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DOI: http://dx.doi.org/10.11588/ip.2016.1.27337
Simon SCHULTZE
Videospielturniere in öffentlichen Schweizer Bibliotheken
Zusammenfassung
Diese Arbeit behandelt das Thema Videospielturniere in öffentlichen Schweizer Bibliotheken. Den praktischen Teil dieser Arbeit bildet das Pilotprojekt in Form eines Videospielturniers in der Stadtbibliothek Katharinen in St. Gallen. Als Grundlage für die Auswertungen dienen sowohl Beobachtungen wie auch Befragungen der Teilnehmerinnen des Turniers. Ziel war einerseits, die Wirkung des Videospielturniers auf die Stadtbibliothek und Teilnehmerinnen zu dokumentieren, und andererseits, allfällige Mängel und Verbesserungsoptionen für die Organisation künftiger Veranstaltungen zusammenzufassen.
Schlüsselwörter
Bibliotheksevent, Gaming, öffentliche Bibliotheken, Schweiz, Videospielturnier
Video game tournaments in public Swiss libraries
Abstract
This study is an initial attempt to investigate the relationship between libraries and video games. Data for this study were collected during a video game tournament which was conducted in cooperation with the city library Katharinen in St.Gallen. During the tournament participants were both observed and interviewed. The aim of this pilot project was to provide an overview of the effects on both the participants and the library during the tournament. By observing these effects and using the interviews in addition it was possible to outline deficiencies as well as possible improvements which can be applied on the organisation of similar projects in the future.
Schlüsselwörter
library event, gaming, public libraries, Switzerland, video game tournament
Inhaltsverzeichnis
3.1 Erfüllt der Videospielbestand ein Bedürfnis?
3.2 Das Problem mit dem Videospielbestand
3.3 Videospielevents: eine mögliche Lösung?
3.4 Erfüllt der Videospielevent ein Bedürfnis?
1 Einleitung
Das junge Medium Videospiel hat sich dank steigender Nutzerzahlen und seines kommerziellen Erfolgs mittlerweile gesellschaftlich etabliert (Krotz 2009, S. 36-38). Diesem Trend folgend, führen immer mehr Bibliotheken einen Videospielbestand (Brown, Kasper 2013, S. 755-756).
In ihrer Funktion als sozialer Treffpunkt gibt es für die Bibliotheken weitere Möglichkeiten, das Medium Videospiele in ihr bestehendes Angebot einzubinden. Ein Beispiel für eine solche Erweiterung bildet der Gameevent, bei welchem sich die Nutzerinnen zum gemeinsamen Videospielen in der Bibliothek treffen. Solche Events wurden bereits erfolgreich in angelsächsischen Bibliotheken durchgeführt, was ein entsprechendes Bedürfnis seitens der Nutzerinnen vermuten lässt (Earp, Earp 2008, S. 115) (Fu 2008, S. 93) (Mazure, Hughes 2008, S. 126). Als positiven Nebeneffekt verzeichneten die Bibliotheken zudem mehr neue Bibliotheksnutzerinnen (Buchanan, Vanden Elzen 2012, S. 32) (Hommel 2008, Folie 3) (Neiburger 2007, S. 3).
Mit der Frage, ob solche Erfolge auch in öffentlichen Schweizer Bibliotheken möglich sind, beschäftigt sich dieser Beitrag1. Mittels eines Pilotprojektes in Form eines Videospielturniers in der Stadtbibliothek Katharinen in St. Gallen wurden Nachfrage, Nutzen und ein allfälliger Erfolg eines solchen Events untersucht.
2 Terminologie
Das Kompositum „Videospielevent“ setzt sich aus drei Begriffen zusammen: Das Spiel, darauf aufbauend das Videospiel und schlussendlich der Event.
