Von der Aktion zum Regelbetrieb: Entwicklung eines Zweitveröffentlichungsservices an der UB/LMB Kassel

DOI: https://doi.org/10.11588/ip.2021.2.84125

Sarah DELLMANN, Arvid DEPPE

Von der Aktion zum Regelbetrieb: Entwicklung eines Zweitveröffentlichungsservices an der UB/LMB Kassel

Zusammenfassung

Während der Open-Access-Woche 2020 fand in der UB/LMB Kassel die Aktion “Sie liefern den Text, wir machen den Rest” statt. Im Rahmen dieser Aktion wurden verschiedene Serviceangebote rund um das Zweitveröffentlichen angeboten und hinsichtlich Aufwand und Nachfrage erprobt. Die Resonanz auf diese zeitlich befristete Aktion war sehr positiv, die Nachfrage an Zweitveröffentlichungsservices groß und die “Erfolgsquote”, d. h. die Anzahl potenziell für die Zweitveröffentlichung zugelassener Publikationen, erfreulich. Dieser Artikel stellt die Erfahrungen mit der Aktion sowie die darauf basierende Definition des Serviceumfangs und die Entwicklung des Workflows für den Regelbetrieb vor.

Schlüsselwörter

Zweitveröffentlichungsservice, Repositorium, grüner Weg, Workflowentwicklung, Open Access

Learning by doing: Introducing Self-Archiving Support Services at Kassel University Library (Germany)

Abstract

During the Open Access Week 2020, Kassel University library (Germany) temporarily offered extensive self-archiving services. The aim of the promotion week “Sie liefern den Text, wir machen den Rest” (“Send us your publication list, we take care of everything else”) was to assess the demand for self-archiving services among researchers and to determine the workload among library staff for delivering such services. Researchers’ responses to the offer were very positive, and the “success rate”, i. e. the amount of publications that was published in the institutional repository was high. This article presents the lessons learned from the promotion week as well as the development of the workflow. Resulting choices for the type and extent of self-archiving services that now are integrated in the library’s regular service portfolio are discussed.

Keywords

Self-Archiving services, Green Open Access, Repositories, Workflow development, Open Access


Veröffentlichung: 23.12.2021 in Informationspraxis Bd. 7, Nr. 2 (2021)


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

Die Selbstarchivierung ist einer der beiden prominenten “Wege” des Open Access. Auch wenn er zuletzt angesichts aufwendiger Maßnahmen zur Förderung des goldenen Weges – allen voran durch die DFG Förderprogramme “Open Access Publizieren” (2010–2020) und “Open-Access-Publikationskosten” (2021–2027) sowie die DEAL-Verträge – etwas in den Hintergrund getreten ist, spielt der “grüne Weg” nach wie vor eine bedeutende Rolle in der Verfügbarmachung und Archivierung von Forschungsliteratur. Die Ergebnisse der Big Data-Studie von Piwowar, Prime et al. zeigten, dass Artikel, die im grünen Open Access verfügbar sind, überdurchschnittlich häufig zitiert werden (Piwowar et al. 2018, S. 14). Mitunter stellt die Zweitveröffentlichung in Repositorien die einzige Option für eine Open-Access-Bereitstellung dar: In manchen Disziplinen gibt es noch wenige oder keine Open-Access-Zeitschriften; auch bei Sammel- und Konferenzbänden wird eine direkte Open-Access-Option über den Verlag nicht immer angeboten. Wie schnell elektronische Open-Access-Publikationen aus dem Netz verschwinden können, haben Laakso, Matthias und Jahn (2021) eindrücklich gezeigt. Auch in dieser Hinsicht ist die Zweitveröffentlichung von Inhalten in Repositorien wichtig für die Archivierung und Bereitstellung wissenschaftlicher Literatur.

Verschiedene Werkzeuge erleichtern die Identifikation, Prüfung und Bereitstellung von Inhalten sowie die Auffindbarkeit von und den Zugriff auf Zweitveröffentlichungen. Blasetti et al. (2019) stellen allgemeine Richtlinien, Tools und einen Fragenkatalog bereit, welche für die Arbeit im Zweitveröffentlichungsservice eine gute Orientierung und wertvolle Hilfestellungen geben.

In diesem Beitrag möchten wir die Erfahrungen schildern, die wir im Zuge der Einrichtung eines Zweitveröffentlichungsservices an der UB/LMB Kassel gemacht haben. Der Schwerpunkt liegt auf der Beschreibung und Reflektion des Entwicklungsprozesses des Services: von der Ermittlung des Bedarfs der Autor*innen, über den Erwerb der benötigten Expertise und der Kalkulation von Arbeitszeit innerhalb der UB/LMB bis hin zur Klärung des Serviceumfangs und der Entwicklung eines klar definierten Workflows für den Regelbetrieb. Zudem wollen wir einen Beitrag zur Dokumentation von Workflows liefern, ähnlich wie die veröffentlichten Workflows/Berichte der TU Berlin (Voigt und Dittmann 2019), der KIT-Bibliothek (Tobias 2018) sowie des VET Repository (Heidt o. J.).

2 “Sie liefern den Text – wir machen den Rest”: Die Aktion zur Open-Access-Woche 2020

Seit fast 20 Jahren betreibt die UB/LMB Kassel einen Publikationsserver: 2002 ging der Kasseler Dokumentenserver KUSS (basierend auf der Software OPUS) produktiv, 2006 wurde dieser vom Repositorium KOBRA, Kasseler Online Bibliothek Repository und Archiv, (basierend auf DSpace) abgelöst. Wie andernorts stand das Repositorium in Kassel seit Inbetriebnahme für verschiedene Publikationsroutinen zur Verfügung (vgl. Pohlmann & Dellmann 2020). Zweitveröffentlichungen hatten und haben, neben Dissertationen, OA-Publikationen des Universitätsverlags kup, grauer Literatur und anderen Formaten einen festen Platz auf KOBRA.

