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DOI: https://doi.org/10.11588/ip.2023.1.94475
Das Handbuch IT in Bibliotheken: Einblicke in den ersten bibliothekarischen Book Sprint Deutschlands
Zusammenfassung
Im April 2022 fand an der Bibliothek der TH Wildau der erste bibliothekarische Book Sprint Deutschlands statt, aus dem das partizipativ erarbeitete, frei zugängliche und nachnutzbare Handbuch „IT in Bibliotheken“ hervorging. Organisiert durch und für die Bibliotheks-Community, gefördert vom Open-Access-Publikationsfonds des Landes Brandenburg, entstand innerhalb von drei Tagen ein kollaborativ verfasstes Werk, das mittels einer Open-Source-Publishing-Pipeline als Living Handbook kollektiv aktualisierbar bleibt. Dieser Bericht zeichnet den agilen Prozess des Book Sprints von der Planung und Vorbereitung über die Umsetzung vor Ort und Nachbereitung bis hin zur Veröffentlichung des Handbuchs nach und gibt individuelle Eindrücke aus der Perspektive eines teilnehmenden Autors.
Schlüsselwörter
Book Sprint, Living Handbook, Bibliotheks-IT, Open Access Publizieren, Bericht
The Handbook IT in Libraries: Insights into Germany’s First Librarian Book Sprint
Abstract
In April 2022, Germany’s first librarian book sprint took place at the TH Wildau library, resulting in the participatory-driven, freely accessible and re-usable handbook “IT in Libraries”. Organized by and for the library community, and supported by the Open Access Publication Fund of the State of Brandenburg, within three days a collaborative work was created, which as a living handbook remains collectively updatable via an open source publishing pipeline. This report outlines the agile process of the book sprint, from planning and preparation, on-site implementation, the follow-up to the publication of the handbook, and provides personal insights from the perspective of one of the participating authors.
Keywords
Book Sprint, Living Handbook, Library Information Technology, Open Access Publishing, Insight Report
Veröffentlichung: 01.05.2023 in Informationspraxis Bd. 9, Nr. 1 (2023)
Inhaltsverzeichnis
1 Vorgeschichte des Book Sprints
Die Ursprungsidee für das inzwischen so betitelte Handbuch “IT in Bibliotheken” wurde 2021 von Frank Seeliger, Leiter der Hochschulbibliothek der TH Wildau sowie u.a. Initiator des dort angesiedelten Master-Studiengangs Bibliotheksinformatik, und Anne Christensen, langjährige Lehrbeauftragte für Discovery-Systeme und inzwischen Geschäftsführerin einer Firma für Open-Source-Bibliothekslösungen, entwickelt. Anlass war die Feststellung, dass im deutschsprachigen Raum kein ausreichend praxisorientiertes als auch offenes Handbuch für die Bibliotheks-IT existierte und sich das ändern müsse. In einer ersten Annäherung an das Thema wurde mittels einer großangelegten Mind-Map das gesamte Themenspektrum umrissen. Hierbei stellte sich heraus, dass im Geflecht der Bibliotheks-IT insbesondere dem Bibliotheksmanagementsystem (BMS) eine zentrale Rolle zukommt.
Aufgrund der vorangegangen positiven Erfahrung bei der kollaborativen Ausarbeitung des im selben Jahr veröffentlichten Beitrags zum “Einsatz von KI-Methoden in Bibliotheken” (Seeliger u. a. 2021), fiel die Wahl auch hier auf ein damit verwandtes partizipatives Format: den Book Sprint. Bei diesem bringt eine Gruppe von Expert*innen in einem kurzen intensiven kollaborativen Akt der Verschriftlichung ihres Wissens (meist über 3-5 Tage) ein Buch-Manuskript hervor.1 Nach der Abfassung des Manuskripts müssen lediglich redaktionelle Überarbeitungen vorgenommen werden, um das Buch in einem verhältnismäßig kurzen Abstand veröffentlichen zu können.
Als Facilitator für den Book Sprint konnte durch die Initiator*innen Lambert Heller, Leiter des Open-Science-Labs an der TIB Hannover, gewonnen werden, der bereits einige solcher Book Sprints durchgeführt hat2. In Vorgesprächen wurde deutlich, dass es zu einer vollständigen Ausarbeitung der multiplen Themen aus der Bibliotheks-IT für das Handbuch mehrere Sprints brauchen wird und sich dabei der erste Sprint auf BMS fokussieren soll. Mit der TIB als Partner soll das Handbuch im Sinne des Library Publishing dann auch in Print veröffentlicht oder alternativ ein Verlag beauftragt werden.
