Warum waren große Kollektivitäten von Toten ein weitverbreitetes Merkmal im Westeuropa des späten 4. Jahrtausends cal BC? Anhand des Felskammergrabs von Les Mournouards II in der Marneregion im nördlichen Frankreich, in dem die Überreste von 79 Menschen in zwei künstlichen Kammern niedergelegt wurden, wird auf diese und weitere Fragen eingegangen. Mittels Bayes’scher Statistik von 29 neu gewonnenen Radiokarbondaten kann die Erbauung des Grabes ins 34. oder 33. Jahrhundert cal BC datiert werden, wobei seine Belegungszeit vielleicht nur 100 Jahre umfasste. Die Ergebnisse deuten an, dass die beiden Kammern zeitgleich benutzt wurden und dass erkennbare Unterschiede zwischen beiden das Resultat ihrer Nutzung durch unterschiedliche soziale Gruppierungen sein können, wie es bereits der Ausgräber André Leroi-Gourhan annahm. Die wahrscheinlich kurze Lebensdauer dieses Grabes legt die Annahme nahe, dass Gruppen von Hypogäen grundsätzlich die zeitlich aufeinanderfolgende Nutzung von Gräbern durch die gleiche soziale Gru ppe reflektieren. Die Bedeutung des Kollektivgrabes wird verknüpft mit territorialen Fragen und mit der Aufrechterhaltung der Gemeinschaft und der Festigung der Gruppenkohäsion angesichts der Gefahr der Zersplitterung. Die Diversität von Praktiken kollektiver Bestattungen im Pariser Becken wird untersucht und eine Reihe von spezifischen Unterschieden zwischen Hypogäen und Galeriegräbern (allées sépulcrales) wird herausgestellt.