Nichtsdestotrotz wurde die Möglichkeit der Zweitveröffentlichung bislang kaum gezielt beworben. Eine Ausnahme stellt die Option dar, bei der Meldung einer Publikation im Forschungsinformationssystem (basierend auf der Software Converis) Informationen zur Möglichkeit der Archivierung und Zweitveröffentlichung der Publikation anzufordern. Unterstützende Services – beispielsweise bei der Rechteklärung – wurden zwar auf Nachfrage erbracht, nicht aber auf den Webseiten beworben, proaktiv angeboten oder gar initiativ angestoßen. (Teil-)Automatisierte Importe durch DeepGreen kommen bislang nicht zum Einsatz. Für eine systematische Kontrolle von OA-Optionen aus Allianz- und Nationallizenzen fehlten die Ressourcen. Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass es bis dato keinen sichtbaren Zweitveröffentlichungsservice gab.

Die zunehmende Bedeutung elektronischer Literaturversorgung für Forschende ist sicherlich unstrittig (vgl. Deutscher Bibliotheksverband 2020). Mit Ausbruch der Corona-Pandemie und der damit einhergehenden Schließung der Bibliotheksstandorte wurde die Relevanz für den Remote-Zugang zu Publikationen konkreter erfahrbar. An der UB/LMB Kassel verlagerte sich der Anteil von E-Books an den Erwerbungswünschen während der Schließzeit der ersten Welle von 15 % auf kurzzeitig sogar 100 % (Krug 2020, S. 893). In einer Umfrage zu Lizenzierungsentscheidungen an wissenschaftlichen Bibliotheken und Regionalbibliotheken in Deutschland gaben knapp 50 % der Befragten an, aufgrund der anhaltenden Corona-Pandemie einen höheren Bedarf an digitalen Inhalten zu haben (vgl. Vosberg und Lütjen 2021, S. 10). Nicht alle Inhalte können aber über den Erwerb von Verlagslizenzen bereitgestellt werden: Fehlende Campuslizenzen, hohe Kosten, Lizenzierung eines Titels nur im Rahmen eines (teuren) Pakets oder das ausschließliche Vorliegen in Printform schränken die Zugangsmöglichkeit über Lizenzvereinbarungen ein. Fernleihe und Dokumentlieferdienste sind eine Alternative, als mittelbare und auf einmalige Nutzung ausgerichtete Angebote jedoch wenig nachhaltig. Die frei zugängliche Veröffentlichung von Publikationen in Repositorien stellt daher einen potentiell wichtigen Baustein in der Bereitstellung digitaler Inhalte dar (vgl. Jobmann 2020).

Den gesteigerten Bedarf an digitalen Inhalten nahm die UB/LMB Kassel zum Anlass, in einem Blogbeitrag im März 2020 das wissenschaftliche Personal der Universität Kassel dazu aufzufordern, ihre Texte auf KOBRA einzustellen um dadurch zur Verbesserung der Literaturversorgung beizutragen (Dellmann 2020). Der Beitrag wurde durch den Twitter-Account der Universität Kassel verbreitet (Universität Kassel 2021), in dessen Folge uns zahlreiche Rückfragen erreichten, die insbesondere große Unsicherheit über die rechtliche Situation offenbarten. Wir entschieden, eine Anfrage mit einer längeren Publikationsliste (49 Titel, überwiegend Beiträge in Proceedings und Zeitschriftenartikel, 1997–2020) als Testballon aufzugreifen, um herauszufinden, wie aufwändig eine Rechteklärung ist. Eine Erkenntnis war: Auch mit bestem Willen und mit Unterstützung durch Sekretär*innen und studentische Hilfskräfte stellen die Identifikation der vorliegenden Fassung, das “Finden” erlaubter (Manuskript-)Versionen und das Einstellen in das Repositorium eine große Hürde dar. Wenn wir ermitteln wollten, wie hoch das Interesse an Zweitveröffentlichungen ist, mussten wir einen Service über die Rechteprüfung hinaus bieten. Eine Aktion zur Open-Access-Woche 2020 sollte der Bedarfsermittlung und der Ressourcenabschätzung dienen.

Das Projektteam bestand aus den Autor*innen dieses Artikels, Arvid Deppe (Gruppenleitung Publikationsdienste) und Sarah Dellmann (zu dem Zeitpunkt Referendarin an der UB/LMB Kassel) sowie den drei Mitarbeiter*innen des KOBRA-Teams (zwei Diplombibliothekarinnen und ein Entwickler). Alle Mitglieder des KOBRA-Teams sind anteilig oder überwiegend mit anderen Aufgaben betraut. Für die Retrodigitalisierung von Printpublikationen hatten wir zusätzlich die Unterstützung einer studentischen Hilfskraft in der Digitalisierungswerkstatt.

Die Aufgabenverteilung wurde im Vorfeld wie folgt geregelt: Kommunikation mit Autor*innen, Rechteprüfung, Online-Recherche der Dokumente, Anfragen von Publikationen, Ermittlung von Digitalisierungsbedarfen und die Ablage der einzustellenden Dokumente auf dem Netzlaufwerk zur weiteren Bearbeitung übernahmen die Teammitglieder des höheren Dienstes. Die Diplombibliothekarinnen im Team übernahmen das Einstellen der Publikationen und die Bearbeitung des gesamten Workflows in DSpace (Erfassung der Metadaten, Vergabe von GND-Schlagworten, Bearbeitung der von Digitalisierungswerkstatt und Autor*innen gelieferten PDFs). Ursprünglich waren keine Entwicklungstätigkeiten vorgesehen, aber im Laufe der Aktion ergaben sich einige Anpassungsbedarfe (s. unten).

Unter dem Motto “Sie liefern den Text – wir machen den Rest” boten wir ein “Rundum-Sorglos-Paket” an: Autor*innen, die uns während der Open-Access-Woche (19.–23. Oktober 2020) per E-Mail ihre Publikationsliste schickten, versprachen wir:

  1. Die Prüfung der Rechte anhand des Verlagsvertrages oder allgemeiner Verlagsrichtlinien,
  2. das Einstellen der Publikation in KOBRA und,
  3. wenn gewünscht, das Versenden einer Nachfrage an den Verlag bei Unklarheiten sowie
  4. die Retrodigitalisierung der Publikation, falls diese nur in gedruckter Form vorliegt.

