Vom Hochschulschriftenserver zum Publikationsfonds – Die Open Access-Transformation an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena

DOI: https://doi.org/10.11588/ip.2021.1.79850

Thomas MUTSCHLER

Vom Hochschulschriftenserver zum Publikationsfonds – Die Open Access-Transformation an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena

Zusammenfassung

Der Artikel lotet das Potenzial von Open Access für Regionalbibliotheken aus. Stellvertretend für den Typus der mittelgroßen Universitätsbibliothek mit landesbibliothekarischer Funktion werden am Beispiel der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena die unterschiedlichen Facetten von Open Access vorgestellt. Die Aspekte reichen von der Bereitstellung einer Infrastruktur für das elektronische Publizieren über die Digitalisierung kultureller Überlieferung bis hin zu Open Access-Publikationsfonds und Forschungsdaten. Einschätzungen zu Herausforderungen und Chancen für Regionalbibliotheken im Kontext der Open Access-Transformation runden den Beitrag ab.

Schlüsselwörter

Open Access, Elektronisches Publizieren, Digitalisierung, Regionalbibliotheken

From the E-thesis repository to the publication fund – the Open Access transformation at the Thuringian University and State Library Jena

Abstract

The article explores the potential of Open Access for regional libraries. Representing the library type of medium sized university libraries with regional service functions the different facets of Open Access are introduced on the basis of the Thuringian University and State Library of Jena. The aspects covered by the paper range from the provision of an infrastructure for electronic publishing to the digitization of cultural heritage, Open Access funds and research data. The article is completed by thoughts concerning the challenges that regional libraries face in the Open Access transformation.

Keywords

Open Access, Electronic Publishing, Digitisation, regional libraries


Veröffentlichung: 12.08.2021 in Informationspraxis Bd. 7, Nr. 1 (2021)


Inhaltsverzeichnis

1 Regionalbibliotheken und Open Access

Die Idee von Open Access, Forschungsoutput im World Wide Web frei zugänglich zu machen, hat in den zurückliegenden zwanzig Jahren nicht nur das akademische Publikationswesen völlig neu justiert, sondern auch die Bibliothekswelt grundlegend verändert. An zahlreichen Standorten sind Bibliotheken nicht nur Servicepartner für die Literatur- und Informationsversorgung, sondern auch federführend bei der Umsetzung von Angeboten zum Open Access-Publizieren.

An den Regionalbibliotheken scheint das Thema Open Access indes weitgehend vorbeigegangen zu sein. Regionalbibliotheken, sofern sie keinen gleichzeitigen universitären Versorgungsauftrag haben, treten in der Open Access-Bewegung bislang wenig in Erscheinung. Dieser Eindruck bestätigt sich nicht nur bei einem Blick auf die Websites der „reinen" Landes-, Regional- und wissenschaftlichen Stadtbibliotheken, auf denen sich Open Access-Policies bis auf wenige Ausnahmen nicht finden lassen. Auch auf den Sitzungen der Arbeitsgemeinschaft der Regionalbibliotheken in der Sektion 4 des Deutschen Bibliotheksverbands (AG Regionalbibliotheken) wurde dem Thema bislang wenig Beachtung geschenkt. Ebenso behandeln die auf Initiative der AG Regionalbibliotheken in den vergangenen Jahrzehnten publizierten Sammelbände zwar Fragen der Digitalisierung, richten ihren Fokus ansonsten aber eher auf traditionelle Fragestellungen wie zum Beispiel Regionalbibliographien sowie auf einzelne Sammlungen – Open Access ist hier, bislang jedenfalls, kein Thema von größerer Relevanz (z. B. Syré 2018; Siebert 2012; Syré & Wiesenmüller 2006).

Umso erfreulicher ist daher die Initiative der Herausgeberin des vorliegenden Hefts zu bewerten, das Thema Open Access unter den Regionalbibliotheken stärker ins Bewusstsein zu rufen. Die Initiatorin des Hefts schließt sich hiermit dem Weckruf der drei niedersächsischen Landesbibliotheken an, welche im Rahmen der Open Access-Tage 2019 erstmalig zu einer Ideenbörse in Sachen „Open Access in Regionalbibliotheken" eingeladen und so das Thema auf die Agenda der Regionalbibliotheken gesetzt haben. In dieselbe Richtung weist auch die Stellungnahme der AG Regionalbibliotheken zum Strategiepapier Wissenschaftliche Bibliotheken 2025, welches ebenfalls ein Bekenntnis zur Förderung der Open Access-Transformation enthält (vgl. Jendral u. a. 2019).