SpielenDas Spielen ist einer der ersten Wege, wie Kinder von ihrer Umgebung lernen und mit ihr sozial interagieren. Dabei manifestiert sich das Spielen in unterschiedlichster Weise, die von einfacher Interaktion bis zum komplexen Videospiel reicht (Powell 2013, S. 836-837). Eine Definition, die dieser Vielfalt Rechnung trägt, ist folgende:
„Das Spiel ist eine freiwillige Handlung oder Beschäftigung, die innerhalb gewisser festgesetzter Grenzen von Raum und Zeit nach freiwillig angenommenen, aber unbedingt bindenden Regeln verrichtet wird, ihr Ziel in sich selber hat und begleitet wird von einem Gefühl der Spannung und Freude und einem Bewusstsein des „Andersseins“ als das gewöhnliche Leben (Huizinga 2004, S. 9).“
Demnach kann es drei Aspekte geben, die ein Spiel definieren:
Es ist eine freiwillige Aktivität,
Diese Aktivität folgt Regeln und Zielen
Das Erleben unterscheidet sich vom „gewöhnlichen Leben“
Alle oben genannten Punkte treffen auch für das Videospiel zu, das sich aber von anderen Spielformen noch unterscheidet.
VideospielMit dem Videospiel als besondere Form des Spieles kommt eine technische Komponente hinzu:
„… ein Spiel, bei dem der Spielende durch technisch vermittelte Simulation und Regelüberwachung eine ‚Stimulation‘ erfährt und die Kommunikation innerhalb der Simulation, also die Interaktion mit dem Spielgeschehen und den Spielpartnern, ebenfalls technisch erfolgt (Wünsch, Jenderek 2009, S. 47).“
Die Simulation kann hierbei als Spielwelt verstanden werden, welche mittels Computer erzeugt und symbolisch abgebildet wird. Die Stimulation steht wiederum für den Realitätsrahmen des Spieles, welcher der Spielerin über einen oder mehrere Sinneskanäle vermittelt wird. Der Begriff Kommunikation umfasst die Kommunikation zwischen Spielerin und Maschine, aber auch die Kommunikation der Spielerinnen untereinander via Computer (Wünsch, Jenderek 2009, S. 47).
Videospiel-EventDer angelsächsische Begriff „Event“ lässt sich mit Ereignis oder Veranstaltung übersetzen (Beck 2006, S. 54). Für diese Arbeit wird der Event im Kontext des Eventmarketings von Bibliotheken definiert:
„…. ein interaktives, zielgerichtetes, zielgruppenorientiertes sowie erlebnisorientiertes Kommunikationsinstrument in Form einer eigens initiierten Veranstaltung (Beck 2006, S. 56)
Somit wird innerhalb dieser Arbeit unter dem Begriff Videospielevent eine Veranstaltung verstanden, die Videospiele als Kommunikationsmittel nutzt, um die Interaktion der Teilnehmerinnen untereinander und mit der Bibliothek, in Form eines zielgruppenorientierten Erlebnisses, zu fördern.
3 Forschungsstand
3.1 Erfüllt der Videospielbestand ein Bedürfnis?
Die bisherigen Untersuchungen zeigen, dass Videospielangebote in Bibliotheken von den Nutzerinnen ausgiebig genutzt werden (Leijon 2012) (Williams, Chimato 2008, S. 73). Insbesondere die männlichen Jugendlichen scheinen mit dem Videospielbestand erreicht werden zu können (Womack, Sutton 2008, S. 76) (Werner 2013, S. 796).
Es finden sich zudem Hinweise darauf, dass ein Videospielbestand auch bisherige Bibliotheks-Nicht-Nutzerinnen anzusprechen vermag (Hommel 2008, Folie 3) (Nicholson 2013, S. 751-752). So wünschen sich laut einer deutschen Studie 40% der 14- bis 19-jährigen Nicht- und Nicht-mehr-Nutzer mehr Videospiele in der Bibliothek (Ehmig 2012b, Folie 46).
3.2 Das Problem mit dem Videospielbestand
Die bisherigen Ergebnisse verdeutlichen, dass der Videospielbestand in Bibliotheken ein Bedürfnis der Nutzerinnen ist und sie vermehrt zum Besuch der Bibliothek zu bringen vermag (Williams, Chimato 2008, S. 73).
Einen solchen Bestand anzubieten, gestaltet sich in Zukunft jedoch immer schwieriger (Deeg 2014, S. 101-102). Denn mit dem kommerziellen Erfolg und der damit einhergehenden gesellschaftlichen Etablierung hat sich das Medium Videospiel inzwischen fundamental verändert. Von dieser Entwicklung sind die Inhalte, die Trägermedien wie auch die dahinterstehenden Geschäftsmodelle betroffen (Deeg 2014, S. 102-103).
