Informationspraxis mitgestalten?
Hier steht, wie's geht!
DOI: https://doi.org/10.11588/ip.2021.1.82191
Editorial - Regionalbibliotheken und die Open-Access-Transformation
Zusammenfassung
Regionalbibliotheken haben eine besondere Verantwortung für die Literatur- und Informationsversorgung ihrer Region. Sie sammeln und erschließen ihr kulturelles Erbe und sichern seine langfristige Zugänglichkeit. In der Positionierung der AG Regionalbibliotheken zum Strategiepapier „Wissenschaftliche Bibliotheken 2025“ haben sie sich zur Förderung der Open-Access-Transformation bekannt. Die Bibliotheken beginnen aktuell damit, Publikationsservices für die landesbezogene Forschung anzubieten und die Infrastruktur in Form von Publikationsservern bereitzustellen. Dieses Editorial stellt die Beiträge zu einem Themenschwerpunkt „Regionalbibliotheken und die Open-Access-Transformation“ vor, der einerseits eine Bestandsaufnahme der schon vorhandenen Services vornimmt und andererseits Desiderate und zukünftige Entwicklungschancen aufzeigt.
Schlüsselwörter
Regionalbibliotheken, Open-Access-Transformation, Open-Access-Publizieren
Editorial - Regional Libraries and the Open Access Transformation
Abstract
Regional libraries have a special responsibility for the supply of literature and information in their region. They collect and make accessible their cultural heritage and ensure its long-term accessibility. In the positioning of the Regional Libraries Working Group on the strategy paper “Academic Libraries 2025”, they have committed themselves to promoting the Open Access transformation. The libraries are currently beginning to offer publication services for state-related research and to provide the infrastructure in the form of publication servers. This editorial presents the contributions to a thematic focus on “Regional Libraries and the Open Access Transformation”, which, on the one hand, takes stock of the services already available and, on the other, identifies desiderata and future development opportunities.
Keywords
Regional Libraries, Open Access Transformation, Open Access Publishing
Veröffentlichung: 10.08.2021 in Informationspraxis Bd. 7, Nr. 1 (2021)
Während Dienstleistungen rund um das Thema Open Access in den Serviceportfolios der Universitätsbibliotheken inzwischen fest verankert sind, treten Regionalbibliotheken, die nicht gleichzeitig in Personalunion Universitätsbibliotheken sind, bis vor Kurzem in der Open Access-Bewegung wenig in Erscheinung. Sie beteiligen sich weder aktiv am Diskus der Open Access-Community noch bieten sie Beratungen und entsprechende Infrastrukturen an. Seit ca. drei Jahren ist eine stärkere Bewusstseinsbildung für Open Access-Themen im Kreis der Regionalbibliotheken zu beobachten. Regionalbibliotheken haben eine besondere Verantwortung für die Literatur- und Informationsversorgung ihrer Region. Sie sammeln und erschließen ihr kulturelles Erbe und sichern seine langfristige Zugänglichkeit. Folglich liegt es nahe, dass sie für die Autor*innen dieser Publikationen auch Open-Access-Angebote aufbauen. Einzelne Landesbibliotheken beginnen daher, sich mit dem Thema Open Access auseinanderzusetzen. Spezifische Angebote, die dem regionalbibliothekarischen Auftrag entsprechen und sich daher auch an außeruniversitäre Forschende und Geschichtsvereine wenden, sind bisher kaum etabliert bzw. noch im Aufbau begriffen. Entsprechend fand dieser Call for Papers auch bei den Universitätsbibliotheken mit landesbibliothekarischem Auftrag größere Beachtung als bei den Regionalbibliotheken ohne universitäre Anbindung.
Zunächst soll aber der Blick auf die Genese der Auseinandersetzung mit diesem Thema gelenkt werden: Auf dem Bibliothekartag 2019 haben Anne May und Andreas Steinsieck von der Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek (GWLB) in Hannover einen Vortrag zum Thema „Open Access – mehr als Pay-to-publish? Open-Access-Strategien für Regionalbibliotheken am Beispiel der GWLB" gehalten und damit die anderen Regionalbibliotheken adressiert. In ihrem Vortrag gehen sie auf die Open-Access-Handlungsfelder der GWLB ein, an denen sich ihre strategische Entwicklung orientiert, und bieten diese als Anknüpfungspunkte für andere Bibliotheken dieses Typs an (May u.a. 2019).
In demselben Jahr haben die drei niedersächsischen Regionalbibliotheken, die Landesbibliothek Oldenburg, die Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek in Hannover und die Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel, im Rahmen der Open-Access-Tage in Hannover zu einem Workshop zum Thema Open Access in Regionalbibliotheken – Ideenbörse für gemeinsame Handlungsfelder geladen. Als Themenfelder definieren sie u.a. die Verwendung freier Lizenzen für Retrodigitalisate und Publikationen, Beratung und Veranstaltungen, Repositorien und Publikationsfonds.