Diese Entwicklung und die neuerdings zu beobachtende Öffnung der Regionalbibliotheken gegenüber Open Access fordert regelrecht dazu heraus, danach zu fragen, welche Chancen und Herausforderungen sich im Kontext der Open Access-Transformation für die Regionalbibliotheken konkret identifizieren lassen. Stellt Open Access auch für Regionalbibliotheken ein Thema dar? Und falls diese Frage zu bejahen ist, welche Facetten von Open Access sind für Regionalbibliotheken relevant bzw. weniger relevant? Für die exemplarische Veranschaulichung liegt der Fokus des Beitrags auf der Entwicklung in Thüringen. Dabei können die im Folgenden aufzugreifenden Befunde aus der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena als durchaus repräsentativ für die allgemeine Entwicklung in mittelgroßen Universitätsbibliotheken mit landesbibliothekarischer Funktion gelten. Bevor die Entwicklung in Thüringen näher in den Blick genommen wird, bedarf es zunächst der begrifflichen Präzisierung.

Wenn im Folgenden von Open Access die Rede ist, so fällt darunter nicht nur der grüne und der goldene Weg des Open Access-Publizierens, sondern der Begriff hat als Teil des umfassender angelegten Konzepts von Open Science zu gelten, im Sinne der Transparent- und Zugänglichmachung von Forschungsdaten, -publikationen und -methoden. „Gold" meint im Kontext von Open Access die Erstveröffentlichung von Forschungsergebnissen in Open Access-Medien, meist Zeitschriften, unter „grün" versteht man die Zweitveröffentlichung in einem disziplinären oder institutionellen Repositorium. Im Sinne des oben beschriebenen Konzepts bezieht der in diesem Beitrag verwendete Open Access-Begriff sowohl digitalisierte Quellen und Sammlungen aus dem Bereich der kulturellen Überlieferung als auch Forschungsdaten sowie Verfahren ihrer Weiterentwicklung im Kontext der Digital Humanities ein.

2 Die Entwicklung von Open Access an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena

Auch in Thüringen steht das Thema Open Access seit mehreren Jahren auf der Agenda der Hochschul- und Wissenschaftspolitik. Dabei stellt die Open Access-Transformation für die Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena eine ganz besondere Herausforderung dar, da sie als Hochschulbibliothek den universitären Versorgungsauftrag für die Friedrich-Schiller-Universität Jena wahrnimmt und gleichzeitig landesbibliothekarisches Zentrum für den Freistaat Thüringen ist. Insofern bildet sich das Thema Open Access hier in zahlreichen Facetten ab – angefangen vom institutionellen Publizieren über die Kulturgutdigitalisierung bis hin zu neuen Lizenzmodellen und Forschungsdaten.

2.1 Aufbau der Infrastruktur für das elektronische Publizieren

Den Beginn der Open Access-Transformation an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena markierte der Aufbau einer Infrastruktur für das elektronische Publizieren. Die Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena blickt hinsichtlich des Aufbaus ihrer Publikationsservices auf eine inzwischen zwanzigjährige Entwicklung zurück. So ermunterte der Thüringer Hochschulplan die Hochschulen im Freistaat bereits im Jahr 2001 dazu, „auch multimediale Informationsquellen in ihr Sammelspektrum einzubeziehen" (Zitat bei Wefers 2016, S. 31). Gleichzeitig wurden die Bibliotheken dazu aufgefordert, beim Aufbau geeigneter Publikationsinfrastrukturen zu kooperieren, denn „als Einzelinstitutionen (…) werden die wissenschaftlichen Bibliotheken in Thüringen ihre Leistungen in diesem Bereich nicht aufrechterhalten oder gar ausüben können" (ebd.).

Um die Anregungen der Hochschulplanung und den inzwischen gestiegenen Bedarf der Forschung nach Lösungen für das elektronische Publizieren aufzugreifen, konstituierte sich an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena alsbald eine Projektgruppe. Mitarbeiter*innen der Bibliothek schufen in Kooperation mit dem universitären Rechenzentrum auf der Basis der Open Source Software MyCoRe (https://www.mycore.de/; vgl. Oeltjen 2015) die erste Version des sogenannten Hochschulschriftenservers. Die Digitale Bibliothek Thüringen (https://www.db-thueringen.de) war der Ursprung des seither stetig weiterentwickelten und heute noch betriebenen institutionellen Repositoriums und bot vor allem Graduierten fortan einen sicheren Ort für die Ablage elektronischer Abschlussarbeiten.

