Die transcript OPEN Library Politikwissenschaften – Ein Modell für Open-Access-eBooks in den Geistes- & Sozialwissenschaften

DOI: https://doi.org/10.11588/ip.2020.1.66637

Stefanie HANNEKEN, Alexandra JOBMANN, Nina SCHÖNFELDER

Die transcript OPEN Library Politikwissenschaften – Ein Modell für Open-Access-eBooks in den Geistes- & Sozialwissenschaften

Zusammenfassung

Das strategische Ziel des Projektes „Nationaler Open-Access-Kontaktpunkt OA2020-DE“ ist es, Voraussetzungen für eine großflächige Open-Access-Transformation zu schaffen. In enger Zusammenarbeit mit dem transcript Verlag wurde durch den Kontaktpunkt daher ein Geschäftsmodell entwickelt, das den Transformationsprozess von eBooks in den Geistes- und Sozialwissenschaften unterstützt und sowohl für Verlage als auch für Bibliotheken gleichermaßen tragbar, transparent und ökonomisch nachhaltig sein soll. Das Modell ist in erster Linie für landessprachliche Forschungsmonographien und Sammelwerke konzipiert. Der Beitrag beschreibt die Entwicklung und die Anwendung des Modells auf die Frontlist der Fachdisziplin Politikwissenschaft des transcript Verlages im Jahr 2019 und die Reaktion der Open-Access-Community darauf und nimmt kurzen Bezug auf die erfolgreiche Wiederholung des Modells für die Frontlist des Verlages im Jahr 2020.

Schlüsselwörter

Open Access, Geschäftsmodell, Wissenschaftliches Publizieren, Geistes- und Sozialwissenschaften, eBooks

The transcript OPEN Library Political Science Model – A Sustainable Way into Open Access for eBooks in the Humanities and Social Sciences

Abstract

The strategic goal of the project “National Contact Point Open Access OA2020-DE” is to create conditions for the large-scale open-access transformation. In close collaboration with the publisher transcript we developed a business model that supports the transformation process for ebooks in the humanities and social sciences. It is meant to be manageable, sustainable, transparent, and scalable for both, publishers and libraries. It has the potential to become one of the major open-access business models for research monographs and anthologies in the humanities and social sciences, especially for non-English ebooks. The article describes the evolution of the model, its successful implementation for the “political science” publishing programme of transcript in 2019 and the reaction of the open-access community to it and briefly refers to the successful repetition of the model for the publisher’s front list in 2020.

Keywords

open access, business models, scholarly publishing, humanities and social sciences, ebooks


Veröffentlichung: 25.08.2020 in Informationspraxis Bd. 6, Nr. 2 (2020)


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

Die Open-Access-Transformation gewinnt auf dem wissenschaftlichen Publikationsmarkt an Dynamik. Mit Hilfe von Open-Access-Mandaten, der Finanzierung durch Forschungsförderorganisationen sowie der Unterstützung durch Plan S1 und die globale OA2020-Initiative2 konnte vor allem der Anteil an unmittelbar im Open Access veröffentlichten Zeitschriften und -artikeln sukzessive gesteigert werden. Der Transformationsprozess findet jedoch in erster Linie in den Naturwissenschaften und da vor allem in den Lebens- und Gesundheitswissenschaften sowie in der Physik statt. Die Geistes- und Sozialwissenschaften sind bisher nur wenig an solchen Prozessen beteiligt. Das hat insbesondere zwei Gründe: Zum einen sind Monographien und Sammelwerke das bevorzugte Publikationsmittel in diesen Wissenschaftsdisziplinen. Für diese Publikationstypen gibt es jedoch bisher nur wenige Open-Access-Finanzierungs- und/oder -Geschäftsmodelle. Zum anderen haben WissenschaftlerInnen aus den Geistes- und Sozialwissenschaften vergleichsweise weniger Zugang zu sog. Drittmitteln und sind damit weniger von den Open-Access-Mandaten diverser Forschungsförderorganisationen betroffen als ihre KollegInnen aus dem naturwissenschaftlichen/technischen/medizinischen Bereich (Deutsche Forschungsgemeinschaft 2018). Hinzu kommt, dass ein Modell, bei dem die AutorInnen bzw. die Einrichtung, mit der sie affiliiert sind, für die Kosten einer Open-Access-Publikation aufkommen müssen (Book Processing Charges, BPCs), vielen strukturellen Hindernissen gegenübersteht: Zum einen sind BPCs um einiges höher als ihr Pendant im Zeitschriftenbereich (Article Processing Charges, APCs); sie liegen in der Regel zwischen 5.000 € und 15.000 € (Ferwerda u. a. 2013, Pinter 2018). Zum anderen bieten bisher nur wenige Forschungsförderorganisationen zusätzlich zur APC-Finanzierung auch eine Förderung für Open-Access-Bücher an (Ausnahmen sind hier der Schweizerische Nationalfonds (SNF), der österreichische FWF – Wissenschaftsfonds, Wellcome Trust und die Nederlandse Organisatie voor Wetenschappelijk Onderzoek (NWO)) (Ferwerda u. a. 2018). Auch in Deutschland übernehmen viele Open-Access-Publikationsfonds nur die Kosten für APCs (OA2020-DE 2019). In anderen EU-Ländern ist die Situation ähnlich. Solange diese Hindernisse weiterhin bestehen, wird das BPC-Modell nicht signifikant zu einer Open-Access-Transformation im Bereich Monographien und Sammelwerke beitragen können, sondern es bleibt bei einzelnen Titeln, die mehr oder weniger unsystematisch Open Access zur Verfügung gestellt werden. Ein weiteres Problem sind Rechtsfragen in Zusammenhang mit Open Access, etwa im Bereich der Bildrechte, die gerade in den Kunst- und Kulturfächern häufiger auftreten.

