Die eigenständige Fortbildung im Lockdown: Mögliche Themen und Aufträge

DOI: https://doi.org/10.11588/ip.2021.1.77808

Markus PUTNINGS

Die eigenständige Fortbildung im Lockdown: Mögliche Themen und Aufträge

Zusammenfassung

Im Lockdown können nicht alle Bibliotheksangestellten ihre Tätigkeiten in Telearbeit ausführen. Der Artikel gibt eine Liste möglicher Fortbildungsthemen für betroffene Personen. Die Themen werden grob anhand vier Bereiche gegliedert: Open Science, Software, Kommunikation und Engagement. Je nach Affinität zu diesen Bereichen, technischer Ausstattung im Home-Office oder individuellen (z.B. IT-)Kompetenzen können Betroffene oder deren Vorgesetzte die Art und Tiefe der Fortbildung festlegen. Der Fokus liegt hierbei auf einer möglichst einfachen und eigenständigen Fortbildung über frei zugängliche Quellen.

Schlüsselwörter

Fortbildung, Arbeitsthemen und -aufträge, Lockdown

Autonomous learning during lockdown: A collection of possible topics and assignments

Abstract

In lockdown, not all library staff can telework their normal activities. The article provides a listing of possible training topics for affected employees. These are roughly divided into four areas: open science, software, communication, and engagement. Depending on the affinity for these areas, technical equipment at home or individual (e.g. IT) skills, those or their supervisors can determine the type and depth of the training. The focus is on making training as simple and autonomous as possible via freely accessible sources.

Keywords

autonomous learning, training topics and assignments, lockdown


Veröffentlichung: 07.03.2021 in Informationspraxis Bd. 7, Nr. 1 (2021)


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

Gemäß den Vorgaben des Bayerischen Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst und des Bayerisches Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege mussten wissenschaftliche Bibliotheken in Bayern 2020 wegen der Corona-Pandemie zunächst Mitte März und jüngst wieder ab Kalenderwoche 51 für den Publikums- und Lesesaalverkehr schließen.1

In der Folge davon gingen viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Telearbeit, zum Teil auch solche, deren Arbeitsschwerpunkte wenig oder nicht geeignet für Telearbeit sind. Gleiches galt für studentische Hilfskräfte z.B. für den Thekendienst.

Für diese werden im Folgenden mögliche Fortbildungsthemen/-aufträge zur weiteren eigenständigen Beschäftigung im “Home-Office” identifiziert und gruppiert.

Die Liste umfasst Themen, die vom Autor Mitte März für seine Zweig- und Teilbibliotheken gesammelt wurden, aber auch externe Anregungen, v.a. die gemeinschaftliche Sammlung “Home Office – Was sind Ihre/Eure Aufgaben?” auf Bibliothekarisch.de. Mutmaßlich gibt es daneben weitere Sammlungen intern an diversen Häusern, wie man z.B. Erfahrungsberichten rund um Corona entnehmen kann:

“Für Mitarbeiter/-innen, deren Tätigkeiten im Zeitraum der Schließung nicht notwendig sind, wurde eine Sammlung mit Fortbildungsangeboten von bibliothekarischen Themen bis hin zu Sprachkursen eingerichtet, die in Eigenverantwortung wahrgenommen werden sollen.” (Eigenbrodt u.a., 2020)

Die Fortbildungsaufträge können strategisch auf Direktionsebene, aber auch jeweils untergeordnet auf Abteilungs-, Zweigbibliotheks- und/oder Teilbibliotheksebene angeboten werden. Zusätzlich kann die Liste betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern als Ideengeber dienen, um proaktiv auf ihre Vorgesetzten zuzugehen.

Die nachfolgende Liste hat den Fokus primär auf einen technisch und organisatorisch einfachen und eigenständigen Wissenserwerb, z.B. mittels frei im Internet zugänglichen Quellen, da sich die universitäre VPN-Verbindung für E-Medien oft als Flaschenhals erweist.

