den Entwurfspraktiken, d. h. zwischen akademischer Welt und Berufswelt, in der Zwischenkriegszeit.48

Gastherausgeber des Special Issues
Christian Fuhrmeister und Kai Kappel (Hg.), War Graves, War Cemeteries, and Memorial Shrines as a Building Task, 1914-1989. Die Bauaufgabe Soldatenfriedhof/Kriegsgräberstätte zwischen 1914 und 1989, in: RIHA Journal 0150-0176

Lizenz
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1 Vgl. von diesem Autor unter anderem: Luigi Latini, "Luoghi della memoria. Disegno e cultura del paesaggio nei cimiteri e nei memoriali italiani", in: Luigi Zangheri und Lucia Tongiorgi Tomasi, Bibliografia del giardino e del paesaggio italiano 1980-2005, Florenz 2007, 95-103. Und: Luigi Latini, "The Mediterranean Cemetery: Landscape as Collective Memory", in: Marc Treib (Hg.), Spatial Recall. Memory in architecture and landscape, New York 2009, 154-175.

2 Maria Giuffré, Fabio Mangone, Sergio Pace und Ornella Selvafolta (Hg.), L’architettura della memoria in Italia. Cimiteri, monumenti e città. 1750-1939, Mailand 2007. Vgl. dort insbesondere die Betrachtungen von Manfredo di Robilant, "La memoria ricorrente. Una bibliografia parziale di un termine sensibile" 391.

3 Luciano Galmozzi, Monumenti alla libertà. Antifascismo, Resistenza e pace nei monumenti italiani dal 1945 al 1985, Mailand 1986.

4 Vgl. insbesondere Adriano Ballone, "La Resistenza", in: Mario Isnenghi (Hg.), I luoghi della memoria. Strutture ed eventi dell’Italia unita, Bari 1997, 403-439.

5 Lorenzo Campanelli, I luoghi della memoria. La Resistenza nell’Anconetano. Monumenti e Lapidi 1944-2002, Ancona 2005. Und: Luisella Pasquini und Nazareno Re (Hg.), I luoghi della memoria. Itinerari della Resistenza marchigiana, Ancona 2007.

6 Es handelt sich um eine im Aufbau dieses Beitrags handlichere Periodisierung im Vergleich zu den komplexeren Gliederungen, die von vielen Historikern vorgeschlagen werden. Vgl. z. B. Ballone, "La Resistenza".

7 Einen ausführlichen Überblick über den Forschungsstand zu diesem Thema geben die Aufsätze der genannten Autoren in: Cristoph Cornelißen, Lutz Klinkhammer und Wolfgang Schwentker (Hg.), Erinnerungskulturen. Deutschland, Italien und Japan seit 1945, Frankfurt a. M. 2003, 368. Siehe insbesondere: Cristoph Cornelißen, Lutz Klinkhammer und Wolfgang Schwentker, "Nationale Erinnerungskulturen seit 1945 im Vergleich", 9-27; Hans Woller, "Der Rohstoff des kollektiven Gedächtnisses. Die Abrechnung mit dem Faschismus in Italien und ihre erfahrungsgeschichtliche Dimension", 67-99; Alessandro Campi, "Mussolini und die italienische Nachkriegsgesellschaft. Italien zwischen Erinnern und Vergessen", 108-122; Filippo Focardi, "Gedenktage und politische Öffentlichkeit in Italien 1945-1995", 210-221; Brunello Mantelli, "Revisionismus durch 'Aussöhnung'. Politischer Wandel und die Krise der historischen Erinnerung in Italien", 222-231 und Lutz Klinkhammer, "Kriegserinnerung in Italien im Wechsel der Generationen. Ein Wandel der Perspektive?", 333-343.

8 Unter den zahlreichen Historikern, die sich mit der italienischen Resistenza befasst haben, seien hier wenigstens zwei herausragende Namen genannt: Giorgio Rochat und Wolfgang Schieder.

