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DOI:
http://dx.doi.org/10.11588/ip.2015.2.24186
Jens AMBACHER, Gabriele FAHRENKROG, Rudolf MUMENTHALER, Ruth SCHAFFER WÜTHRICH, Karsten SCHULDT, Bruno WÜTHRICH
Workshopbericht: Armut und Bibliotheken (Nürnberg 2015)
Zusammenfassung
Der Text berichtet von einem Workshop zum Thema "Armut und Bibliotheken", der auf dem Bibliothekstag 2015 in Nürnberg durchgeführt wurde. Im Text werden die Diskussionen, die an drei Tischen zu den Themen "Können Bibliotheken Menschen in Armut dabei helfen, ihren Alltag zu gestalten?", "Können Bibliotheken Menschen in Armut dabei helfen, aus der Armut auszusteigen?" und "Können Bibliotheken Kinder und Jugendliche in Armut unterstützen?" vorgestellt und diese zusammengefasst. Im Workshop kristallisierte sich heraus, dass viele Kolleginnen und Kollegen am Thema interessiert sind, aber wenig Austausch dazu stattfindet. Grundsätzlich wäre Menschen in Armut zu helfen, wenn Angebote so gestaltet werden, dass sie diese Menschen nicht in ihrer sozialen Situation diskriminieren, aber sie gleichzeitig am meisten unterstützen. Gleichzeitig wurden viele Formen von Kooperationen angedacht.
Schlüsselwörter
Armut, Öffentliche Bibliothek, Soziale Gerechtigkeit, Stigmatisierung, Kooperation
Abstract
This is a report on a workshop “poverty and libraries” which took place at the German Library Conference 2015 in Nuremberg. The text presents and summarizes the discussions which happened on three separate tables on the following questions: “Can libraries help people in poverty to master their everyday life?”, “Can libraries help people to overcome poverty?”, “Can libraries support children and adolescents in poverty?” The workshop proved a large interest of librarians on the topic, but showed a lack of exchange between those interested. Basically, people in poverty could be supported best if services could be provided which don't discriminate them on the basis of their social situation but at the same time advanced them the most. Simultaneously, various forms of cooperation were envisaged.
Keywords
Poverty, Public Library, Social Justice, Stigmatization; Cooperation
Inhaltsverzeichnis
2 Diskussionen an den drei Tischen
2.3.1 Sichtbarkeit von Armut/Problembewusstsein der Bibliotheksangestellten?
2.3.2 Situation der Familien in Armut/Wie werden sie erreicht?
2.3.3 Kosten sind ein wichtiges Thema
2.3.5 Lesefähigkeit auch der Eltern fördern (nicht nur der Kinder)
2.3.6 Bibliothek als Ort erleben
2.3.8 Partizipation der Kinder und Jugendlichen
1 Einleitung
Aufbauend auf einem Vortrag auf dem Deutschen Bibliothekartag 2014 in Bremen und Diskussionen, die auf dem schweizerischen Bibliothekskongress 2014 in Lugano begannen, organisierten zwei Autoren dieses Berichtes auf dem Deutschen Bibliothekartag 2015 in Nürnberg, mithilfe der anderen Autorinnen und Autoren des Textes, einen Workshop zum Thema „Armut und Bibliotheken“. Grundidee hinter diesem Workshop war es, einen Ort anzubieten, an dem sich am Thema Interessierte zusammenfinden konnten. Es scheint sowohl in der Schweiz als auch in Deutschland und Österreich unter den Kolleginnen und Kollegen in den Bibliotheken ein weit verbreitetes Interesse daran zu geben, darüber nachzudenken, ob und was Bibliotheken für Menschen in Armut leisten können und sollten; gleichzeitig gibt es aber noch keinen Ort oder regelmässigen Termin, an dem eine Diskussion zum Thema stattfinden oder auch nur Fragen und Erfahrungen ausgetauscht werden könnten. Der Workshop sollte eine erste Grundlage für eine solche Plattform bieten, die mit einer Mailingliste und eventuell weiteren Projekten fortgeführt werden soll.
Nach einer kurzen Repetition von Grundbegriffen der Diskussion über Armut fand der Workshop in einer leicht veränderten Form als World Café statt: In drei Gruppen wurde jeweils eine halbe Stunde lang zu einer der drei Fragen diskutiert:
Können Bibliotheken Menschen in Armut dabei helfen, ihren Alltag zu gestalten?
Können Bibliotheken Menschen in Armut dabei helfen, aus der Armut auszusteigen?
Können Bibliotheken Kinder und Jugendliche in Armut unterstützen?
Nach einer halben Stunde wechselten die Teilnehmenden zu einer anderen Gruppe. Insgesamt konnten alle Teilnehmenden in zwei Gruppen diskutieren, nur die Betreuenden blieben bei ihrem Tisch. Diese Betreuenden stellen im Folgenden die Diskussionen vor, welche in den von ihnen betreuten Gruppen geführt wurden.