Hinzu kommt, dass die Zahlung von Publikationsgebühren (zusätzlich zum Druckkostenzuschuss) im deutschsprachigen Raum nicht der traditionellen Publikationskultur in den Geistes- und Sozialwissenschaften entspricht. Aus diesem Grund sind viele der rund um das Thema Open-Access-Monographien entstandenen Publikationsinitiativen darauf ausgerichtet, keine weiteren, direkten Gebühren von den AutorInnen zu verlangen. Stattdessen werden verschiedene, koexistente Modelle wie Bibliotheks-Crowdfunding, partnerschaftliche Unterstützung, Fakultäts-/Institutsmittel, Einnahmen durch kommerzielle Aktivitäten wie den Verkauf von Printexemplaren oder Servicegebühren, Freiwilligenarbeit durch die Community oder institutionelle Förderung z. B. in Form von Publikationsfonds angewendet (Speicher u. a. 2018). Einige Open-Access-Verlage kombinieren auch verschiedene Ansätze, während andere ein Modell verwenden, bei dem AutorInnen freiwillig BPCs zahlen, wenn sie über eine entsprechende finanzielle Unterstützung durch einen Forschungsförderer oder eine wissenschaftliche Institution verfügen und damit die Open-Access-Buchpublikation für diejenigen ohne finanzielle Unterstützung mitfinanzieren.3

AutorInnengebühren wie BPCs haben den Nachteil, dass eine große Summe dafür aufgewendet werden muss, ein einzelnes Buch zu finanzieren, sodass sehr schnell Budgetgrenzen erreicht werden können (gleiches gilt, wenn auch in geringerem Ausmaß, für Zeitschriftenartikel und APCs). Open-Access-Geschäftsmodelle mit kooperativen Ansätzen wie Crowdfunding verteilen die Last auf viele Institutionen und sind daher aus finanzieller Sicht für die beteiligten Einrichtungen attraktiver als Einzelgebühren. Dies gilt vor allem dann, wenn eine so breite Beteiligung erreicht werden kann, dass der Preis für eine Institution pro Open-Access-Publikation nicht oder nur geringfügig den Preis für ein reguläres Closed-Access-eBook überschreitet. Andererseits sind solche Modelle aufwändiger in der Organisation und Durchführung und haben oft mit der sogenannten Trittbrettfahrer-Problematik4 zu kämpfen. Für akademische und wissenschaftliche Einrichtungen in Deutschland kommt noch die Konzentration der bisherigen Open-Access-Buchpublikationsmodelle auf den anglo-amerikanischen Markt und die daher eher geringfügige Unterstützung von eBooks in deutscher Sprache als Problem hinzu, was u. a. dazu führt, dass die Bibliotheken sich kaum an solchen Initiativen beteiligen und daher wenig Erfahrung mit alternativen Finanzierungsmodellen haben. Das bekannteste Beispiel ist das Knowledge Unlatched Select Programm, bei dem nahezu ausschließlich englischsprachige Titel in den Front- und Backlists zur Auswahl stehen. Diese wurden von international agierenden Verlagen vorgeschlagen und von einem international besetzten, bibliothekarischen Titelauswahlkomitee ausgewählt. Die Beteiligung von Bibliotheken aus Deutschland an solchen Programmen ist bisher eher verhalten.5

Im Gegensatz zu BPCs und APCs zielen die Modelle ohne AutorInnengebühren für die Open-Access-Verfügbarkeit von Publikationen in der Regel darauf ab, die Open-Access-Publikation ganzer Pakete zu ermöglichen und eignen sich daher besser für die großflächige Open-Access-Transformation in den Geistes- und Sozialwissenschaften. Für die Auswahl des passenden Modells kann es hilfreich sein, einen Blick auf die bisherigen KäuferInnen von gedruckten Büchern und Closed-Access-eBooks als potentielle Finanzierungsquelle zu werfen. Das sind – abhängig von der Disziplin – zum größten Teil akademische und wissenschaftliche Bibliotheken, die über ein ansprechendes Modell für die Open-Access-Transformationen von eBooks in den Geistes- und Sozialwissenschaften aktiviert werden können. Ein solches Modell ist bspw. die transcript OPEN Library Politikwissenschaft, die darauf abzielt, die sogenannte Frontlist6 einer spezifischen Disziplin (Politikwissenschaft) eines bestimmten Verlages (transcript) unmittelbar im Open Access zu publizieren. Dafür werden Elemente eines Bibliotheksförderungs-, eines kollaborativen/kooperativen Crowdfunding- und eines Einnahmen-durch-Printverkäufe-Modells kombiniert. Ziel ist die Entwicklung eines für den Verlag und die Bibliotheken gleichermaßen tragbaren, transparenten und ökonomisch nachhaltigen Open-Access-eBook-Geschäftsmodells.

Im Folgenden wird erläutert, wie das Modell der transcript OPEN Library Politikwissenschaft zusammengesetzt ist und welche Stärken und Schwächen es hat. Abschließend werden die Parameter diskutiert, die bei einer Adaption des Modells auf andere Disziplinen und Verlage berücksichtigt werden müssen.

2 Das Modell der transcript OPEN Library Politikwissenschaft7

2.1 Konzept

Wissenschaftliche Bibliotheken haben verschiedene Möglichkeiten der Beschaffung gedruckter und elektronischer Bücher und Sammelwerke für ihren Bestand. Dazu gehören die Erwerbung einzelner Titel, Evidence-based Selection, Patron-Driven-Acquisition und der Kauf ganzer eBook-Kollektionen bzw. -Pakete. Am deutschsprachigen eBook-Markt sind die eBook-Pakete des Springer-Verlages die bisher verbreitetsten und Bibliotheken mit dieser Form der Erwerbung größtenteils vertraut. Daher basiert das Open-Access-Geschäftsmodell der transcript OPEN Library auch auf diesem Modell. Bibliotheken „kaufen" die Frontlist eines Programmbereiches eines Verlages, d. h. sie entrichten eine Gebühr für die Bereitstellung der Literatur im Open Access. Eine Frontlist ist die vom Verlag zusammengestellte Menge an geplanten Neuerscheinungen für jeden Programmbereich für das kommende Jahr. Für den Fall der Unter- oder Überproduktion werden Kompensationsmechanismen entwickelt, z. B. wenn die Frontlist Titel enthält, die entgegen der Annahmen nicht oder nicht unter einer Open-Access-Lizenz publiziert werden können. Für die transcript OPEN Library Politikwissenschaft bedeutet das, dass alle 20 geplanten politikwissenschaftlichen Titel des transcript Verlages des Jahres 2019 im Open Access erscheinen. Statt wie gewohnt die eBook-Lizenz zu erwerben, ermöglichen die teilnehmenden Bibliotheken über eine Gebühr im Crowdfunding-Modell die Open-Access-Veröffentlichung der gesamten Frontlist Politikwissenschaft 2019 des transcript Verlages. Die Erwerbungsmittel der Bibliotheken fließen so in die Finanzierung der freien Verfügbarkeit für alle statt nur in den Erwerb kostenpflichtiger eBooks für eine einzelne Bibliothek. Die Produktionskosten sowie die Kosten für die Open-Access-Version des Titels („first copy cost") werden von den AutorInnen über den Druckkosten-/AutorInnenzuschuss sowie durch die Bibliotheken finanziert.8 Dafür legt der Verlag die Kostenkalkulation so offen wie möglich dar.