Insofern war es folgerichtig, als der Gesetzgeber bei der Novellierung des Thüringer Hochschulgesetzes im Jahr 2006 festhielt, dass die Hochschulbibliotheken „durch die Bereitstellung einer geeigneten Infrastruktur das elektronische Publizieren und den Aufbau digitaler Bibliotheken" fördern (§ 38 Absatz 1 Satz 4 ThürHG). Seit ihrer Inbetriebnahme im Jahr 2001 hat die Digitale Bibliothek Thüringen mehrere Relaunches und Zertifizierungen erfahren und kommt inzwischen an mehreren Thüringer Hochschulen als institutionelles Repositorium zum Einsatz (vgl. Mutschler 2016). Mittlerweile stehen rund 33.000 Dokumente zur Verfügung, von denen die Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena mehr als zwei Drittel stellt, das meiste davon im Open Access.

2.2 Digitalisierung der kulturellen Überlieferung

Bald nach der Einrichtung des Hochschulschriftenservers wurden schnell jedoch auch dessen Grenzen erkennbar. Das lag zum einen an der rasant fortschreitenden technischen Entwicklung und zum anderen am Reichtum der in Thüringer Bibliotheken, Archiven und Museen verwahrten kulturellen Überlieferung. Vor diesem Hintergrund sah sich die Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena herausgefordert, nach neuen Lösungen zu suchen, und startete den Aufbau weiterer Repositorien für die Erfassung, Präsentation und Archivierung digitalisierter historischer Bestände: ab 2005 zunächst für digitale und digitalisierte Zeitschriften (Journals@UrMEL), ein Jahr später auch für historische Bestände und Sammlungen wie Handschriften, monographische und mehrteilige Werke und Nachlässe (Collections@UrMEL). Diese ebenfalls MyCoRe-basierten Plattformen firmierten fortan unter dem Label Universal Multimedia Electronic Library (UrMEL). Besonders die auf Zeitschriften spezialisierte Plattform verdient hier Erwähnung, da sie neben der Digitalen Bibliothek Thüringen einen zentralen Baustein innerhalb der Open Access-Aktivitäten der ThULB Jena bildet. Zahlreiche universitäre wie nichtuniversitäre Einrichtungen nutzen diese Plattform für die Veröffentlichung eigener Open Access-Zeitschriften.

Voraussetzung für die Präsentation digitalisierter Bestände war die Einrichtung eines spartenübergreifenden Digitalisierungszentrums, welches an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena sukzessive mit moderner Scantechnologie ausgestattet wurde. Reichhaltigen Zuwachs erhielten die digitalisierten Sammlungen verstärkt seit 2011 im Rahmen von Projekten, die mit Mitteln der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und des Landes Thüringen gefördert wurden. Seither stehen Repositorien nicht nur für den Zugang zu den eigenen digitalisierten Sammlungen und Beständen der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena bereit, sondern werden kooperativ auch von staatlichen und kommunalen Archiven sowie von Museen und weiteren Wissenschafts-, Kultur- und Bildungseinrichtungen für die Präsentation ihrer Bestände genutzt.

Im 2012 verabschiedeten Kulturkonzept des Freistaats wurden die landesbibliothekarischen Aufgaben präzisiert und das Thüringer Kooperationsmodell bestätigt: „Darüber hinaus unterstützt die ThULB in ihrer Funktion als Landesbibliothek diejenigen Institutionen bei der Digitalisierung und Präsentation der Ergebnisse, die nicht über die notwendigen technischen Ressourcen verfügen" (Thüringer Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur 2012, S. 83). Inzwischen hat sich an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena ein kooperatives Netzwerk der spartenübergreifenden Kulturgutdigitalisierung konstituiert, an welchem sich neben dem Landesarchiv Thüringen auch die Forschungsbibliothek Gotha sowie die Klassikstiftung Weimar und zahlreiche weitere universitäre wie außeruniversitäre Einrichtungen beteiligen (vgl. Kunze 2021; Mutschler 2017).