In der kurzen Vorrede zum World Café wurde vor allem auf folgende Dinge Wert gelegt:1 Erstens, dass es unterschiedliche Armutsdefinitionen gibt, wobei eine oft verwendete direkt vom verfügbaren Einkommen ausgeht – Personen, die weniger als 60% des durchschnittlichen Einkommens einer Gesellschaft zur Verfügung haben, gelten in dieser als arm –, eine andere darauf schaut, ob Menschen in bestimmten Bereichen – Einkommen, Wohnsituation, Ausbildung, soziale Kontakte, Gesundheit, subjektives Wohlbefinden – eine relevante Einschränkung im Vergleich zu dem, was in ihren Gesellschaften sonst möglich ist, hinnehmen müssen. Zweitens bedeutet Armut mehr, als nur über einen längeren Zeitraum hinweg wenig Geld zur Verfügung zu haben. Vielmehr wirkt es sich für die von Armut Betroffenen dahingehend aus, dass sie im Allgemeinen im Vergleich mit anderen Personen in ihrer jeweiligen Gesellschaft weniger Erfahrungen machen können – zum Beispiel weniger Gegenden kennenlernen, weniger Museen oder Feste besuchen, weniger Risiken eingehen und damit auch weniger lernen, mit den Erfolgen und Misserfolgen risikobehafteter Entscheidungen umzugehen, weniger Möglichkeiten zur Lebensgestaltung, weniger Wahlmöglichkeiten bei ganz unterschiedlichen Fragen, weniger Selbstbewusstsein und eine schwächere Vertretung in der Öffentlichkeit haben. Drittens handelt es sich bei Armut in den deutschsprachigen Staaten um ein Massenphänomen von jeweils über 10% der Bevölkerung, wobei die betroffenen Menschen sehr unterschiedlich mit den Einschränkungen umgehen, denen sie unterworfen sind. Gleichzeitig bedeutet dies aber auch, dass Armut heute zumeist „unsichtbar“ ist, also den Betroffenen nicht auf den ersten Blick angesehen werden kann – auch wenn, wie die Diskussionen weiter unten zeigt, dies nicht immer gilt. Dies ist einerseits ein gesellschaftlicher Fortschritt – beispielsweise in der Gesundheitsversorgung oder der Bereitstellung von Wohnraum und Kleidung – , bedeutet andererseits aber auch, dass Fragen zum Themenkomplex 'obdachlose Menschen und Bibliotheken', der oft angesprochen wird, nur einen sehr kleinen Teil der Menschen in Armut betreffen.
2 Diskussionen an den drei Tischen
Im folgenden Abschnitt werden die Personen, die jeweils einen Tisch betreuten, die Diskussionen an diesem kurz darstellen. Dabei ist zu beachten, dass die in den Diskussionen geäusserten Meinungen und Vermutungen nicht unbedingt von allen Beteiligten getragen werden.
2.1 Können Bibliotheken Menschen in Armut dabei helfen, ihren Alltag zu gestalten? (Rudolf Mumenthaler, Karsten Schuldt)
Grundsätzlich teilten die Anwesenden die Einschätzung, dass insbesondere (aber nicht nur) Öffentliche Bibliotheken im Alltag von Menschen in Armut eine wichtige Rolle spielen können, dass dies aber auch nicht einfach ist. Insbesondere wurden immer wieder zwei Dinge angesprochen: Wie sind Menschen in Armut überhaupt als solche zu erkennen und wie können sie wobei unterstützt werden, ohne sie zu stigmatisieren oder zu bevormunden? Konsens war, dass eine solche Stigmatisierung ausgeschlossen sein muss. Menschen in Armut sind nicht als Opfer, sondern als selbständig handelnde Personen zu betrachten.
Eine Anzahl von Beiträgen ging darauf ein, dass Angebote so konzipiert sein müssten, dass sie allen, aber vor allem Personen in Armut zugute kommen können, beispielsweise eine kostenlose Benutzung von Bibliotheken. Mit dem kostenlosen Zugang würden Bibliotheken auch ihrem Grundauftrag, qualitativ hochstehende Information für alle anzubieten, gerecht werden. Allerdings geht die Tendenz eher in Richtung Beschränkung der Etats und Erhöhung der selbsterwirtschafteten Mittel durch höhere Gebühren. Es sei vor allem wichtig, einen Raum und ein Klima zu schaffen, in dem alle willkommen seien und es zugleich “normal” sei, diesen Ort zu besuchen, so dass Menschen sich dort bewegen könnten, ohne stigmatisiert zu sein. Da Armut multidimensional sei, sei auch die Hilfe in einigen Dimensionen sinnvoll, beispielsweise wenn Bibliotheken mit einem offenen Klima dabei helfen würden, die Einsamkeit von Menschen in Armut zu bekämpfen. Dafür müsse aber die Bibliothek auch erreichbar sein, was heissen kann, dass viele (kleinere) Filialen sinnvoll sind, aber auch, dass sich die Öffnungszeiten dem Alltag der Menschen anpassen müssten. Beispielsweise sind viele Menschen, auch wenn sie in Armut leben, berufstätig, oder die Kinder der Betroffenen besuchen selbstverständlich Kindergärten und Schulen und sind damit den Grossteil des Tages gebunden.
Es wurde vermutet, dass von Armut betroffenen Menschen die Angebote von Bibliotheken nicht unbedingt bekannt sind und es sinnvoll sein könnte, genau daran anzusetzen, sie bekannt zu machen. Ebenso wurde vermutet, dass Bibliotheken für viele weiterhin als Einrichtungen gelten, die vor allem ein Angebot für den Mittelstand seien.
