RIHA Journal 0256 | 04 June 2021

Moderner Inhalt in manieristischer Form.
Max Dvořák unter dem Einfluss Georg Simmels

Tomáš Murár

Abstract
The article deals with the influence of Berlin philosopher Georg Simmel on Viennese art historian Max Dvořák. Dvořák as a successor of Alois Riegl and Franz Wickhoff at the art history department of the University of Vienna is considered the promoter of the scholarly method of the so-called Vienna School of Art History. In the historiography of art history, the opinion has become established that Dvořák modified this method, mainly after 1918, as "Kunstgeschichte als Geistesgeschichte". However, Dvořák’s work could also point to influences other than those of his teachers at Vienna University, namely the work of Simmel, to which Dvořák referred in 1920. Simmel’s influence might even be evident in Dvořák’s thinking as early as around 1911, and as such it is interpreted as an essential part of his pre-war art history as well as his post-war formulation of Mannerism.

1 Max Dvořák (links) mit einem Kollegen von der Zentralkommission für die Erforschung und Erhaltung der Kunst- und historischen Denkmale, um 1908. Archiv des Instituts für Kunstgeschichte an der Universität Wien, Nachlass Max Dvořák (© Archiv des Instituts für Kunstgeschichte an der Universität Wien)

[1] Max Dvořák (1874–1921; Abb. 1) hat in seiner posthum 1921 als Einleitung einer Lichtdruckausgabe von Bruegel-Gemälden publizierten Studie über Pieter Bruegel d. Ä. aus dem Jahr 1920 angemerkt: "Was über Michelangelos tragischen Lebensabschluß geschrieben wurde, gilt auch für das ganze Zeitalter, in das Michelangelos Leben hineinragt."1 Ein zweites Mal wurde Dvořáks Studie 1924 im Rahmen der aus seinem Nachlass ausgewählten und zusammenfassend als Kunstgeschichte als Geistesgeschichte titulierten späten Texte herausgegeben.2 In dieser Version wurde der oben zitierte Satz umformuliert: "Was Simmel über Michelangelos tragischen Lebensabschluß geschrieben hat", vermerkte Dvořák hier, "gilt für die ganze Zeit";3 sie enthält auch einen direkten Verweis auf die Zweitausgabe der ursprünglich aus dem Jahr 1910 stammenden Michelangelo-Studie des Berliner Philosophen Georg Simmel (1858–1918).4 Die gleiche Aussage findet man auch in Dvořáks handgeschriebenen, vorbereitenden Fassungen seiner Studie über Bruegel (Abb. 2).5

2 Max Dvořáks vorbereitende Anmerkungen zu seinem Text über Bruegel, 1920. Archiv des Instituts für Kunstgeschichte an der Universität Wien, Nachlass Max Dvořák (© Archiv des Instituts für Kunstgeschichte an der Universität Wien)

[2] Weder dieser Satz noch der Verweis auf Simmels Studie vermochten bislang ein größeres Interesse an der historiografischen Erforschung von Dvořáks kunsthistorischen Methoden wecken.6 Sofern Simmel in der Literatur über Dvořáks kunstwissenschaftliche Auffassung überhaupt Erwähnung findet, handelt es sich größtenteils um Hinweise auf die Wechselbeziehung zwischen Simmels Erwägungen und der Philosophie Wilhelm Diltheys,7 die allgemein als Grundlage für Dvořáks späte kunsthistorische Methode angesehen wird.8 Daneben wird Simmel häufig gemeinsam mit Oswald Spengler, Hugo von Hofmannsthal, Sigmund Freud und anderen als ein bedeutender Vertreter der Zeit angeführt, in der Dvořák seine Kunstgeschichte entwickelt hat, allerdings ohne ihrer etwaigen gedanklichen Wechselbeziehung einen größeren Raum zu widmen.9 Bei der Erforschung der möglichen Ausgangspositionen von Max Dvořák muss aber in Betracht gezogen werden, dass dieser Wiener Kunsthistoriker in seinen Texten auf Dilthey10 wie auch die weiteren Philosophen von der Wende des 19. zum 20. Jahrhundert11 genauso lakonisch verwiesen hat wie im Falle Georg Simmels, also lediglich in Form von Referenzen, ohne eine besondere Betonung ihrer Rolle für die Formulierung seiner kunsthistorischen Methode. Für die historiografische Forschung ergibt sich deshalb einerseits die Notwendigkeit, das von Dvořák erwähnte philosophische Denken in dessen Kunstgeschichtskonzeption zu erschließen; andererseits ist es aber unmöglich, eine direkte Aussage Dvořáks zu finden, auf welche Weise er dieses in seine kunsthistorischen Überlegungen einbezogen habe. Für das Vorhaben, den Einfluss der zeitgenössischen Philosophie in Dvořáks Kunstgeschichte offenzulegen, bleibt also nichts Anderes übrig, als seinen kunsthistorischen Argumentationen nachzugehen und zu fragen, welche Bedeutung die jeweiligen philosophischen Konzepte für diese gehabt haben könnten. Die vorliegende Studie, die den Einfluss von Simmels Worten über Michelangelos tragischen Lebensabschluss in Dvořáks Kunstgeschichte untersucht, bietet somit einen ersten Zugang zur bislang unerforschten Problematik der Beziehung von Dvořáks Kunstgeschichte zur zeitgenössischen Philosophie. Wenn die Überlegungen des Wiener Kunsthistorikers zur Entwicklungsgeschichte der Kunst damit in einem neuen Licht erscheinen, werden hoffentlich weitere Erkundungen auf diesem Gebiet angeregt.

[3] Simmel hat in seiner Studie von 1910 auf die Grundlage von Michelangelos Kunstschaffen in der Geisteshaltung der Renaissance verwiesen, das in der "Ebene des Irdischen" im Sinne von "Sehnsucht" nach der Darstellung des "Lebenswillens" verankert gewesen sei.12 Damit war es laut Simmel möglich, im Werk Michelangelos die Befreiung vom Absoluten, Unendlichen und Unerreichbaren im Leben nachzuvollziehen, da in der Renaissance das Kunstschaffen von der irdischen Lebensgier dominiert worden sei, es also "ein Schicksal aus den Mächten des Lebens ist".13 Simmel verwies aber darauf, dass sich Michelangelo durch den – in der Renaissance die gesamte Wirklichkeit bestimmenden – Lebenswillen nicht eine mensch- und erdgebundene Kunst wie Ghiberti, Donatello oder Leonardo zu schaffen gesehnt habe, sondern nach Hervorbringung von Kunst in der Bedeutung eines "Mehr-als-Irdischen" gestrebt habe.14 Laut Simmel suchte Michelangelo nach der Hervorbringung einer überlebensgroßen Kunst als solcher, daher komme "in den Gestalten Michelangelos zuerst eine gefühlte oder metaphysische Wirklichkeit des Lebens als solchen zum Ausdruck".15 Simmel betonte den alle menschlichen Maßstäbe überschreitenden Titanismus von Michelangelos Figuren, da diese nicht Bestandteile des Lebensstroms, sondern dessen Ausdruck gewesen seien:

Was man an ihnen von je als das Titanische, empirischen Bedingtheiten und Relationen Enthobene empfunden hat, ist nicht nur die Übergewalt ihrer Kräfte, sondern jene Geschlossenheit des innerlich-äußerlichen Wesens, deren Mangel das spezifisch Fragmentarische unserer Existenz ausmacht.16

Der Menschenkörper sei in Michelangelos Werken keine Abbildung des Menschen in seiner geläufigen – fragmentarischen – Existenz gewesen, sondern Ausdruck des Lebens als des Überpersönlichen:

[Es] erscheint in [...] Figuren Michelangelos umgekehrt ein höchst persönliches, aus dem eigensten Verhängnis heraus lebendes Dasein zu einem allgemeinsten, durch die Menschheit als ganze hinwebenden Lose verbreitert.17

Auch die Gesten von Michelangelos Statuen seien eine Konsequenz des pulsenden Lebens und trügen keine sekundären – symbolischen – Bedeutungen neben der Sichtbarmachung des Lebens als solchen (sie "sind, was sie darstellen"),18 was zur Folge habe, dass "unser Leib der Kampfplatz ist [...]. Vielleicht ist dies das einfachste Symbol unserer dauernden Lebensform [...]".19

[4] Die Wende im Bestreben, auf diese Weise das Leben in künstlerischer Form darzustellen, trat laut Simmel in Michelangelos Spätwerk ein: Simmel erwog eine Kapitulation Michelangelos im Ringen zwischen dem irdischen Menschenkörper und dem überpersönlichen Lebensstrom, wie Michelangelo in seinen letzten Gedichten ausgedrückt habe: "das tiefste, furchtbarste Erlebnis war für ihn dies, daß er schließlich in seinem Werke die ewigen Werte nicht mehr erblickte."20 Der Verlust der "ewigen Werte" des künstlerischen Ausdrucks lasse sich laut Simmel beispielweise am Christuskörper der Pietà Rondanini ablesen, der unter der Schwere erschlafft und ohne den Lebenswillen sei, welcher die übrigen Skulpturen Michelangelos durch überspannte Bewegung im Griff halte:

Damit hat Michelangelo das Lebensprinzip seiner Kunst verleugnet [...]. Die Seele, hier von der Körperschwere befreit, hat den Siegeslauf ins Transzendente nicht angetreten, sondern ist an dessen Schwelle zusammengebrochen. Es ist das verräterischste und tragischste Werk Michelangelos, es ist das Siegel unter seine Unfähigkeit, auf dem Wege des künstlerischen, in der sinnlichen Anschauung zentrierten Schaffens zur Erlösung zu gelangen.21

[5] Michelangelo habe, so wähnte Simmel, in seinem Spätwerk nicht mehr um die Darstellung des Lebens in künstlerischer Form als eine kontradiktorische Bewegung gerungen – in der die Form vom Leben überwunden werden musste und in der das Leben nicht anders als in der Form existieren konnte –, sondern das Leben sei für ihn zu einem Inhalt geworden, der nicht nur einer, sondern mehreren Formen angehörte, da die einzelnen Formen der Verletzung ihrer Grenzen durch das subjektive – innerliche – Leben ihres Inhalts unterlagen:

In diesem Verhältnis gipfelt sich das Gefühl auf, das seine [Michelangelos] ganze Existenz begleitet zu haben scheint: daß diese Existenz ein Fragment ist, daß ihre Stücke nicht zu einer Einheit zusammengehen.22

Diese Erkenntnis sei für Michelangelo zum schöpferischen Impuls geworden, den Lebensausdruck keineswegs an der Oberfläche zu suchen, sondern im Wesen der Form. Die Form sei nicht als "Kampfplatz" von Lebenswillen gegen die Schwere der Materie zu sehen, sondern als Ort für die Hingabe ans Leben, als ein Fragment, da es unmöglich sei, dessen Vollständigkeit zu erlangen, denn es existiere lediglich als außermenschlicher Maßstab für das menschliche Erleben:

[Michelangelo] und seinen Gestalten tritt die 'andere' Welt entgegen, unbegreiflich fern, Unerfüllbares fordernd, [...] die Erfüllung ihres Seins ist die Vernichtung ihres Seins. [...] Die Idee, zu deren Märtyrer Michelangelo wurde, scheint zu den unendlichen Problemen der Menschheit zu gehören: die erlösende Vollendung des Lebens im Leben selbst zu finden, das Absolute in die Form des Endlichen zu gestalten.23

[6] Das Absolute in die Form des Endlichen zu gestalten war laut Simmel das Hauptanliegen von Michelangelos Spätwerk. Es sei dem Wesen nach das Streben nach Aussprechen des Unsagbaren als mögliche Negation von etwas Gegebenem gewesen:

Es ist nicht das anthropomorphe Aufblasen des eigenen Loses zum Weltfatum, sondern das geniale metaphysische Fühlen des Weltwesens, aus dem ihm das eigene fließt und deutbar wird.24

Michelangelos späte Kunst beruhte laut Simmel auf der Schaffung von formsprengenden und an sich nicht integrationsfähigen Lebensinhalten im Sinne einer Verquickung der objektiven Einheit des Lebens mit dessen subjektiver Fragmentarik. Das künstlerische Schaffen habe damit in Michelangelos Spätwerk einen die Grenzen des sichtbaren Lebens in der Form überwindenden Wert erlangt, welcher jedoch zu einem sekundären Interesse seines Kunstschaffens geworden sei, da der Hauptaspekt in Michelangelos später Kunst im Inhalt seines Innenlebens bestanden habe, welcher nicht als Gesamtheit erfasst werden konnte, da er ein sich unausgesetzt wandelnder Ausdruck der objektiven Realität gewesen sei. In dieser kontradiktorischen Bedeutung des Lebens als eines objektiv abgeschlossenen, gleichzeitig aber subjektiv desintegrierten Inhalts der Kunstform kann Simmels Überzeugung vom tragischen Charakter von Michelangelos später Kunst gefunden werden, denn:

Tragik schien uns zu bedeuten, daß dasjenige, was gegen den Willen und das Leben als deren Widerspruch und Zerstörung gerichtet ist, dennoch aus dem Letzten und Tiefsten des Willens und des Lebens selbst wächst – im Unterschied gegen das bloß Traurige, in dem die gleiche Zerstörung aus einem gegen den innersten Lebenssinn des zerstörten Subjekts zufälligen Verhängnis gekommen ist. Daß die Vernichtung aus demselben Wurzelgrunde stammt, aus dem das Vernichtete in seinem Sinn und seinem Wert gewachsen ist, macht das Tragische aus und darum ist Michelangelo die ganz und gar tragische Persönlichkeit.25

[7] Auf diese Definition von Michelangelos tragischem Lebensabschluss wird in Dvořáks 1924 publiziertem Text über Bruegel verwiesen. Dvořák hat Simmels Charakteristik verallgemeinert und erkennt darin den Ausgangspunkt für die Wandlungen der Kunst in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts:

Niemand hat diesen inneren Zusammenbruch des stolzen Gebäudes früher und tiefer begriffen als Michelangelo, niemand ergreifender als er, der sich im Alter von dem abgewendet hat, was der Ruhm seines Lebens war, um aus dem neuen geistigen Bewußtsein der Kunst einen neuen Inhalt zu geben.26

Dvořák zufolge strebte Bruegel, Michelangelo nahekommend, nach der Darstellung der Fragmentarik als Lebensgrundlage, aber keineswegs – so könnte man paraphrasieren – mit der Vorstellung eines Mehr-als-irdischen-Lebens, sondern als irdisches Menschenleben:

Michelangelos bildliches Denken löst sich von historischer und örtlicher Begrenzung los, seine figuralen Phantasien sind allmenschlich und absolut 'in Zeit und Ewigkeit'. Bruegels Erzählungskunst wendet sich dagegen immer mehr dem zeitlich und örtlich Determinierten zu, nicht naturalistischer Beobachtungen oder dieses oder jenes formalen Problems wegen, sondern da das menschliche Leben selbst in seiner natürlichen Bedingtheit und Mannigfaltigkeit die Quelle des Allgemeingültigen und künstlerisch Erhebenden geworden ist.27