Unser Rundum-Sorglos-Paket umfasste allerdings nicht die Fernleihbestellung von Printpublikationen, die nicht im Bestand der UB/LMB vorhanden sind (zur Retrodigitalisierung) und auch keine Hilfe bei der Recherche oder Erstellung von Manuskriptversionen über den Verweis auf das Tool Direct2AAM hinaus.

Die Aktion wurde in Zusammenarbeit mit dem Open-Access-Beauftragten über die Fachreferent*innen an die Bibliotheksbeauftragten und weitere Kontakte im Fachbereich versendet. Zusätzlich erschienen ein Beitrag im UB-Blog (UB/LMB Kassel 2020) sowie ein Eintrag auf der Website der Open Access Week (Deppe 2020). Die Rückmeldungen der Wissenschaftler*innen zeigten, dass von allen Kanälen das Anschreiben über die Fachreferent*innen der effektivste war. Argumentativer Aufhänger war neben der Open-Access-Woche auch das “Corona-Argument”: “Helfen Sie bei der Literaturversorgung – teilen Sie Ihre Artikel online”. Vorteile wie Sichtbarkeit, Archivierung und einfaches Auffinden durch die Vergabe von DOIs wurden nur nachgeordnet, als weitere Vorteile angeführt.

Während unser Ziel (Ermittlung von Nachfrage und Ressourcenbedarf) klar war, hatten wir keine Erwartung, was nach dem Versenden des Angebots auf uns zukommen würde.

In der Zeit vom 19.–23. Oktober 2020 erreichten uns 25 Anfragen mit Publikationslisten von 22 Einzelautor*innen – von Doktorand*innen bis zu Professor*innen – sowie Publikationslisten von zwei Instituten und einem Fachgebiet. Die kürzeste Liste umfasste eine Publikation, die längste 175. Insgesamt erhielten wir 1.081 bibliografische Angaben: 534 Artikel, 273 Buchkapitel/Sammelbandbeiträge, 191 Beiträge in Proceedings, 28 Dissertationen, Monografien oder Sammelbände in Herausgeberschaft sowie 55 sonstige Publikationstypen (Rezensionen, Lexikonbeiträge, u. a.). Die Verteilung auf die Fachbereiche spiegelte die jeweiligen Publikationskulturen wider, wobei insgesamt die Nachfrage stark nach Fachbereich variierte (vgl. Abb. 1).

Abb. 1: Eingereichte Literaturangaben nach Publikationstypen und Fachbereichen. Aus fünf Fachbereichen (FB 05 Gesellschaftswissenschaften, FB 10 Mathematik und Naturwissenschaften, FB 11 Ökologische Agrarwissenschaften und FB 16 Elektrotechnik/Informatik sowie aus der Kunsthochschule Kassel) erreichten uns keine Anfragen. In 2020 gab es keine Fachbereiche mit den Nummern 3, 4, 8, 9, 12 und 13 an der Universität Kassel.

Von den 1.081 Literaturangaben waren 19 Publikationen bereits auf KOBRA, 66 konnten nicht identifiziert werden – fast ausnahmslos Beiträge in Proceedings, insbesondere von Konferenzen, die länger als fünf Jahre zurückliegen. Ein Titel war noch nicht erschienen. Von den übrigen 995 durften 86 % zweitveröffentlicht werden: 517 (52 %) in der Verlags- und 343 (34 %) in der Manuskriptversion. In 67 (7 %) Fällen war keine Zweitveröffentlichung erlaubt, 68 (7 %) Anfragen konnten oder sollten nicht gestellt werden oder blieben erfolglos (vgl. Abb. 2).

Abb. 2: Erlaubte/eingestellte Beiträge nach Publikationstyp und Version

Die Verteilung der erlaubten Versionen überrascht wenig: Während im Bereich der Artikel ein Großteil nur in der Manuskriptversion zweitveröffentlicht werden darf, dominieren bei den Buchkapiteln und Beiträgen in Proceedings die Verlagsversionen. Dass im Rahmen der Aktion circa 83 % der erlaubten Verlagsversionen auch tatsächlich eingestellt werden konnten, lag ebenfalls im erwartbaren Rahmen. Unter den fehlenden 89 erlaubten Verlagsversionen waren 12 Publikationen, bei denen die Autor*innen den Zweitveröffentlichungswunsch zurückgezogen haben, 41 Publikationen, auf deren elektronische Version wir keinen Zugriff hatten (hier waren die Autor*innen gebeten, eine digitale Version zur Verfügung zu stellen, aber konnten diese nicht liefern) sowie 36 Print-Publikationen, die sich nicht im Bestand der UB/LMB befinden und nicht von den Autor*innen zur Verfügung gestellt werden konnten. Hier läge sowohl auf Seiten der Autor*innen als auch in der Nutzung der Fernleihe noch ein wenig Zweitveröffentlichungspotenzial. Deutlich mehr Potenzial liegt bei den Manuskriptversionen, von denen uns – trotz des Hinweises auf Direct2AAM – nur knapp 15 % zur Verfügung gestellt wurden.

Dieses Verhältnis spiegelt sich entsprechend in den Publikationsquoten je Typ: 44 % aller erlaubten Artikel, 50 % aller erlaubten Beiträge in Proceedings und 80 % aller erlaubten Kapitel sind im Repositorium online gestellt. Bei den ersten beiden Publikationstypen ist der Anteil an erlaubten Manuskriptversionen hoch, bei den letzten beiden der an Verlagsversionen.

Ein Blick auf die Grundlage, auf der eine Zweitveröffentlichungserlaubnis festgestellt wurde (vgl. Abb. 3), zeigt ein gemischtes Bild. Zu fast gleichen Teilen verdanken sich die Erlaubnisse Verlagsanfragen und Verlagspolicies, wobei der größte Teil der erlaubten Verlagsversionen auf Anfragen, die meisten Manuskriptversionen auf Policies zurückgehen. Die Erfolgsquote der Verlagsanfragen führte auch zu deren prominenter Stellung im Workflow für den Regelbetrieb.