Abb. 1: Diskussionsrunde im World Café (Bild: Rudolf Mumenthaler)
Immer wieder wurde geäussert, dass Bibliotheken, um für Menschen in Armut relevant zu werden, mit anderen Einrichtungen und Initiativen zusammenarbeiten sollten, teilweise um dort bibliothekarische Angebote zu unterbreiten – zum Beispiel per mobiler Buchausleihe –, teilweise um mit diesen zusammen Projekte zu entwerfen. Eine ganze Reihe von diesen Einrichtungen wurden genannt: Lebensmitteltafeln 2, Beratungsstellen, Agenturen für Arbeit, Sozialstellen/Sozialämter, Schulen und Kindergärten. Allerdings wurden diese Vorschläge wenig konkretisiert und es wurde gleichzeitig zu bedenken gegeben, dass einige von ihnen – unter anderen die Ämter – bei Menschen in Armut auch negativ belegt sein können.
Diskutiert wurde auch darüber, welche Gruppen direkt angesprochen werden können und welche Dienstleistungen ihnen angeboten werden sollten. Eine solche Zielgruppe könnten ältere Menschen sein, bei denen vor allem die Mobilität und Vereinsamung ein Problem darstellen können. Hier wurde die Idee geäussert, man könnte analog zu einem Schulbus einen (kostenlosen) Bibliotheksbus einrichten – ein Bus, der die Menschen in den Quartieren abholt, in die Bibliothek bringt und später wieder zurück ins Quartier. Neben der Möglichkeit zur Versorgung mit Medien (unter anderem Tageszeitungen und Zeitschriften) wäre für diese Gruppe auch der Kontakt zu anderen Menschen in einem nichtkommerziellen Umfeld wichtig.
Gleichzeitig wurde die Frage gestellt, ob Personen in Armut in Bibliotheken eigentlich wirklich willkommen seien. Grundsätzlich ist es offenbar einfach, die Unterstützung von Menschen in Armut als etwas Positives anzusehen. Wenn es aber zum Beispiel um die Frage geht, ob sie den Raum Bibliothek nach ihrem Gutdünken nutzen oder ob sie sich in der Hochschulbibliothek aufhalten können, ohne zu lernen, wird es schwieriger. Allerdings blieb dies eine offene Frage.
2.2 Können Bibliotheken Menschen in Armut dabei helfen, aus der Armut auszusteigen? (Jens Ambacher, Gabriele Fahrenkrog)
In dieser Diskussionsrunde lag ein Schwerpunkt auf dem Thema „Grundbildung” für Menschen, da diese die Basis für eine Überwindung der derzeitigen Lebenssituation sein kann.
Konsens bestand darin, dass Bibliotheken hier nur in Kooperation mit anderen Einrichtungen und Institutionen angemessene Angebote machen können. Als Beispiele für Kooperationen wurden Büchertische bei den Tafeln genannt, oder das Vermitteln bestimmter grundlegender Fähigkeiten, zum Beispiel über eine Zusammenarbeit mit den Volkshochschulen (VHS).
Als ein weiteres Beispiel wurden die Campusritter3 genannt, bei denen Studierende sich für relativ wenig Geld die Fachbücher leihen können, die sie für das jeweilige Semester benötigen. Die Campusritter sehen sich als Ergänzung zu den Bibliotheken: dort, wo der Bedarf durch die Bestände nicht gedeckt werden kann, können die Bücher auf diesem Wege zur Verfügung gestellt werden.
Es gab den Einwand, dass Menschen mit schwacher Grundbildung nicht unbedingt von Armut betroffen oder bedroht sind. Ebenso gab es kritische Einwände gegen mögliche Kooperationen mit offiziellen Institutionen, wie etwa mit den Agenturen für Arbeit, da diese von den Betroffenen häufig als sanktionierend und wenig hilfreich wahrgenommen werden. Oft bräuchten die Menschen genau das Gegenteil, nämlich Unterstützung im Umgang mit diesen Institutionen.
Als grundsätzlich unterstützend für Menschen in Armut wurde die Ausstattung/Infrastruktur von Bibliotheken angesehen. Sie steht potenziell jedem Menschen in der Regel für wenig oder kein Geld zur Nutzung zur Verfügung und wird auch rege genutzt. Viele Diskussionsteilnehmerinnen und -teilnehmer bestätigten, dass öffentliche PC- und Internetplätze zum Beispiel sehr gut genutzt würden und zwar in der Mehrzahl der Fälle (so die Beobachtungen) für die Job- oder Wohnungssuche, beziehungsweise um Bewerbungen zu schreiben.
Weitere konkrete Angebote von Bibliotheken für Menschen in Armut seien kostenlose Kultur- und Bildungsangebote, wie etwa Lesungen, Vorträge oder Infoveranstaltungen zu Themen, die für bestimmte Nutzerinnen- und Nutzergruppen von Interesse sein könnten.
Die Verantwortlichen in Bibliotheken sollten sich bei der Politik dafür stark machen, dass Angebote zu Kultur und Bildung kostenlos nutzbar sind. Insgesamt findet die Diskussion um soziale Bibliotheksarbeit allerdings in der Fachcommunity faktisch kaum noch statt. Dies wird als Leerstelle erkannt.
In der Frage, wie Menschen in Armut mit den Angeboten angesprochen und erreicht werden können, blieb die Diskussion vage. Eine direkte Ansprache gestaltet sich oft schwierig. Unerlässlich ist es daher, bestehende Strukturen im Stadtteil zu kennen und sich in diesen zu engagieren, um als Anlaufstelle im Bewusstsein verankert zu sein. Diese Arbeit erfordert allerdings eine hohe Kontinuität und ist sehr zeitaufwändig. Gerade kleinere Bibliotheken mit dünner Personaldecke stoßen hier viel zu oft an ihre Grenzen.