Die Umsetzung des Book Sprints in Präsenz wurde gewählt, weil vor Ort innerhalb einer geschlossenen Gruppe, die in einem begrenzten Zeitraum zusammen in einem Raum miteinander arbeitet, am ehesten ein gemeinsames Verantwortungsgefühl bei der Textproduktion entsteht. In einem solchen Gruppenprozess wird gemeinsam festgelegt, was man will, wie Entscheidungen getroffen und wo Akzente gesetzt werden, aber auch, was weggelassen wird. Ein Hybrid-Format wurde im Vorhinein als zu aufwendig ausgeschlossen. Dennoch wurde die Möglichkeit offen gehalten, bestimmte Aufgaben an externe Personen zu delegieren. Diese mussten überwiegend im Vorfeld aktiviert werden, um dann auch zum richtigen Zeitpunkt während des Book Sprints ausgelagerte Aufgaben der Autor*innen vor Ort entgegennehmen zu können. Ebenso blieb die Option, dass jene Personen zu einem späteren Zeitpunkt an einem Sprint vor Ort teilnehmen können.
Um der bei IT-Themen üblichen schnellen Alterung der Inhalte entgegenzuwirken, war zur Umsetzung des Vorhabens von Beginn an die Form eines “lebendigen” Handbuchs (Living Handbook) angedacht, sodass auch eine kontinuierliche Pflege gewährleistet ist. Hierbei werden die Texte ähnlich Wikipedia mittels einer Open-Source-Lösung dynamisch bearbeitbar online veröffentlicht und allgemein zugänglich gemacht (für technische Details zur Umsetzung in diesem Projekt siehe Abschnitt 5 Nachgang des Book Sprints). Dadurch wurde es möglich, auch in einem offenen Prozess Expert*innen aus sämtlichen Sparten von Bibliotheken einzubinden, um die vielfältigen Betrachtungsweisen der Bibliotheks-IT abzubilden (Förderung von Sharing und Community Building). Folgerichtig entschied man sich, das Handbuch unter Creative Commons (CC-BY) zu lizenzieren, wodurch die Inhalte auch frei wiederverwendbar werden. Entsprechend war es auch nicht erforderlich, gesonderte Verträge mit den Autor*innen zu schließen. Des Weiteren wurde angedacht, zu der Online-Variante des Handbuchs später eine Print-Ausgabe erscheinen zu lassen. Das Projekt wird jedoch primär als Online-Buch betrachtet.
Die Finanzierung des ersten Book Sprints war auf das Betreiben von Frank Seeliger hin bereits im Vorfeld durch eine Förderung des Open-Access-Publikationsfonds für Monografien des Landes Brandenburg3 sichergestellt. Für das Projekt standen bis zu 5000 EUR zur Verfügung, wovon letztendlich ca. 3000 EUR abgerufen wurden. So konnten die Kosten für Reise, Übernachtung und Verpflegung aller am Book Sprint Beteiligten durch die TH Wildau übernommen werden. Die Beteiligung der Teilnehmenden erfolgte freiwillig und unentgeltlich, im Einverständnis mit deren Arbeitgebenden oder in der Urlaubs- bzw. Freizeit.
Der initiale Aufruf zur Partizipation am ersten Sprint wurde seitens Anne Christensen und Lambert Heller auf Twitter platziert (siehe Abbildung 1). Im Vorfeld hatten die Initiator*innen zuerst ausgewählte Expert*innen aus der Bibliotheks-IT angefragt, die gemeinsame Terminfindung stellte sich jedoch als deutliche Herausforderung heraus. Der erste Auftakt des Book Sprints war eigentlich für den Dezember 2021 terminiert4, musste dann aber wegen der sich zuspitzenden COVID-19-Pandemie und zugunsten einer besseren Terminkoordination auf den April 2022 verschoben werden. Über ein Termin-Abfrage-Tool wurde mit den interessierten Autor*innen schließlich der Zeitraum 26.4.-28.4.2022 als Termin abgestimmt.
Neben dem Aufruf wurde in späteren Tweets direkt der Termin des Onboardings samt den Zugangsdaten zur Videokonferenz verbreitet, sodass auch spontan Interessierte dazukommen konnten. Dies wurde flankiert von mehreren Remindern und einer Möglichkeit für Nachzügler*innen, an einem zweiten (Folge-)Termin teilzunehmen.
2 Ziele des Book Sprints
Die maßgeblichen Ziele des Projekts waren bereits durch die Initiator*innen im initialen Aufruf zur Beteiligung am Book Sprint mittels der Five Ws gesetzt:
Was soll entstehen?
Ein Handbuch für IT-Bibliothekar*innen, Entscheider*innen in allen Bibliothekssparten sowie Studierende und Lehrende. Das Buch soll in elektronischer und gedruckter Form erscheinen.
Auf welche Weise?
Wir strukturieren und erstellen gemeinsam Inhalte in einer kurzen und intensiven Phase. Ziel ist die Erstellung eines fertigen Textes, der nur noch abschließend von einer Schlussredaktion bearbeitet werden muss.
Warum?
Weil ein Standardwerk zu IT in Bibliotheken noch fehlt und weil ein Format entstehen soll, das in übersichtlicher Zeit entstehen und dauerhaft gepflegt werden kann.
Wer organisiert das?
Lambert Heller, Frank Seeliger und Anne Christensen als Organisations- und Moderationsteam
Wann und wo?
Der Book Sprint findet vom 26.4.-28.4.2022 in der Hochschulbibliothek der TH Wildau statt.