Abb. 3: Rechtliche Basis der Zweitveröffentlichung je Version

90 gemeldete Publikationen standen bereits unter einer freien Lizenz und durften entsprechend eingestellt werden. In Hinblick darauf, dass ein Großteil der OA-Gold Artikel von Kasseler Wissenschaftler*innen über den Publikationsfonds der UB/LMB finanziert und alle durch den Fonds geförderten Artikel durch die UB bei KOBRA eingestellt werden, ist diese Zahl überraschend hoch. Es zeigt aber zugleich, dass auch im Segment der Zweitveröffentlichungen, die Bibliotheken ohne weitere Rückfrage vornehmen dürfen, noch ungenutztes Potential steckt. Hierbei handelt es sich überwiegend um gemeinschaftlich publizierte Artikel, deren Corresponding Author nicht mit der Universität Kassel affiliiert ist sowie um dezentral finanzierte Artikel. Hinter der Kategorie “Sonstiges” verbergen sich im Wesentlichen urheberrechtliche Begründungen, insbesondere nach § 38 Abs. 1, 2 und 4 UrhG. Die eher niedrige Zahl der Anwendung von § 38 UrhG rührt u. a. daher, dass Autor*innen meist nicht sicher ausschließen konnten, einen Vertrag unterschrieben zu haben (Abs. 1/2), oder eine Anwendbarkeit von Abs. 4 nicht zweifelsfrei gegeben war. In solchen Fällen wurde eine Verlagsanfrage gestellt. Unter “Sonstiges” fallen zudem Absprachen und Kulanzregelungen zwischen Autor*innen und Verlag: So konnten wir zum Beispiel eine Monografie in der Manuskriptversion einstellen, was der Verlag dem Autor auf seine Anfrage hin erlaubte, was aber auf Basis der Verlagspolicy nicht möglich gewesen wäre.

Sehr gering ist auch der Anteil der Zweitveröffentlichungen auf Basis von Allianz-und Nationallizenzen (AL/NL) mit 3 %. Dies liegt zum einen daran, dass die meisten großen Verlage (Elsevier, Springer, Wiley) nicht oder nur sehr begrenzt an diesen Lizenzen teilnehmen. Zum anderen lässt sich die AL/NL-Recherche aus unserer Sicht nur schlecht systematisch in Abfrageroutinen einbetten. AL/NL wurden deshalb nur geprüft, wenn Policies keine oder nur die Manuskriptversion zur Selbstarchivierung erlaubt haben, so dass etwa Publikationen von De Gruyter (Zweitveröffentlichung in der Verlagsversion nach Embargo) bei uns statistisch unter “Verlagspolicy” fallen, nicht unter “AL/NL”.

Erfreulich hoch sind insgesamt die Rücklauf- und Erfolgsquoten der Verlagsanfragen (vgl. Abb. 4). 327 (91 %) der 359 Anfragen wurden beantwortet, davon 286 (87 %) positiv, darunter wiederum 224 (78 %) Erlaubnisse für die Publikation in der Verlagsversion.

Abb. 4: Rücklauf der Verlagsanfragen

Insgesamt konnten wir 479 Publikationen zweitveröffentlichen, viele davon sind, im Unterschied zur Zweitveröffentlichung von OA-Gold-Artikeln, zum ersten Mal frei online zugänglich und adressierbar. Im Falle der Retrodigitalisierung (107 Publikationen durch uns, weitere wurden von Autor*innen geliefert) sind die Publikationen zum ersten Mal überhaupt elektronisch verfügbar. Auffallend war, dass sich Disziplinen, die den OA-Fonds bislang nicht oder nur wenig nutzen (Neuere Philologien, Linguistik, Theologie), an dieser Aktion beteiligten. So konnten über den Zweitveröffentlichungsservice der Open-Access-Anteil und die Sichtbarkeit dieser Fächer in KOBRA gestärkt werden.

Die Nachfrage, das Interesse an den auf der Bibliothekskommissionssitzung im November 2020 präsentierten Zwischenergebnissen und die “Realisierungsquote” legten es nahe, den Zweitveröffentlichungsservice im Regelbetrieb anzubieten.

3 Lessons Learned

3.1 Lesson 1: Man kann auch in kaltem Wasser schwimmen

Trotz punktueller Vorerfahrungen in der Rechteprüfung und des Wissens um zahlreiche Hilfsmittel (etwa Blasetti et. al. 2019) war das Projekt für uns ein Sprung ins kalte Wasser. Anders als befürchtet ließ sich die rechtliche Situation allerdings in den weitaus meisten Fällen eindeutig und unkompliziert klären. Im Zweifel versendeten wir Verlagsanfragen auf Basis eines Standardanschreibens, was unkompliziert und in den meisten Fällen (~80 %) erfolgreich war. Bei Unklarheiten half zudem der kollegiale Austausch. Kurzum: Die Sorge vor rechtlichen Unklarheiten ist, so unsere Erfahrung, in weiten Teilen unbegründet – und sollte niemanden davon abhalten, einen Zweitveröffentlichungsservice einzurichten.

Es hat sich allerdings auch gezeigt, dass Grundsatzentscheidungen der Leitungsebene zum Umgang mit spezifischen rechtlichen Interpretationsfragen nötig sind, um die Prüfung möglichst effizient zu gestalten, beispielsweise zur Feststellung, wie Drittmittel für eine “mindestens zur Hälfte mit öffentlichen Mitteln geförderten Forschungstätigkeit” nach § 38 Abs. 4 UrhG angesetzt werden. Darüber hinaus wurden die Grenzen der bekannten Hilfsmittel durch den relativ hohen Anteil an Kapiteln und Beiträgen in Proceedings einmal mehr deutlich: Das Tool Sherpa Romeo ist für die Recherche zu Zweitveröffentlichungsmöglichkeiten von Artikeln in englischsprachigen Zeitschriften eine große Hilfe. Für deutschsprachige Verlage, insbesondere Monografien, ist es eher ungeeignet. Die Fokusgruppe Zweitveröffentlichung erstellt derzeit eine Liste zu Policies und Praktiken verschiedener Verlage in der Zweitveröffentlichungsfrage, um diese Lücke zu schließen.