Den Bestandsaufbau ausgewogen an den Bedarfen der jeweiligen Nutzerinnen und Nutzer auszurichten, wurde als wichtiger Aspekt genannt. Es nütze nichts, einen gut ausgebauten Bestand beispielsweise an Reiseführern zu haben, wenn die Nutzerschaft sich in der Mehrzahl keine Urlaubsreisen leisten kann.
Damit Bibliotheken nachhaltig dazu beitragen können, Menschen in Armut zu unterstützen, müssen sie in übergeordnete Strukturen integriert sein, wie etwa in lokale oder regionale Netzwerke. In diesem Zusammenhang gab es den Einwand, dass Bibliotheken immer dort auch an andere, spezialisiertere Institutionen verweisen müssen, wo sie selbst nicht weiterhelfen können. Bibliotheken dienten somit eher als Auskunftsstelle, weniger als Einrichtungen, die konkret Hilfe leisteten. Dort, wo konkrete Angebote für Menschen in Armut gemacht werden, sollen diese Angebote eine „Hilfe zur Selbsthilfe“ bieten, mit dem Zweck, zu empowern statt zu bevormunden oder zu belehren.
Welche Anforderungen werden in diesem Zusammenhang an das Personal, welche an Ort und Raum gestellt?
In Bibliotheken sollten die Schwellen zur Nutzung möglichst niedrig sein, also keine oder nur sehr geringe Gebühren für die Nutzung anfallen. In einigen Kommunen ist der Bibliotheksausweis beispielsweise Teil des Kulturpasses, der eine kostenlose Nutzung ermöglicht. Am Bedarf ausgerichtete Öffnungszeiten und gut ausgebildetes, sensibilisiertes Personal sind weitere unerlässliche Faktoren.
„Buchen Sie einen Bibliothekar” wurde als eine Möglichkeit genannt, Nutzerinnen und Nutzern mit einem bestimmten Informationsbedarf zu unterstützen. Bei diesem Beispiel kann zu einem bestimmten Zeitpunkt eine Auskunftsperson „gebucht” werden, die dann exklusiv für diese eine Person (oder Gruppe?) zur Verfügung steht.
Diskretion bzw. der Mangel an Diskretion ist ein Problem in vielen Bibliotheken. Oft haben Nutzende heikle Fragen, die sie an einer offenen Auskunftstheke nicht stellen möchten. Es wurde die Praxis genannt, bei dem sich Nutzerinnen und Nutzer in der Bibliothek sogenannte „Diskretionskärtchen” nehmen können, die sie dem Auskunftspersonal reichen. Die Person an der Auskunft weiß dann, dass diese Person einen diskreten Raum wünscht. So können vertrauliche Anliegen auch als solche behandelt werden.
Ein wichtiger Aspekt, für den die Zeit zu diskutieren schließlich nicht mehr ausreichte, war die Frage danach, wo die Grenzen zu ziehen sind im Hinblick darauf, was Bibliotheken konkret leisten können, um Menschen in Armut zu unterstützen.
2.3 Können Bibliotheken Kinder und Jugendliche in Armut unterstützen? (Ruth Schaffer Wüthrich, Bruno Wüthrich)
Nachfolgend werden die Ergebnisse des Tisches „Kinder- und Jugendliche“, basierend auf Erfahrungen der Teilnehmenden sowie Fragen, Vermutungen und Meinungen, Ideen, Vorschlägen während des Workshops beschrieben.
2.3.1 Sichtbarkeit von Armut/Problembewusstsein der Bibliotheksangestellten?
Die Frage stellt sich, ob sich die Bibliotheksangestellten des möglichen Armutsproblems ihrer Nutzerinnen und Nutzer bewusst sind. Es gilt, die Mitarbeitenden der Bibliothek zu sensibilisieren. Es braucht ein besonderes Verständnis für Menschen in Armut.
Die Erfahrung wurde gemacht, dass Armut sichtbar wird zum Beispiel an den schlechten Zähnen der Eltern, die mit ihren Kindern in die Bibliothek kommen. Die Eltern versuchen oft alles, damit man die Armut bei ihren Kindern nicht bemerkt. Sie nehmen dabei die Angebote der Bibliotheken oft gerne an, allerdings in der Regel für ihre Kinder und insofern sie nichts kosten.
2.3.2 Situation der Familien in Armut/Wie werden sie erreicht?
Es wurde festgestellt, dass von Armut Betroffene vor allem häufig als „normal“, d.h. „wie alle anderen”, gelten möchten. Eltern versuchen in der Regel, keine materielle Armut aufkommen zu lassen, so dass es ihren Kindern möglichst an nichts fehlen soll. Im Gegenteil: Ihre Kinder sollen es dereinst besser haben als sie. Es ständen zwar immer wieder auch moderne Geräte wie Laptops und Tablets neben dem TV-Gerät zu Hause, aber kaum oder keine Bücher. Dies könnte sich negativ auf die Lesekompetenz auswirken.