Digitalisierte Bestände fließen im Thüringer Kultur- und Wissensportal kulthura (https://www.kulthura.de; vgl. Abb. 1) auf der Basis der Software TYPO3 zusammen und stehen der interessierten Öffentlichkeit in einem Umfang von inzwischen mehr als einer Million digitalisierter Kulturgüter für den Zugriff weltweit zur Verfügung. Ergänzt wird dieses Angebot um eine Reihe themenspezifischer Portale, welche die digitalisierten Bestände themenbasiert aufbereiten und erschließen. Digitalisate aus den Repositorien der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena fließen sowohl in die Deutsche Digitale Bibliothek (https://www.deutsche-digitale-bibliothek.de) als auch in die Europeana (https://www.europeana.eu) ein (vgl. Kunze 2021).

Abb. 1: Einstiegsseite des digitalen Kultur- und Wissensportals „kulthura"

2.3 Institutionelles Publizieren und elektronisches Pflichtexemplar

Die Entwicklungen im Bereich des Open Access-Publizierens aktueller Forschungsbeiträge und Veröffentlichungen blieben ebenfalls nicht stehen, sondern die Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena erweiterte ihr Dienstleistungsspektrum auch hier ganz erheblich. Im Kontext des Open Access-Publizierens kamen nicht nur neue Partnerschaften mit zahlreichen Landes- sowie außeruniversitären Forschungseinrichtungen hinzu, welche die Services der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena für die Publikation ihrer eigenen Veröffentlichungen vermehrt nachfragten, sondern erweitert wurde das Angebot auch um neue Erwerbungstypen, wie die elektronischen Pflichtexemplare, zu deren Sammlung die Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena seit 2008 per Gesetz verpflichtet ist (vgl. Mutschler 2013).

In einem weiteren Schritt wurde das Angebot 2018 um ein digitales Archiv für die Sammlung und Speicherung thüringenspezifischer Websites erweitert, welches von der Deutschen Nationalbibliothek gehostet und in Kooperation mit der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena betrieben wird (vgl. Mutschler 2020a). Leider ist der Zugriff auf die archivierten Websites für Nutzer*innen aus urheberrechtlichen Gründen derzeit noch auf die Leseräume der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena beschränkt, Websites können perspektivisch jedoch auch im Open Access freigeschaltet werden, wenn das Einverständnis der Websitebetreiber nachträglich eingeholt wird.

2.4 Open Access-Publikationsfonds, Lizenzen, DEAL

Auch die Thüringer Landespolitik nimmt das Thema Open Access seit einigen Jahren stärker in den Fokus. So war Open Access Verhandlungsgegenstand der in Thüringen 2014 zusammengetretenen rot-rot-grünen Landesregierung. Die damals neu konstituierte Regierung kündigte in ihrem Koalitionsvertrag an: „Gemäß dem Open Access-Ansatz sollen zukünftig insbesondere wissenschaftliche Informationen und wissenschaftlich erhobene Daten, die mit öffentlichen Geldern durch staatliche Stellen, Forschungseinrichtungen oder private Unternehmen gewonnen werden, der Allgemeinheit frei zur Verfügung gestellt werden, wenn nicht rechtliche Gründe dagegen sprechen" (Koalitionsvertrag 2014, S. 64).

Die stärkere Hinwendung des Landes zum Open Access markierte an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena nicht nur den Startschuss für den Aufbau eines landesweiten Open Access-Monitoring-Systems, sondern auch für die Einrichtung eines Open Access-Publikationsfonds, der Mitgliedern der Universität fortan zur Verfügung gestellt wurde und von der Bibliothek gemanagt wird. Auf der Basis der DFG-Förderkriterien werden Beiträge Jenaer Wissenschaftler*innen in genuinen Open Access-Medien, vor allem Zeitschriften, gefördert, sofern die Forschenden als Universitätsangehörige als corresponding authors auftreten. Der Großteil der eingeworbenen Drittmittel, welche seit 2020 durch eine DFG-Förderung ergänzt werden, fließt aufgrund der Forschungsschwerpunkte an der Friedrich-Schiller-Universität Jena in Publikationen der Life Sciences (einschließlich Medizin) und der naturwissenschaftlichen Fachbereiche.