3.2 Lesson 2: Erst die Praxis ermöglicht es, Bedarfe und Aufwand realistisch einzuschätzen

Die Ermittlung der Publikationen aus den zugesandten Listen und die Rechteprüfung gingen, nach anfänglicher Einarbeitung, deutlich schneller als gedacht: Die erste Prüfung aller Publikationen war bereits nach drei Wochen (November 2020) abgeschlossen. Einen ungleich höheren Rechercheaufwand stellten Beiträge in Proceedings und, teilweise, Artikel aus inzwischen eingestellten elektronischen Zeitschriften sowie Beiträge in (Print-)Sammelbänden nicht mehr existierender Verlage dar. Hingegen haben das Warten auf Rückmeldungen von Verlagsanfragen, nicht selten erst nach Erneuerung der Anfrage, das Warten auf Rückmeldungen zu eingeforderten Manuskriptversionen, das Digitalisieren der Printpublikationen und vor allem das Einstellen der Dokumente in das Repositorium mehr Zeit in Anspruch genommen als erwartet. Ab Januar 2021 unterstützte die Referendarin die Diplombibliothekarinnen beim Einstellen der Dokumente (Eintragen der Metadaten, Vergabe von GND-Schlagworten), sodass diese sich auf die Aufgaben im Backend des Repositoriums konzentrieren konnten (PDF-Aufbereitung für die Archivierung, Kontrolle der Metadaten). Dennoch variiert die Bearbeitungsdauer der im Repositorium eingestellten Dateien sehr, da sie von Faktoren wie dem Bearbeitungsaufwand der digitalen Dokumente (Qualität der gelieferten PDF-Dokumente), der korrekten Darstellung eventuell vorhandener Sonderzeichen/Formeln in Abstracts sowie einer eventuell notwendigen, ergänzenden Recherche zu Konferenzangaben abhängt. Die Bearbeitungsdauer variierte daher von 20 Minuten bis hin zu mehreren Stunden je Publikation.

Auch die Nachfrage an unserem Angebot zur Retrodigitalisierung war überraschend hoch. Während wir für diesen Teilbereich mit geringer Nachfrage rechneten, haben wir letztlich 107 Publikationen retrodigitalisiert, darunter einige Monografien. Das uneingeschränkte Digitalisierungsangebot wird im Regelbetrieb aus Ressourcengründen vorerst nicht angeboten werden können, wenngleich es in fast allen Fällen die erstmalige Bereitstellung der Publikation in elektronischer Form bedeutete und somit einen deutlichen Mehrwert bietet. Dass die Rückfrage am Digitalisierungsangebot so hoch war, ist auch damit zu erklären, dass wir keine Einschränkung zu Zeiten und Anzahl gemacht haben. So lagen uns einige Publikationslisten mit “Lebenswerken” vor, die weit ins analoge Zeitalter zurückreichten; das Gros der Digitalisierungsaufträge verteilte sich auf fünf Autor*innen. Trotz aller Verzögerungen durch eine unvorhersehbare personelle Unterbesetzung in der Digitalisierungswerkstatt erreichten uns keine ungeduldigen Zwischenfragen – im Gegenteil hatten Autor*innen beim Warten auf den Digitalisierungsservice viel Geduld und Verständnis.

3.3 Lesson 3: Zweitveröffentlichungsservices stärken die Wahrnehmung der Bibliothek als kompetente Partnerin in Fragen des wissenschaftlichen Publizierens

Zweifelsohne hat die Aktion die Zahl von Zweitveröffentlichungen im Repositorium der Universität Kassel in kurzer Zeit deutlich erhöht; sie hatte aber auch weniger manifeste Effekte: Belastbare Antworten auf rechtliche Fragen geben zu können, stärkte die Wahrnehmung der UB/LMB als kompetente Partnerin im Bereich des wissenschaftlichen Publizierens. Die Aktion bot ein Angebot und einen Anlass, um mit Forschenden ins Gespräch zu kommen. Unsere Rückmeldung zu erlaubter oder nicht erlaubter Zweitveröffentlichung von Verlags- oder Manuskriptversionen erhöhte zudem das Bewusstsein unter wissenschaftlichem Personal für Open Access und die Unterschiede im Kleingedruckten der Verlagsverträge. Sehr anschaulich fasst es dieses Zitat aus einer Korrespondenz mit einem/einer Professor*in:

“Erst jetzt ist mir übrigens klar geworden, wie unterschiedlich die Politiken der Verlage hinsichtlich nachträglichem Open Access sind. Das wird meine künftigen Entscheidungen für die Verlage, mit denen ich arbeite, sicher beeinflussen! Wir Wissenschaftler machen uns darüber (noch) zu wenige Gedanken.”

Auch zahlreiche weitere wertschätzende Rückmeldungen zu unserer Aktion bestätigten uns darin, dass es sich nicht um ein bibliothekarisches Binnenthema der Literaturversorgung handelt, sondern die Bedeutung von Sichtbarkeit und Verfügbarkeit auch von Wissenschaftler*innen als relevant wahrgenommen wird, zugleich aber der Bedarf an Aufklärung sowie konkreten Lösungen und Services besteht.

Für die zukünftige Bewerbung des Services werden wir die (teilweise in den Rückmeldungen genannten) Mehrwerte ausdrücklicher betonen. Dazu gehört der Nachweis und die Recherchierbarkeit in KARLA, dem Katalogportal der UB/LMB Kassel: Publikationen, die im Repositorium KOBRA stehen, werden über eine Schnittstelle durch BASE geharvested, was wiederum durch den integrierten Discoveryservice (Ebsco EDS) geharvested wird. Dadurch werden auch unselbständige Werke im Katalog der UB/LMB angezeigt.

3.4 Lesson 4: Eine Zweitveröffentlichungsaktion baut eigene Kompetenzen aus und gibt Gelegenheit zum Netzwerken

Die Aktion war Anlass, das Thema Zweitveröffentlichung über die Projektmitarbeiter*innen hinaus auch innerhalb der UB/LMB aufzugreifen. Durch die Einbindung des Open-Access-Beauftragten und der Fachreferent*innen sowie die für die Digitalisierungswerkstatt zuständige Abteilungsleitung wurde das Thema breiter in die UB/LMB und die Universität hereingetragen. Es ist geplant, die Volltexte aus KOBRA in die derzeit noch in der Planungsphase befindliche Hochschulbibliographie einzubeziehen – die Anpassung im Metadatenschema des zugrundeliegenden Forschungsinformationssystems wurde bereits vorgenommen. Durch die hohe Anzahl von Beiträgen zu Sammelbänden – eine vorher im Repositorium nicht häufig vertretene Publikationsform – wurde zudem eine Ungereimtheit im Metadatenschema entdeckt (und behoben). Im Laufe der Arbeiten fiel uns zudem auf, dass Änderungen in der Programmierung der Schnittstelle vorgenommen werden mussten, um die Zweitveröffentlichungen für das Harvesting von Unpaywall abrufbar zu hinterlegen.