Vermutet wird, dass es eine Herausforderung ist, diese Familien zu den Büchern zu bringen. Eine Idee ist, dass dies in der Bibliothek – vorerst – ohne Lesebezug geschehen kann, indem die Bibliothek als Ort zum Sein und Verweilen angeboten wird (vergleiche auch den Abschnitt „Bibliothek als Ort erleben“), an dem vieles möglich wird, was Spass macht.
Feststellung: Um Ängste abzubauen, braucht es gegenseitiges Vertrauen. Dies muss manchmal zuerst aufgebaut werden, umso mehr als Bibliotheken für buch- und leseferne Familien oft eine fremde, „sicher nicht für uns zugängliche“ Welt sind.
Vorschlag: Die Bibliothek sollte eigene Elternabende anbieten und mit ihren tollen Angeboten die Eltern positiv überraschen.
2.3.3 Kosten sind ein wichtiges Thema
An einem Beispiel wird aufgezeigt, dass Kosten für armutsbetroffene Eltern ein Problem sind. Es kann ausreichen, dass Eltern allein aus Furcht vor Mahngebühren ihren Kindern untersagen, die Bibliothek zu besuchen und Medien auszuleihen.
Um dem entgegenwirken zu können, gibt es häufig Schulbibliotheken ohne Mahngebühren, zum Beispiel im ersten Schuljahr. Es geht vor allem darum, dass die Kinder kommen und mit dem Angebot vertraut werden.
Es gibt in der Schweiz das Modell, dass als Einstieg in die Bibliothek Klassensätze oder Themenkisten ausgeliehen werden können. Für deren komplette Rückgabe ist die Lehrkraft zuständig. Falls ein Medium zu spät abgegeben worden ist oder fehlt, werden somit nicht die Kinder belangt (vergleiche den nächsten Abschnitt).
Ein Vorschlag zu aufgelaufenen Mahngebühren: Im vertraulichen Gespräch kann den Kindern und Eltern das Angebot gemacht werden, die Gebühr abzuarbeiten oder in Raten zu bezahlen. Auf jeden Fall ist es wichtig, dass die Betroffenen die Bibliothek nicht aus Kostengründen meiden.
Dagegen spricht eventuell die Meinung, dass alles kostenlos zu machen, umstritten ist. Denn es gibt auch die Ansicht: „Was nichts kostet, ist nichts wert“.
2.3.4 Stigmatisierungsfallen
Ein Versuch um der Stigmatisierungsfalle zu entgehen: Die Angebote müssen jeweils für alle und für alle gleich zugänglich sein (nicht nur für Arme/Bedürftige). Es gilt, ein Miteinander aller zu ermöglichen, so dass nicht die einen vor den anderen fliehen (zum Beispiel die Nicht-Armen vor den Armen und umgekehrt). Und selbstverständlich gilt es, sich gegenseitig zu respektieren.
Überlegung: Es kann aber auch eine Stigmatisierung der Bibliotheksangestellten geben (zum Beispiel innerhalb des Bibliotheksteams), die sich für Arme einsetzen. Dies muss verhindert werden. Dazu braucht es ein klares Bekenntnis der Führung zum Engagement der Institution für Menschen in Armut.
2.3.5 Lesefähigkeit auch der Eltern fördern (nicht nur der Kinder)
Es wird vermutet, dass heutige Eltern (24-30-jährige) die Freude am Buch und am Lesen oft selber nicht mehr kennen. Wie sollen sie diese da ihren Kindern vermitteln? Eltern sind aber sehr wichtig als Vorbilder für die Lesefreude ihrer Kinder, weshalb die Leseförderung bei den Eltern einsetzen sollte. Deshalb ist es wichtig, dass die Eltern nicht nur in die Bibliothek kommen, um für ihre Kinder Bücher auszuleihen, sondern ebenso für sich selbst. Es gilt, den Eltern Lust auf die Bibliothek zu machen und sie, zusammen mit ihren Kindern, als regelmässige Kunden zu gewinnen und zu erhalten.
Ein Vorschlag besteht darin, die Angebote für Eltern und Kinder zu koppeln (spezielle Angebote und spezielle Öffnungszeiten): Um Eltern und Kinder gemeinsam anzusprechen, braucht es kombinierte Angebote, zum Beispiel Internetzugang für die Eltern, während die Kinder andere Medien nutzen.
2.3.6 Bibliothek als Ort erleben
Die Erfahrung zeigt, dass die Bibliothek zu oft noch eine Hemmschwelle ist. Sie erreicht die von Armut betroffenen Menschen häufig nicht. Somit stellt sich die Frage: Wie erfahren Menschen in Armut vom bibliothekarischen Angebot für sie? Zum Beispiel über Sozialämter, über weitere Beratungsstellen und durch Mund-zu-Mund-Werbung. Oder aber wenn sie Eltern werden (vergleiche weiter unten den Abschnitt „Kooperationen“).
Wenn die Menschen nicht in die Bibliothek kommen, muss die Bibliothek zu den Leuten hingehen und sie dort abholen, wo sie sind: in Einkaufsläden, beim Coiffeur, in der U-Bahnstation, neben dem Kiosk, im Park, in der Badeanstalt oder im Freibad, auch bei Sportveranstaltungen und so fort. Mit einem Sommerfest kann die Schwelle gesenkt werden, um in die Bibliothek zu kommen. Die direkte Begegnung mit den Bibliotheksangestellten und der Austausch sind wichtig.