[8] Eine Simmel nahekommende Voraussetzung für das Begreifen von Michelangelos später Kunst wird bei Dvořák aber bereits einige Jahre früher bemerkbar. Zehn Jahre vor dem ersten publizierten Text über Pieter Bruegel d. Ä. und nur ein Jahr nach Simmels Studie über die Kunst Michelangelos hatte er in einem zu Jahresbeginn 1911 für das Österreichische Museum für Kunst und Industrie entstandenen Vortrag über das Jüngste Gericht in der Sixtinischen Kapelle angemerkt, dass die Wandlung von Michelangelos später Kunst auf dessen inneren Erleben der Welt beruhe und somit "die erste Tragoedie des modernen Künstlerlebens" zum Ausdruck bringe.28 (Abb. 3)

3 Max Dvořáks Manuskript für einen Vortrag über Michelangelos Jüngstes Gericht, 1911. Archiv des Instituts für Kunstgeschichte an der Universität Wien, Nachlass Max Dvořák (© Archiv des Instituts für Kunstgeschichte an der Universität Wien)

[9] Eines der Ziele seines Vortrags bestand in dem Nachweis, dass sowohl für ein mögliches Verständnis von Michelangelos Bedeutung für das 16. Jahrhundert als auch für das Verständnis des Desinteresses an seinem Spätwerk im 19. Jahrhundert notwendigerweise die Wandlungen der vorausgehenden sowie der mit Michelangelos Kunst zusammenhängenden Kunstentwicklung begriffen werden müssen. In diesem Ausgangspunkt kann man die wissenschaftliche Position von Alois Riegl und Franz Wickhoff, Dvořáks Lehrern an der Wiener Universität, wiederfinden,29 also die apriorische Ablehnung von ästhetischen Urteilen über historische Kunstwerke; vielmehr müssten Kunstwerke jeweils aus der Position der autonomen kunsthistorischen Entwicklung ihrer Entstehungszeit neu gedeutet werden.30 Dvořáks Darlegung befasst sich allerdings nicht mit den inneren Impulsen der kunsthistorischen Entwicklung als bestimmendem Einfluss auf die Wandlung der Kunstformen, wie dies in den Arbeiten von Wickhoff und Riegl um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert anklang.31 Er bemüht sich vielmehr um eine Wesenserfassung der Wandlung von Michelangelos Spätwerk, das er als Aufbegehren gegen die so betrachtete Entwicklung versteht. Mit diesem Schritt eröffnete Dvořák die Möglichkeit zur Deutung der historischen Kunst nicht etwa im Rahmen einer Kontinuität, sondern der Diskontinuität im Sinne einer Neu-Eröffnung als etwas Anderem, ungeachtet dessen immanenter Bindung an seine Grundlage.

[10] Dvořák ging auf diese Weise in Korrelation mit Michelangelos Jüngstem Gericht der geistigen Atmosphäre in der Mitte des 16. Jahrhunderts nach, verwies beispielsweise auf das Auftreten des Ignatius von Loyola und auf dessen Gründung des Jesuitenordens, die in zeitlichem Zusammenhang mit Michelangelos Fresko standen.32 Diese Wechselbeziehung war laut Dvořák keine zufällige, sondern in der allgemeinen Entwicklung des geistigen Lebens begründet;33 zu diesem gehörten die Reformation Martin Luthers wie die gegenreformatorischen Anstrengungen.34 Dvořák dachte nämlich, dass "große individuelle Taten […] Verkörperung der tiefsten Strömungen der Zeit [seien]".35 Er gewann die Einsicht, dass Michelangelo nicht nur ein sich mit Kunstproblemen befassender schöpferischer Geist gewesen sei (wobei seine Formfindungen unter dem Einfluss der immanenten Kunstentwicklung gestanden haben), sondern dass seine Kunst Ausdruck "großer geistiger Bewegung[en] [gewesen sei]".36 Und auf dieser Grundlage war er überzeugt: "Das Jüngste Gericht [war] eine große selbständige Manifestation eines der größten Männer des Jahrhunderts in einer Wandlung in der geistigen Kultur, die die größte war, die sich im Abendland seit dem 13. Jh. vollzogen hat."37

[11] Zum Jahresbeginn 1912 wies Dvořák in seinem Vortrag "Die letzte Renaissance", gleichfalls im Österreichischen Museum, auf ein analoges Problem in der Gegenwartskunst hin.38 Ihm zufolge solle sich die Gegenwartsarchitektur von der Nachahmung historischer, geschlossener Formen der linear betrachteten Vergangenheit losmachen und in ihrem Kunstschaffen den Ausdruck des geistigen Lebens in der Wieder-Erschaffung solcher Formen anstreben, also aus der Einblicknahme in die objektiv abgeschlossene Vergangenheit und ein subjektives Angehen von deren Formen Neues als Ausdruck der eigenen Zeit schaffen. Nur auf diese Weise könne die Architektur des frühen 20. Jahrhunderts laut Dvořák einerseits den Historismus, also die alte Kunstformen ohne tiefere Bedeutung nutzende Richtung,39 und andererseits auch die modernen Bemühungen, allen voran das Werk Otto Wagners, überwinden, denn nicht einmal diese vermöchten eine längerfristige Lösung für die Krise des architektonischen Schaffens zu bieten, da letztere hauptsächlich auf Dekor ohne hinreichenden Nachdruck auf klassische Monumentalität im Sinne einer schöpferischen Wiedergeburt der antiken Tradition abzielten.40 Das Geheimnis der neuen schöpferischen Kunst, so Dvořák,

liegt in der schöpferischen Tat, die alles aufnehmen kann und darf, was vorangehende Generationen geschaffen haben, weil es der Künstler künstlerisch neu bezwungen und zum neuen Leben, zu einem Gegenwartswerte erhoben hat.41

[12] Zur Voraussetzung für die neue Architektur solle laut Dvořák das (bislang nicht auf schöpferische Weise durchgearbeitete) "Gefühl" für die architektonische/künstlerische Funktion der Bauelemente werden,42 wie es andeutungsweise z. B. im Werk von Joseph Maria Olbrich sichtbar geworden sei, der die Möglichkeiten zur Schaffung einer neuen Monumentalität angeboten habe; Dvořák verglich diese in einer später gestrichenen Anmerkung mit der Baukunst des Quattrocento.43 Die moderne Architektur solle sich laut Dvořák anstatt auf Material, Konstruktion und Dekordetail auf den Gesamtausdruck der "künstlerischen Gliederung" von Bauwerken konzentrieren.44 Dieser solle in der Architektur den materialbezogenen Anforderungen übergeordnet werden, da eine rein funktionale Verwendung des Materials noch nicht das Kunstempfinden der Zeitgenossen ausdrücken könne, welches durch die aktuellen gesellschaftlichen Wandlungen geprägt sei. Vielmehr solle laut Dvorák die Architektur zu Beginn des 20. Jahrhunderts zu einer neuen Renaissance werden – nicht etwa durch den Rückgriff auf deren Kunstformen, sondern durch Aneignung eines vergleichbaren Zugangs zum Kunstempfinden im Sinne einer Neuformulierung einstiger Formen aus der Position der eigenen Realität.45

[13] Dvořák hat so im selben Umfang, wie er Michelangelos Kunst für den Ausdruck einer "ersten Tragoedie des modernen Künstlerlebens" hielt, die Monumentalität in der Architektur aufgrund ihrer Analogie zur Tragödie als ein in seinem Kern reines Streben nach einem (nicht immer vollkommenen) Ausdruck der menschlichen Beziehung zur zeitverhafteten Realität begriffen:

Nutzarchitektur hat es in allen Zeiten bei allen Völkern gegeben, wogegen Architektur als tektonische, monumentale Kunst wie die Tragödie, wie die auf einem Studium des menschlichen Körpers und seines funktionellen Mechanismus beruhende statuarische Plastik, wie die auf objektiver Wiedergabe des Naturausschnittes beruhende Malerei die Eigentümlichkeit der Völker [ist], deren Kultur auf der klassischen beruhte.46