Welche Gründe sprechen fürs Mitmachen?
Das Format Book Sprint wurde schon in vielen ähnlichen Kontexten erfolgreich eingesetzt und führt zu erstaunlich guten Ergebnissen. Im Bibliotheksbereich feiert der Book Sprint seine Premiere in Wildau. Die Kosten für Anreise und Übernachtung werden erstattet. Die Bibliothek der TH Wildau bietet einen schönen Rahmen für das Event – gemeinsame Aktivitäten eingeschlossen.
Eine Agenda mit den konkreten Arbeitsschritten wurde dann später im Rahmen der Organisation vor Ort aufgestellt (siehe Abschnitt 4 Umsetzung des Book Sprints vor Ort).
Seitens der Initiator*innen wurden im Vorfeld auch bereits Personas erstellt, die den Adressat*innenkreis repräsentiert, an den sich die Autor*innen des Handbuchs richten:
Janine Buchinger: Janine leitet die Stadtbibliothek in einer Stadt mit 250.000 Einwohnern. Die Bibliothek besteht aus einer Zentrale und zwei Zweigstellen. Mit den Schulbüchereien besteht eine Kooperation für fachliche Beratung und gemeinsame Aktivitäten bei der Informationskompetenz-Vermittlung.
Dr. Tillmann Schuppe: Tillmann ist Leiter einer Fachhochschulbibliothek mit 500.000 Medieneinheiten. Die Bibliothek gehört einem Bibliotheksverbund an. Die Bibliothek plant einen Neubau, der gemeinsam mit dem Rechen- und Medienzentrum bezogen werden soll.
Magda Olsowski: Magda ist studierte Informatikerin und leitet die Gruppe Forschungsdatenmanagement an einer großen Universitätsbibliothek. Sie hat keine bibliothekarische Vorbildung.
Alicia Meyer: Alicia studiert Bibliotheksmanagement und plant eine Masterarbeit, in der sie die Implementierungsprozesse von Software analysieren möchte.
Robert Pohlmann: Robert leitet die IT-Abteilung einer mittelgroßen Universitätsbibliothek und ist nebenberuflich Lehrbeauftragter für einen bibliothekarischen Studiengang.
3 Organisation des Book Sprints
3.1 Kommunikations- und Organisationsplattformen
Die interne Kommunikation zwischen den Beteiligten erfolgte vor, während und nach dem Book Sprint über Zoom-Video-Meetings, eine Signal-Messenger-Gruppe als auch eine Mailingliste der TH-Wildau. Wichtige Eckpunkte der Organisation wurden zudem in einem Cryptpad festgehalten.
Später wurde ein für das Handbuch angelegtes öffentliches GitHub-Repository als eine Art Ticket-System6 genutzt, um die restlichen Aufgaben hinsichtlich dessen Veröffentlichung und der Präsentation auf dem Bibliothekskongress abzuarbeiten.
Nach außen hin hatte Frank Seeliger für das Projekt bereits im Vorfeld des Onboardings eine Landing Page auf der Webpräsenz der Hochschulbibliothek der TH Wildau eingerichtet, die bis heute über den Stand und Fortgang des Projekts informiert7.
Über die drei Tage des Book Sprints hinweg gaben außerdem einige der Anwesenden per Twitter kleine Vor-Ort-Einblicke in die Abläufe des Projekts.
3.2 Onboarding
Im Vorfeld des Book Sprints fanden Video-Meetings statt, in denen sich die Interessierten gegenseitig kennenlernten, die Initiator*innen ihr Vorhaben vorstellten und organisatorische Details geklärt wurden.
Geteilt wurde von den Teilnehmenden allgemein der Bezug zu dem Thema Bibliotheks-IT. Die überwiegende Mehrheit stammte aus dem Umfeld wissenschaftlicher Bibliotheken und konnte auf langjährige Berufserfahrung zurückblicken. Aus öffentlichen Bibliotheken war hingegen nur eine Person zugegen, ebenso vonseiten der Studierenden des Bibliothekswesens. Mit letztendlich nur drei Teilnehmerinnen waren Frauen auch deutlich unterrepräsentiert.
Lambert Heller erläuterte in einem Video-Meeting den Ablauf des Book Sprints, die Teilnehmenden konnten sich bereits ihre Accounts bei der Fidus-Writer-Instanz der TIB einrichten und wurden dort alle einem dezidierten Projekt für das Handbuch hinzugefügt. Fidus Writer8 ist ein Open-Source-Online-Editor für die kollaborative Textproduktion, die als technische Komponente von der TIB für die Umsetzung von Book Sprints eingesetzt wird. Das Frontend ist eine auf das gemeinsame Schreiben ausgerichtete Oberfläche, im Backend werden die Inhalte gleichzeitig in ein GitHub-Repository gepusht, das über GitHub Pages9 dann den sofortigen Abruf der Inhalte im Web ermöglicht.
3.3 Arbeitsteilung vor Ort
Nach den Vorbesprechungen bezüglich der Organisation kam dann im April 2022 ein Team auf dem Campus der TH Wildau zum Book Sprint zusammen.