Tabelle 1: Kostenkalkulation für ein Open-Access-eBook

Open Library Politikwissenschaft 2019
Gesamtbedarf pro Buch 7.100,00 €
AutorInnenzuschuss 2.500,00 €
Crowd 4.600,00 €
Gesamtkosten pro Buch über Crowd 4.600,00 €
Zuschuss FID (POLLUX) 50% 2.300,00 €
Restbedarf Crowd 2.300,00 €

Die Kalkulation ist auf Kostendeckung ausgelegt. Die Herstellungskosten für zusätzlich bereitgestellte Druckexemplare sollen sich durch den Verkauf dieser Exemplare selbst tragen. Das unternehmerische Risiko ist also, im Hinblick auf die Kostendeckung, für den Verlag nach erfolgreichem Abschluss des Crowdfundings gering. Hinzu kommt, dass Open-Access-Bücher eine größere Verbreitung als ihr Closed-Access-Pendant haben (gemessen anhand der Downloads) (Emery u. a. 2017; Ferwerda u. a. 2018) und dass Open Access somit einen zusätzlichen Vertriebskanal darstellt. Dennoch erwartet der transcript Verlag langfristig einen Rückgang der Verkaufszahlen der Printexemplare durch das veränderte Lese- und Kaufverhalten vor allem der sogenannten Digital Natives.

Um die Frontlist Open Access zu publizieren, kann ein formales Konsortium9 oder ein informelles Netzwerk gebildet werden, das die notwendigen Mittel unter den Bibliotheken einsammelt, bis die Gesamtsumme erreicht ist. Für das transcript OPEN Library Modell wurde ein informelles Netzwerk unter der Leitung des Fachinformationsdienstes (FID)10 Politikwissenschaft an der Staats- und Universitätsbibliothek Bremen gebildet. Der FID übernahm für 2019 auch die Hälfte des Paketpreises für die geplanten 20 politikwissenschaftlichen Titel (Gesamtpreis des 2019er Paketes: 92.000 €). Der Rest der Finanzierung wurde über den Intermediär Knowledge Unlatched durch die Beteiligung von Bibliotheken eingesammelt (sogenannte SponsorInnen). Alternativ konnten die Bibliotheken sich auch über einen der etablierten Bibliothekslieferanten (Dietmar Dreyer, Missing Link oder Schweitzer Fachinformation) zur Teilnahme verpflichten. Die Leistungen von Knowledge Unlatched und der weiteren Handelspartner werden dabei durch eine prozentuale Beteiligung an den Verlagseinnahmen gedeckt.11 Die Teilnahme über diese etablierten PartnerInnen hat den Vorteil, dass die Bibliotheken auf bekannte Bezugswege zurückgreifen können und somit keine Veränderung im bestehenden Workflow notwendig ist. Die Rückmeldungen der Teilnehmenden sowie die, an den Verlag weitergeleiteten, Rückfragen lassen darauf schließen, das die Beteiligung der verschiedenen Akteure insbesondere hinsichtlich bewährter Abrechnung (über Händler) und hinsichtlich der Möglichkeit, Fragen an einen neutralen Mittler (Nationaler Open-Access-Kontaktpunkt) richten zu können, begrüßt wird. Die Voraussetzung für das Gelingen der Beteiligung mehrerer Akteure ist die umfassende Information aller PartnerInnen über die genauen Konditionen des Modells.

Die finalen Konditionen für das Open-Access-Erscheinen der Frontlist hängen wesentlich von der Anzahl der mitfinanzierenden Einrichtungen ab. Um Planungssicherheit in die finanzielle Beteiligung der Bibliotheken zu bringen, wurde eine MindestsponsorInnenzahl (20 Einrichtungen) festgelegt, auf deren Basis der maximale Rechnungsbetrag kalkuliert wurde (mit FID-Beteiligung 2.300 € pro Einrichtung). Der endgültige Rechnungsbetrag reduziert sich anteilig, je mehr Einrichtungen sich an der Finanzierung beteiligen. Verpflichten sich weniger als 20 Einrichtungen zur Finanzierung, erfolgt keine Fakturierung und kein Open-Access-Erscheinen der Frontlist. Zur Erfüllung wissenschaftspolitischer Anforderungen (Etablierung von Open Access als Standard im wissenschaftlichen Publikationsprozess, Stärkung der Teilhabe an wissenschaftlichen Ergebnissen) und wenn der Autor/die Autorin zustimmt, wird Open Access als Standard-Publikationsmodus gesetzt. Bei der Finanzierung solcher Modelle spielen FIDs als Akteure der Open-Access-Transformation eine zentrale Rolle, unterstützt durch das Kompetenzzentrum für Lizenzierung (KfL 2019).

Um der Trittbrettfahrer-Problematik zu begegnen, werden dem nun öffentlichen Gut „Open-Access-eBook" Eigenschaften eines sogenannten Klubguts12 zugeschrieben. Dies geschieht bei der transcript OPEN Library durch folgende Maßnahmen:

  • Mit der Politikwissenschaft wurde eine Disziplin gewählt, deren Fachdiskurs im deutschsprachigen Raum typischerweise in deutscher Sprache erfolgt. So wird sichergestellt, dass öffentliche Mittel überwiegend der deutschsprachigen Wissenschaftscommunity zu Gute kommen.

  • Die mitfinanzierenden Einrichtungen erhalten auf Wunsch ein Print-Exemplar von jedem Titel aus der Frontlist für ihren Bibliotheksbestand.

  • Der FID und die mitfinanzierenden Einrichtungen treten als SponsorInnen auf. Im Rahmen des Sponsorings werden z. B. die fördernden Einrichtungen in allen Versionen der Publikation (print und digital) sowie in den Metadaten aufgeführt und deren jeweilige Logos prominent auf der Buch-Detailseite des Verlags platziert. So soll eine Verbindung zu den Finanzierenden hergestellt werden. Der FID und die mitfinanzierenden Einrichtungen gewinnen damit an Sichtbarkeit und Renommee als Open-Access-UnterstützerInnen, auch über die Finanzierung einrichtungsbezogener Publikationen (z. B. APC-Übernahme für Corresponding Authors) hinaus.

  • Die SponsorInnen erhalten Metadatenlieferungen der Titel für ihren Katalog.

Diese Klubguteigenschaften fungieren als positive Anreize für die Beteiligung der Bibliotheken an der Finanzierung und verringern somit zum Teil das Trittbrettfahrerproblem. Die, im Vergleich zu den üblichen BPCs, extrem niedrigen Open-Access-Kosten verringern zugleich den Anreiz, als TrittbrettfahrerIn Nutzen aus dem Einsatz der SponsorInnen zu ziehen.

Um auch kleineren Einrichtungen (wie z. B. Fachhochschulen, Behördenbibliotheken etc.) die Teilnahme am Konsortium zu ermöglichen, haben diese die Möglichkeit, das Angebot Sponsoring Light in Anspruch zu nehmen, was bedeutet, dass nur die Hälfte des regulären Beitrags zu bezahlen ist. Im Gegenzug wird die Präsentation als „Enabler" auf einen Eintrag in einer SponsorInnenliste begrenzt. Den kleineren Einrichtungen steht es selbstverständlich frei, zu den o. g. regulären Bedingungen teilzunehmen.