9 Alle Zitate im vorliegenden Text wurden von Leonie Schröder übersetzt. Zitat aus: Carlo Campani, "Nationale Identität und Gedenken an den antifaschistischen Widerstand im republikanischen Italien", in: Sabine Behrenbeck und Alexander Nützenadel (Hg.), Inszenierungen des Nationalstaats. Politische Feiern in Italien und Deutschland seit 1860/71, Köln 2000, 174.

10 Adriano Ballone, "La Resistenza", insbesondere 406.

11 Adriano Ballone, "La Resistenza", insbesondere 406.

12 Die beiden entgegengesetzten Blöcke umfassten auf der einen Seite die Kommunistische Partei Italiens und die Sozialisten, auf der anderen Seite ein von Regierung zu Regierung wechselndes Bündnis zwischen Democrazia Cristiana, Sozialdemokratischer, Liberaler und Republikanischer Partei.

13 Jahrestag des italienischen Sieges im Ersten Weltkrieg und Fest der italienischen Armee.

14 Ballone, "La Resistenza", 405.

15 Am 2. Juni 1946 besiegelte eine Volksabstimmung das Ende der Monarchie.

16 Zur Wahl des Datums vgl. Ballone, "La Resistenza", 404.

17 Ballone, "La Resistenza", 407.

18 Einen ausgezeichneten Überblick über den Widerstand und seine Erinnerung im Raum Ancona liefern Luisella Pasquini und Nazareno Re (Hg.), I luoghi della memoria. Itinerari della Resistenza marchigiana, Ancona 2007, 208. Siehe insbesondere den Beitrag von Massimo Papini, "La Resistenza nelle Marche", 5.

19 Es handelt sich um ein knapp über 1.963 km² großes Gebiet, vgl. Campanelli, I luoghi della memoria, 13-17.

20 Nach den aus Campanellis Text zu gewinnenden Zahlen wurden zwischen 1949 und 1995 in der Provinz Ancona weitere Grab- und Gedenksteine usw. aufgestellt.

21 In den Jahren 1944-45 wurden zwei Kapellen (in Ancona und Fabriano) und zwei Einzelgräber (in Falconara) errichtet.

22 In nur einem einzigen Fall wurde – um beim Beispiel der Provinz Ancona zu bleiben – nach 1948 ein Kollektivgrab realisiert: das 1976 gebaute "Sacrario" auf dem Friedhof von Osimo. Vgl. Campanelli, I luoghi della memoria, 99.

23 Verordnung des Innenministers Scelba, zit. in Ballone, "La Resistenza", 414.

24 Enzo Nizza, "Presentazione dell'Editore", in: Luciano Galmozzi, Monumenti alla libertà. Antifascismo, Resistenza e pace nei monumenti italiani dal 1945 al 1985, Mailand 1986, 9-14. Auf S. 9 wird das Auswahlkriterium der "wichtigen Denkmäler" geklärt: Ausgeschlossen wurden alle Elemente wie Grab- und Gedenksteine, die Campanelli dagegen in seine zitierte Studie zur Provinz Ancona einbezogen hat. Galmozzi (S. 10) hat gegenüber den mehr als hundert Spuren, die Campanelli, I luoghi della memoria, 13-17 anführt, 62 "größere" Denkmäler für die ganze Region Marken ermittelt, zu der die Provinz Ancona gehört.

25 Ballone, "La Resistenza", 406. Der Gegensatz zur Rhetorik des Faschismus scheint auch in den ästhetisch-formalen Aspekten der Gräber und Denkmäler aus späterer Zeit seinen Ausdruck zu finden. Diese These vertreten sowohl Ballone als auch Nizza und andere.