Die Bibliothek ist für Kinder und Jugendliche ein attraktiver Aufenthaltsort, wenn es zum Beispiel bei ihnen zu Hause in der engen Wohnung inmitten der Geschwister zu laut ist und es keinen Platz hat. Bibliotheken bieten sich an als Lernorte auch für Hausaufgaben (Ruhe und Betreuung/Aufgabenhilfe). Aber nicht primär mit der Botschaft: „Hier könnt ihr lernen“, sondern einfach: „Es ist toll, wenn ihr kommt“.
Für Familien, die nicht in die Ferien verreisen, gibt es teils erweiterte Bibliotheksangebote: Zum Beispiel Sommerlesekurse oder andere Bücher-bezogene Angebote. Die Bibliothek bleibt während den Ferien als Aufenthaltsort mit speziellem Ferienprogramm für Eltern und Kinder geöffnet (teils sogar länger als üblich). Kulturangebote in den Bibliotheken sind im Trend (ein Problem für die Bibliotheken sind jedoch die wachsenden Personalkosten).
Ideal ist, wenn sich die Bibliothek bei möglichst vielen Menschen als Ort etabliert. Dazu muss die Hürde gesenkt werden, überhaupt dorthin gehen zu wollen/können. Das braucht eine entsprechend gute und einladende Kommunikation.
2.3.7 „Bibliothekssterben“
„Ich ging in die Bibliothek, weil sie da war“. Die Erreichbarkeit der Bibliothek ist wesentlich wichtig, gerade für Kinder. Beobachtung: Lange Wege halten sie ab, in die Bibliothek zu gehen. Kinder und Jugendliche gehen gerne in Gruppen hin. Für Jugendliche kann die Bibliothek unter Umständen auch ein Treffpunkt werden (gar ein Ersatz für den Jugendtreff?). Aber viele kleine Bibliotheken wurden eingespart oder zu einer zentralen grossen zusammengelegt, so dass der Weg dahin nun zu lang ist (1 Stunde), was Benutzerinnen und Benutzer abschreckt.
Bibliotheksbusse bieten teils Ersatz, aber auch diese werden immer öfter eingespart.
2.3.8 Partizipation der Kinder und Jugendlichen
Es ist wichtig, Kinder und Jugendliche direkt anzusprechen und einzubeziehen: Sie sollen uns sagen, was sie möchten und brauchen und wie ihre Bibliothek aussehen soll.
2.3.9 Kooperationen
Es wurden verschiedene Zusammenarbeitsmöglichkeiten geäussert:
Geburtsvorbereitungskurs: Geburtspäckchen mit Minibuch und Infos zur Sprachkompetenz.
Kinderarztpraxen: Sie geben für Neugeborene den Eltern ein Leseset als Willkommensgruss ab.
Daran anschliessende Geschenksets für Kinder ab 3-jährig können in der Bibliothek abgeholt werden (was Eltern in die Bibliothek führt).
Mit Kitas: Kinder werden erreicht, die Eltern eher nicht. Zu bestimmten Zeiten (z.B. ausserhalb der regulären Öffnungszeit) könnte die Bibliothek nur für Kitas zur Verfügung gestellt werden. Anschliessend würden vor Ort Buchgeschenke an die Kita-Gruppen verteilt und ein gemeinsames Foto als Erinnerung an den Besuch der Bibliothek gemacht.
Mit Schulen: Für Schulanfänger: Eltern-Café. Zusammenarbeit mit Lehrpersonen, Freude erwecken, Chancengleichheit der Kinder fördern. Stärkere Anbindung an die Schule.
Mit Förderschulen: Einerseits scheint es schwierig, die Eltern zu erreichen. „Die Bibliothek ist nicht für behinderte Kinder, die stören, sind laut und unberechenbar“. Andererseits kann seitens der Bibliothek zum Beispiel einmal im Monat ein auf diese Zielgruppe abgestimmtes Programm angeboten werden, eventuell in einem separaten Raum. Zudem gelten die vorangehenden Vorschläge ebenso gut für eine heilpädagogische Schule unter Berücksichtigung der besonderen Bedürfnisse der Kinder.
Mit dem öffentlichen Verkehr und mit Wohnungs- und Hausräumungsunternehmen (Beispielsweise in der Schweiz: „la trouvaille“ vom Roten Kreuz): Die geräumten Medien in Umlauf bringen anstatt zu entsorgen, zum Beispiel ein Buch mit dem Aufkleber „Ich gehöre dir“ der örtlichen Bibliothek in Trams, Bussen, auf Sitzbänken oder in Telefonkabinen liegen lassen.
3 Konsens und Differenzen
Die Veranstaltung war als Workshop angelegt, der Diskussionen hervorbringen und nicht unbedingt zu eindeutigen Lösungen führen sollte. Insoweit gab es innerhalb der Gruppen als auch im gesamten Workshop unterschiedliche Meinungen und Einschätzungen, Vorstellungen und strategische Ansätze, zumal die Teilnehmenden auf Erfahrungen aus unterschiedlichen Bibliotheken, Städten und Gemeinden unterschiedlicher Grösse und unterschiedlicher gesellschaftlicher Herausforderungen zurückgriffen. Nicht zuletzt kamen die Teilnehmenden aus Deutschland, Österreich und der Schweiz, drei Länder, die zwar geographische Grenzen sowie eine gemeinsame Sprache teilen, aber doch auch drei verschiedene Gesellschaften darstellen, was sich zum Beispiel in den unterschiedlichen Konzeptionen der öffentlichen Aufgaben des Staates, der Organisation von gesellschaftlichen Einrichtungen oder Öffentlicher Bibliotheken niederschlägt. Insoweit sind die Gemeinsamkeiten beachtlich.