2 Fortbildungsthemen

Die Fortbildungsthemen werden anhand folgender vier Bereiche gegliedert.2

  1. Open Science. Open Science ist ein wichtiges Feld wissenschaftlicher Bibliotheken, das z.T. jedoch nur von wenigen, spezialisierten Schultern getragen wird, den Open-Access-Beauftragten (vgl. Liste auf oa2020-de.org) und Forschungsdatenmanagement-Beauftragten (vgl. Liste auf foschungsdaten.org) sowie, sofern vorhanden, deren Teams. Da das Thema Openness immer weitere Kreise zieht, wäre eine (Wissens-)Verteilung auf mehr Personen wünschenswert. Auch das Projekt Open Library Badge empfiehlt, Openness in der Personalentwicklung mehr zu fördern (vgl. https://badge.openbiblio.eu/kriterien/).
  2. Software. Es sind weitere bzw. vertiefte Software-Nutzungsfähigkeiten beim Personal erwünscht, “allen voran die Erfahrungen mit PC und alltäglichen Programmen in der Bibliothek” (Piontkowitz 2017), wie die Studie “Welche IT-Kenntnisse benötigen werdende Bibliothekare?” zeigt. Die “alltäglichen Programme” variieren im Laufe der Zeit. In verschiedenen Bibliotheken werden z.B. neue Software-Programme im Rahmen von (z.B. DFG-geförderten) Projekten getestet. Auch hier könnten etwaige lokale Projekt-/Testteams für Verstärkung dankbar sein.
  3. Kommunikation. Eine gute Bibliothekskommunikation umfasst viele Aspekte, z.B. Mehrsprachigkeit, einfache, klare Formulierungen, barrierefreie Webseiten, etc.
  4. Engagement. Abschließend wird mit dem Themenbereich “Engagement” einen Sammelpool für vielfältige Aktivitäten bezeichnet, z.B. für eine nachhaltige Entwicklung und das Ziel, die Welt im Positiven zu verändern.3

Die Detailspezifikation der möglichen bzw. vor Ort nötigen Fortbildungen ist natürlich in Absprache mit den jeweiligen Verantwortlichen zu treffen.

2.1 Open Science

  • Open Access: für grundlegende Informationen siehe z.B. https://open-access.net. In Absprache mit dem Open-Access-Beauftragten vor Ort sind vielfältige Fortbildungs- und Rechercheaufträge denkbar, z.B. hinsichtlich Tools (etwa Shareyourpaper.org oder die neuen Features von Dissem.in, wie das Anbinden von Repositorien) oder neuer Open-Access-Mitgliedschaftsmodelle, -Frameworks (z.B. Fair Open Access Alliance), -Monitoringmöglichkeiten (z.B. Oable, ChronosHub, OA Switchboard) oder -Publikationsplattformen (z.B. Open Research Europe).
  • Open Educational Resources: für Informationen siehe z.B. https://open-educational-resources.de/. Neben der grundlegenden Einarbeitung und etwaigen Rechercheaufträgen, wie oben, wären auch Konzepterarbeitungen möglich: z.B. inwieweit können lokale Benutzungs- und Schulungsmaterialien als nachnutzbare, offene Materialien zur Verfügung gestellt werden und was gilt es hierbei zwingend zu beachten (z.B. Konvertierungsproblematiken, rechtliche Aspekte wie Bildrechte, die zu wählende Creative Commons-Lizenz etc.)?
  • Open Data bzw. Forschungsdatenmanagement (FDM) und -publikation: für grundlegende Informationen siehe z.B. forschungsdaten.info oder forschungsdaten.org. In diesem Themenfeld besteht mit den NFDI-Konsortien und der EOSC eine hohe Dynamik, weshalb die FDM-Beauftragten gerne Fortbildungs- und Rechercheaufträge über aktuelle Geschehnisse, Tools, Infrastrukturen, Policy-Fortentwicklungen etc. vergeben. So wurde z.B. jüngst der FDM-relevante DFG-Kodex “Leitlinien zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis” in ein dynamisch wachsendes Online-Portal namens “Wissenschaftliche Integrität” umgewandelt, was sicherlich einen gewissen Sichtungsbedarf erfordert. Gleiches gilt für die jüngst publizierte Datenstrategie der Bundesregierung.
  • Weitere Openness-Bereiche: Open Peer Review, Open Methodology, Open Source, Open Notebook Science, Open Space/Makerspace etc. Für grundlegende Informationen siehe z.B. die jeweiligen Unterseiten der Arbeitsgruppe “Open Science”. Abseits der erwähnten “spezialisierten Schultern” besteht beim Rest des Personals mutmaßlich noch ein breites Einarbeitungs- und Konzepterarbeitungspotenzial (z.B. für neue Dienstleistungen oder Online-Informationsangebote).

2.2 Software

Wie eingangs erwähnt, wären hinreichende Kenntnisse, z.B. in Office-Programmen, generell wünschenswert. Entsprechend ist der erste Fortbildungsvorschlag im Bereich Software die Vertiefung in alltägliche Programme, z.B.