Die Aktion hat den Austausch mit Repositorien-Kolleg*innen an anderen Einrichtungen befördert, sowohl zu Ablauf und Umfang der Arbeiten als auch zur Einschätzung von Rechtsfragen und hilfreichen existierenden oder noch zu entwickelnden Ressourcen. Die Energie des Projekts war ein weiterer Anlass, sich bei der Gründung der Fokusgruppe Zweitveröffentlichung des Open-Access.Networks zu engagieren.

Aus Sicht der Referendariatsausbildung ermöglicht die Mitarbeit im Zweitveröffentlichungsservice einen vertiefen Einblick in die Publikationskulturen verschiedener Fachbereiche. Von privat gehosteten Websites von E-Journals bis hin zu Proceedings veröffentlicht in Dropbox-Foldern gab es einiges an Formaten zu entdecken.

Über die UB/LMB hinaus entwickelte sich eine Kooperation mit dem FID Theologie, sodass die zweitveröffentlichten Publikationen aus diesem Fachbereich der Universität Kassel nun für die Nachnutzung im Bibliographieprojekt des FID zur Verfügung stehen.

4 Workflowentwicklung: Lehren für den Regelbetrieb

Für die Aktionswoche hatten wir keinen Workflow im Vorfeld entwickelt, sondern lediglich einen Bereich im internen Wiki angelegt und eine Vorlage für die Dokumentation der Publikationslisten erstellt. Die Entscheidung für trial and error war bewusst getroffen und unserer Zielsetzung angemessen. Die schrittweise Optimierung der Dokumentationsweisen in den ersten beiden Wochen war zwar zeitintensiv, aber funktional: So konnten wir aus dem, was auf uns zukam, Fragen für Dokumentation, Recherche und Rechteklärung identifizieren und auf dieser “empirischen Grundlage” basierend Kategorien, Variablen und Darstellungsweisen definieren (vgl. Abb. 5)– nicht umgekehrt.

Abb. 5: Kategorien und Variablen im Zweitveröffentlichungsworkflow im Regelbetrieb (Abbildung liegt als separate Datei dem Artikel bei)

Obwohl wir gute Ergebnisse erzielten, war die Arbeitsorganisation im Projektbetrieb teilweise ineffizient. Das war an sich nicht schlimm – immerhin war das Eruieren der Bedarfe erklärtes Ziel der Aktionswoche. Im Regelbetrieb ist der Workflow des Projektes jedoch nicht sinnvoll einsetzbar. In der internen Auswertung bezogen sich die Verbesserungspunkte allesamt auf die Organisation des Workflows. Rechtliche Fragen oder technische Limitierungen spielten in der Auswertung keine große Rolle. Erschwernisse lagen in der Identifikation älterer Titel, fehlender Verträge bzw. fehlender Informationen von Autor*innen und dem wiederholten Rückfragen bei Verlagen. Für diese Fälle hatten wir zunächst keine definierten Vorgehensweisen. Außerdem war es während der Laufzeit der Aktion zeitaufwändig, den Überblick zu behalten: Auch wenn dieselbe Wiki-Vorlage genutzt wurde, gab es Varianz (auch innerhalb der Listen, die durch dieselbe Person bearbeitet wurden). Das betrifft zum einen die Verwendung einheitlicher Begriffe (“Postprint”, “AAM”, “Autorenversion”, “Manuskriptversion”, “Accepted Version”, “Authors Accepted Manuscript”) als auch die Darstellung zum Stand der Dinge, zum Stand der Nachverfolgung und zum Stand von Verlagsanfragen. Für die Rückmeldungen hatten wir zudem keine klaren Absprachen, zu welchem Zeitpunkt wir Anschreiben und Erinnerungen verschicken – und wann wir aufgeben.

Wir identifizierten zwei Kernpunkte: Standardisierte Abläufe mit definierten Zeitpunkten für das Warten auf Rückmeldungen und eine einheitliche Dokumentation.

Abb. 6: Workflow Zweitveröffentlichungsservice an der UB/LMB Kassel im Regelbetrieb (Stand: Oktober 2021; Abbildung liegt als separate Datei dem Artikel bei)

Der Workflow für den Regelbetrieb sieht nun wie in Abb. 6 dargestellt aus. Nach Eingang der Publikationsliste – entweder durch das Anklicken einer Option bei einer Publikationsmeldung im Forschungsinformationssystem oder durch das Zusenden einer Publikationsliste – werden die Titel in einer Vorlage im Wiki dokumentiert. Jedem Arbeitsschritt sind ein*e Akteur*in (Verlage, Autor*innen, wissenschaftliche MA KOBRA und KOBRA-Team) sowie eine Nummer zugeordnet (hier nicht abgebildet), sodass der Bearbeitungsstand leicht ersichtlich ist. Die Rechte werden anhand von Verlagspolicies oder Angaben des Artikels geprüft, rechtliche Fragefälle werden identifiziert und das Ergebnis mit einer einheitlichen Terminologie im Wiki hinterlegt. Die Autor*innen erhalten eine Rückmeldung zu den Titeln, die in der Publikationsversion (VoR) oder der Manuskriptversion (AAM) eingestellt werden dürfen und werden um die Zusendung der jeweiligen Version ihrer Publikationen gebeten. Erforderliche Verlagsanfragen werden aufgelistet, inklusive dem Angebot, diese zu stellen. Gegebenenfalls werden weitere Fragen gestellt (etwa bei uneindeutigen Literaturangaben oder zu möglicherweise existierenden Verlagsverträgen). Diese Rückmeldung enthält auch das Angebot, alle bereits als erlaubt identifizierten und zugänglichen VoR einzustellen. Erfolgt keine Antwort, wird nach vier Wochen eine Erinnerung geschickt. Erfolgt nach weiteren vier Wochen keine Antwort, wird der Fall erst einmal geschlossen und es werden nur die Publikationen, die unter einer freien Lizenz stehen, in das Repositorium eingestellt. Wenn das KOBRA-Team Rückfragen zu passenden GND-Sachschlagworten hat, kontaktieren sie die zuständigen Fachreferent*innen.