Abb. 2: Karsten Schuldt bei der Zusammenfassung der Ergebnisse des Workshops 1 (Bild: Rudolf Mumenthaler)
Die Teilnahme am Workshop war selbstverständlich freiwillig. Insoweit ist es nicht erstaunlich, dass unter den Anwesenden der Konsens vorherrschte, dass sich Bibliotheken mit dem Thema Armut und von Armut betroffenen Menschen auseinandersetzen müssen. Angesichts der vielfältigen anderen Möglichkeiten auf dem Bibliothekartag war es allerdings bemerkenswert, dass sich rund 50 Personen zum Workshop zusammenfanden. Gleichzeitig gab es zwei interessante Meinungen: Einerseits wurde immer wieder darauf verwiesen, dass nicht unbedingt genügend Wissen zum Thema vorhanden ist. Anderseits wurde darauf hingewiesen, dass viele Bibliotheken schon viele Angebote unterbreiten oder die alltägliche Bibliotheksarbeit so ausrichten, dass Menschen in Armut davon profitieren können, ohne dass darüber weithin berichtet wird. Eventuell wäre es für die Zukunft sinnvoll, das schon vorhandene Wissen aus Bibliotheken sichtbarer zu machen. Es wurde in den Diskussionen auch offensichtlich, dass es eine ganze Anzahl von Vorstellungen über Menschen in Armut gibt, beispielsweise über deren Nähe oder Ferne zur Bildung, die weder einheitlich, noch wirklich per Daten abgesichert sind. Eventuell wäre es also für die Zukunft auch sinnvoll, dieses oft schon in anderen Feldern – zum Beispiel der Sozialen Arbeit oder der Sozialwissenschaft – erarbeitete Wissen im Bibliothekswesen zu verbreiten. Nicht zuletzt fehlt bislang eine Übersicht zum Wissen über Armut, das in Bibliotheken genutzt werden könnte. Einerseits sind die Texte zum Themenkomplex Armut, die sich direkt mit Bibliotheken beschäftigen, selten, andererseits gibt es ständig Studien und Debattenbeiträge in den gerade erwähnten Bereichen. Für die Zukunft wäre es sinnvoll, Übersichten dieser Arbeiten zu erstellen und zu verbreiten.
Einigkeit herrschte auch darüber, dass Menschen in Armut, wenn sie Bibliotheken nutzen sollen, nicht stigmatisiert werden dürfen. Angeboten direkt „für Arme” wurde mehrfach die Absage erteilt. Menschen in Armut wären daran interessiert, möglichst „normal” sein zu können und auch so behandelt zu werden, wie alle anderen Menschen auch. Gleichzeitig bedürfen sie teilweise einer gesonderten Unterstützung. Insoweit scheint es die Aufgabe von Bibliotheken zu sein, Angebote zu machen, die einerseits nicht stigmatisieren oder gar als explizit auf Menschen in Armut abgestimmt präsentiert werden, aber andererseits gerade Menschen in Armut am meisten zu Gute kommen. Es wurden im Workshop eine Anzahl von Beispielen für solche Angebote erwähnt, die darauf abzielten, allen Menschen ein Angebot zu machen, aber gleichzeitig den von Armut Betroffenen am meisten helfen würden – beispielsweise die im Rahmen der “Buchstart”-Projekte in den unterschiedlichen Ländern verteilten Lesesets –, aber immer wieder nach mehr Ansätzen gefragt. Insoweit wird das Nicht-Stigmatisieren als Grundlage geteilt, und gleichzeitig nach Möglichkeiten gesucht, diesen Grundsatz umzusetzen. Hier kommen auch die unterschiedlichen gesellschaftlichen Vorstellungen zum Tragen, beispielsweise die Frage, ob solche Angebot etwas kosten dürfen oder sollen, was in der Schweiz eher bejaht zu werden scheint, als in Deutschland oder Österreich.
Ebenso übergreifend gelten Kooperationen von Bibliotheken mit unterschiedlichen Einrichtungen, denen ein guter Zugang zu Menschen in Armut zugetraut wird, als aussichtsreich. Allerdings wurde im Workshop auch mehrfach angemerkt, dass diese Einrichtungen bei den betroffenen Menschen nicht unbedingt immer einen guten Ruf geniessen, sondern teilweise als stigmatisierend gelten. Hier wäre es sinnvoll, wenn sich Bibliotheken vor einer Kooperation über die tatsächliche Arbeitsweise und Aufgaben der potentiellen Partner informieren – was nicht nur bei Ämtern gilt, sondern auch bei Einrichtungen wie den mehrfach genannten Tafeln. Zudem kommen bei der Frage der Kooperationen wieder die unterschiedlichen Gesellschaften zum Tragen, beispielsweise die unterschiedliche Organisation von Arbeitslosengeld und Sozialhilfe in den drei Staaten. Offenbar ist es notwendig, die lokalen Situationen zu beachten. Auffällig ist auch, dass Kooperationen zwar oft als sinnvoll angesehen wurden, aber im Rahmen des Workshops kaum Beispiele für sinnvolle Kooperationen genannt wurden: Was sollen Bibliotheken und Kooperationspartner genau tun? Wie soll das Menschen in Armut wobei und wie helfen? Dies blieben offene Fragen, die in Zukunft offenbar gemeinsam geklärt werden müssen. Zu vermuten ist, dass auch dazu schon viele Erfahrungen in einzelnen Bibliotheken vorliegen, die sichtbar gemacht werden könnten.