So hat sich ein Trend hin zu einer rein digitalen Distribution entwickelt, indem die Spieleentwicklerinnen ihr Spiel direkt über das Internet anbieten. Für die Bibliotheken ist es ohne physisches Trägermedium kaum möglich, solche Spiele zu verleihen (Sigl, 2012). So scheitern rein digitale Angebote über Lizenzen bisher häufig am Widerstand der Spielherstellerinnen. Diese sind gegenüber den Bibliotheken meist äusserst skeptisch und sehen deren Videospielbestand als geschäftsschädigend an (Fehrenbach 2012, S. 2).
Auch die Geschäftsmodelle selbst haben sich verändert. Gerade die Freemium-Modelle, bei denen das Grundspiel gratis angeboten wird und der Gewinn mittels kostenpflichtiger Zusatzinhalte erfolgt, erweisen sich als sehr erfolgreich und werden zunehmend beliebter. Diese Form der Monetarisierung macht eine Ausleihe hinfällig, und immer mehr Spieleentwicklerinnen folgen diesem Trend (Davidovici-Nora 2014, S. 99-100).
Zudem verhindert ein immer rigoroser werdender Kopierschutz die Verleihbarkeit von Spielen. So ist es inzwischen üblich, die Spiele während der Installation online an einen bestimmten Spieleraccount zu binden (Busching 2014). Mit dieser Form des Kopierschutzes wird nicht nur das unerlaubte Kopieren von Spielen, sondern auch deren Ausleihe ungemein erschwert.
Zusammengefasst zeigen die Entwicklungen zunehmende Restriktionen im Aufbau eines Videospielbestandes für Bibliotheken (Sigl, 2012). So stellt sich die Frage, ob die Bibliotheken generell auf einen Videospielbestand verzichten sollten.
Ein Argument dagegen liefert Neiburger:
„If you don’t offer them something they value now, you’re going to be irrelevant to them for the rest of their lives. It’s not a risk we can afford (Neiburger 2007, S. 3).“
Mit diesem Zitat bezieht sich Neiburger auf den Erfolg von Videospielen bei Kindern und Jugendlichen und vermutet, dass die Videospiele eine frühe Bibliothekssozialisation unterstützen können (Neiburger 2007, S. 3). Eine frühe Bibliothekssozialisation ist erstrebenswert, da sich mit ihr die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass die Kinder und Jugendlichen auch im späteren Leben Bibliotheksnutzerinnen bleiben (Ehmig 2012a, Folie 17).
Für eine erfolgreiche Bibliothekssozialisation ist besonders der Übergang vom Kind zum Jugendlichen von grosser Bedeutung. In dieser kritischen Übergangsphase, so argumentiert Nicholson, kann ein Videospielbestand die Bibliotheken darin unterstützen, eine Relevanz für diese Gruppe beizubehalten:
„Once these Children become too old for story time and summer reading programs, many no longer see the value of library services. Youth are less focused on static print and more focused on digital activities; libraries that do not adapt will continue to lose the interest of this user group (Nicholson 2013, S. 352). “
Ob diese These zutrifft, lässt sich nicht klar belegen, jedoch sprechen die bisher beschriebenen Ergebnisse tendenziell eher dafür als dagegen. Stuft man Videospiele gerade in Bezug auf Kinder und Jugendliche als relevantes Medium für die Bibliotheken ein, dann stellt sich die Frage nach der Art und Weise der Einbindung von Videospielen in das Bibliotheksangebot unter den oben geschilderten Restriktionen.
Eine mögliche Lösung, die trotz fehlendem Bestand ein Einbinden von Videospielen in das Angebot der Bibliothek ermöglicht, sind Videospielevents.
3.3 Videospielevents: eine mögliche Lösung?
Zwar wird es zunehmend schwieriger, in Bibliotheken einen Videospielbestand anzubieten. Dennoch gibt es diesbezüglich auch positive Entwicklungen, denn Videospiele werden immer sozialer. Inzwischen bietet nahezu jedes Spiel auch Mehrspielermodi, und für viele Nutzerinnen ist eine primäre Spielmotivation die Interaktion mit anderen Spielerinnen (Kaye, Bryce 2012, S. 34). Mit dieser sozialen Komponente bietet sich eine Chance für Videospiele in Bibliotheken.