26 Genauer ab 1962, unter der dritten Regierung Fanfani.

27 Ballone, "La Resistenza", 437-438.

28 Nizza, "Presentazione dell'Editore", 9-14.

29 Die einzigen Ausnahmen stammen aus den Jahren 1967 (3 neue Denkmäler), 1971 und 1981 (jeweils 4).

30 Nizza, "Presentazione dell'Editore", 10.

31 Campanelli, I luoghi della memoria, 171.

32 Es handelt sich um die Denkmäler in Arcevia, Fabriano, Barbara und Monecarotto. Vgl. Campanelli, I luoghi della memoria, 24-35, 53 und 87.

33 Vertiefend dazu Flavio Venturelli, Landschaft und Gedenken in Italien. 1918-1970. Mahnmale und Gedenkstätten als Aufgabe der Freiraumplanung in der Folgezeit des Ersten und Zweiten Weltkriegs am Beispiel von Ancona, unveröffentlichte Masterthesis, Hannover 2014, 160. Von demselben: "Una triste ricostruzione? Gilberto Orioli, Paola Salmoni e l'architettura monumentale di Ancona", in: Valentina Orioli (Hg.), Gilberto Orioli. Dall'urbanistica al disegno di dettaglio, Ausst.kat., Faenza 2014, 63-72. Siehe auch zudem Galmozzi, Monumenti alla libertà. Antifascismo, Resistenza e pace nei monumenti italiani dal 1945 al 1985, 194-199 und Sabine Bade, "Ancona", in: Studienkreis Deutscher Widerstand 1933-1945 (Hg.), Gedenkorte Europa, http://www.gedenkorte-europa.eu/de_de/ancona.html (Zugriff, 1. Juni 2015).

34 Hinzu kamen der Verfasser der Inschriften Franco Antonicelli (1902-1974) und eine Schülerin von Fazzini, Giovanna Giò Fiorenzi, die den Auftrag zur Realisierung eines Gittertors am unteren Parkeingang erhielt. Fazzini (1913-1983) realisierte später sein wohl bekanntestes Werk, die Plastikgruppe "Resurrezione" (Auferstehung) im päpstlichen Audienzsaal "Paolo VI" im Vatikan. Er war auch der Urheber des Werkes "Crocefissione del partigiano" (Kreuzigung des Partisanen) in der Eingangshalle eines der wichtigsten Staatsbetriebe der Zeit, der von dem ehemaligen Partisan und Christdemokraten Enrico Mattei geleiteten Società Nazionale Metanodotti (S.Na.M.). Paola Salmoni (1921-2003) war nicht nur Leiterin der Frauenbewegung der italienischen Republikanischen Partei (P.R.I.), sondern auch eine der aktivsten Planerinnen der Zeit in den Marken. Sie studierte bei einem der einflussreichsten Architekturdozenten der italienischen Nachkriegszeit, Ludovico Quaroni. Mit Gilberto Orioli (1936-2011), ebenfalls Schüler von Quaroni und damals Assistent am Lehrstuhl für Gartenkunst der Architekturfakultät von Florenz, arbeitete sie an verschiedenen städtebaulichen Projekten zusammen. Bruder von Paola war Claudio Salmoni (1919-1970), damaliger Bürgermeister von Ancona und ein herausragender Vertreter des P.R.I.

35 Nizza, "Presentazione dell'Editore", 9.

36 Ein Beispiel dieser zweiten Tendenz ist das "Monumento alla Resistenza" von Giacomo Manzù in Bergamo. Siehe dazu die Zusammenfassung: Comune di Bergamo (Hg.), Monumento alla Resistenza, http://www.comune.bergamo.it/servizi/Menu/dinamica.aspx?idSezione=3786&idArea=1181&idCat=2108&ID=2133&TipoElemento=categoria (Zugriff, 12. Juni 2015).

37 Freilich gibt es weitere Ausnahmen von dieser schematischen Darstellung. Das Beispiel Ancona zählt nämlich zu einer dritten, wenngleich minoritären Gruppe: derjenigen der durch tendenziell abstrakte Ausdrucksmittel gekennzeichneten Werke, wie das "Monumento alla Resistenza dei Partigiani" von Umberto Mastroianni in Cuneo.

