Archäologie und die Pflicht zum Politischen: Die Berner Erklärung der 'European Association of Archaeologists'
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Abstract
Dass Archäologie sich explizit politisch positioniert, ist in der deutschsprachigen Wissenschaft noch lange nicht widerspruchslos akzeptiert – nicht einmal die politische Wirkung archäologischer Narrative und denkmalpflegerischer Praktiken ist allgemein anerkannt. Auf europäischer Ebene ist die European Association of Archaeologists (EAA) nun einen entscheidenden Schritt weiter gegangen, indem sie in einer Erklärung herausstellt, dass Archäologinnen und Archäologen eine politische Verantwortung für die Zukunft friedlicher und stabiler Gesellschaften, die auf der Achtung der Menschenrechte, Demokratie, kultureller Vielfalt und Rechtsstaatlichkeit beruhen, zukommt. Durch ihre Praktiken im Umgang mit dem kulturellen Erbe kann Archäologie dazu beitragen, allen sozialen Gruppen und insbesondere auch Minderheiten die menschenrechtlich verbriefte kulturelle Teilhabe an der Gesellschaft zu ermöglichen – oder sie zu verweigern. Durch ihre Narrative naturalisiert oder dekonstruiert die Archäologie gesellschaftliche Annahmen über soziale, ethnische, kulturelle und andere (Un-)Gleichheiten und schafft heutiges und zukünftiges Handlungswissen gegenüber den Großen gesellschaftlichen Herausforderungen. Moderne Demokratie und Wissenschaft sind über das Prinzip der akademischen Freiheit direkt aneinander gekoppelt. Sie ist nicht nur Voraussetzung aller kritischen Reflektion als Inbegriff der aufgeklärten Vernunft und damit eines fundamentalen europäischen Werts, sondern sie ist zugleich Verpflichtung der Wissenschaft auf das Engagement für eine offene Zivilgesellschaft.