2.2 Erfolgreiche Finanzierung und finale Konditionen

Das transcript OPEN Library Politikwissenschaft Modell wurde im Jahre 2018 entwickelt und etabliert. Im Frühjahr 2018 haben der Nationale Open-Access-Kontaktpunkt OA2020-DE, der transcript Verlag und Knowledge Unlatched mit der Bewerbung des Modells begonnen und es sowohl online als auch auf verschiedenen Veranstaltungen präsentiert. Im August 2018 hatte mehr als die Hälfte der MindestteilnehmerInnen ihre Beteiligung zugesagt. Ende 2018 finanzierte das informelle SponsorInnennetzwerk bestehend aus dem FID Pollux und 45 beteiligten wissenschaftlichen Bibliotheken die Publikation der 20 Open-Access-eBooks. Der FID trug dabei die Hälfte des gesamten Paketpreises (Gesamtpreis: 92.000 €, Anteil FID: 46.000 €) und die andere Hälfte verteilte sich anteilig auf 43 VollsponsorInnen und 2 Sponsoring-Light-Einrichtungen. Die entstandenen Kosten wurden durch den kalkulierten Bedarf gedeckt, der tatsächlich berechnete AutorInnenzuschuss ist im Durchschnitt etwas geringer ausgefallen als erwartet.

Tabelle 2: Aufschlüsselung der finanziellen Beteiligung der Crowd für das Frontlist-Paket 2019

Im Jahr 2019 wurden somit 20 politikwissenschaftliche eBooks von transcript als Open-Access-Bücher mit den folgenden Features publiziert:

  • Zugänglichkeit

  • Nachnutzbarkeit

  • Referenzier- und Auffindbarkeit

  • Langzeitverfügbarkeit

  • Dissemination

Während der Pledging-Periode wurde stark darauf geachtet, Transparenz bezüglich des Geschäftsmodells, der Preisstruktur und der enthaltenen Service-Leistungen herzustellen. Auf den Webseiten des transcript Verlages (und auf denen des Nationalen Open-Access-Kontaktpunktes) findet man daher eine Erläuterung des Modells sowie eine Übersicht aller Beteiligten wissenschaftlichen Bibliotheken (transcript 2019). Diese öffentlich dauerhaft verfügbaren Informationen enthalten u. a. den Preis für das Paket, den Anteil des FIDs Pollux, welche Bibliotheken eine finanzielle Beteiligung zugesagt haben (nahezu in Echtzeit aktualisiert) und ob sie sich im Rahmen eines Vollsponsoring oder Sponsoring Light beteiligt. Dadurch kann jede mitfinanzierende Bibliothek und jede/r Interessierte die finalen Konditionen für jede Einrichtung sowie den Umsatz für den Verlag kalkulieren. Während der Modellentwicklung haben OA2020-DE, transcript und Knowledge Unlatched außerdem gemeinsam Kriterien für die Open-Access-Stellung von eBooks entwickelt (Pieper u. a. 2018), die mit Hilfe der deutschsprachigen Open-Access-Community sowie dem konstruktiven Feedback13 der AG Universitätsverlage überarbeitet und finalisiert wurden. Diese Qualitätsstandards zeigen den interessierten Bibliotheken, AutorInnen und LeserInnen, welche Services sie von Verlagen in Bezug auf Open-Access-Bücher erwarten können.

2.3 SWOT-Analyse

Nach dem erfolgreichen Abschluss der Pledging-Periode wurde Anfang 2019 das Modell einer SWOT-Analyse unterzogen, um daraus für die nächsten Schritte und eine Weiterentwicklung des Modells zu lernen.

2.3.1 Interne Stärken

Das Modell transcript OPEN Library Politikwissenschaften eignet sich in erster Linie für Disziplinen, in denen die wissenschaftliche Kommunikation über Bücher und oft auch in der lokalen Sprache bzw. in einem „regionalen" Kontext stattfindet. Es bildet aus den einzelnen, am Publikationsprozess beteiligten Akteuren (AutorInnen, Bibliotheken, Verlage, Intermediäre und FIDs) ein Netzwerk, dessen Zusammenarbeit sich zu einer Community entwickeln und so soziales Kapital für die Gemeinschaft generieren kann. In Kooperation mit den Fachgesellschaften lässt sich das Modell dann auch großflächiger ausrollen als bisher. Starke Verbindungen zwischen den PartnerInnen sowie eine offene Kommunikation über die Rahmenbedingungen und finanziellen Konditionen garantieren faire Kooperationen und Bepreisung. Außerdem erhalten finanziell beteiligte Bibliotheken exklusive Benefits, sodass die Trittbrettfahrer-Problematik reduziert wird.

Eine weitere Stärke sind die einfachen Workflows im Modell. AutorInnen müssen sich (abgesehen vom Druckkosten-/AutorInnenzuschuss) nicht mit Book Processing Charges sowie Förderrichtlinien und -möglichkeiten beschäftigen und Verlage können ihren Betrieb (abgesehen von der Finanzierungsseite) wie gewohnt durchführen. Durch das Angebot einer kompletten Frontlist ist eine Titelauswahl unnötig und das Risiko für Bibliotheken, nur schlecht nachgefragte Titel zu erhalten, wird deutlich gesenkt. Außerdem ergibt sich aus dem Fokus auf einen Programmbereich eines Verlages ein kohärentes, d. h. thematisch und geografisch zusammenhängendes Literaturportfolio. Schlussendlich wurde das Modell so konzipiert, dass es skalierbar ist. Es transformiert eBooks und Bibliotheksetats von den bisherigen Erwerbungsmodellen zu Open Access ohne die Dimension der beiden Komponenten zu verändern. Bibliotheken erhalten das „gleiche" Buch vom gleichen Verlag wie vorher, ohne exorbitante Preissteigerungen für einen Titel tragen zu müssen, wie es bei herkömmlichen BPC-Modellen oft der Fall ist. Ganz im Gegenteil liegen die Kosten pro eBook-Titel realistisch gesehen eher bei seinem Closed-Access-Pendant, kombiniert mit den Mehrwerten, die eine Open-Access-Version mit sich bringt. Es bedarf also weder neuer finanzieller Mittel noch signifikanter Änderungen in den Workflows, sofern sich eine vergleichsweise große Anzahl an Einrichtungen auch bei zukünftigen Finanzierungsrunden beteiligt.