Neben den Initiator*innen und dem Facilitator sowie abzüglich einiger weniger terminlich- oder krankheitsbedingter Absagen beteiligten sich vor Ort:
- Janna Brechmacher, Stabsstelle IT in der Benutzungsabteilung der Staatsbibliothek zu Berlin
- Jana Eger, Stadtbibliothek Chemnitz
- Clemens Kynast, Discoverysysteme & Bibliotheksautomatisierung an der ThULB Jena
- Lukas Lerche, UB Dortmund
- Michael Schaarwächter, Bibliotheks-IT an der UB Dortmund
- Jakob Voß, Forschung und Entwicklung an der VZG Göttingen
- Michael Voss, Consultant; IT-Expert-Voss
- David Zellhöfer, Professor für Digitale Innovation in der öffentlichen Verwaltung an der HWR Berlin
- Nicolas Bach, Student an der HdM Stuttgart
Über drei Tage wurde dabei durchgehend der Hofsaal in einem Gebäude gegenüber der Wildauer Hochschulbibliothek bezogen. Die Teilnehmenden konnten aber während dem Book Sprint auch nach Wunsch auf zusätzliche Räume der TH Wildau ausweichen, etwa für separate Gruppenarbeiten oder Video-Meetings.
Am zweiten Tag wurden auch Expert*innen von außen hinzugezogen. Dies geschah zum einen in der Form, dass diese Zugang zu dem kollaborativen Textbearbeitungstool erhielten und den Text unter Nutzung der Kommentar-Funktion bearbeiteten. Zum anderen wurden auch Video-Meetings abgehalten, in denen bestimmte Themenpunkte des Handbuchs zur Sprache kamen.
Experten, die sich unter namentlicher Nennung aus der Ferne bei der Ausarbeitung des Textes beteiligten:
- Sascha A. Carlin, Agile Coach für Führungskräfte in der Softwareentwicklung
- Gerrit Gragert, Leitung IT-Services für die Digitale Bibliothek in der Staatsbibliothek Berlin
- Luis Moßburger
Auch etwa Kirstin Kemner-Heek, Leiterin der Abteilung Bibliotheksmanagementsysteme beim GBV, und Marshall Breeding, weltweit bekannter Consultant für Bibliothekstechnologie, erklärten sich bereit, remote kurz ein Feedback zu den Inhalten des Handbuchs zu geben.
4 Umsetzung des Book Sprints vor Ort
4.1 Entwicklung der Kapitelstruktur
Der erste Arbeitsabschnitt des Book Sprints bestand am ersten Tag aus einem klassischen Card-Sorting, das ca. zwei Stunden in Anspruch nahm. Alle Autor*innen notierten auf die Zielgruppe (siehe Personas in Abschnitt 2 Ziele des Book Sprints oben) zugeschnittene Stichwörter zum Thema BMS, die Kärtchen wurden zusammen auf einem Tisch ausgebreitet, geclustert und diskutiert. So konnten redundante Begriffe aussortiert und eine gemeinsame Struktur herausgearbeitet werden (siehe Abbildung 2).
An dieser Stelle einigten sich die Autor*innen auf folgende Abschnitte, die dann ein erstes vorläufiges Inhaltsverzeichnis des Handbuchs darstellten:
- Begriff BMS, darunter z. B. Geschichte der BMS, Komponenten eines BMS, Liste konkreter relevanter BMS, Zusammenspiel mit Verbundsystemen, Vergleich mit anderen Managementsystemen
- Datennutzung, darunter z. B. Open Data, Data Ingest
- Management, darunter z. B. Personalressourcen und -kompetenzen, Prozesse, rechtliche Rahmenbedingungen, Accessibility, Ausleihpolitik, Betriebssicherheit, Lebenszkylen von Systemen, Zweigstellen
- (Meta)Daten und Content, darunter z. B. Metadatentypen, Kompatibilität, Mapping, Anzeige, Quellen, Import und Export, Datenmanagement, Digitalisierung Altbestand
- Beschaffung und Marktanalyse, darunter z. B. Ausschreibung und Auswahlkriterien eines BMS, Migration, Vendor Lock-In, Geschäftsmodell, kommerziell vs. Open Source, Eigenentwicklung
- Endnutzer*in, darunter z. B. “Nutzer”-UI, User-Workflows, Online-Anmeldung
- Statistik und Reporting, darunter z. B. Deutsche Bibliotheksstatistik, Rolle von BMS in der Statistik
- Workflow, darunter z. B. Use-Case-Validierung, Mitbestimmung, Buchbinder, Publikationsunterstützung
- Lizenz-Management, darunter z. B. Erwerbung von E-Ressourcen, Lieferantenportale, ERM-Modul
- Geld und Gebühren, darunter z. B. Haushaltssystem, Bezahlsystem
- Betrieb, darunter z. B. Parametrisierung, Backups & Rollback, Support, Wartung, Offline- / Notbetrieb, Zusammenspiel Hard- und Software, Interoperabilität, Cloud vs. on premise, IT-Sicherheit, Datenschutz, Green IT
Diese Kapitelstruktur wurde dann in das kollaborative Schreibtool übernommen und darin in den Schreibphasen die Texte dazu ausgearbeitet (siehe Abschnitt 4.2 unten).