Wie sich zeigt, drang Open Access auf sehr vielfältige Weise in den Bereich der „Erwerbung" vor (vgl. Mutschler 2020b). Das betrifft an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena zum einen die Einrichtung des universitären Publikationsfonds, zum anderen Publikationsdienstleistungen im Kontext von Erst- und Zweitveröffentlichungen, ferner Mitgliedschaften bei Verlagen und Anbietern, über welche Rabattierungen bei Artikelgebühren realisiert werden, Beteiligungen über Crowdfunding-Projekte wie z. B. Knowledge Unlatched sowie weitreichende Open Access-Komponenten im Rahmen laufender Lizenzverträge, insbesondere der Allianz-Lizenzen und Nationalkonsortien, welche seit 2004 abgeschlossen worden waren. Open Access-Komponenten in Lizenzverträgen beziehen sowohl den goldenen als auch den grünen Weg ein; sie können Rabattierungen für Artikelgebühren umfassen und enthalten Bestimmungen für die Zweitveröffentlichung in disziplinspezifischen und institutionellen Repositorien. Ergänzt wird das Angebot zu Open Access-Medien durch die Übernahme von Titeldaten zu Open Access-Publikationen externer Provenienz (z. B. Unpaywall, DOAJ, OAPEN) in den Suchindex der Bibliothek.

Der begonnene Ausbau der Open Access-Förderung sowohl an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena als auch den übrigen Hochschulen in Thüringen wurde in der 2017 verabschiedeten und drei Jahre später aktualisierten Thüringer Strategie zur Digitalisierung im Hochschulbereich fortgesetzt: „Die Thüringer Hochschulen und der Freistaat Thüringen befürworten den möglichst offenen Zugang zu den Ergebnissen wissenschaftlicher Forschung" (Thüringer Ministerium für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitale Gesellschaft 2020, S. 47). Im Rahmen des 2017 konstituierten Kooperationsverbunds Thüringer Hochschulbibliotheken bildet Open Access neben der Lizenzierung elektronischer Ressourcen ebenfalls einen wichtigen Baustein.

Abb. 2: E-Publizieren an der ThULB Jena (graphische Umsetzung: Anne Seele, ThULB Jena).

Im Rahmen ihrer Publikationsservices stellt die Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena diverse Repositorien und Portallösungen für die Aufbereitung digitalisierter Sammlungen zur Verfügung. An der Publikationsinfrastruktur beteiligen sich zahlreiche Wissenschafts- und Kultureinrichtungen. Das Serviceportfolio im Kontext des elektronischen Publizierens umfasst bibliothekarische Dienste und Beratungsangebote. Open Access-Publizieren wird sowohl auf dem grünen als auch dem goldenen Weg unterstützt.

An den Hochschul- und Forschungsbibliotheken in Deutschland und auch an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena hat der Open Access-Transformationsprozess besonders seit Abschluss der DEAL-Verträge mit den Anbietern Wiley 2019 und Springer Nature 2020 stark an Dynamik gewonnen (https://www.projekt-deal.de/). Das Ziel dieses Prozesses ist der Umstieg vom Subskriptionsmodell zum publikationsanzahlbasierten Open Access-Geschäftsmodell im Kontext von Zeitschrifteninhalten. Gezahlt werden soll in der Open Access-Welt nicht mehr für den Bezug von Zugriffsrechten (Subskriptionen), sondern für das Publizieren von Artikeln, die anschließend frei zugänglich gemacht werden. Da sich der Umstieg auf das Open Access-Publikationsmodell nicht sofort realisieren lässt, erfolgt der Umstieg darauf via Open Access-Transformationsverträge, welche in Jena seit einiger Zeit vermehrt abgeschlossen werden (vgl. Satzinger 2021).

Transformations- oder sogenannte Publish & Read-Verträge setzen sich aus zwei Komponenten zusammen: einer Read-Komponente für den lesenden Zugriff auf Anbieterinhalte sowie einer Publish-Komponente zur Begleichung der Publikationskosten affiliierter Wissenschaftler*innen. Die in solchen Verträgen enthaltenen Zeitschriften sollen über die Vertragslaufzeit, die meist mehrere Jahre umfasst, möglichst in Gold Open Access-Zeitschriften überführt werden. Viele Anbieter, vor allem im Bereich der STM-Fächer, haben seit 2019 vergleichbare oder eigene Transformationsmodelle entwickelt. Zum Jahresbeginn 2021 kam der auch international weithin beachtete Transformationsvertrag für Titel der Nature Research Group (Springer Nature) hinzu, an dem sich die Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena ebenfalls beteiligt.