38 Wie Aram Mattioli feststellt, kreist der italienische Revisionismus weniger um die Leugnung des Holocaust als vielmehr um eine teils politische, teils historische Aufwertung des Faschismus (seine Bezugsfigur ist der Historiker Renzo De Felice). Siehe Aram Mattioli, 'Viva Mussolini'. Die Aufwertung des Faschismus im Italien Berlusconis, Paderborn 2010, 20.

39 Ballone, "La Resistenza", 433.

40 In diesem Zusammenhang darf nicht vergessen werden, dass einige der wichtigsten politischen Repräsentanten, die seit Mitte der neunziger Jahre in Italien an die Macht kamen, systematisch jede Teilnahme an den offiziellen Feierlichkeiten zum Jahrestag der Resistenza vermieden. Siehe, z. B.: Ballone, "La Resistenza", 417.

41 Siehe: "Sant'Anna di Stazzema", in: Studienkreis Deutscher Widerstand 1933-1945 (Hg.), Gedenkorte Europa, http://www.gedenkorte-europa.eu/content/list/247 (Zugriff, 1. Juni 2015); "Marzabotto", in: Studienkreis Deutscher Widerstand 1933-1945 (Hg.), Gedenkorte Europa, http://www.gedenkorte-europa.eu/content/list/166 (Zugriff, 1. Juni 2015); Museo diffuso della Resistenza, della deportazione, della guerra, dei diritti e della libertà (Hg.), Home Page, www.museodiffusotorino.it (Zugriff, 1. Juni 2015).

42 Zunächst in Form von Publikationen (siehe. Anm. 5: Pasquini, Re), dann auch online: Istituto di Storia delle Marche nel Novecento (Hg.), Home Page, http://www.storiamarche900.it, (Zugriff, 10. Januar 2014).

43 Ballone, "La Resistenza", 412.

44 Exemplarisch in diesem Sinn die Feststellungen von Campanelli, I luoghi della memoria, 125-166 zu den Denkmälern im Raum Ancona.

45 Entsprechende Gegenüberstellungen wurden hier nicht versucht, da es sich um eine erste Bestandsaufnahme zum spezifischen Fall Italien handelt. Als Beispiele sei hier an die Bedeutung von Projekten wie https://www.gedenkorte-europa.eu (siehe Anm. 33) im Rahmen der immateriellen Netze, die verschiedene Gedenkstätten verbinden, sowie – obgleich es sich nicht um ein wissenschaftliches Anliegen im engen Sinn handelt – an ähnliche Studien erinnert, die einen Beitrag zu diesem bisweilen erhofften "gemeinsamen Gedächtnis" liefern. Siehe z. B.: Deutsch-Italienische Historikerkommission (Hg.), Bericht der von den Außenministern der Bundesrepublik Deutschland und der Italienischen Republik am 28.3.2009 eingesetzten Deutsch-Italienischen Historikerkommission, Deutsch- Italienisches Zentrum Villa Vigoni, Loveno di Menaggio 2012.

46 Man denke an die Rolle der P.R.I.-Mitglieder im Fall des Widerstandsdenkmals in Ancona, wie in Anm. 34 berichtet.

47 Siehe Anm. 1 und 2. Unter den jüngeren nicht italienischsprachigen Publikationen sei die historische Untersuchung von Janz genannt: O. Janz, Das symbolische Kapital der Trauer. Nation, Religion und Familie im italienischen Gefallenenkult des Ersten Weltkriegs, Tübingen 2009. Aus dem Bereich der Landschaftsarchitektur dagegen: Sonia Dümpelmann, "'Per la difesa del giardino': Gardens, Parks, and Landscapes between Tradition and Modernism in early Twentieth - Century Italy", in: Therese O'Malley und Joachim Wolschke-Bulmahn, Modernism and landscape architecture, 1890-1940, Washington/New Haven 2015, 137-168.

48 Der Verfasser dankt Leonie Schröder für die Übersetzung aus dem Italienischen.