2.3.2 Interne Schwächen

Die Abhängigkeiten und die (bisher) fehlende längerfristige Bindung der teilnehmenden Einrichtungen innerhalb des informellen Konsortiums sind eine deutliche Schwäche des Modells. Es funktioniert nur dann langfristig, wenn sich ausreichend viele Bibliotheken und andere Förderer dauerhaft beteiligen und diese Beteiligung an eine entsprechende Finanzierungszusage gekoppelt ist. Ohne die finanzielle Beteiligung durch einen Fachinformationsdienst könnten außerdem der Paketpreis oder die MindestteilnehmerInnenmenge zu hoch sein oder die Titelmenge zu klein. Manche Bibliotheken beklagten weiterhin, dass sie nicht in der Lage sind, die Open-Access-Publikation von 20 politikwissenschaftlichen Titeln des transcript Verlages zu unterstützen, weil das ihre bisher in diesem Fachbereich und von diesem Verlag erworbene Titelmenge bei weitem übersteigt. Ein weiterer Punkt, der als Schwäche ausgelegt werden kann, ist die Beibehaltung des Zuschusses durch die AutorInnen. Zurzeit ist dieser notwendig, damit die Bücher bei Nichtzustandekommen einer Open-Access-Finanzierung dennoch publiziert werden können. Im Zuge der Weiterentwicklung des Modells werden jedoch Wege gesucht, die Kostendeckung und Planbarkeit auf andere Arten sicherzustellen.14 Weiterhin funktioniert das Modell vor allem für eBooks, die sich in erster Linie an die Wissenschaft und kaum an eine breitere Zielgruppe richten. Das liegt daran, dass das Finanzierungsmodell vollständig auf den Erwerbungsbudgets der Bibliotheken basiert. Sollten Verlage einen großen Teil ihrer Einnahmen durch Verkäufe der Closed-Access-Titel außerhalb der Bibliotheken erzielen, werden sie darauf nicht (ohne Gegenleistung der Bibliotheken) verzichten wollen. Hinzu kommt, dass solche Titel für Bibliotheken möglicherweise kaum oder gar nicht von Interesse sind. Das kann dazu führen, dass Bibliotheken mehr für eine Open-Access-Version des eBooks zahlen müssten oder sie bzw. der Verlag ein solches Open-Access-Modell überhaupt nicht in Betracht ziehen. Beide Varianten würden den Erfolg des Modells schwächen. Als weitere Schwäche kann man den Balanceakt zwischen der Wahrung der Betriebsgeheimnisse des Verlages und der Offenlegung der Preis- und Servicestruktur sehen. Als letzte Schwäche sei an dieser Stelle noch der Planungsrhythmus beim Verlag genannt, der dazu führt, dass die genaue Titelauswahl erst nach Zustandekommen der Förderung bekannt ist.

2.3.3 Externe Chancen

Nach der erfolgreichen Finanzierung des Pilotmodells für 2019 haben OA2020-DE und der transcript Verlag einen Community-Building-Prozess gestartet, um AutorInnen, Bibliotheken, Verlage, Händler, Intermediäre etc. als „ErmöglicherInnen" (Enabler) von Open-Access-Publikationen zusammen zu bringen. Das bietet die Möglichkeit, einen community-basierten und -organisierten wissenschaftlichen Kommunikationsprozess zu starten (Jobmann 2019). Weitere Chancen liegen in der freien (Nach-)nutzbarkeit der Publikationen durch die Verwendung von Creative-Commons-Lizenzen inklusive der Messbarkeit der damit verbundenen positiven Effekte wie erhöhte Downloads, Zitierungen etc., der Sichtbarkeit der mitfinanzierenden Bibliotheken in diesem Kontext durch das Sponsoring, die Verankerung des Fachinformationsdienstes in dem fachspezifischen Open-Access-Publikationsprozess und die Verortung der Bibliotheken in dem Netzwerk aus AutorInnen, Verlagen, der Wissenschaftscommunity und der Öffentlichkeit. Als dezidiertes Open-Access-Publikationsprojekt besteht in einzelnen Fällen (so es sinnvoll ist) die Möglichkeit, gleichzeitig eine Übersetzung z. B. ins Englische zu erstellen. Das bietet dem Titel eine weitergehende Dissemination und die Erstellung der Übersetzung in Kooperation mit dem Verlag beugt unautorisierten Missbrauch bzw. falsche Auslegung vor. Die zusätzlichen Kosten könnten ebenfalls auf alle SponsorInnen aufgeteilt und so niedrig gehalten werden. Alternativ könnte dies auch als zusätzliches Pledging-Modul angeboten werden, d. h., wenn sich genug SponsorInnen finden, erscheint parallel zum originalsprachlichen Titel die Übersetzung gleich mit.

2.3.4 Externe Risiken

Die Bindung der Bibliotheksbudgets durch Big Deals im Zeitschriftenbereich, wie z. B. dem DEAL-Wiley-Vertrag oder andere Abkommen mit STM-Verlagen, bzw. APC-Modelle stellen ein großes Risiko nicht nur für das OPEN Library Modell, sondern für alle kleinen und mittelständischen Verlage und Projekte ohne finanzielle Beteiligung durch die AutorInnen dar. Zurzeit liegt der Fokus der Bibliotheken und Forschungsförderer außerdem mehr auf Zeitschriften denn auf Büchern. Insofern stellen Open-Access-Mandate im Zusammenhang mit Plan S oder ähnlichen Veränderungen in der Wissenschaftspolitik ebenfalls ein Risiko für die Entwicklung alternativer, nicht-AutorInnen-finanzierter Open-Access-Publikationsmodelle dar.15

2.4 Mögliche Modifikationen des Modells

Nach dem Dafürhalten der Autorinnen dieses Beitrags eignet sich das Modell transcript OPEN Library Politikwissenschaft vor allem für die Geistes- und Sozialwissenschaften mit regionsspezifischen Eigenheiten (in lokaler Sprache statt in Englisch geschrieben, Behandlung lokaler Themen). Nichtsdestotrotz kann es einen Versuch wert sein, dieses Modell auch für englischsprachige Monographien und Sammelwerke mit internationaler LeserInnenschaft zu testen. Möglicherweise lässt es sich sogar auf die Bereiche Rechtswissenschaft und Naturwissenschaften adaptieren. Im Gegensatz zu den Geistes- und Sozialwissenschaften spielen jedoch Honorare für AutorInnen bei den Rechtswissenschaften eine große Rolle und die Publikationen richten sich nicht nur an WissenschaftlerInnen sondern vor allem auch an PraktikerInnen. Im naturwissenschaftlichen Bereich findet die wissenschaftliche Kommunikation vorrangig über Zeitschriftenartikel und Konferenzbeiträge statt. Daher sind eBooks hier vor allem Lehrbücher und Handbücher, die einen spezifischen Markt bedienen und für deren Öffnung bisher kein wissenschaftspolitisches Mandat vorliegt16.