2.5 Forschungsdaten und Digital Humanities

Eine weitere Facette von Open Access bilden Forschungsdaten und Angebote im Kontext der Digital Humanities. Hier bilden die als Open Access-Publikationen verfügbaren digitalisierten Quellen und Daten aus Repositorien sozusagen den Rohstoff für die wissenschaftliche Wertschöpfung. Nicht allein im Rahmen der Digitalisierung hat die Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena ihre Rolle als Lieferant sowohl von Objektdaten (Digitalisate) als auch Metadaten weiterentwickelt, sondern hochwertige Metadaten werden auch im Kontext der Landesbibliographie geschaffen. Insbesondere hinsichtlich der Erstellung von Normdaten für Personen, Körperschaften und auch Werke sieht sich die Bibliothek als Servicepartner sowohl für die Forschung als auch für externe Gedächtniseinrichtungen herausgefordert. Sowohl archivische als auch museale Materialien werden mit Normdaten aus der Gemeinsamen Normdatei angereichert und diese sind mittlerweile in sämtlichen Sparten akzeptiert und stark nachgefragt.

Erhöhte Nachfrage nach neuen Dienstleistungen wird auch vonseiten der geisteswissenschaftlichen Forschung auf vielfältige Weise artikuliert, sowohl innerhalb der universitären Strukturen als auch darüber hinaus. Der Bedarf bezieht sich vor allem auf die Bereitstellung neuer Werkzeuge für die Aufbereitung digitalisierter Bestände im Rahmen digitaler Editionen. Hierauf hat die Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena reagiert und 2018 ein gemeinsam mit Forschenden entwickeltes Portal für das digitale Edieren in Betrieb genommen. In das Editionenportal (https://editionenportal.de) lassen sich digitalisierte Bestände aus den Repositorien der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena einbringen und mittels Transliterationsfunktionen um weitere Daten anreichern (vgl. Kunze 2021)

Darüber hinaus verfügt die Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena im Kontext der Aufbereitung digitalisierter Textquellen über Erfahrungen hinsichtlich OCR- und automatisierter Erschließungsverfahren, die in den kommenden Jahren weiterentwickelt werden. Sämtliche von ihr im Kontext der Digitalisierung produzierten Metadaten stellt die Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena zudem in den Bibliotheksverbünden zur Verfügung. Digitalisierte Quellen stehen in der Regel als Public Domain bereit.

2.6 Auswirkungen der Open Access-Transformation auf die bibliothekarischen Arbeitsprozesse

Gravierende Veränderungen brachte und bringt die Open Access-Transformation auch für die Organisation der bibliothekarischen Arbeitsprozesse mit sich – ein Aspekt, der hier nur ganz am Rande angerissen werden kann. Kolleg*innen in der Erwerbungsabteilung sowie in anderen Bereichen der Bibliothek machten sich mit den neuen Anforderungen vertraut und integrierten sie in ihre bestehenden Aufgabenbereiche. Neue Aufgaben kamen nicht allein hinsichtlich der Digitalisierung von Kulturgut hinzu, sondern auch im Rahmen von Open Access-Publikationsprozessen: Pro Artikel müssen die Affiliationen der Autor*innen verifiziert und es muss geprüft werden, ob diese unter die jeweiligen Vertragsregelungen fallen. Das Geschäft insgesamt wird mit der Einführung von Open Access kleinteiliger.

Insofern waren zahlreiche neue Prozesse in die Geschäftsgänge zu integrieren. Das Spektrum der neuen Aufgaben reicht von der Mittel- und Bedarfsplanung über die Administration von Verlagsplattformen bis hin zur Aufstellung neuer Vermittlungs- und Schulungsformate sowie der Erstellung von Publikationsanalysen für die eigene Einrichtung. Die Bibliothek verifiziert nicht nur, wer über die corresponding authorship als dem zentralen Kriterium für die Kostenübernahme von Publikationsgebühren verfügt, sondern kommuniziert verstärkt auch mit den Autor*innen, wenn es darum geht, über Förderprogramme und Publikationsmöglichkeiten zu informieren. Ganz zu schweigen davon, dass die im Zusammenhang mit der Open Access-Transformation kontinuierlich fließenden Innovationen auch für die Aus- und Weiterbildung sowie für die interne Kommunikation eine große Herausforderung darstellen.