Im Laufe des zweiten Tags formierten sich die Oberkategorien in der Gliederung bereits weiter um:
- Management
- Nutzer*innenzentrierte Gestaltung
- BMS
- Begriff BMS
- (Meta)Daten & Content
- Beschaffung, Marktanalyse
- Prozessabbildung
- Betrieb
- Das BMS im Kontext / Datennutzung
Zum Ende des Book Sprints am dritten Tag hatten sich daraus die folgenden Kapitel und Unterabschnitte entwickelt:
- Einleitung
- Motivation
- Über dieses Handbuch
- Beteiligte Autor*innen
- Rechte an den Inhalten des Buchs
- Management von IT-Systemen
- IT-Systeme (darunter Lebenszyklen von IT-Systemen, Betriebssicherheit und Risikomanagement, Rechtliche Rahmenbedingungen)
- Personal (darunter Kompetenzen, Organisation der Bibliotheks-IT, Aus- und Weiterbildung)
- Nutzer*innenzentrierte Gestaltung
- Prinzipien der Nutzer*innenzentrierten Gestaltung (darunter Was beeinflusst den Nutzungseindruck?)
- Wie beziehen wir unsere Nutzer*innen ein? (darunter Bedarfsermittlung, Einbeziehung von Nutzenden in die Entwicklung, Evaluierung)
- Bibliotheksmanagementsysteme
- Geschichte
- Komponenten (darunter Erwerbung, Katalogisierung, Ausleihe, Nutzer*innen)
- Aktuell relevante Software-Produkte
- Vergleich mit anderen Managementsystemen
- Integration des BMS mit anderen IT-Systemen
- Verbundkataloge
- Anbindung an Verbundkataloge/Verbundkatalogisierung
- Statistik und Reporting
- Bibliotheksorganisation (darunter Benutzungsbedingungen)
- Datenverwaltung in BMS (darunter Bibliographische Metadaten, Digitale Inhalte, Verwaltungsdaten, Datenformate und Schnittstellen, Datenqualität)
- Beschaffung und Marktanalyse (darunter Entscheidungsprozess, Auswahlkriterien eines BMS, Marktanalyse)
- Prozessabbildung (darunter Nutzende, User-Interfaces für verschiedene BMS-Anwender*innen, Erwerbung, Verwaltung von elektronischen Ressourcen, Katalogisierung, Katalog, Ausleihe, Automatisierung / Selbstbedienung, Systemintegration über Schnittstellen, Nicht-bibliothekarische Schnittstellen)
- Technischer Betrieb (darunter Betriebsmodelle für serverbasierte Software, Kosten, Installation & Updates, Open Source, Laufender Betrieb, IT-Sicherheit, Backup und Rollback, Zusammenspiel Hard- und Software, Datenschutz, User-Tracking, Analytics)
- Zusammenfassung und Ausblick
- Glossar / Abkürzungsverzeichnis
- Anhänge (darunter Personas, Styleguide)
4.2 Schreibphasen
Auf die initiale Gliederung (siehe erstes vorläufiges Inhaltsverzeichnis im Abschnitt 4.1 Entwicklung der Kapitelstruktur) folgte am ersten Tag im direkten Anschluss die erste Schreibphase, die dann an den Folgetagen in mehreren weiteren ein- bis dreistündigen Durchgängen fortgeführt wurden. Eingeplante gemeinsame Mittagessen, Cafébesuche und Nachmittagsspaziergänge am Campus der TH Wildau sorgten für eine erholsame Abwechslung zwischen diesen intensiven Arbeitsphasen des Book Sprints.
In der ersten Runde entschied sich jede*r Autor*in für eine der Oberkategorien und nahm entsprechende zugehörige Kärtchen an sich, zu denen sie*er sie etwas schreiben wollte. So fanden sich auch Teams, die zu zweit oder dritt an bestimmten Kapiteln gemeinsam schrieben.
Ein Book Sprint gestaltet sich in der Form, dass die Teilnehmenden keine Vorarbeiten bezüglich des Textes treffen bzw. mitbringen, sondern vor Ort vom leeren Blatt (from scratch) aus beginnen. Es gibt eine kollektive Urheberschaft (Collective Ownership) am gesamten Text, indem einzelne Themenblöcke parallel und reihum von einer Autor*in oder Autor*innengruppe an die andere weitergegeben und direkt ergänzt oder umgeschrieben wird (Co-Development). Bei diesem Book Sprint erfolgte dies in den jeweiligen über die Tage verteilten Schreibphasen, die jeweils auf ein bis zwei Stunden begrenzt waren. Manche Autor*innen verblieben über mehrere Phasen an einem Text, andere wechselten zu einem anderen Themenblock. Oft wurde direkt im Fließtext geschrieben, einige Abschnitte entwickelten sich auch aus Stichpunkten heraus oder wurden um solche ergänzt, um diese an andere fachkundigere Teilnehmende abzugeben.