Als offizielle Stellungnahme der AG Regionalbibliotheken zum Thema bot sich dann die Positionierung der AG Regionalbibliotheken zum Strategiepapier „Wissenschaftliche Bibliotheken 2025“, die ebenfalls im Jahr 2019 veröffentlicht wurde, an. In diesem Papier haben sich die Regionalbibliotheken zur Förderung der Open-Access-Transformation bekannt und zwei wesentliche Aufgaben bzw. Ziele definiert, die im Kontext dieses Themenheftes relevant sind: Erstens sei die „Entwicklung einer gemeinsamen Open-Access-Strategie für die speziellen Zielgruppen außeruniversitärer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler” voranzubringen (Jendral u.a. 2019, S. 4), die die Zugänglichmachung eines umfassenden freien Nutzungsangebots von elektronischer Pflicht bis hin zu lizenzierten Angeboten einschließt. Zweites sollen die „Open-Access-Beratung für außeruniversitäre wissenschaftliche und kulturelle (Landes-)Institutionen, Fachgesellschaften oder Vereine […] und entsprechende Dienstleistungen für diese" aufgebaut werden (ebd.: 5). Als Dienstleistungen werden Repositorien und Open-Access-Landespublikationsfonds genannt.
Seit Ende 2019 gab es in der AG Regionalbibliotheken Überlegungen zur Durchführung einer Umfrage unter den Mitgliedern, um genaueren Aufschluss über Stand, Desiderate und Perspektiven der Open-Access-Transformation in den Regionalbibliotheken zu gewinnen. Diese wurde von Mai bis Juni 2020 durchgeführt. Die Ergebnisse wurden im Rahmen der Open-Access-Tage 2020 unter dem Titel „Regionalbibliotheken und die Open-Access-Transformation: Ergebnisse einer Umfrage" vorgestellt und liegen in diesem Themenheft nun in einem Beitrag verschriftet vor (Roeder u.a. 2020).
Der Fortschreibung der Auseinandersetzung mit dem Thema soll auch das hier präsentierte Themenheft dienen, das auf eine Bestandsaufnahme ebenso zielte wie darauf, Desiderate und Entwicklungsperspektiven aufzuzeigen. Da die Informationspraxis sich selbst als Open-Access-Zeitschrift an der „Schnittstelle von Wissenschaft und Praxis" definiert, eignet sie sich besonders gut für diesen Themenschwerpunkt. Dieser bietet daher sowohl Platz für Erfahrungsberichte als auch für grundlegende Auseinandersetzungen; die Autor*innen berichten aus der Praxis und geben eine Bestandsaufnahme ihrer Best Practice-Beispiele, zeigen aber auch kritisch Fehlstellen und Zukunftsszenarien auf.
In seinem Beitrag „Regionalbibliotheken und die Open-Access-Transformation: Ergebnisse einer Umfrage" geht Wolf Christoph Seifert von der Prämisse aus, dass die Open-Access-Transformation auch in den Regionalbibliotheken zu einer Neubestimmung des eigenen Serviceportfolios führt. Um den Stand der Entwicklung zu ergründen, führte er im Jahr 2020 eine Umfrage durch, deren Ergebnisse er nun ausführlich darlegt. Seifert kommt zu dem Schluss, dass im Bereich der Publikationsdienstleistungen die Universitätsbibliotheken mit regionalbibliothekarischem Schwerpunkt zumeist sehr gut aufgestellt sind, während die Landes- und Forschungsbibliotheken bzw. diejenigen Öffentlichen Bibliotheken mit regionalem Charakter hier Entwicklungspotential haben. Für außeruniversitär Forschende gibt es aber überall kaum Angebote und auch die Bedarfe dieser Zielgruppen sind noch nicht ausreichend bestimmt. Insgesamt konstatiert er einen hohen Grad an Aufgeschlossenheit gegenüber dem Thema Open Access in den befragten Einrichtungen. Die Bewertung des Stellenwertes des Themas für den Bibliothekstyp und die eigene Einrichtung ist allerdings sehr unterschiedlich.
Thomas Mutschler beschreibt in seinem Beitrag „Vom Hochschulschriftenserver zum Publikationsfonds – Die Open Access-Transformation an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena" die Teilhabe einer Universitätsbibliothek mittlerer Größe mit landesbibliothekarischer Funktion an der Open-Access-Transformation und fragt danach, inwiefern Open Access ein Thema für Regionalbibliotheken ist. Dabei wendet er sich den Feldern Publikationsservices, Digitalisierung, Pflichtexemplar, Erwerbung und Erschließung sowie Forschungsdaten zu. Mutschler geht an vielen Stellen aber auch über sein Fallbeispiel hinaus und thematisiert Chancen und Herausforderungen der Open-Access-Transformation für Regionalbibliotheken im Allgemeinen. So sieht er weniger Möglichkeiten der Beteiligung an Open-Access-Geschäftsmodellen der Verlage, da sich diese vorrangig an die Naturwissenschaften, Technik und Medizin (STM-Fächer) wenden. Eine besondere Chance macht er aber bei der Entwicklung von Publikationsdienstleistungen für die außeruniversitäre Forschung und für Landeseinrichtungen aus.