3 Fazit: Chancen und Herausforderungen für Regionalbibliotheken

Wie sich beim Blick auf das Thema Open Access gut nachvollziehen lässt, beschränkt sich die Rolle der Bibliotheken im digitalen Zeitalter längst nicht mehr auf die Funktion der Informations- und Literaturversorgung, sondern Bibliotheken sind heutzutage mehr denn je als eigenständige Akteure im Prozess der Wissensproduktion gefragt. Dieser Artikel beschrieb den Stand der Open Access-Transformation an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena und beleuchtete die unterschiedlichen Facetten der Thematik für eine mittelgroße Universitätsbibliothek mit landesbibliothekarischer Funktion. Die Aspekte reichen von der Bereitstellung einer Infrastruktur für das digitale Publizieren, in welche sich auch elektronische Pflichtexemplare sowie Veröffentlichungen aus außeruniversitären Einrichtungen einbeziehen lassen, über die Digitalisierung kultureller Überlieferung bis hin zu Open Access-Publikationsfonds, neuen Lizenzmodellen und Forschungsdaten. Auch auf die Organisation der bibliothekarischen Arbeitsprozesse hat die Open Access-Transformation erhebliche Auswirkungen.

Das Ziel der Ausführungen zum Stand der Open Access-Transformation an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena bestand darin aufzuzeigen, dass Open Access eine inzwischen hochkomplexe Thematik geworden und demzufolge höchst differenziert zu betrachten ist. Vor diesem Hintergrund erscheint es am Schluss des Beitrags lohnenswert, noch einmal auf die eingangs gestellte Frage zurückzukommen, inwiefern Open Access ein Thema für Regionalbibliotheken darstellt und welche Facetten für sie relevant sein könnten. Herausforderungen und Chancen ergeben sich für Regionalbibliotheken in verschiedenen Bereichen:

Eher zurückhaltend fällt die Antwort auf die Frage nach der Bedeutung von Open Access für Regionalbibliotheken hinsichtlich jeglicher autor*innenbasierter Open Access-Geschäftsmodelle der Verlage und Anbieter aus: Überall dort, wo mit einer bestimmten Einrichtung affiliierte Forschende im Zentrum der Geschäftsmodelle stehen, ist für Bibliotheken mit ausschließlich regionalem Versorgungsauftrag nicht erkennbar, wie solche Modelle eine größere Bedeutung erlangen sollen. Das schließt auch den grünen Weg des Open Access-Publizierens weitgehend aus, sofern dies aus Lizenzverträgen der Bibliotheken abgeleitet wird. Hinzu kommt, dass die Open Access-Transformationsverträge, bislang zumindest, in der Mehrzahl mit Anbietern von STM-Inhalten abgeschlossen wurden, welche in den Erwerbungsportfolien der Regionalbibliotheken bereits als Subskriptionen eher schwächer vertreten waren; dies gilt umso mehr, als die Vertreter*innen der Zielgruppe von Regionalbibliotheken in solchen Medien eher weniger publizieren. Ebenso fällt die Vorstellung schwer, wie sich ein landesbibliothekarisch definierter Publikationsfond umsetzen lassen soll – nicht nur hinsichtlich der schwer zuordenbaren Affiliation dieser Gruppe von Autor*innen zu einzelnen Standorten, sondern auch in Bezug auf die Erfüllung von Qualitätskriterien, die für solche Zeitschriften gelten. Positiv festzuhalten bleibt in diesem Zusammenhang zumindest der Umstand, dass Regionalbibliotheken den Zugang zu diesen Materialien künftig vermitteln können.

Sehr viel chancenreicher stellt sich die Perspektive für die Regionalbibliotheken im Kontext des institutionellen Publizierens dar: Neben der Sammlung elektronischer Pflichtexemplare und der Erstellung der Landesbibliographie erwächst den Regionalbibliotheken im Kontext institutioneller Publikationsdienstleistungen ein lohnenswertes Handlungsfeld. Regionalbibliotheken kooperieren mit außeruniversitären Forschungs- und Landeseinrichtungen, z. B. Geschichtsvereinen oder wissenschaftlichen Akademien, und stellen diesen nicht nur ihre Publikationsinfrastruktur, sondern auch bibliothekarisches und wissenschaftliches Knowhow zur Verfügung. Wenn Regionalbibliotheken im Rahmen von E-Government-Maßnahmen entsprechende Aktivitäten entfalten und Einrichtungen der öffentlichen Verwaltung dazu bewegen können, die Repositorien der Bibliotheken als primäre Publikationsplattformen zu nutzen, besteht die Möglichkeit, sich als Ansprechpartner anzubieten und wertvolle Synergien bei der Sammlung von E-Pflicht-Ressourcen zu sammeln. Natürlich ist ein solches Angebot auch für Geschichts- und Heimatvereine sowie die landeskundlich orientierte außeruniversitäre Forschung höchst interessant. Für den technischen Betrieb solcher Plattformen sind die Regionalbibliotheken auf die Kooperation mit größeren Partnerbibliotheken oder Verbundzentralen oder kommerziellen Partnern angewiesen.