[14] Dvořáks Auffassung von Monumentalität als Ausdruck von Gegenwartskultur kommt daher nicht nur Simmels Darstellung von Michelangelos Spätwerk nahe, sondern auch dessen Kulturdefinition in der Studie Der Begriff und die Tragödie der Kultur aus dem Jahr 1911.47 Diese war neben dem Text über Michelangelo in die Auswahl Philosophische Kultur aufgenommen worden,48 auf die man in Dvořáks Studie über Pieter Bruegel d. Ä. von 1924 einen Hinweis findet. Simmel stellte in diesem Text die Überlegung an, dass eine Kulturform, die eine Verquickung der objektiven und subjektiven Wirklichkeit eines bestimmten zeitgebundenen Augenblicks als Erlebnis darstelle, den Menschen kultiviere, d. h. ihn zum Bestandteil der Kultur als deren Objekt sowie Subjekt werden lasse, ihn also zum passiven Zuschauer und zugleich schöpferischen Störelement mache. "Diese Strömung von Subjekten durch Objekte zu Subjekten, in der ein metaphysisches Verhältnis zwischen Subjekt und Objekt historische Wirklichkeit annimmt, kann nun aber ihre Kontinuität verlieren."49 Gerade der Kontinuitätsverlust im Sinne einer Störung der abgerundeten Vollendung des Subjekts sei die Voraussetzung für die Tragik der Kultur. "Es ist das Paradoxon der Kultur", erklärt Simmel,

daß das subjektive Leben, das wir in seinem kontinuierlichen Strome fühlen, und das von sich aus auf seine innere Vollendung drängt, diese Vollendung, von der Idee der Kultur aus gesehen, gar nicht aus sich heraus erreichen kann, sondern nur über jene, ihm jetzt ganz formfremd gewordenen, zu selbstgenügsamer Abgeschlossenheit kristallisierten Gebilde. Kultur entsteht – und das ist das durchaus Entscheidende für ihr Verständnis –, indem zwei Elemente zusammenkommen, deren keines sie für sich enthält: die subjektive Seele und das objektiv geistige Erzeugnis.50

[15] Die Moderne zu Beginn des 20. Jahrhunderts habe laut Simmel dieses Paradoxon durch eine Schaffung der Kultur nicht etwa vermittels Objektivierung des Subjekts, sondern durch die Produktion von Objekten radikalisiert: Der Mensch könne nicht rückwirkend seine Subjektivität in einer objektiv geformten (anderen) Subjektivität finden und damit sein Bewusstsein über sich selbst entfalten,51 da Kultur nicht mehr aufgrund einer derart – metaphysisch – umgeformten Subjektivität geschaffen werde.52 Mit anderen Worten: Aus dem abgerundeten Prozess Subjekt-Objekt-Subjekt sei die Form der Objektivierung des Lebens durch das Subjekt entschwunden und es handele sich folglich nur noch um eine lineare Objekt-Subjekt-Beziehung, in der der Mensch nicht mehr sich selbst durch die Erkenntnis seiner selbst als etwas anderes kultivieren, sondern nur die Kultur als eine entfremdete Gegebenheit annehmen könne.53

[16] Auf das analoge Problem in der Gegenwartsarchitektur verwies Dvořák im Jahr 1912: Die Architekten sollten sich von der linear wahrgenommenen Vergangenheit abwenden und neue Werke aus einer Position der abgerundeten Wahrnehmung von historischen Kunstformen neu schaffen, vergleichbar Michelangelos Neu-Öffnung alter Formen, die dann einen neuen Inhalt, und zwar das Bewusstsein der anwesenden Tragik des Lebens, ausdrückten. Auf diesen gedanklichen Grundlagen konnte Dvořák über die Wiener Architektur des frühen 20. Jahrhunderts als einer letzten Renaissance nachdenken, also über die Parallelität der Lebensphänomene am Anfang des 16. Jahrhunderts und des 20. Jahrhunderts. So wie Michelangelo mit seinem Spätwerk die Möglichkeit einer neuen schöpferischen Anstrengung eröffnet habe, solle sich auch die moderne Architektur des frühen 20. Jahrhunderts einer neuen schöpferischen Anstrengung zuwenden. Es war also um das Jahr 1911, dass Simmel sowie Dvořák durch ihre Beschäftigung mit Michelangelos Spätwerk in der Bewusstmachung der Tragik der Gegenwartskultur einen Ausgangspunkt für einen neuen schöpferischen Zugang zum Leben sahen. Diese Einsicht gewann in der Zeit während und nach dem Ersten Weltkrieg in beider Arbeit weiter an Aktualität.

[17] Simmel formulierte im Kriegsverlauf die Lebensanschauung, ein Konzept des Lebenswillens, der nach dem "Sich-selbst-Überschreiten des Geistes" strebe, und zwar im Bewusstsein,54 dass

Leben ein solches Etwas [erzeugt], woran es sich bricht, wodurch es vergewaltigt wird, etwas, das ihm zwar notwendig eigene Form ist, aber schon dadurch, daß es Form ist, der Dynamik des Lebens, seiner Unfähigkeit irgendeines wirklichen Haltmachens im tiefsten widerstreitet.55

Laut Simmel bestand der Sinn des Lebens nicht in seiner bloßen Erhaltung,56 sondern in der Tendenz zu einem "Mehr-Leben", das in der Aufhebung und Neu-Erschaffung der Bedeutungen aufgrund von Erfahrungen des Individuums mit den bereits existierenden Wirklichkeitsformen bestehe.57 Dieser Prozess könne zur Objektivierung der Erfahrung mit der Welt im Sinne einer Schaffung von "Mehr-als-Leben" als selbständiger, vom Menschen unabhängiger Form führen.58 Simmel beschrieb den Charakter des Lebens nicht nur als eine Befriedigung von Grundbedürfnissen, sondern verwies auf dessen subjektive Gestaltungsmöglichkeit, wenn das Einzelleben das Normalleben durch ein freies Erleben der Wirklichkeit überschreite.59 Gleichzeitig könne diese Erfahrung als neue Wirklichkeitsform objektiviert und als solche zur Voraussetzung für den weiteren Lebensprozess werden: Die Überwindung der Lebensform werde zum einen vom Formbewusstsein beeinflusst, also vom Bewusstsein der von einzelnen Formen bestimmten menschlichen Existenz, zum anderen vom Leben der Form, das sich selbst in neuem Schaffen überwinden solle. Die Form sei die Sichtbarmachung des Lebens und folglich sei das Leben, welches die Form bestimme und überwinde, der Inhalt dieser Form. Daraus ergab sich für Simmel, dass

der Mensch auch als ethischer das Grenzwesen [ist], das keine Grenze hat. [...] dem Leben die Transzendenz immanent ist [...], sein innerstes Wesen ist, über sich selbst hinauszugehen, seine Grenze zu setzen, indem es über sie, d. h. eben über sich selbst, hinausgreift.60

[18] Dvořák hat in seinen während und nach dem Ersten Weltkrieg verfassten Studien die Voraussetzung für die Transformation der materialistisch veranlagten Kultur in geistig orientierte Werte formuliert, welche sowohl für die Kunst des 16. als auch 20. Jahrhunderts Gültigkeit habe. Diese Ausgangsbasis hat er am klarsten Ende 1920 in einem Vortrag über die Malerei El Grecos im Österreichischen Museum formuliert, in dem er einige Jahre zuvor über Michelangelos Jüngstes Gericht und die Krise der Gegenwartsarchitektur gesprochen hatte. Der Vortrag über El Greco kann als eine latente Fortsetzung der früheren Referate angesehen werden, da Dvořák El Grecos Malerei einerseits für die radikalste Ausprägung des neuen, von Michelangelos Spätwerk abhängigen Schaffens hielt,61 andererseits für einen korrelativen Ausdruck für die Wandlung der Gegenwartskunst:

Heute steht diese materialistische Kultur vor ihrem Ende. Ich denke dabei weniger an den äußeren Zusammensturz, der nur eine Folgeerscheinung war, als an den inneren, der seit einer Generation auf allen Gebieten des geistigen Lebens beobachtet werden kann: [...] in der Literatur und Kunst, die sich wie im Mittelalter und in der Zeit des Manierismus dem geistig Absoluten [...] zugewendet haben, und schließlich in jener Übereinstimmung aller Ereignisse, die das geheimnisvolle Gesetz des menschlichen Schicksals alle nach der Richtung eines neuen, geistigen, antimaterialistischen Weltalters zu lenken scheint.62

[19] Den Ausgangspunkt für die Kunst des Manierismus, den Dvořák in seinem Vortrag behandelte und für dessen Repräsentanten er El Greco hielt, hatte ihm zufolge Michelangelo geschaffen, dessen

Gestalten [...] erfüllt [sind] von einer Tragik, die aus den tiefsten Schächten der Seele fließt, der gegenüber jedem, der sie begriffen hat, ältere Darstellungen schal und oberflächlich erscheinen, da ihre Quelle nichts äußerlich mechanisch Erfaßbares, sondern ein inneres Erlebnis ist [...].63

In Dvořáks Voraussetzung von Michelangelos Kunst, die sich aufgrund eines neuen innerlichen Erlebens des künstlerischen Ausdrucks vom bisherigen Kunstschaffen abgewandt habe, kann man wieder den Einfluss von Simmels Definition der Tragik in Michelangelos Lebensabschluss aus dem Jahr 1910 entdecken, auf die Dvořák in seinem Text über Bruegel hingewiesen hat. In dieser Studie definierte Dvořák den Manierismus als prinzipielle Überwindung der objektiven Formen durch ihren geistigen Inhalt: "Was die neue Zeit verlangte, war jedoch ein geistiges Über-dem-Stoff-und-über-der-Form-Stehen."64

[20] Im gleichen Zeitraum widmete sich Dvořák dem Manierismus auch an der Wiener Universität. In seiner Vorlesung über den Ursprung der italienischen Barockkunst65 definierte er ihn ebenfalls unter Heranziehung von Michelangelos "tragischem Lebensabschluß": Mit dem Manierismus

sollte die alte Gebundenheit zerrissen und durch eine Befreiung der Kunst von ihrer naturalistischen und rationalistischen Orientierung ersetzt werden. Derselbe Zug der Zeit, der seine Schatten in tragischen Konflikten auf Michelangelos Kunst geworfen hat, wirkt auch hier [...] und führt [...] zu stilistischen Neuerungen.66

[21] Betrachtet man Dvořáks Erläuterung des Manierismus aufgrund der Tragik in Michelangelos späten Lebensjahren, so wie sie zu Beginn des 20. Jahrhunderts von Simmel dargestellt worden war, kann man auch sein Interesse in der Nachkriegszeit an der geistigen Bedeutung der Kunstform im Sinne von Lebensanschauung verstehen, also als Objektivierung der Erfahrung mit der Welt, die einen einzigartigen Ausdruck des subjektiven Lebens als Inhalt der Form entstehen lässt.67 Laut Dvořák haben sich nämlich die manieristischen Künstler nach dem Vorbild von Michelangelos Spätwerk nicht länger um eine Objektivierung der Welt in der Kunstform bemüht, wie sie in der Kunst des Quattrocento zu sehen war,68 sondern einen künstlerischen Ausdruck für ihr Innenleben gesucht:

Nun sind formale Probleme gleichsam nur die technische Voraussetzung, das handwerkliche Rüstzeug und nicht mehr das eigentliche Ziel der Künstler. Inhaltliche Interessen spielen eine weit größere Rolle als früher.69

Das heißt, dass für manieristische Künstler formale Entlehnungen aus Michelangelos Werken kein Problem waren, da sie sich in ihrem Schaffen mit der Neu-Erschließung solcher Formen befassten und das hauptsächliche künstlerische Interesse darin bestand, diesen eine andere, subjektive Bedeutung zu verleihen:

In einzelnen Figuren und Gruppen ist die Nachahmung michelangelesker Formen und Gestalten ins Auge springend, man hat den Eindruck, als ob der Künstler diese Szenen nur gewählt hätte, um jene Motive verwerten zu können.70

Eine der wichtigsten Erscheinungsformen der manieristischen Kunst war somit für Dvořák das Bestreben, neue Inhalte zu schaffen, welche die objektiv konstruierten Renaissanceformen sprengten, weil die Bedeutung des Kunstschaffens für das Innenleben jenseits von deren Grenzen zu erkennen sein musste: "neue Erkenntnis mußte auch dem Problem der Form einen neuen Inhalt geben".71

[22] Auf dieser Grundlage kann man Dvořáks Bemühen um die Sinnerfassung von Kunstformen des 16. Jahrhunderts als eine Arbeit begreifen, die neben dem historiographischen Aspekt zugleich eine Basis für einen neuen schöpferischen Gehalt der Kunst des 20. Jahrhunderts schaffen wollte. In seinen Vorträgen im Österreichischen Museum während der Jahre 1911 und 1912 präsentierte er eine Möglichkeit zur geistigen Überwindung der Krise des frühen 20. Jahrhunderts, das immer noch nach der Ergründung der Gegenwartstragik und damit auch nach einem schöpferischen Impuls suchte, so wie ihn Michelangelo mit seinem Spätwerk der frühneuzeitlichen Kunst gegeben hatte. Zu diesem Impuls wurde für die Moderne einige wenige Jahre später der Weltkrieg, in dem Michelangelos Jüngstes Gericht einen neuen Gehalt gewann. Dvořák fand ihn in der Affinität zu Bruegels Gemälde Der Blindensturz aus dem Jahr 1568. Im Schluss der Studie über Bruegel deutete er beide Werke als einen korrelativen Ausdruck für den Untergang der objektiv existierenden Grenzen. Das derart angedeutete Ende der gültigen Gewissheiten enthülle laut Dvořák das Leben in seiner Fülle und Unfassbarkeit zugleich.72

[23] Hinter Dvořáks Ausführungen sowohl von 1911 als auch von 1920 über Michelangelos Kunst und inbesondere die geistige Bedeutung von dessen Kunstschaffen steht Simmels Interpretation aus dem Jahr 1910. Deren Einfluss ist derart stark, dass sie geradezu als Ausgangspunkt für eine neue historiografische Einstufung von Dvořáks Formulierung des Manierismus als quasi immanente moderne Problematik zu begreifen ist – in Dvořáks Texten lässt sich der Gedanke von Michelangelos Kunst als Bewusstmachung der Fragmentarik des Lebens im Sinne einer tragischen unerreichbaren Einheit finden: Eine solche Einheit existiere für den Menschen lediglich als innerer Gehalt, während dessen Formen angesichts der objektiven Wirklichkeit unausgesetzt mit Wandlungen konfrontiert seien. Diese von Simmel entwickelte Deutung wurde nach dem Ersten Weltkrieg zur Definitionsgrundlage des Manierismus, den Dvořák als einer der ersten Kunsthistoriker als einen selbständigen Kunststil begriff.73 Die Grundlagen dieses Manierismus-Verständnisses – dies ist bislang in der historiografischen Erforschung von Dvořáks Kunstgeschichte übersehen worden – kann man bereits vor dem Ersten Weltkrieg entdecken, als Dvořák den Gedanken Simmels bezüglich der Tragik von Michelangelos später Kunst und der mühevollen Suche nach einem neuen Lebensausdruck aufnahm. Die Entwicklung ging demnach von objektiv-linear bestimmten Formen (der Renaissance/Neorenaissance) zu deren subjektiv-geistiger Aufhebung zwecks Schaffung eines anderen Erlebens der (manieristischen/modernen) Wirklichkeit, wie er es in seinem Vortrag über die Letzte Renaissance von 1912 und vor allem über Das Jüngste Gericht aus dem Jahr zuvor zum Ausdruck gebracht hatte: "[es] war dieser [...] geistige Inhalt, den Michelangelo seiner Kunst und der Kunst des folgenden Jahrhunderts gegeben hat".74