Auch Bibliotheken fokussieren sich - unabhängig von den Videospielen – zunehmend auf die soziale Interaktion. In diesem Zusammenhang wird oft von der Bibliothek als Drittem Ort gesprochen. Die Bibliotheken verstehen sich in ihrer primären Funktion nicht mehr als „Bücherei“, sondern als sozialer und kultureller Treffpunkt (LeFebvre 2013).
Unter Einbezug dieser Entwicklungen könnten Videospiele die räumlich-soziale Veränderung der Bibliotheken hin zu einem dritten Ort unterstützen (Black, Killough, Magnifico 2013, S. 1-3) (Nicholson 2009, S.17). So kann der Verleih von Videospielen zwar schwieriger werden, das Spielen vor Ort aber eine niederschwellige Alternative bieten. Zusätzlich kann das Spielen in der Bibliothek einen Event-Charakter erhalten, zum Beispiel in Form von Videospielturnieren.
3.4 Erfüllt der Videospielevent ein Bedürfnis?
Bisher gesammelte Erfahrungen der Bibliotheken zu Videospielevents zeigen, dass diese sowohl Nachfrage als auch Bedürfnis seitens der Nutzerinnen befriedigen. (Earp, Earp 2008, S. 115) (Fu 2008, S. 93) (Mazure, Hughes 2008, S. 126).
Mit Videospielevents wurde es zudem möglich, mehr Nutzerinnen zu erreichen, deren soziale Interaktion zu fördern (Brown, Kasper 2013, S. 776-777) (Kaye, Bryce 2012, S. 34) (Sanford 2008, S. 86-88) und ihre positive Wahrnehmung der Bibliothek zu erhöhen bzw. konstant zu halten (Vanden Elzen, Roush 2013, S. 809-811).
Die Bibliotheken konnten auch neue Nutzerinnen akquirieren, welche die sonstigen Dienstleistungen der Bibliothek bisher nicht nutzten (Neiburger 2007, S. 3) (Buchanan, Vanden Elzen 2012, S. 32) (Hommel 2008, Folie 3). Analog zu Studienergebnissen über Videospielbestände schienen vor allem männliche Jugendliche von Videospielevents angesprochen zu werden (Suellen 2009, S.201).
Auch längerfristig zeigten sich positive Effekte. So wurden nach dem Event auch andere Dienstleistungen der Bibliothek von den Teilnehmerinnen genutzt (Brown, Kasper 2013 S. 773-774) (Neiburger 2007, S. 21) (Saxton 2007, S.33). Beispielsweise berichteten Bibliotheken, dass mit den Videospielevents die Buchausleihen gestiegen seien (Kroski 2010, S. 100-103) (Suellen 2009, S. 200).
Es gab aber auch negative Auswirkungen mit der häufigsten Kritik anderer Nutzerinnen, welche die Videospiele grundsätzlich ablehnten (Williams, Chimato 2008, S. 72-73) oder aber sich vom Lärm der Events gestört fühlten (Nicholson 2010, S. 9) (Werner 2013, S. 796-797). Des Weiteren wurde vereinzelt von Diebstahl und Sachbeschädigung berichtet, was aber ausschliesslich bei nicht von der Bibliothek moderierten Events vorgekommen ist (Werner 2013, S. 797).
4 Problemstellung
Der bisherige Forschungsstand zeigt, dass die Bibliotheken von Videospielevents profitieren können. Gleichwohl blieb in der deutschsprachigen Bibliothekswissenschaft das Thema „Videospiele in Bibliotheken“ bisher unbeachtet. Alle zuvor genannten Ergebnisse wurden im angelsächsischen Raum erhoben. Eine Recherche (14.05.15) ergab für deutschsprachige Bibliotheken keine Untersuchungen zum Videospielbestand, zu weiterführenden Events bzw. deren Nutzung.