  • Textverarbeitungsprogramme: u.a. Formatvorlagen, lebende Kolumnentitel, Abschnittsumbrüche, QuickInfo- und Alternativtexte - dies kann z.B. das Schreiben bzw. Zusammenfügen von Jahresberichten erleichtern,
  • Tabellenkalkulationsprogramme: u.a. Filtern, Text in Spalten, Duplikate entfernen, Tabellenabgleiche mit SVERWEIS und VERGLEICH - dies ist z.B. bei Verlagslisten in der Erwerbung zweckdienlich,
  • E-Mail-Programme: z.B. Einrichten eines S/MIME-Nutzerzertifikats, Kennzeichnung zur Nachverfolgung, Aufgaben, Filter/-regeln oder
  • Literaturverwaltungsprogramme: z.B. Zitierstil anpassen, Aufgabenplanung, Wissensmanagement - ggf. auch, welche es generell gibt, siehe hierfür z.B. den diesbezüglichen Abschnitt auf handbuch.io.

Daneben kann ein Fokus auch auf aktuell (noch) nicht standardgemäß genutzter Software gelegt werden, z.B.

  • quelloffene bzw. freie Software, konkret die Einarbeitung in Open-Source-Software-Pendants zu kommerzieller Software (wie LibreOffice anstatt Microsoft Office),
  • datenschutzfreundlichere Alternativen zu kommerziellen Cloud-Software-Plattformen (z.B. DFNTerminplaner anstatt Doodle, CryptPad bzw. CodiMD anstatt Google Docs),
  • populäre Software für das wissenschaftliche Publizieren (z.B. zur Unterstützung von Universitätsverlagen) wie LaTeX, Adobe Photoshop, InDesign,
  • populäre Software für das wissenschaftliche Datenmanagement wie OpenRefine, Stata, R und RStudio, Versionsverwaltungs-Tools wie Git, GitHub, GitLab, GitBook oder (z.B. 3D-)Software zur Datenvisualisierung
  • nutzbringende Software für eine bessere Außenkommunikation (s.a. Abschnitt 2.3), z.B. Ticketsysteme, Video-/Chat-Systeme, Social Media wie Twitter, WhatsApp oder TikTok, E-Learning-Tools (Aufnahme von Präsentationen, Animationen, Vertonen, mögliche MOOC-/E-Learning-Plattformen), 2D- und 3D-Raumpläne bzw. animierte Flüge durch diese, z.B. mittels PCon.planner, u.v.m., sowie
  • bibliothekarische Projekt-Software und -Plattformen in den verschiedenen Stadien (Alpha, Beta, Produktivbetrieb), z.B. DeepGreen, LAS:eR, ELi:SA, Kitodo, Folio, etc.

Hierfür existieren diverse frei zugängliche Hilfe-Foren und Software-Handbücher, teils von den Anbieter selbst (vgl. z.B. zu Microsoft Word, Excel, Outlook, LibreOffice, Adobe Photoshop, InDesign, Stata, pCon.planner, etc.), teils von weiteren frei zugänglichen Quellen (z.B. die Toolsammlung von hochschulforumdigitalisierung.de oder Wikibooks-Bücher zu LaTeX bzw. GNU R).

2.3 Kommunikation

In der Kommunikation wissenschaftlicher Bibliotheken ist noch ein breites Spektrum an Ausbaumöglichkeiten vorhanden; als Inspiration für Ansätze oder Ideen kann z.B. das Praxishandbuch Informationsmarketing (Schade & Georgy 2019) oder, von denselben Herausgeberinnen, der frei zugängliche Marketing-Baukasten auf bibliotheksportal.de dienen.

Neben möglichen analytischen, operativen und inhaltlichen Aspekten spielen auch technische Aspekte mit steigender Dringlichkeit in die Kommunikation mit hinein, so z.B. die Barrierefreiheit gemäß der EU-Richtlinie über den barrierefreien Zugang zu den Websites und mobilen Anwendungen öffentlicher Stellen.