[24] Diese künstlerbezogene Interpretation wurde in Dvořáks Texten aus der Nachkriegszeit – in der Studie über Bruegel unmittelbar mit einem Hinweis auf Simmel – zum Dispositiv der Darstellung über den Wandel der gesamten Epoche in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, und das vor der Folie der weltumspannenden Wandlung nach dem Ersten Weltkrieg. Letztere bedeutete für Dvořák eine Neu-Öffnung der manieristischen Kunstformen durch den neuen Lebensinhalt der Moderne, da auch für die Nachkriegswelt symptomatisch wurde, "was Simmel über Michelangelos tragischen Lebensabschluß geschrieben hat". Sowohl für Dvořák als auch für Simmel war Michelangelos Kunst die conditio sine qua non für eine Überschreitung objektiv festgelegter Grenzen angesichts der Vergegenwärtigung des Lebens als unrealisierbarer Einheit von Religion, Staat, Kultur und auch Kunst, welche bis in das frühe 20. Jahrhundert hinein als geradliniger Entwicklungsprozess verstanden wurde. Hier kann man die Bedeutung von Simmels Denken für Dvořáks Kunstgeschichte finden: Simmel verhalf Dvořák mit seiner Philosophie zum Begreifen des Kunstwerks als kultureller Objektivierung der subjektiven Beziehung des Einzelnen zur Welt. Die geradlinige Entwicklung der Kunst war zu Beginn des 20. Jahrhunderts unterbrochen worden, wie Simmel 1911 und Dvořák 1912 betonten, da die Wirklichkeit nicht mehr aus dem Wesen des individuellen Lebens geschaffen wurde, sondern zu einer entpersönlichten gesellschaftlichen Produktion geworden war. Letztere konnte nicht über einen metaphysischen Schöpfungsprozess eine Verbindung zwischen äußerer und innerer Realität herstellen und war auch nicht fähig, die implizite Tragik der menschlichen Existenz aufzunehmen. Diese Tragik musste daher als Inhalt der modernen Realität durch Formen des Manierismus zum Ausdruck gebracht werden, die vom Spätwerk Michelangelo Buonarrotis bestimmt worden waren – wie Max Dvořák im Jahr 1920 gezeigt hat.

Danksagung
Für wertvolle Ratschläge und die sorgfältige Lektüre des Manuskriptes danke ich herzlich Prof. Tomáš Hlobil, ohne dessen geduldige Unterstützung dieser Text nicht seine Endfassung erreicht hätte. Herzlicher Dank gilt auch Prof. Ivo Hlobil und Prof. Lubomír Konečný für die sachdienlichen Anmerkungen sowie den beiden anonymen Gutachtern für ihre wertvollen Ratschläge. Ich danke auch Dr. Andrea Lermer und Dr. Vendula Hnídková für die gründliche Bearbeitung des Textes. Für die freundliche Hilfe und den Zutritt zu Max Dvořáks Nachlass im Archiv des Instituts für Kunstgeschichte an der Universität Wien danke ich Dr. Friedrich Polleroß. Dieser Aufsatz ist Teil des Postdoktorandenprojekts "Die Wiener Schule der Kunstgeschichte und Michelangelo Buonarroti: Max Dvořák und seine Schüler Jaromír Pečírka, Charles de Tolnay, Hans Sedlmayr", das am Institut für Kunstgeschichte der Tschechischen Akademie der Wissenschaften ausgearbeitet wird.

Gutachter
Milena Bartlová, Academy of Arts, Architecture and Design, Prague
Matthew Rampley, Masaryk University, Brno

Übersetzung
Jürgen Ostmeyer

Redaktion
Vendula Hnídková, Institut für Kunstgeschichte der Tschechischen Akademie der Wissenschaften, Prag

Lizenz
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1 Max Dvořák, "Einleitung", in: P. Bruegel d. Ä. Siebenunddreißig Farbenlichtdrucke nach seinen Hauptwerken in Wien, Wien 1921, 5-36, hier 5.

2 Max Dvořák, "Pieter Bruegel der Ältere", in: ders., Kunstgeschichte als Geistesgeschichte. Studien zur abendländischen Kunstentwicklung, hg. v. Karl Maria Swoboda und Johannes Wilde, München 1924, 217-257.

3 Dvořák, "Pieter Bruegel der Ältere" (1924), 220.

4 Georg Simmel, "Michelangelo. Ein Kapitel zur Metaphysik der Kultur", in: Logos. Internationale Zeitschrift für Philosophie der Kultur 1 (1910), 207-227; Georg Simmel, "Michelangelo", in: ders., Philosophische Kultur. Gesammelte Essais, Leipzig 1911, 157-184.

5 Dvořáks Nachlass im Archiv des Instituts für Kunstgeschichte an der Universität Wien (Karton 9, Faszikel "Bruegel 1920")enthält lediglich jene Manuskriptteile, die nicht in die Endversion der Studie aufgenommen wurden. Das Originalmanuskript, aus dem die 1921 und 1924 publizierten Texte hervorgegangen sind, konnte bislang noch nicht ausfindig gemacht werden. Aber auch in den vorbereitenden Anmerkungen taucht eine Erwähnung Simmels und dessen Ausführung zu Michelangelos tragischem Lebensabschluss auf, was einen Grund für die Deduktion liefert, dass diese einen gewichtigen Bestandteil von Dvořáks Interpretation darstellte.

6 Neuerlich s. Hans H. Aurenhammer, "Max Dvořák (1874–1921). Von der historischen Quellenkritik zur Kunstgeschichte als Geistesgeschichte", in: Österreichische Historiker. Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Bd. 2, hg. v. Karel Hruza, Wien/Köln/Weimar 2012, 169-200, hier 194-200; Sandro Scarrocchia, "Denkmalpflege und Moderne: die Lehre Max Dvořáks", in: Max Dvořák, Schriften zur Denkmalpflege, hg. v. Sandro Scarrocchia, Wien/Köln/Weimar 2012, 22-210, hier 25.

7 Jaromír Pečírka, "Úvod", in: Max Dvořák, Listy o životě a umění. Dopisy Jaroslavu Gollovi, Josefu Pekařovi a Josefu Šustovi, Prag 1943, 7-16, hier 14; Lech Kalinowski, Max Dvořák i jego metoda badań nad sztuką, Warschau 1974, 33-38; Sándor Radnóti, "Die Historisierung des Kunstbegriffs: Max Dvořák", in: Acta Historiae Artium Academiae Scientiarum Hungaricae 26 (1980), 125-142, hier 128. Siehe auch Uta Gerhardt, "Immanenz und Widerspruch: Die philosophischen Grundlagen der Soziologie Georg Simmels und ihr Verhältnis zur Lebensphilosophie Wilhelm Diltheys", in: Zeitschrift für philosophische Forschung 25 (1971), 276-292.