Mit Blick auf die wachsende Anzahl an Videospielkonsumentinnen (Klimmt 2009, S. 58) und angesichts positiver Effekte der Videospielevents in angelsächsischen Ländern stellt sich die Frage, ob sich deren Erkenntnisse auch auf öffentliche Bibliotheken in der Schweiz übertragen lassen. Diese Frage wurde in der hier zusammengefassten Arbeit untersucht.
4.1 Ziele dieser Arbeit
Das Ziel dieser Arbeit war es, eine erste Untersuchung zu Videospielevents in öffentlichen Bibliotheken im deutschsprachigen Raum durchzuführen. Es wurde untersucht:
welche Effekte ein Gameevent für eine öffentliche Bibliothek haben könnte
wie sich die Teilnehmerinnen eines solchen Events auszeichnen und
wie ein solcher Event organisiert sein muss, um den Bedürfnissen der Teilnehmerinnen optimal zu entsprechen.
4.2 Fragestellungen
Zur Untersuchung wurden drei Fragestellungen entwickelt:
Welche Effekte erzielt ein Videospielevent in einer öffentlichen Schweizer Bibliothek?
Der Fokus der Fragestellung lag auf den Bedürfnissen der Teilnehmerinnen, deren sozialer Interaktion und der Nutzung anderer Bibliotheks-Dienstleistungen während des Events von dieser Gruppe.
Wodurch zeichnen sich die Teilnehmerinnen des Videospielevents aus?
Es wurden das Geschlecht und die bisherigen Bibliothekserfahrungen der Teilnehmerinnen erfragt2.
Wie sollte ein Videospielevent in Zukunft organisiert werden, um erfolgreicher zu sein?
Der Fokus dieser Fragestellung lag auf der Optimierung des Marketings und der Untersuchung der Motivation für eine Teilnahme am Videospielevent.
4.3 Die verwendeten Methoden
Es wurden im Rahmen einer Methodentriangulation sowohl eine Befragung als auch eine Beobachtung während des Gameevents durchgeführt, da mit einer Befragung allein die soziale Interaktion nur unzureichend erfasst werden würde. Ebenso wäre mit einer ausschliesslichen Beobachtung der Nutzerinnen die Untersuchung ihrer Bedürfnisse ungenügend geblieben.
Damit die Ergebnisse der beiden Methoden miteinander verglichen werden konnten, erhielt jede Teilnehmerin bei der Anmeldung zum Event eine Nummer, die von den Moderatorinnen als Aufkleber an der Kleidung befestigt wurde. Diese Nummer wurde auf dem Befragungsbogen vermerkt und während der Beobachtung codiert erfasst. Damit war es möglich, die einzelnen Beobachtungen einer Teilnehmerin zuzuordnen und anschliessend mit ihren Antworten in der Befragung zu vergleichen. Zudem wurde so, trotz der Verknüpfung der beiden Methoden, die Anonymität der Teilnehmerinnen gewährleistet.
5 Untersuchungsergebnisse
Die wichtigsten Untersuchungsergebnisse zu den drei Fragestellungen werden im Folgenden zusammengefasst.
Welche Effekte erzielt ein Videospielevent in einer öffentlichen Schweizer Bibliothek?
Die aus der Untersuchung gewonnenen Ergebnisse zeigen, dass Videospielturniere für eine öffentliche Bibliothek in der Schweiz eine sinnvolle Ergänzung ihres Angebots darstellen können. So war der Event aus Sicht der Teilnehmerinnen ein voller Erfolg (Abb. 1) und hat die soziale Interaktion zwischen den Teilnehmerinnen gefördert (Tab. 1). Zudem wurden während dem Event auch andere Bibliotheksdienstleistungen von den Teilnehmerinnen genutzt (Abb. 2).
Abb. 1: Wie hat dir der Event gefallen?
Abb. 2: Anzahl an Nutzungen nach Medium während des Events
Turnier |
Teilnehmerinnen |
Interagierende Teilnehmerinnen |
Interaktionen |
Mario Kart |
9 |
7 |
15 |
WII Bowling |
5 |
3 |
4 |
FIFA 15 |
22 |
18 |
39 |
Sonic Racing |
4 |
3 |
3 |
Super Smash Bros |
9 |
6 |
11 |
Street Fighter |
8 |
4 |
9 |
Total |
55 |
41 |
81 |
Tab. 1: Die soziale Interaktion unter den Teilnehmerinnen am Event
Wodurch zeichnen sich die Teilnehmerinnen des Videospielevents aus?