Leider offenbarten sich im Verlauf des ersten Tages immer mehr Usability-Schwierigkeiten oder Bugs bei der Arbeit mit Fidus Writer. In Fidus Writer legten die Autor*innen zu Beginn für jedes Kapitel ein Einzeldokument an. Beim Anlegen der einzelnen Dokumente nahmen dies immer jeweils einzelne Zugehörige der jeweiligen Teams selbst vor, sodass alle weiteren Mitarbeitenden erst eingeladen werden mussten. Zudem gab es zwischenzeitlich Verbindungsprobleme mit dem W-LAN. Das führte dazu, dass es allein ca. eine Stunde dauerte, bis die Einrichtung und Rechtevergabe aller Dokument-Besitzenden an alle Autor*innen für jedes der Einzeldokumente abschließend erfolgt war. Während des Schreibprozesses standen die Autor*innen vor dem Problem, dass bei der gleichzeitigen Bearbeitung eines Dokuments an unterschiedlichen Stellen sich immer für alle daran Arbeitenden unangenehm der Text verschob. So verloren der ein oder die andere Bearbeiter*in oft die Stelle, an der er*sie gerade arbeitete. Es wurde teilweise dazu übergegangen, Texte in den eigenen Textverarbeitungstools vorzubereiten und sie erst dann einzufügen. Dies stellte sich leider auf Dauer als ein nicht besonders passabler Workaround heraus. Gegen Ende des ersten Tags entschieden sich die Autor*innen kurzfristig die Textausarbeitung in ein Gesamtdokument auf Google Docs umzuziehen.
Ab dem zweiten Tag des Book Sprints wurde zunehmend gegenseitig gegengelesen und ergänzt. Die Initiator*innen bauten zentral im Saal an einer Pinnwand ein minimalistisches Kanban-Board auf, an dem die aktuellen Fortschritte der einzelnen Themen für alle sichtbar festgehalten wurden (siehe Abbildung 3). So war es den Teilnehmenden mit freien Kapazitäten und entsprechenden Kompetenzen möglich, schnell einen Überblick zu erhalten, an welchen Stellen noch bei der Textproduktion oder beim Redigieren mitgeholfen werden kann. Im Laufe des Vormittags verzögerte sich die Zusammenarbeit etwas, weil sich herausstellte, dass in dem eingerichteten Google-Dokument bis auf die Person, die das Dokument erstellt hatte, alle anderen Autor*innen als anonyme Entitäten angezeigt wurden, und so nicht klar wurde, wer gerade an welcher Stelle arbeitete.
Am Nachmittag des zweiten Tages wurden dann die externen Expert*innen zu bestimmten Themengebieten hinzugezogen, zu denen sich Unklarheiten ergeben hatten oder allgemein Diskussionsbedarf seitens der Autor*innen vor Ort bestand. Dafür wurde von den Initiator*innen öffentlich ein Video-Meeting abgehalten, das zuvor per Twitter und Mailingliste an den Interessent*innenkreis kommuniziert worden war. Zum einem erhielten die Autor*innen so mündliches Feedback, aber es beteiligten sich auch einige Externe direkt arbeitsteilig an der Ausarbeitung des Textes (siehe Organisation in Bezug auf externe Mitwirkende im Abschnitt 3.3 Arbeitsteilung vor Ort). Auch für den letzten Tag organisierten die Initiator*innen dann nachmittags noch kurzfristig ein offizielles Video-Meeting, um mit Marshall Breeding kurz über das Projekt sprechen zu können. An diesem waren jedoch nicht mehr alle Autor*innen zugegen, da einige bereits abreisen mussten.
4.3 Nachbereitung
Am dritten Tag des Book Sprints wurde zwischen den letzten Schreibphasen durch Lambert Heller noch eine kurze Reflexion unter den noch anwesenden Autor*innen angeregt, bei der sich die Autor*innen über die Eindrücke vom Book Sprint vor Ort austauschten konnten.
Schlussendlich hatten die 14 Autor*innen in den drei Tagen des Book Sprints ca. 80 Seiten Text produziert. Aus dem ursprünglich geplanten BMS-Kapitel waren drei fachliche Oberkapitel zu je ca. 4000 Wörtern geworden (siehe Abschnitt 4.1 Entwicklung der Kapitelstruktur).