Das transcript OPEN Library Politikwissenschaft lässt sich dennoch an die Bedürfnisse anderer Verlage und Disziplinen anpassen, wenn bestimmte Faktoren berücksichtigt werden. Die grundlegenden Parameter sind:

  • Inhaltliche und wenn möglich finanzielle Beteiligung eines Fachinformationsdienstes (FIDs) und/oder Forschungsförderers,

  • Anzahl der Front-List-/ Paket-Titel und evtl. Möglichkeiten der Mitbestimmung bei der Titelauswahl durch die Förderer,

  • Mindestanzahl an mitfinanzierenden Bibliotheken,

  • Höhe der Book Processing Charges/ Preis pro Titel,

  • Höhe des Druckkosten-/AutorInnenzuschusses,

  • Transparenz bei den Kosten und der Leistung.

Die generelle Empfehlung lautet, das Minimum an SponsorInnen so anzusetzen, dass der maximale Preis pro Titel für jede beteiligte Einrichtung das Doppelte des Ladenpreises des regulären eBooks nicht überschreitet.

3 Beurteilung des Modells durch die TeilnehmerInnen

Im Anschluss an die erfolgreiche Pledging-Periode wollten der Kontaktpunkt OA2020-DE und der transcript Verlag wissen, aus welchen Gründen sich die wissenschaftlichen Einrichtungen letztlich an dem Modell beteiligt haben und entwarfen eine Umfrage, um sowohl Motivation als auch Kritik und etwaige Wünsche für eine Weiterentwicklung zu erfassen. Von den im Frühjahr 2019 angeschriebenen 44 Bibliotheken plus FID (ohne Harvard University) haben sich 26 an der Umfrage beteiligt (Rücklaufquote von 57 %). Neben der Frage nach dem Beteiligungsgrund, wurde die Zufriedenheit der Einrichtungen mit dem Modell an sich und der Größe des Paketes erfragt und ob sie sich als SponsorInnen ausreichend gewürdigt sehen.

Abb. 1: Ergebnis der Einstiegsfrage: Aus welchen Gründen haben Sie sich für eine Teilnahme an dem Pilotprojekt „OPEN Library Politikwissenschaft" entschieden?

Der Großteil der Einrichtungen kannte den transcript Verlag schon, fand das Modell überzeugend und wollte den eigenen WissenschaftlerInnen ein Angebot für Open Access in den Geistes- und Sozialwissenschaften machen. Alle schätzen Open Access als eine wichtige Entwicklung ein und wollen die Open-Access-Transformation daher unterstützen.

Abb. 2: Ergebnis zur Frage: Bitte teilen Sie uns mit, aus welchem Etat das Projekt finanziert wurde.

Die Antwort auf die Frage, aus welchem Etat die Sponsoren ihre Teilnahme finanziert haben, hat besondere Relevanz für die Fortsetzung und Weiterentwicklung des Modells. Der größere Teil der Sponsoren (70%) hat das Projekt aus Erwerbungsmitteln finanziert.

Besonders hervorgehoben wurden die finanzielle Attraktivität und der überzeugende Preis. Mit dem Modell zufrieden bzw. sehr zufrieden sind 85 % der Befragten, und auch die Paketgröße wurde mehrheitlich als angemessen eingeschätzt (80 %). Hier wurde deutlich, dass die Integration von Pick & Choose in ein solches Modell seine Attraktivität zwar erhöhen kann, sich aber nur schwer mit der verlegerischen Praxis der Frontlistproduktion vereinbaren lässt, da das gesamte Titelportfolio des Programmbereichs dafür schon vor Beginn der Förderperiode feststehen müsste. Die Programmplanung der meisten geisteswissenschaftlichen Fachbuchverlage aus dem deutschsprachigen Raum wird erst im ersten Quartal des laufenden Jahres abgeschlossen und damit erst nach Abschluss der Förderperiode. Eine Ausweitung der Paketlaufzeit über mehrere Jahre (z. B. drei Jahre) wird sehr unterschiedlich aufgenommen. Fast die Hälfte (12 Einrichtungen) hält das für denkbar, die andere Hälfte ist gleichmäßig zwischen Ablehnung und „keine Angabe" aufgeteilt. Tendenziell sind die Einrichtungen zwar dafür, aber es gibt keine klare Mehrheit. Die Darstellung als SponsorInnen (bzw. „Enabler") durch eine Übersichtsseite beim Verlag und die Auflistung in den Titeldaten des einzelnen Buches fanden 70 % ausreichend. Alle TeilnehmerInnen fühlten sich außerdem durch die Informationsseiten gut informiert, wobei die meisten zuerst durch Knowledge Unlatched vom Projekt erfahren haben, die das erste Mailing verschickt hatten. Gewünscht wurde, dass es während der Pledging-Phase immer wieder gebündelte Informationen zum aktuellen Stand der TeilnehmerInnen bzw. zum Stand des aktuellen Preises gibt. Künftig wird, sobald das Titelpaket feststeht, eine vollständige Liste mit allen gewünschten Daten an die TeilnehmerInnnen verschickt.

Bezüglich der Fortführung bzw. Weiterentwicklung des Pilotprojektes transcript OPEN Library Politikwissenschaft sind 73 % sowohl einem verlagsbezogenen als auch einem verlagsübergreifendem Paket gegenüber aufgeschlossen, sodass eine grundsätzliche Offenheit für gemischte Pakete mehrerer Verlage konstatiert werden kann.

Im Anschluss wurden bei der Benennung weiterer Fachdisziplinen für die Adaption des Modells in erster Linie die Disziplinen Soziologie, Medienwissenschaften, Kulturwissenschaften und Geschichtswissenschaften ausgewählt.

Abb. 3: Ergebnis zur Frage: Den Open Access Flip welcher weiteren Fachbereiche aus dem transcript Programm würden Sie unterstützen? (Mehrfachnennungen möglich)

4 Erfolgreiche Wiederholung des Modells im Folgejahr und Lessons Learned

Das Modell der transcript OPEN Library wurde von den AutorInnen, Bibliotheken und weiteren Verlagen mit Interesse aufgenommen. Im Laufe des Jahres 2019 fanden daher Gespräche mit weiteren kleinen bis mittelständischen Verlagen in Deutschland über eine Adaption des Modells auf bestimmte geistes- und sozialwissenschaftliche Disziplinen ihres Verlagsprogrammes statt. So hat z. B. der Verlag wbv media das Modell für seine Programme Erwachsenenbildung und Berufs- und Wirtschaftspädagogik angepasst und Anfang September die Pledging-Periode dafür gestartet (wbv media 2019). Auch De Gruyter hat das Modell auf seine Programmbereiche Literaturwissenschaft, Philosophie, Altertumswissenschaften und Jüdische Studien angewandt und mit einer konsortialen Finanzierung, organisiert durch die Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen, angeboten (De Gruyter 2019). Von diesen Paketen konnte jedoch nur das zu den Jüdischen Studien erfolgreich umgesetzt werden. Bei den anderen drei Paketen kam die Mindestbeteiligung nicht zustande.