Im Bereich der „Erwerbung und Erschließung" können Regionalbibliotheken die Open Access-Transformation ebenfalls aktiv unterstützen, zum einen durch die Beteiligung an neuen Lizenzmodellen, zum anderen mittels Erschließung regionalspezifischer Open Access-Publikationen. Im Bereich geistes-, kultur- und sozialwissenschaftlicher Veröffentlichungen wie Monographien und Sammelbänden ist Open Access ebenso ein Thema. Hier gestalten sich die Geschäftsmodelle vielfältiger als im STM-Bereich – sie sind auch offener gegenüber Einrichtungen, denen keine Autor*innen zugeordnet werden können. Beispielsweise werden über Crowdfundig Mittel für den Freikauf von Büchern eingeworben, wie in Publikationsmodellen von Knowledge Unlatched in Kooperation mit verschiedenen Verlagen. Zudem werden in allen Wissenschaftsbereichen auch alternative Modelle zu Transformationsverträgen eingesetzt, wie Subscribe to Open, das eine fortlaufende Subskription des Anbieterportfolios und eine Freischaltung der Inhalte ohne Paywall vorsieht. Voraussetzung für dieses Modell ist, dass eine ausreichende Zahl von Abonnenten das Modell unterstützt; andernfalls werden die Inhalte wieder hinter eine Paywall gesetzt, sodass der Zugriff nur für zahlende Einrichtungen möglich ist. Ein weiteres Projekt, die Open Library of Humanities (OLH bzw. OLH-DE) unterstützt zudem über ein konsortiales Modell die Herausgabe geisteswissenschaftlicher Zeitschriften in Open Access (vgl. Satzinger 2021, S. 35).

Als ebenfalls aussichtsreich stellt sich die Perspektive für die Digitalisierung der in den Regionalbibliotheken verwahrten kulturellen Überlieferung dar. Gleichwohl wird man hier einschränkend bemerken müssen, dass die Durchführung von Projekten der Massendigitalisierung eine entsprechende technische Ausstattung ebenso voraussetzt wie den stets hohen Einsatz von Eigenleistungen der Fördernehmer im Rahmen nationaler Ausschreibungen; letzteres ist selbst für Einrichtungen im Mittelfeld der Bibliotheksskala nicht zu unterschätzen. Eine gewisse Chance besteht hinsichtlich regionalspezifischer Bestände, sofern diese noch nicht von Großbibliotheken digitalisiert wurden, oder im Bereich der Digitalisierung unikaler Sammlungen von wissenschaftlicher und öffentlicher Relevanz. Auf jeden Fall wird die Digitalisierung kultureller Überlieferung noch viel zu wenig mit dem Thema Open Access assoziiert, digitalisierte Quellen zu wenig als Open Access-Angebote wahrgenommen. Regionalbibliotheken sollten an dieser Sichtweise etwas ändern und sich stärker im Diskurs bemerkbar machen.

Unübersichtlich gestaltet sich die Situation auch im Kontext von Forschungsdaten. Es können Grabungs- und Felddaten in der Archäologie genauso darunter fallen wie audiovisuelle oder textbasierte Interviews in den Sozialwissenschaften oder digitalisierte und/oder maschinell auswertbare Textcorpora und digitale Editionen. Die Bandbreite dessen, was unter dem Begriff Forschungsdaten zu subsumieren ist, bleibt groß und ist nicht nur in den Geisteswissenschaften nach vielen Seiten hin offen. Es ist in diesem Beitrag stillschweigend vorausgesetzt worden, dass landesbibliographisches Datenmaterial und auch Normdaten als Forschungsdaten zu gelten haben. Auf jeden Fall werden diese Daten nicht nur von der Forschung dringend benötigt, sondern auch von den übrigen Gedächtnisinstitutionen wie Archiven und Museen stark nachgefragt. Ihre Produktion im Sinne einer Servicefunktion für andere Sparten, beispielsweise in Kooperation mit der Deutschen Nationalbibliothek über deren GND-Webformular, bietet für Regionalbibliotheken durchaus eine lohnenswerte Zukunftsperspektive. Fraglich bleibt dagegen, welche Rolle Regionalbibliotheken im Zusammenhang mit der Sammlung und Archivierung genuiner, durch Forschende produzierter Daten einnehmen können.

Literaturverzeichnis

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