Zudem wurden bereits einige Aufgaben und Verantwortlichkeiten für nach dem Sprint abgeklärt (siehe Abschnitt 5 Nachgang des Book Sprints unten) und es konnte an dieser Stelle auch bereits eine Liste zahlreicher Themen herausgearbeitet werden, die für die nächsten Sprints in Frage kommen:
- (Meta-)Datenformate und Standards
- Datenhaltung
- ETL-Tools (Extract Transfer Load), z.B. OpenRefine
- Dienstleister BibControl, Verbundzentralen
- Data Warehouse
- Repositories
- Forschungsdaten (unten nochmal erwähnt)
- Daten Handling, Konzepte wie Versionierung? (darunter Graphen, Graph-Datenbanken, Stichwort Forschungsdatenmanagement)
- Retrieval
- AI, Machine Learning
- Visualisierungen
- Discovery-Systeme
- Digitalisierungs-Workflows
- Software-Entwicklung
- Bereits angelegt worden, aber noch nicht konzipiert
- Tools für die Öffentlichkeitsarbeit
- CMS
- Suchmaschinenoptimierung
- Tools für die Erstellung von Videos und Webinaren
- Social Media
- Mailinglisten
- E-Learning-Tools in der Informationsvermittlung (Actionbound etc)
- Tools für die Gestaltung
- Interne Kommunikation / Wissensmanagement
- Wiki
- DMS
- Chat
- Intranet-Lösungen
- Forschungsunterstützung bzw. forschungsnahe Dienstleistungen
- Digital Humanities
- Data Science
- Open Data
- Forschungsdatenmanagement
- Forschungsinformationssysteme
- Publikationsunterstützung
- Infrastruktur
- Scannen/Drucken
- Green-IT
- Authentifizierung
- VPN Proxies
- Hosting von Webservern, Mailservern,..
- Lösungen für den Benutzungsbetrieb
- Besucherzähler
- Chat
- RFID
- E-Mail-Management
- Raumbuchung, Ticketing
- Staubecke
- ERM
- Ausschreibungen
- Migration
5 Nachgang des Book Sprints
Nach dem Book Sprint standen noch Aufgaben hinsichtlich der ersten Veröffentlichung des Handbuchs und der Vorstellung auf dem Bibliothekskongress 2022 aus.
Die technische Infrastruktur zur Online-Veröffentlichung des Handbuchs, die wegen des Wechsels auf Google Docs vor Ort weggefallen war, wurde im direkten Anschluss an den Sprint von Jakob Voß aufgebaut. Er richtete zuerst ein GitHub-Repository für das Handbuch ein10 und fügte alle Mitwirkenden der zugehörige GitHub-Gruppe hinzu. Zur Verteilung der offenen Aufgaben wurden diese dort dann als Issues angelegt und zur besseren Zuordnung mit Labels wie “content”, “layout”, “references” oder “bug” versehen11. Über die Signal-Gruppe wurde sich daraufhin zur weiteren Bearbeitung der Aufgaben verständigt.
Alle Autor*innen erhielten im Nachgang des Book Sprints seitens der Initiator*innen noch fünf zusätzliche Tage (bis zum 3. Mai) Zeit, weiter über das Google-Dokument Anpassungen am Text vorzunehmen. Danach wurde das Gesamtdokument auf Google Docs in einzelne fertige und unfertige Kapiteldokumente aufgeteilt und diese in den Kommentarmodus geschaltet. Bis Ende Mai konnten noch Änderungen eingebracht werden. Für die Endredaktion primär verantwortlich zeigten sich Janna Brechmacher, die überwiegend die Redigierung vornahm und koordinierte, und Jakob Voß, der sich neben der Redaktion auch weiter um die technische Infrastruktur kümmerte.
Jakob Voß implementierte in dieser Zeit einen Workflow für die automatisierte Veröffentlichung der aktuellen Bearbeitungsstände des Handbuchs als Website. Dabei werden die Google-Dokumente im Word-Format exportiert, mit pandoc12 in Markdown konvertiert und als einzelne Abschnitte in das GitHub-Repository eingespielt. Das GitHub-Repository fungiert dann als Master-Version für die Handbuchinhalte und ähnlich dem Prinzip Documentation as Code werden schließlich mit Hilfe von Quarto13 und einen Server der VZG automatisch aus den aktuellen Markdown-Master-Dateien HTML-Webseiten generiert (Single Source Publishing)14. Ab dem 4. Mai war die erste präsentable HTML-Version über GitHub Pages online abrufbar: https://pro4bib.github.io/handbuch-it-in-bibliotheken. Mitte Mai wurde eine entsprechende Domain erworben und aufgeschaltet, die freundlicherweise von der VZG verantwortet wird. Am 16. Mai konnte so die offizielle Website des Handbuchs live gehen: https://it-in-bibliotheken.de. Über die Website des Handbuchs ist seither nicht nur das komfortable Lesen der Inhalte, sondern auch deren Bearbeitung oder Kommentierung, das Melden von Fehlern und auch der Download von Kapiteln als Word-Dokument möglich. Parallel dazu sind durch den Rückgriff auf GitHub alle Bearbeitungen in einem Versionsverwaltungssystem gespeichert und daher öffentlich einsehbar sowie in einer History vergleichbar und wiederherstellbar. Zudem ist die über eine Zotero-Gruppe verwaltete Bibliographie des Handbuchs via API als Literaturverzeichnis eingebunden15.
Die Initiator*innen erstellten außerdem ein Umfrage-Formular für Interessent*innen an einem zweiten Book Sprint. Der Link wurde samt der Ankündigung für den nächsten Sprint über verschiedene Kommunikationskanäle verbreitet und auf der Hauptseite der Handbuch-Website eingebaut. Ende Mai fand noch ein abschließendes Video-Meeting aller Teilnehmenden des ersten Book Sprints statt, bei dem die letzten Stände der Aufgaben besprochen wurden.