Wenn die Autor*innen antworten und die Genehmigung für die Veröffentlichung in KOBRA erteilen, werden alle erlaubten und zugänglichen Artikel, inklusive eventuell mitgelieferter AAM eingestellt. Zeitgleich werden Verlagsanfragen versendet. Erfolgt keine Rückmeldung, wird nach zwei Wochen eine Erinnerungsmail an die Verlage verschickt; erfolgt dann keine Rückmeldung, wird der Vorgang bis auf Weiteres zurückgestellt.

Ob es sinnvoll ist, bei Publikationen, die nur in Print vorliegen, erst die Erlaubnis der Verlage anzufragen und anschließend zu prüfen, ob die Titel im Bestand vorhanden sind oder andersherum, haben wir nicht abschließend geklärt. Wir tendieren dazu, erst die Verlagsanfrage zu schicken und, sollte der Titel nicht im Bestand vorhanden sein, die Autor*innen zu bitten, die Publikation für die Digitalisierung zur Verfügung zu stellen oder einen Kaufvorschlag zu machen.

Das Ergebnis der Verlagsrückmeldungen wird an die Autor*innen kommuniziert, gegebenenfalls werden erneut AAM oder für die UB/LMB nicht zugängliche VoR angefordert. Auch diesmal gilt eine Erinnerungsfrist von vier Wochen, nach weiteren vier Wochen wird an dieser Stelle aufgegeben. Eventuell nachgelieferte AAM und VoR werden den Kolleginnen im KOBRA-Team weitergeleitet und durch sie eingestellt. Sobald die Artikel online sind, bekommen die Autor*innen eine Meldung zum “Endstand”, worauf diese sich oft bedanken oder noch Rückfragen haben. Danach wird die Wiki-Seite im Status auf “fertig” gesetzt.

Dieser standardisierte Workflow definiert den Regelbetrieb: Autor*innen können uns komplette Publikationslisten in jeglichem Format geben, wir stellen auf Wunsch auch Titel aus den 1990ern und aus Anstellungsverhältnissen vor der Zeit an der Universität Kassel ein. Weiterhin bieten wir für alles einen Rundum-Sorglos-Service (Rechteklärung, Übernehmen von Verlagsanfragen, Einstellen von Beiträgen), aber ohne Digitalisierungsangebot und mit standardisierten Schritten, standardisierten Dokumentationsweisen und Musteranschreiben – und klaren Festlegungen, die wir den Autor*innen kommunizieren, wie lange wir auf Rückmeldungen warten, bevor wir einen toten Punkt erreicht haben und aufgeben.

Im Zuge der Workflowentwicklung haben wir zudem den Servicegedanken ausgeweitet: Während Autor*innen bislang selbst alle Metadatenfelder zu ihrer Publikation in KOBRA ausfüllen mussten, bieten wir nun auch die Option der “Komfortablieferung”: Diese vereinfachte Upload-Möglichkeit wurde vom Entwickler als temporäre Sammlung in DSpace realisiert. Mit dieser Option können Autor*innen nur die Datei selbst, mit einigen wenigen Informationen hochladen. Das Ausfüllen der korrekten Metadatenfelder übernehmen die Diplombibliothekarinnen im KOBRA-Team. Aus Sicht der Kolleginnen ist der Aufwand, eine Publikation vollständig selbst einzustellen, nicht erkennbar größer als die Korrektur oft nicht regelkonform eingetragener Metadaten. Da diese Option erst seit August 2021 zur Verfügung steht, können wir an dieser Stelle noch keine Angaben zur tatsächlichen Nutzung machen. Alternativ haben Autor*innen weiterhin die Möglichkeit, alle Metadaten zu ihrer Publikation selbst einzutragen.

5 Ein Blick zurück und ein Blick nach vorn

Auch wenn wir manchmal fürchteten, in den Publikationslisten unterzugehen, würden wir allen, die am Aufbau/Ausbau eines Zweitveröffentlichungsservices interessiert sind, eine Aktion zum Auftakt empfehlen. Zum einen ist eine Aktionswoche eine guter Anlass, sich konzentriert mit einem bislang vielleicht nur nachgeordneten Arbeitsbereich zu befassen. So schafft man sich ungleich höhere Erfolge in der Weiterbildung als es im “Nebenbei-Modus” der Fall wäre. Zudem liefert eine Aktion z. B. während der Open-Access-Woche einen klaren Anlass, den Service zu bewerben – und möglicherweise dient die befristete Einreichungsmöglichkeit manchen Autor*innen als Deadline, gute Vorhaben nicht liegen zu lassen, sondern die Publikationsliste auch einzureichen. Die Bewerbung des Angebots über die Fachreferent*innen hat gut funktioniert und würden wir ebenfalls empfehlen.

Natürlich könnte man auch sagen: 1.081 Literaturangaben von 2.000 wissenschaftlichen Angestellten (vgl. Uni Kassel 2021) lassen auf ein überschaubares Interesse schließen. Wir sind jedoch der Meinung, dass es sich lohnt, mit den von sich aus interessierten Autor*innen zu beginnen. Erfahren sie den Service als gut, kompetent und sinnvoll, wird sich das herumsprechen. Nach der Open-Access-Woche erreichten uns mehr Kontaktaufnahmen – sowohl direkt als auch durch das Forschungsinformationssystem – als zuvor. Es bleibt freilich ungewiss, ob hier ein kausaler Zusammenhang besteht. Es ist schwierig dahinter zu kommen, warum es aus einigen Fachbereichen keine Rückmeldung gab. Hakte es an der fachbereichsinternen Weiterleitung? Ließen die Tätigkeiten zu Semesterbeginn keine Zeit für andere Aktivitäten? Oder werden in einigen Fachbereichen disziplinäre Repositorien bereits breit genutzt, sodass das Angebot keinen ersichtlichen Mehrwert darstellte?