8 Karl Maria Swoboda und Johannes Wilde, "Vorwort der Herausgeber", in: Max Dvořák, Kunstgeschichte als Geistesgeschichte. Studien zur abendländischen Kunstentwicklung, hg. v. dens., München 1924, IX-XII, hier IX; Julius von Schlosser, "Die Wiener Schule der Kunstgeschichte. Rückblick auf ein Säkulum deutscher Gelehrtenarbeit in Österreich", in: Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung 13 (1934), 141-228, hier 199; Mitchell Schwarzer, "Cosmopolitan Difference in Max Dvořák’s Art Historiography", in: The Art Bulletin 74 (1992), 669-678; Ján Bakoš, "Názory Viedenskej školy na povahu umeleckohistorického procesu", in: Štyri trasy metodológie dejín umenia, Bratislava 2000, 21-39, hier 28-31; Jiří Kroupa, "Max Dvořák dnes", in: Opuscula Historiae Artium 61 (2012), 2-11.

9 Matthew Rampley, "Max Dvořák. Art History and the Crisis of Modernity", in: Art History 26 (2003), 214-237; Robert Born, "Die Kunsthistoriographie in Siebenbürgen und die Wiener Schule der Kunstgeschichte von 1850 bis 1945", in: Die Etablierung und Entwicklung des Faches Kunstgeschichte in Deutschland, Polen und Mitteleuropa, hg. v. Wojciech Bałus und Joanna Wolańska, Warschau 2010, 349-380; Josef Vojvodík, "Fading, Fading: Ztráta, vzkříšení a dějiny umění jako palingeneze: K uměleckohistorickému myšlení Maxe Dvořáka na pozadí fenomenologie jeho doby", in: Mizení. Fenomény, mediální praktiky a techniky na prahu zjevného, hg. v. Kateřina Krtilová und Kateřina Svatoňová, Prag 2017, 155-182.

10 Max Dvořák, Idealismus und Naturalismus in der gotischen Skulptur und Malerei, München/Berlin 1918, 72, 85, 93, 96; Dvořák, "Pieter Bruegel der Ältere" (1924), 5.

11 Zum Beispiel verwies Dvořák in Idealismus und Naturalismus in der gotischen Skulptur und Malerei, 17 f., 72, 93, auf die Überlegungen von Wilhelm Windelband und Ernst Troeltsch.

12 Georg Simmel, "Michelangelo. Ein Kapitel zur Metaphysik der Kultur", in: ders., Aufsätze und Abhandlungen 1909–1918, Bd. 1, hg. v. Klaus Latzel, Frankfurt am Main 2001 (= Georg Simmel Gesamtausgabe, hg. v. Otthein Rammstedt, 12), 111-136, hier 125. Simmel hat sich im Rahmen seiner Philosophie neben Michelangelo auch Rembrandt gewidmet sowie das Werk von Auguste Rodin erforscht. Die bislang gründlichste Untersuchung zu Simmels Überlegungen zur bildenden Kunst aus der Position seiner Philosophie stellt das Buch von Stéphane Symons, More than Life. Georg Simmel and Walter Benjamin on Art, Evaston, IL 2017 dar. Für die Beziehung Simmels zur Kunstgeschichte und -theorie um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert s. Hans Zitko, "Probleme der Form. Bemerkungen zu Konrad Fiedler, Adolf von Hildebrand, Ernst Cassirer und Georg Simmel", in: Das Problem der Form. Interferenzen zwischen moderner Kunst und Kunstwissenschaft, hg. v. Hans H. Aurenhammer und Regine Prange, Berlin 2016, 29-42.

13 Simmel, "Michelangelo. Ein Kapitel zur Metaphysik der Kultur" (2001), 126.

14 Simmel, "Michelangelo. Ein Kapitel zur Metaphysik der Kultur" (2001), 129.

15 Simmel, "Michelangelo. Ein Kapitel zur Metaphysik der Kultur" (2001), 116.

16 Simmel, "Michelangelo. Ein Kapitel zur Metaphysik der Kultur" (2001), 117.

17 Simmel, "Michelangelo. Ein Kapitel zur Metaphysik der Kultur" (2001), 115.

18 Simmel, "Michelangelo. Ein Kapitel zur Metaphysik der Kultur" (2001), 119.

19 Simmel, "Michelangelo. Ein Kapitel zur Metaphysik der Kultur" (2001), 121.

20 Simmel, "Michelangelo. Ein Kapitel zur Metaphysik der Kultur" (2001), 128 f. Simmel hat sich mit Michelangelo schon im Jahr 1889 befasst, in dem er sich ausschließlich dessen dichterischen Werk zuwandte. Georg Simmel, "Michelangelo als Dichter", in: Vossische Zeitung 36 (1889), 44 f.

21 Simmel, "Michelangelo. Ein Kapitel zur Metaphysik der Kultur" (2001), 128.

22 Simmel, "Michelangelo. Ein Kapitel zur Metaphysik der Kultur" (2001), 129 f.

23 Simmel, "Michelangelo. Ein Kapitel zur Metaphysik der Kultur" (2001), 133 f.

24 Simmel, "Michelangelo. Ein Kapitel zur Metaphysik der Kultur" (2001), 132.

25 Simmel, "Michelangelo. Ein Kapitel zur Metaphysik der Kultur" (2001), 133.

26 Dvořák, "Pieter Bruegel der Ältere" (1924), 221.

27 Dvořák, "Pieter Bruegel der Ältere" (1924), 233.

28 Max Dvořák, "Michelangelos Jüngstes Gericht", 1911 (Manuskript für den am 16. März 1911 am Österreichischen Museum für Kunst und Industrie gehaltenen Vortrag), 67. Das Manuskript wird im Archiv des Instituts der Kunstgeschichte an der Universität Wien aufbewahrt, Nachlass Max Dvořák, Karton 11, Faszikel 14. Dvořák hatte sich an der Universität Wien bereits im Wintersemester 1905/1906 mit Michelangelos Kunst auseinandergesetzt (Geschichte der barocken Kunst in Italien) und erneut im Wintersemester 1909/1910 (Geschichte der italienischen Barockkunst); aus diesen Veranstaltungen übernahm er einige Werturteile über Michelangelos Schaffen in den Vortrag für das Österreichische Museum im Jahr 1911 . Ähnliche Formulierungen tauchen auch in seiner gleichlautenden Vorlesung (Geschichte der italienischen Barockkunst) im Wintersemester 1912/1913 auf.

29 Arthur Rosenauer, "Das Rätsel der Kunst der Brüder van Eyck – Max Dvořák und seine Stellung zu Wickhoff und Riegl", in: Wien und die Entwicklung der kunsthistorischen Methode, hg. v. Stefan Krenn und Martina Pippal, Wien/Köln/Graz 1984, 45-52.

30 Aurenhammer, "Max Dvořák (1874–1921)", 185.

31 Die Wiener Genesis, hg. v. Wilhelm Ritter von Hartel und Franz Wickhoff, Wien 1895; Alois Riegl, Die spätrömische Kunst-Industrie nach den Funden in Österreich-Ungarn, Wien 1901; Ioli Kalavrezou-Maxeiner, "Franz Wickhoff: Kunstgeschichte als Wissenschaft", in: Wien und die Entwicklung der kunsthistorischen Methode, hg. v. Stefan Krenn und Martina Pippal, Wien/Köln/Graz 1984, 17-22; Willibald Sauerländer, "Alois Riegl und die Entstehung der autonomen Kunstgeschichte am Fin de Siècle", in: Fin de siècle: zu Literatur und Kunst der Jahrhundertwende, hg. v. Roger Bauer, Frankfurt 1977, 125-139.