Mögliche Fortbildungsaufträge und -themen sind entsprechend

  • die barrierefreie Gestaltung von Dokumenten, Webseiten etc. (hilfreich hierfür: https://www.barrierefreies-webdesign.de/ und https://www.access-for-all.ch/ch/),
  • die Durchsicht der Homepage auf Aktualität, Fehler, Verständlichkeit, noch auf Englisch zu übersetzenden Texten etc.,
  • die Einarbeitung in eine öffentlichkeitswirksam adäquate Sprache (siehe z.B. journalistische Darstellungsformen auf bibliotheksportal.de),
  • die Einarbeitung in Konzepte der “einfachen Sprache” in der Bibliothekskommunikation (für wissenschaftliche Bibliotheken ggf. weniger relevant als für öffentliche Bibliotheken; vgl. https://www.leichte-sprache.org/leichte-sprache/),
  • die Einarbeitung in Möglichkeiten der Kundenanalyse (z.B. Befragungen) oder
  • der Ausbau der Fremdsprachenkenntnisse und der englisch- bzw. mehrsprachigen Informationsmaterialien (z.B. Benutzungs- und Schulungsmaterialien).

2.4 Engagement

Hier sind gleichfalls diverse Aktivitäten möglich, z.B.

3 Fazit und Folgeschritte

Wie eingangs beschrieben ist die Liste möglicher Einarbeitungs-/Fortbildungsthemen primär für Personal gedacht, das seine bzw. ihre Tätigkeiten im Zeitraum des Lockdowns nicht oder nicht mehr zeitfüllend ausüben und auch nur bedingt bei anderen Home-Office-Tätigkeiten (Katalogisierung, Datenbereinigung im Katalog, Sacherschließung, Info-, Auskunfts- und Beratungstätigkeiten, etc.) unterstützen kann.

Die thematische Gliederung (Abschnitte 2.1-2.4) und Beispielnennungen sind sicherlich zum Teil durch die Affinität des Autors geprägt, weitere Inspirationen lassen sich jedoch leicht über ein Screening bibliothekarischer Fachzeitschriften und Fortbildungsportale bzw. deren -themen (vgl. Fort- und Weiterbildung auf bibliotheksportal.de) einholen.

Das konkrete Fortbildungsthema und die jeweilige -tiefe lässt sich idealerweise in Absprache mit dem betroffenen Personal (z.B. Affinität, technische Ausstattung im Home-Office, individuelle (z.B. IT-)Kompetenzen, etc.) festlegen. Gleiches gilt für die Ergebnispräsentation, z.B. in Form eines formlosen Berichts, einer Online-Präsentation für den Rest der Belegschaft oder je nach Tiefe und Neuheit des Themas der Fortbildung ggf. sogar als Artikel in einer bibliothekarischen Fachzeitschrift.

Zudem muss berücksichtigt werden, inwieweit die Fortbildungsthemen und -aufträge (z.B. tarif-)rechtlich möglich sind oder eine (z.B. vorübergehende) höherwertige Tätigkeit darstellen und, je nach Dauer, entsprechende Ansprüche mit sich bringen.

4 Literatur

Eigenbrodt, Olaf, u.a. 2020. Die digitale Stabi bleibt geöffnet! : Bibliotheksarbeit an der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg in Zeiten von Corona. BuB: Forum Bibliothek und Information 72(5), 246–250. https://b-u-b.de/wp-content/uploads/2020-05.pdf.

Irvall, Birgitta, Skat Nielsen, Gyda & Dittmer, Elke 2006. Zugang zu Bibliotheken für Menschen mit Behinderungen: Prüfliste. (IFLA Professional reports / International Federation of Library Associations and Institutions, 94). The Hague: IFLA. http://archive.ifla.org/VII/s9/nd1/iflapr-94.pdf.

Piontkowitz, Pia 2017. Welche IT-Kenntnisse benötigen werdende Bibliothekare? : Studie zu geforderten IT-Kenntnissen in Bibliotheken verschiedener Typen und Größen. Bachelorarbeit. Technische Hochschule Köln. https://publiscologne.th-koeln.de/frontdoor/index/index/docId/1020.

Schade, Frauke & Georgy, Ursula (Hg.) 2019. Praxishandbuch Informationsmarketing: Konvergente Strategien, Methoden und Konzepte. Berlin: De Gruyter Saur. https://doi.org/10.1515/9783110539011.


  1. Ähnliche Entwicklungen gab es in anderen Bundesländern. Einen Überblick gibt die Informationsseite des Deutschen Bibliotheksverbands e.V.↩︎

  2. Die Art der thematischen Gliederung ist durch den fachlichen Hintergrund des Autors als Leiter des Referats Open Access geprägt. Siehe auch Abschnitt 3 Fazit und Folgeschritte.↩︎

  3. Vgl. z.B. die “17 Ziele, die unsere Welt verändern” als positiver Beitrag der Bibliotheken zu den Dimensionen Soziales, Umwelt und Wirtschaft gemäß der Agenda 2030 der UN, https://www.biblio2030.de/.↩︎


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