Roberto Cozatl, Daniel Brenn und Susann Özüyaman thematisieren in ihrem Beitrag „Unterstützung der Open-Access-Transformation in Regionalbibliotheken in Sachsen-Anhalt" die Open-Access-Transformation in Regionalbibliotheken am Beispiel der Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt. Sie beschreiben die Herausforderungen und die einzelnen Schritte der Open-Access-Transformation ab dem Jahr 2018. Dabei gehen sie vor allem auf die Aspekte Infrastruktur, Workflows, Kommunikation und regionales Netzwerk ein. Das Besondere dieses Praxisbeispiels ist die Organisation und Verantwortung über eine Einrichtung hinaus für das ganze Bundesland. Ein Beispiel hierfür ist die Leopoldina, die von der ULB Sachsen-Anhalt bei der Herausgabe der Open-Access-Zeitschrift „NAL-Live" unterstützt wird.
Martin Munke und Daniel Fischer geben in ihrem Betrag „Vom Retrodigitalisat zu Open Access. Landeshistorische Literatur zu Sachsen online unter besonderer Berücksichtigung der Zeitschriftenliteratur“einen Überblick über die klassischen Aufgaben der Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek (SLUB) als Landesbibliothek (Pflichtexemplar, Landesbibliographie und weitere landeskundliche Onlineangebote) und die Retrodigitalisierung von Saxonica. Sie legen danach einen Schwerpunkt ihrer Betrachtungen auf die landeskundliche Zeitschriftenlandschrift in Sachsen und die aktuelle Initiative der SLUB, diese mit Qucosa.Journals in Open Access zu überführen. Qucosa.Journals ist ein Service der SLUB Dresden für die Neugründung von Open-Access-Zeitschriften oder die Überführung bestehender Subskriptionsmodelle in Open Access. Im Bereich der sächsischen Landeskunde und -geschichte gab es bisher kein vergleichbares Angebot. Als erste Zeitschriften werden in diesem Jahr die „Sächsischen Heimatblätter” und das „Neue Archiv für Sächsische Geschichte" in Qucousa.Journals aufgenommen.
Durch die Darstellung unterschiedlicher Facetten des Themas Open Access und Regionalbibliotheken kann mit dem hier präsentierten Schwerpunkt der Informationspraxis ein erster Eindruck der Vielfalt des Themas geboten werden. Es bleibt zu hoffen, dass weitere Auseinandersetzungen folgen.
Literatur
Cozatl, Roberto, Brenn, Daniel & Özüyaman, Susann (2021): Unterstützung der Open-Access-Transformation in Regionalbibliotheken in Sachsen-Anhalt: die Perspektive einer Universitäts- und Landesbibliothek. In: Informationspraxis 7,1. https://doi.org/10.11588/ip.2021.1.80300.
Jendral, Lars, May, Anne, Müller, Maria & Tröger, Beate (2019): Positionierung der AG Regionalbibliotheken zum Strategiepapier „Wissenschaftliche Bibliotheken 2025" (WB2025). Verfügbar unter: https://www.bibliotheksverband.de/fileadmin/user_upload/Arbeitsgruppen/AG_RegionalBib/Positionierung_der_AG_Regionalbibliotheken_zum_Strategiepapier_WB2025Fin.._.pdf [Stand 16.4.2021]
May, Anne & Steinsieck, Adreas (2019): Open Access – mehr als Pay-to-publish? Open-Access-Strategien für Regionalbibliotheken am Beispiel der GWLB. Bibliothekartag 2019 [Präsentationsfolien]. https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:0290-opus4-163817
Munke, Martin & Fischer, Daniel (2021): Vom Retrodigitalisat zu Open Access. Landeshistorische Literatur zu Sachsen online unter besonderer Berücksichtigung der Zeitschriftenliteratur. In: Informationspraxis 7,1. https://doi.org/10.11588/ip.2021.1.80547
Mutschler, Thomas (2021): Vom Hochschulschriftenserver zum Publikationsfonds – Die Open Access-Transformation an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena. In: Informationspraxis 7,1. https://doi.org/10.11588/ip.2021.1.79850
Roeder, Corinna & Seifert, Wolf C. (2020): Regionalbibliotheken als Akteure der Open-Access-Transformation – Ergebnisse einer Umfrage: Presented at the Open-Access-Tage 2020 [Präsentationsfolien]. https://doi.org/10.5281/zenodo.4046847
Seifert, Wolf Christoph (2021): Regionalbibliotheken und die Open-Access-Transformation: Ergebnisse einer Umfrage. In: Informationspraxis 7,1. https://doi.org/10.11588/ip.2021.1.80331
AutorInnen
-
Jana Madlen Schütte, schuette@blb-karlsruhe.deBadische Landesbibliothek, Erbprinzenstraße 15, 76133 Karlsruhe