Mehrfach wurde auch erwähnt, dass die Bibliotheken nicht unbedingt der Ort sein müssen, an dem Menschen in Armut geholfen wird, sondern dass sie ebenso als Einrichtungen funktionieren können, um Menschen die nötigen Informationen zur Verfügung zu stellen, um sich selber zu helfen oder aber, um andere Einrichtungen zu finden, die sie unterstützen können. Auch dies scheint als Grundsatz von allen geteilt worden zu sein, ohne aber genau zu wissen, wie dieser umgesetzt werden kann. Auch dies scheint eine offene Fragestellung zu sein, welche in Zukunft bearbeitet werden kann.
4 Fazit
Der hier beschriebene Workshop hat gezeigt, dass das Thema Bibliotheken und Armut oder genauer von Armut betroffene Menschen für zahlreiche Kolleginnen und Kollegen als sinnvolles Thema für die weitere bibliothekarische Arbeit angesehen wird. In den Vorstellungen davon, was Armut ist sowie wie und wobei Menschen in Armut durch Bibliotheken unterstützt werden können, gibt es eine Anzahl von Unterschieden. Geteilt werden allerdings als Grundsatz, (a) dass Bibliotheken eine Rolle im Leben von Menschen in Armut spielen können, (b) dass sie Menschen in Armut nicht stigmatisieren, sondern grundsätzlich unterstützen und gleichzeitig als Menschen, wie alle anderen auch, ansehen sollen, (c) dass Kooperationen mit anderen Einrichtungen grundsätzlich sinnvoll sind. Gleichzeitig bleiben zahlreiche offene Fragen, insbesondere bei der Umsetzung dieser Grundsätze, die in Zukunft bearbeitet werden können und sollten. Dabei herrscht (d) der Eindruck vor, dass viele Bibliotheken schon Angebote entwickelt haben, die lokal auf die gesellschaftlichen Herausforderungen von Armut reagieren, dass die dabei gesammelten Erfahrungen aber sichtbar gemacht werden müssen.
Im Anschluss an den Workshop wurde eine Mailingliste “Armut und Bibliotheken” eingerichtet, die eine weitergehende Diskussion zum Thema sowie den Erfahrungsaustausch ermöglichen soll. Diese Liste, die leider bislang noch wenig genutzt wird, ist unter 'Armut und Bibliotheken' zu finden, dort ist auch eine Einschreibung möglich.
Die aktuelle Diskussion um ein verstärktes Engagement von Bibliotheken zur Unterstützung von Flüchtlingen schliesst nahtlos an die am Bibliothekartag erörterten Themen an.
AutorInnen
Jens AMBACHER, Bücherhalle
Osdorfer Born, Kroonhorst 9e, 22549 Hamburg
http://www.buecherhallen.de/osdorf
jens.ambacher@buecherhallen.de
Gabriele FAHRENKROG, Stadtbücherei Pinneberg, Am Rathaus 1, 25421 Pinneberg
http://buecherei.pinneberg.de
fahrenkrog@stadtverwaltung.pinneberg.de
Rudolf MUMENTHALER, HTW Chur, Pulvermühlestrasse 57, CH-7004 Chur
http://ruedimumenthaler.ch
rudolf.mumenthaler@htwchur.ch
Ruth SCHAFFER WÜTHRICH, Bibliothek
im Kunstmuseum Bern, Hodlerstrasse 8-12, CH-3000 Bern 7
http://www.kunstmuseumbern.ch
ruth.schaffer@kunstmuseumbern.ch
(Hat während 14 Jahren eine kleine Landschul-Bibliothek geleitet und
ist heute Leiterin der Bibliothek im Kunstmuseum Bern.)
Karsten SCHULDT,HTW Chur, Pulvermühlestrasse 57, CH-7004 Chur
LIBREAS. Library Ideas, Berlin u.a.
http://www.karstenschuldt.info
karsten.schuldt@htwchur.ch
Bruno WÜTHRICH, Universitätsbibliothek Bern, Servicezentrum Zeitschriften, Fabrikstrasse 8, 3012 Bern
http://www.ub.unibe.ch
bruno.wuethrich@ub.unibe.ch
(Arbeitete u.a. 9 Jahre als Jugendarbeiter und sozio-kultureller Animator in der
Region Bern.)
1 Vgl. Wüthrich, Bruno; Schuldt, Karsten (2015). Armut und Bibliotheken – wie erfolgreich kann die bibliothekarische Arbeit für Menschen in Armut sein? [Vortragsfolien]. 104. Deutscher Bibliothekartag in Nürnberg 2015, https://opus4.kobv.de/opus4-bib-info/frontdoor/index/index/docId/1879
2 Mehr zu den Tafeln: https://de.wikipedia.org/wiki/Tafel_(Organisation) (besucht: 29.09.2015)
3 CampusRitter bietet z.B. Studierenenden die Möglichkeit, Fachbücher zu kaufen oder zu mieten. Mehr dazu: https://www.campusritter.de/ (besucht: 24.10.2015)