Weiterhin gab es eine erfolgreiche Fortführung der transcript OPEN Library Politikwissenschaft für die Frontlist 2020, die das Feedback der teilnehmenden Einrichtungen aus der Umfrage berücksichtigte. So wurde u. a. eine weitere Preisstufe, das Mikrosponsoring, eingerichtet, das mit einer frei wählbaren, aber mindestens 300€ betragenden Summe auch kleineren Einrichtungen wie Regional- und Spezialbibliotheken die Unterstützung des Modells ermöglichen sollte. Diese Preisstufe wurde von zwei Einrichtungen genutzt. Um der aus Erfahrungswerten erwartbaren, dynamischen Entwicklung des Programmbereichs Rechnung zu tragen, wurde die zu fördernde Titelanzahl von 20 auf 22 erhöht. Der durchschnittlich veranschlagte AutorInnenzuschuss wurde in derselben Höhe wie 2018 beibehalten, dafür konnte die benötigte Open-Access-Gebühr dank der insgesamt gestiegenen Anzahl von Open-Access-Publikationen im transcript Verlag und der damit verbundenen Verteilung der Open-Access-spezifischen Kosten auf mehrere Titel etwas gesenkt werden. (Von 4.600 € auf 4.400 €). Der FID Politikwissenschaft hat sich erneut zur Beteiligung verpflichtet. Mit Blick auf die Nachhaltigkeit des Modells, das sich idealerweise auch ohne Zuschuss des FIDs tragen können sollte, haben Verlag und FID eine längerfristige Zusammenarbeit im Rahmen eines sogenannten „Sliding Scale-Modells" vereinbart, das zum einen eine sinkende Unterstützung durch den FID vorsieht, gleichzeitig aber auch die steigende Beteiligung von anderen Förderern voraussetzt.

Tabelle 3: Entwicklungsstufen des sogenannten “Sliding-Scale”-Modells

Angesichts der TeilnehmerInnenzahl für die Pakete 2019 und 2020 scheint die Planung realistisch. Sollte die erwartete TeilnehmerInnenzahl unterschritten werden, muss der Verlag von fehlender Akzeptanz ausgehen, die nicht von einem höheren Zuschuss des FID kompensiert werden sollte.

Auch in der zweiten Runde wurde die erforderliche TeilnehmerInnenzahl überschritten und der Startpreis dadurch abgesenkt. Daraus ergeben sich für das Frontlist-Paket 2020 folgende Konditionen:

Tabelle 4: Aufschlüsselung der finanziellen Beteiligung der Crowd für das Frontlist-Paket 2020

Wie im vorangegangenen Jahr haben sich 46 UnterstützerInnen gefunden, die Zusammensetzung hat sich im Vergleich zum Vorjahr jedoch geändert. Neu hinzugekommen sind zwei „MikrosponsorInnen“. Unter den beiden TeilnehmerInnen des „Sponsoring Lights” gab es keine Veränderung. Fünf VollsponsorInnen aus 2019 haben sich nicht erneut beteiligt, dafür sind für das Paket 2020 vier neue VollsponsorInnen hinzugekommen. Die Gründe, die einer erneuten Teilnahme entgegenstanden, sind nur in einem Fall an den Verlag herangetragen worden. Hier gab der erhobene AutorInnnenzuschuss den Ausschlag für die Ablehnung des Modells.

Anhand der Rückmeldungen im Laufe der Finanzierungsperiode lässt sich vermuten, dass der AutorInnenzuschuss einer der Hauptkritikpunkte am Modell ist. Ein Wegfall des AutorInnenzuschusses wäre auch aus Verlagssicht wünschenswert. Ein Verzicht ist jedoch aus mehreren Gründen schwer umzusetzen. Zum einen ermöglicht der Zuschuss dem Verlag die Planung der Novitäten unabhängig vom Gelingen des Crowdfundings. Bei Nichtgelingen der Finanzierung über die Gemeinschaft erscheint das Buch als kostenpflichtiges eBook. Diese Planungssicherheit ist für notwendige verlässliche Vereinbarungen mit den AutorInnen unabdingbar. Des Weiteren decken die AutorInnenzuschüsse die Aufwände für die Herstellung der Druckausgabe (nicht die Druckkosten), also einen Kostenpunkt, der von einigen FördererInnen grundsätzlich abgelehnt wird. Ein Verzicht auf eine Druckausgabe widerspricht jedoch den Wünschen der AutorInnen und ist auch aus Verlagssicht unattraktiv, da das gedruckte Buch immer noch das Format erster Wahl, u. a. für Rezensionsexemplare ist und darüber hinaus dem LeserInnenwunsch nach verschiedenen Angeboten an Rezeptionsmöglichkeiten nachkommt. Ein Verzicht auf AutorInnenzuschüsse setzt also zum einen die Bereitschaft der FörderInnen voraus, einen höheren Zuschuss zu leisten, zum anderen muss die Teilnahmezusage der FörderInnen zu einem deutlich früheren Zeitpunkt erfolgen, als dies derzeit der Fall ist. Dies ließe sich am besten durch eine mehrjährige Teilnahmeverpflichtung umsetzen.

Ein weiterer, häufig vorgebrachter Kritikpunkt ist die Unsicherheit der genauen Zusammensetzung der Titelliste. Diesen Kritikpunkt hat der Verlag antizipiert und ist daher zu Beginn des Projekts (2018) mit der Bereitstellung der gesamten Backlist Politikwissenschaft (sofern diese nach Prüfung der übertragenen Rechte und nach Rücksprache mit den UrheberInnen dafür zur Verfügung standen) in Vorleistung gegangen. Damit sollte zum einen die Kooperationsbereitschaft des Verlags signalisiert werden, zum anderen sollte die freie Verfügbarmachung den potentiellen FörderInnen die Prüfung der generellen Qualität der Publikationen des Programmbereichs ermöglichen. Trotz dieses Angebots scheint die späte Bekanntmachung der Titelliste eine hohe Hürde für die Verstetigung des Modells zu sein. Das Publikationsverhalten der AutorInnen sowie der Planungsrhythmus, nach dem die Veröffentlichung der Titel des laufenden Jahres erst im ersten Quartal des Jahres als gesichert einzustufen ist, ist verlagsübergreifender Standard. Auch wenn sich die Planungsweise durch das Modell schon jetzt anpasst hat, ist in näherer Zukunft nicht mit einer signifikanten Änderung zu rechnen. D. h., auch in Zukunft wird nur ein kleiner Teil der zu fördernden Bücher bekannt sein. Entscheidungsfördernde Informationen (wie z.B. die Beteiligung institutionsangehöriger AutorInnen) stehen damit kaum zur Verfügung.