Ob Aktion oder Regelbetrieb: Der direkte Kontakt zu Wissenschaftler*innen gibt der Bibliothek wertvolle Einsichten in die Publikationskultur der Fachbereiche, die für die weitere Entwicklung der eigenen Services hilfreich sind. Die Fähigkeit, schnell und kompetent auf Anfragen reagieren zu können, wird durch die Forschenden geschätzt und darf mit etwas mehr Selbstbewusstsein beworben werden. Innerhalb der Universität bieten sich weitere Kooperationsmöglichkeiten an: Neben dem gemeinsamen Entwickeln und Bewerben von Beratungsangeboten (Workshops zum elektronischen Publizieren mit der Graduiertenakademie, Aufnahme der Information zu Publikationsservices und Zweitveröffentlichung in Neuberufenengesprächen, Absprachen mit der Stabsstelle Forschungsförderung ...) ist an der Universität Kassel die gemeinsame Arbeit an einer Hochschulbibliographie zwischen UB/LMB und der Abteilung Entwicklungsplanung zu nennen, die für beide Seiten Mehrwerte verspricht. Mit Blick auf die neue Promotionsordnung der Universität, die nun die KOBRA-Veröffentlichung von kumulativen Dissertationen im Volltext vorschreibt (§ 16, Abs. 4, d), sind Kenntnis und Vermittlung entsprechender Regelungen der Verlage essentiell.

Auch der Workflow des jetzigen Regelbetriebs kann noch verbessert und um weitere Serviceangebote ergänzt werden. Ideen haben wir viele: So wäre es denkbar, ähnlich wie an der UB Augsburg ein Ticketsystem für das Monitoring der Verlagsanfragen zu integrieren und regelmäßig Erinnerungen zu verschicken. Die im Rahmen der Zweitveröffentlichungstätigkeiten erfassten Rechtsgrundlagen sollten – nicht zuletzt mit Blick auf Nachvollziehbarkeit und Controlling – systematisch innerhalb des Repositoriums dokumentiert werden (ein entsprechendes Positionspapier wird die DINI-AG Elektronisches Publizieren zeitnah veröffentlichen, vgl. Deinzer et al. 2021). Wissenschaftler*innen könnten – wie an anderen Standorten bereits erfolgreich praktiziert – eine Pauschalerklärung unterschreiben, die es dem KOBRA-Team ermöglicht, alle ermittelbaren Publikationen einzustellen, ohne sich für jede einzelne Publikation die Genehmigung erteilen zu lassen (vgl. Härkönen et al. 2021). Dies bietet sich insbesondere dann an, wenn die Recherchearbeit ohnehin im Rahmen einer Hochschulbibliografie geschieht. In Absprache mit der Hochschulleitung könnte die Zweitveröffentlichung einen verbindlicheren Charakter bekommen, etwa indem die Option zur Zweitveröffentlichung im Forschungsinformationssystem mit mehr Nachdruck beworben wird. Unterstützende Angebote für die Zugänglichmachung von Manuskriptversionen – wie sie etwa das KIM Konstanz anbietet – wären denkbar um die Erfolgsquote der erlaubten Manuskriptversionen zu erhöhen. Die Wiederaufnahme des (Retro-)Digitalisierungsangebots wäre ein großer Gewinn, da hierdurch insbesondere Print-Publikationen zum ersten Mal elektronisch verfügbar würden. Im Regelbetrieb wäre es weiterhin möglich, Aktionen als Anlass für die Bewerbung des Services zu nehmen und im Aktionszeitraum erweiterte Services (etwa Retrodigitalisierung) anzubieten ...

Für die Entwicklung all dieser und weitere Ideen ist der Austausch mit Kolleg*innen wichtig, die an anderen Standorten Repositorien betreiben. Die Fokusgruppe Zweitveröffentlichung des Projektes Open-Access.Network hat sich in kurzer Zeit als der Ort etabliert, um den Austausch zu vertiefen und Einblicke in die unterschiedlichen Ansprüche, Ziele und Möglichkeiten/Ausstattungen der jeweiligen Standorte und Systeme zu erhalten. Wir hoffen, durch diesen Einblick zum Ausbau und Aufbau von Zweitveröffentlichungsservices beigetragen zu haben.

6 Dank

Wir danken unseren Kolleg*innen des KOBRA Teams, insbesondere Claudia Bröcker und Stefanie Kehm sowie den Kolleg*innen der Digitalisierungswerkstatt für ihre Mitarbeit im Projekt. Dank auch an Michaela Voigt, Thomas Hartmann und dem Helpdesk des Projektes Open-Access.Network für die kollegiale Beratung sowie allen Reviewer*innen für ihre hilfreichen Anmerkungen im Rahmen des Open-Peer-Reviews.

7 Daten

Die Daten zur Aktion “Sie liefern den Text, wir machen den Rest” sind unter https://doi.org/10.48662/daks-8 abrufbar.

8 Quellen

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Dellmann, Sarah (2. April 2020): Homeoffice-Tipp #3: Helfen Sie bei der Literaturversorgung: Laden Sie Ihre Publikationen auf KOBRA hoch! [online]. Blogpost. Zugriff am: 14. Juni 2021. Verfügbar unter: https://blog.ub.uni-kassel.de/blog/2020/04/02/homeoffice-tipp3.

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Deinzer, Gernot; Deppe, Arvid; Geuenich, Michael; Meinecke, Isabella; Voigt, Michaela (2021): Positionspapier: Dokumentation der Rechtsgrundlage für Veröffentlichungen in Repositorienmetadaten. DINI Schriften 20-de [online]. Bisher unveröffentlicht, wird voraussichtlich auf dem Open-Access-Publikationsserver (edoc) der Humboldt-Universität zu Berlin veröffentlicht https://edoc.hu-berlin.de/.

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Härkönen, Sonja; Oberländer, Anja; Dellmann, Sarah; Deppe, Arvid; Voigt, Michaela (2021). Dasselbe in grün?! Erfahrungsaustausch zu Zweitveröffentlichungsservices [Vortragsfolien]. Open-Access-Tage 2021. Zenodo. Zugriff am: 7. Oktober 2021. Verfügbar unter: https://doi.org/10.5281/zenodo.5520946.

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