Bewusste geometrische Gestaltung bei Homo heidelbergensis?

Arbeitsschrittanalyse an einem Faustkeil aus Bad Salzuflen (Ostwestfalen-Lippe)

  • Jürgen Richter (Author)

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Abstract

Beim Faustkeil von Bad Salzuflen (Kr. Lippe) handelt es sich wohl um eines der ältesten – wenn nicht das älteste – Artefakte, das bisher in Ostwestfalen bzw. ganz Westfalen zutage kam. Der Einzelfund dieses komplex gearbeiteten Faustkeils dient als Anlass dafür, eine standardisierte Form der Arbeitsschrittanalyse vorzustellen, die eine genaue Charakterisierung der technologischen Eigenheiten und der Rezeptur des Faustkeils ermöglicht. Es handelt sich um einen symmetrischen, plan-konvex formüberarbeiteten Faustkeil der Gruppe »biface-outil« mit Arbeitskanten für die Funktionen Spitze/Schneiden, Schaben und Trennen. Das geometrische Konzept des Faustkeils kombiniert zwei verschiedene Körper: einen Spitzenteil in der Form einer aufgeschnittenen (halben) Pyramide und einen Basisteil in der Form eines plattigen Quaders oder Zylinders. Zur Überbrückung der beiden Körper wurden eigens zwei alternierende Verdünnungsschläge angelegt, die vermuten lassen, dass die geometrische Konzeption dem Hersteller bewusst war. Nach formenkundlichen und technologischen Vergleichen entstand der Faustkeil wahrscheinlich vor 350 000-300 000 Jahren und gibt damit Einblick in die konzeptuellen und technischen Fähigkeiten der spätesten Vertreter des Homo heidelbergensis, nahe dem zeitlichen Übergang zu den frühen Neandertalern. Wenn die Datierungshypothese für diesen ohne stratigraphischen Kontext aufgefundenen Faustkeil richtig ist, handelt es sich um eines der seltenen Zeugnisse des Acheuléens in Mitteleuropa. Zugleich zeigt der Faustkeil den Einsatz eines technologischen Gestaltungsmittels, das auf die bewusste Wahrnehmung eines geometrischen Problems schließen lässt.

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Published
2022-12-22
Language
de
Contributor or sponsoring agency
RGZM
Keywords
Westfalen, Altpaläolithikum, Acheuléen, Faustkeil, Arbeitsschrittanalyse, biface-outil