5 Fazit

Die Teilnahme von mehr als doppelt so viel Bibliotheken wie benötigt hat gezeigt, das Crowdfunding-Projekte im Bereich der Open-Access-Transformation von Monographien und Sammelwerken durchführbar sind, wenn sie bestimmte Kriterien erfüllen und die Rahmenbedingungen berücksichtigt werden. Die flexible Anwendbarkeit des Crowdfunding-Modells in verschiedenen länder- und disziplinspezifischen Umgebungen ermöglicht es allen am Publikationsprozess beteiligten Akteuren, Open-Access-Projekte in kooperativen oder kollektiven Ansätzen durchzuführen. Die direkte Beteiligung von Bibliotheken und Forschungseinrichtungen sowie Hochschulen an dem Publikationsprozess kann ihren Einfluss auf das Ökosystem des wissenschaftlichen Publizierens stärken. Solche kollaborativen Modelle haben außerdem das Potential, die Neubewertung bestehender Veröffentlichungspraktiken im disziplinären Kontext zu initiieren und die Publikationslandschaft radikal zu verändern.

Open Access verfolgt das Ziel, die Chancen der Digitalisierung für AutorInnen, Verlage und Bibliotheken gleichermaßen zu nutzen. Mit Hilfe von nachhaltigen und transparenten Angeboten auf Seiten der Verlage sowie der finanziellen Beteiligung durch Bibliotheken ergeben sich für alle Akteure neue Möglichkeiten zur Positionierung im wissenschaftlichen Publikationssystem. Die Vielheit von Akteuren in der Welt des geistes- und sozialwissenschaftlichen Publizierens bietet die Möglichkeit etwas zu formen, das Vorteile für alle Beteiligten mit sich bringt sowie Bibliotheken und Verlagen in neuer partnerschaftlicher Konstellation eine Zukunftsperspektive aufzeigt.

6 Quellen

Becerril-Garcia, Arianna 2019. AmeliCA vs Plan S: Same target, two different strategies to achieve Open Access. http://amelica.org/index.php/en/2019/02/10/amelica-vs-plan-s-same-target-two-different-strategies-to-achieve-open-access/ [Stand 2020-02-13].

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  1. Plan S – Making full and immediate Open Access a reality. https://www.coalition-s.org/↩︎

  2. Open Access 2020 – Today’s scholarly journals open, re-usable, sustainable. https://oa2020.org/↩︎

  3. Siehe hierzu z. B. Mattering Press (https://www.matteringpress.org/about/funding-model-and-fees) oder punctum books (https://punctumbooks.com/submit/). Wise & Estelle (2019) haben insgesamt 27 unterschiedliche Open-Access-Geschäftsmodelle ausgemacht, von denen allerdings nur drei auf der Entrichtung von Publikationsgebühren durch AutorInnen basieren.↩︎

  4. Das Trittbrettfahrerproblem bezeichnet ein Problem kollektiven Handelns, das bei der Nutzung von Gemeingütern auftreten kann, wenn Personen, Unternehmen oder Einrichtungen den Nutzen eines Gutes ohne Gegenleistung erlangen. Dieses Problem tritt im Kontext von öffentlichen Gütern (also z. B. bei Open-Access-Publikationen) und Allmendegütern verstärkt auf.↩︎

  5. http://www.knowledgeunlatched.org/ku-select-library-info/↩︎

  6. Die Frontlist ist eine Liste mit Neuerscheinungen eines Jahres in einem Verlag.↩︎

  7. Alle Erläuterungen zu dem Modell beziehen sich auf den im Jahr 2018 durchgeführten Piloten.↩︎

  8. Eine Darstellung der Kalkulation zur Finanzierung, d. h. der Kosten aus Sicht der Bibliotheken und der AutorInnen findet sich in Jobmann 2018, S. 105.↩︎

  9. Ein Konsortium ist ein vorübergehender Zusammenschluss von Unternehmen (oder Einrichtungen) zur gemeinsamen Durchführung eines größeren Geschäfts. Ein solches Konsortium hat einen Konsortialführer und es endet, wenn das Konsortialgeschäft abgewickelt ist. Als Beispiel sei an dieser Stelle das Niedersachsen-Konsortium an der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen, zur Sicherung der Informationsversorgung der dort vertretenen Hochschulen, erwähnt.↩︎

  10. Das System Fachinformationsdienste für die Wissenschaft ist ein Förderprogramm für wissenschaftliche Bibliotheken der Deutschen Forschungsgemeinschaft, das Informationsinfrastrukturen für die Forschung stärken und verbessern soll. Das Ziel der Fachinformationsdienste ist es, WissenschaftlerInnen einen schnellen und direkten Zugriff auf Spezialliteratur und forschungsrelevante Informationen zu ermöglichen.↩︎

  11. Die Höhe der Beteiligung unterliegt dabei den Verschwiegenheitsklauseln der verschiedenen Vertragsvereinbarungen zwischen Verlag und Dienstleistern.↩︎

  12. Als Klubgut werden Güter bezeichnet, bei denen Ausschließlichkeit im Konsum oder von der Nutzung möglich ist und keine oder eine nur geringe Rivalität im Konsum vorliegt.↩︎

  13. https://blog.bibliothek.kit.edu/ag_univerlage/?p=1974↩︎

  14. Eine Möglichkeit besteht darin, dass Forschungsförderer und die Einrichtung des Autors/ der Autorin, sich diese Kosten teilen (siehe dazu z. B. das schwedische Agreement zwischen Universitäten und Förderern: https://www.kb.se/samverkan-och-utveckling/nytt-fran-kb/nyheter-samverkan-och-utveckling/2019-06-25-%E2%80%8Buniversities-and-funders-share-cost-of-publishing-in-new-agreement.html)↩︎

  15. Siehe dazu u. a. DARIAH-EU (2018), Becerril-Garcia (2019), Ernst (2019), Schulte (2019) Lombardo u. a. (2019) sowie Lange (2019).↩︎

  16. Zum Thema Öffnung von Lehrbüchern gibt es vor allem in den USA Bestrebungen, diese in Form von Open Textbooks zu erstellen und zu veröffentlichen. Als Beispiele seien hier die Open Textbook Library (https://open.umn.edu/opentextbooks), die Open Textbook Initiative (https://aimath.org/textbooks/) und das UK Open Textbook Project (http://ukopentextbooks.org/) genannt.↩︎


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