Mit dem Videospielevent gelang es, bisherige Nicht- und Nicht-mehr-Nutzerinnen zu erreichen (Abb.3 und 4), wobei die Anzahl an Wenig- und Viel-Nutzerinnen (siehe Abb. 4) deutlich überwog. Des Weiteren wurde der Event vor allem von männlichen Personen (48 Teilnehmer) aufgesucht.
Abb. 3: Warst du schon einmal in einer Bibliothek?
Abb. 4: Wie häufig gehst du in die Bibliothek?
Wie sollte ein Videospielevent in Zukunft organisiert werden, um erfolgreicher zu sein?
Es konnten aus der Untersuchung für das Marketing und die Motivation der Teilnehmerinnen neue Erkenntnisse gewonnen werden. Beim Marketing waren die „Mundpropaganda“ und die Flyer als Instrumente vergleichsweise erfolgreich (Abb. 5). Während bei der Motivation vor allem der Wettbewerb und die soziale Interaktion Gründe für eine Teilnahme waren (Abb. 6).
Abb. 5: Wie bist du auf den Gameevent aufmerksam geworden?
Abb. 6: Warum bist du zum Gameevent gekommen?
6 Fazit
Die bisherigen Erkenntnisse zu Videospielturnieren in Bibliotheken beschränkten sich auf den angelsächsischen Raum. Diese Wissenslücke konnte nun für die öffentlichen Bibliotheken in der Schweiz geschlossen werden. So liefert diese Arbeit erste Hinweise, dass die meisten der bisherigen Erkenntnisse auch auf die Schweiz übertragbar sind und auch hier ein Videospielturnier erfolgreich durchgeführt werden kann. Darüber hinaus zeigte sich, dass solche Veranstaltungen ein Bedürfnis der Nutzerinnen sind und dass sie sowohl die Nutzung von anderen Bibliotheksdienstleistungen fördern können als auch die soziale Interaktion unter den Teilnehmerinnen.
Für die Bibliotheken ist dies auch insofern interessant, als es in Zukunft - aufgrund der technischen und inhaltlichen Entwicklungen des Mediums - immer schwieriger werden wird, einen Videospielbestand anbieten zu können. Deshalb sollten neue Wege gefunden werden, um das an Relevanz gewinnende Medium in das bestehende Angebot der Bibliotheken einbinden zu können. Ein gangbarer Weg könnten die Videospielevents sein, wie diese Arbeit aufzeigen konnte.
Inwiefern die Resultate auch andere Bibliotheken dazu animieren, Videospielevents zu veranstalten, muss sich erst noch erweisen. Aber mit dem Erfolg des Pilotprojektes und den vielversprechenden Ergebnissen sollte die Argumentation für Videospielevents nun leichter fallen.
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Autor
Simon SCHULTZE
schloss im Sommer 2015 sein Studium der Informationswissenschaften, Schwerpunkt Bibliothekswissenschaften mit dem Bachelor ab. Nach dem Studium unterstützte er die Stadtbibliothek St. Gallen beim Aufbau ihres neuen Medienlabors, welches er inzwischen leitet. Neben der Betreuung des Medienlabors bildet er sich zum Medienpädagogen weiter und hält Vorträge zu diversen Themen, darunter ‚Videospiele in der Bibliothek‘, ‚Recherchekompetenz als essentielle Fähigkeit der Bibliothekarin‘ und ‚Das Darknet aus der Sicht der Medienpädagogik‘.
E-Mailadresse: simon.schultze@gmx.ch
Bei vorliegendem Bericht handelt es sich um eine gekürzte Fassung der Bachelorthesis an der HTW Chur, die in der ausführlichen Version in der Churer Schriftenreihe ( http://www.htwchur.ch/uploads/media/CSI_76_Schultze.pdf) veröffentlicht wurde.↩
Auf die Erhebung von weiteren soziodemographischen Merkmalen insbesondere der Eltern wurde verzichtet, da diesbezügliche Aussagen von Kindern und Jugendlichen als nicht valide erscheinen (Baur 2014, S. 779).↩