32 Dvořák, "Michelangelos Jüngstes Gericht" (Manuskript, 1911), 35-37.

33 Dvořák, "Michelangelos Jüngstes Gericht" (Manuskript, 1911), 37.

34 Dvořák, "Michelangelos Jüngstes Gericht" (Manuskript, 1911), 38.

35 Dvořák, "Michelangelos Jüngstes Gericht" (Manuskript, 1911), 35.

36 Dvořák, "Michelangelos Jüngstes Gericht" (Manuskript, 1911), 40.

37 Dvořák, "Michelangelos Jüngstes Gericht" (Manuskript, 1911), 40 f.

38 Max Dvořák, "Die letzte Renaissance. Vortrag, gehalten am 22. Februar 1912 im Österreichischen Museum für Kunst und Industrie", hg. v. Hans H. Aurenhammer, in: Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte 50 (1997), 9-22.

39 Dvořák, "Die letzte Renaissance", 11.

40 Betreffs des historisch-politischen Hintergrunds des Vortrags s. Hans H. Aurenhammer, "Max Dvořák und die moderne Architektur. Bemerkungen zum Vortrag 'Die letzte Renaissance' (1912)", in: Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte 50 (1997), 23-39.

41 Dvořák, "Die letzte Renaissance", 17.

42 Dvořák schwankte zwischen diesen Begriffen bei der Beschreibung der Wandlungen in der Architektur; Dvořák, "Die letzte Renaissance", 16.

43 Dvořák, "Die letzte Renaissance", 16.

44 Dvořák, "Die letzte Renaissance", 16.

45 Dvořák, "Die letzte Renaissance", 21.

46 Dvořák, "Die letzte Renaissance", 17 f.

47 Georg Simmel, "Der Begriff und die Tragödie der Kultur", in: Logos. Internationale Zeitschrift für Philosophie der Kultur 2 (1911), 1-25.

48 Georg Simmel, "Der Begriff und die Tragödie der Kultur", in: ders., Philosophische Kultur. Gesammelte Essais, Leipzig 1911, 245-277.

49 Georg Simmel, "Der Begriff und die Tragödie der Kultur", in: ders., Aufsätze und Abhandlungen 1909–1918, Bd. 1, hg. v. Klaus Latzel, Frankfurt am Main 2001 (= Georg Simmel Gesamtausgabe, hg. v. Otthein Rammstedt, 12), 194-223, hier 214.

50 Simmel, "Der Begriff und die Tragödie der Kultur" (2001), 198. Siehe auch Michael Landmann, "Konflikt und Tragödie. Zur Philosophie Georg Simmels", in: Zeitschrift für philosophische Forschung 6 (1951), 115-133.

51 Simmel, "Der Begriff und die Tragödie der Kultur" (2001), 211.

52 Simmel, "Der Begriff und die Tragödie der Kultur" (2001), 215 f.

53 David Frisby verweist auf Simmels Aktualisierung von Nietzsches Pathos der Distanz für die Beschreibung der modernen Gesellschaft. David Frisby, "The Aesthetics of Modern Life: Simmel’s Interpretation", in: Theory, Culture and Society 8 (1991), 73-93, hier 76 f.

54 Georg Simmel, "Lebensanschauung. Vier metaphysische Kapitel" [1918], in: ders., Der Krieg und die geistigen Entscheidungen, hg. v. Gregor Fitzi, 2. Aufl., Berlin 2015 (= Georg Simmel Gesamtausgabe, hg. v. Otthein Rammstedt, 16), 209-425, hier 215. Simmel betrachtete die "Lebensanschauung" als eine Vollendung und Zusammenfassung seiner gesamten philosophischen Überlegungen, weswegen man sie als Schlüssel zur Interpretation auch seiner älteren Werke heranziehen kann. Siehe die Nachverfolgung von Simmels früher Philosophie als Metaphorik für seine späte "Lebensanschauung" in der Darstellung von Hans Blumenberg, "Geld oder Leben: Eine metaphorologische Studie zur Konsistenz der Philosophie Georg Simmels", in: Ästhetik und Soziologie um die Jahrhundertwende: Georg Simmel, hg. v. Hannes Böhringer und Karlfried Gründer, Frankfurt am Main 1976, 121-134.

55 Simmel, "Lebensanschauung. Vier metaphysische Kapitel", 352. Ursprünglich war das Buch im Jahr 1918 herausgegeben worden, die Veröffentlichung erfolgte erst drei Monate nach Simmels vorzeitigen Tod. Rudolph Herbert Weingartner, Experience and Culture. The Philosophy of Georg Simmel, Middletown, CT 1962, 4-14; Patrick Watier, "The War Writings of Georg Simmel", in: Theory, Culture and Society 8 (1991), 219-233.

56 Weingartner, Experience and Culture. The Philosophy of Georg Simmel, 34-41.

57 Simmel, "Lebensanschauung. Vier metaphysische Kapitel", 223 f.

58 Simmel, "Lebensanschauung. Vier metaphysische Kapitel", 231 f.

59 Simmel, "Lebensanschauung. Vier metaphysische Kapitel", 226.

60 Simmel, "Lebensanschauung. Vier metaphysische Kapitel", 218, 224. Siehe auch Jürgen Habermas, "Georg Simmel über Philosophie und Lebenswelt", in: ders., Texte und Kontexte, Frankfurt am Main 1991, 157-169; Olli Pyyhtinen, "Life, Death and Individuation: Simmel on the Problem of Life Itself", in: Theory, Culture and Society 29 (2012), 78-100.

61 Max Dvořák, "Über Greco und den Manierismus", in: ders., Kunstgeschichte als Geistesgeschichte. Studien zur abendländischen Kunstentwicklung, hg. v. Karl Maria Swoboda und Johannes Wilde, München 1924, 259-276, hier 264-268. Siehe auch "Briefe von Johannes Wilde aus Wien, Juni 1920 bis Februar 1921", übers. Károly Kókai, in: Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte 59 (2010), 219-233, hier 227 f.

62 Dvořák, "Über Greco und den Manierismus", 275 f.

63 Dvořák, "Über Greco und den Manierismus", 266.

64 Dvořák, "Pieter Bruegel der Ältere" (1924), 224.

65 Die Manuskripte zur Vorlesung "Entwicklung der Barockkunst" im Wintersemester 1920/1921 sind im Archiv des Instituts für Kunstgeschichte an der Universität Wien, Nachlass Max Dvořák hinterlegt; sie wurden wenige Jahre später publiziert: Max Dvořák, Geschichte der italienischen Kunst im Zeitalter der Renaissance: Akademische Vorlesungen, Bd. 2: Das 16. Jahrhundert, hg. v. Johannes Wilde und Karl Maria Swoboda, München 1928.

66 Dvořák, Geschichte der italienischen Kunst im Zeitalter der Renaissance, Bd. 2, 121.

67 Thomas Korn und Pascal Berger, "Leben und Form der Gesellschaft. Zur Lebenssoziologie von Georg Simmel", in: Soziologien des Lebens. Überschreitung – Differenzierung – Kritik, hg. v. Heike Delitz, Frithjof Nungesser und Robert Seyfert, Bielefeld 2018, 113-136.

68 Max Dvořák, Geschichte der italienischen Kunst im Zeitalter der Renaissance: Akademische Vorlesungen, Bd. 1: Das 14. und 15. Jahrhundert, hg. v. Johannes Wilde und Karl Maria Swoboda, München 1927, 51.

69 Dvořák, Geschichte der italienischen Kunst im Zeitalter der Renaissance, Bd. 2, 122.

70 Dvořák, Geschichte der italienischen Kunst im Zeitalter der Renaissance, Bd. 2, 143.

71 Dvořák, Geschichte der italienischen Kunst im Zeitalter der Renaissance, Bd. 2, 135.

72 Dvořák, "Pieter Bruegel der Ältere" (1924), 248 f.

73 Edwin Lachnit, "Zur Geschichtlichkeit des Manierismusbegriffs", in: Zauber der Medusa. Europäische Manierismen, hg. v. Werner Hofmann, Wien 1987, 32-43.

74 Dvořák, "Michelangelos Jüngstes Gericht" (Manuskript, 1911), 42 f.