Das Projekt wurde schließlich am 2. Juni im Rahmen des 8. Bibliothekskongresses 2022 in Leipzig durch die Initiator*innen vorgestellt16 (siehe Abbildung 4) und damit auch offiziell die dazugehörige Website it-in-bibliotheken.de enthüllt.
Später wurde im Auftrag von Lambert Heller noch durch Sina Hurnik, Studio für Kommunikationsdesign, ein Branding für das Handbuch erstellt. Das Logo ist inzwischen auf der Website it-in-bibliotheken.de eingebunden, die anderen Designelemente werden voraussichtlich in der geplanten Print-Ausgabe des Handbuchs zur Geltung kommen.
6 Aus einer Autorenperspektive
6.1 Motivation
Ich wurde selbst spontan über Twitter auf dieses Projekt aufmerksam. Meine persönliche Motivation lag darin begründet, dass ich erst ein paar Monate zuvor im Rahmen meiner Tätigkeit als studentischer Mitarbeiter in der Bibliotheks-IT einer großen Wissenschaftsorganisation Beiträge zu Bibliotheksmanagement- und Discovery-Systemen für das Handbuch “Erfolgreiches Management von Bibliotheken und Informationseinrichtungen” (EMBI) verfasst hatte. Die Ausrichtung des EMBI auf eine kompakte und pragmatische Darstellung für vorwiegend Führungskräfte in Bibliotheken brachte dabei aber mit sich, dass ich die mir persönlich wichtigen Aspekte (siehe 6.3 Konkrete Beiträge zum Book Sprint) dort nicht in der von mir gewünschten Ausführlichkeit behandeln konnte.
Nun verfügte ich also über eine enorme und aktuelle Stoffsammlung und hatte mich in die Themen eingearbeitet, aber konnte im bisherigen Resultat nur wenig davon transportieren. Zudem waren die EMBI-Beiträge alle in closed Access bei einem kommerziellen Verlag erschienen, womit ich mich auch schlecht identifizieren konnte. Als im Zweifelsfall eindeutiger Befürworter von freiem, allgemein zugänglichem Wissen sah ich in dem Handbuch “IT in Bibliotheken” nun die Gelegenheit, mich vollständig nach meinen Vorstellungen einbringen zu können.
Auch war im Fall des EMBI-Handbuchs schon das allgemeine Problem von Literatur aufgekommen, die sich mit IT befasst: Inhalte veralten sehr schnell und bedürfen einer kontinuierlichen Pflege. Ein Living Handbook, das zudem offen für neue Mitwirkende ist, erscheint mir daher auch als der nachhaltigste Weg, das Wissen der Bibliotheks-IT in Buchform zu transportieren. Im Grunde bedient man sich einem ähnlichen Prinzip wie dem der Wikipedia-Enzyklopädie, die inzwischen als Paradebeispiel einer Plattform für offene Wissensvermittlung gelten kann, nur eben mit einem klaren organisatorischen Rahmen in Bezug auf die Ausarbeitung einer Monografie.
6.2 Individuelle Rolle
In erster Linie war meine Rolle im Projekt die des teilnehmenden Autors. An einem Book Sprint hatte ich bisher noch nie teilgenommen, daher konnte ich dahingehend auf keine Erfahrung zurückblicken. Diese Eigenschaft teile ich jedoch mit allen anderen anwesenden Autor*innen und so orientierten wir uns an dem Rahmen, den uns unser Facilitator Lambert Heller und die Initiator*innen für die Tage setzten.
In Bezug auf meine Beiträge, die ich als Autor zum Handbuch leisten wollte, hatte ich mir bereits vor dem Book Sprint selbst spezielle Schwerpunkte gesetzt. Diese lagen auf der Differenzierung des BMS-Begriffs, der Entwicklungsgeschichte der BMS sowie den Aspekten des Datenschutzes, der IT-Security sowie der ökologischen Nachhaltigkeit dieser Systeme. Diese brachte ich dann beim Card Sorting (siehe 4.1 Entwicklung der Kapitelstruktur) als Stichwörter ein und erarbeitete dann in den Schreibphasen (siehe 4.2 Schreibphasen) unter anderen aus diesen Stichwörtern den Text.
Beiläufig ergab es sich, dass ich an dem Styleguide des Handbuchs einige Punkte bezüglich der formalen Ausgestaltung der Texte hinzufügte. Später beteiligte ich mich auch als Korrektor an verschiedenen Stellen über das Handbuch hinweg an der Redigierung der Texte, indem ich gegenlas und formale Fehler ausbesserte oder Kommentare bezüglich der Verständlichkeit setzte.
Im Laufe des Book Sprints fielen mir noch spontan ein paar administrative Tätigkeiten zu, etwa erstellte und pflegte ich die Zotero-Gruppe mit der Bibliografie des Handbuchs, übertrug den Handbuchtext von Fidus Writer in Google Docs und promotete das Projekt.
6.3 Konkrete Beiträge zum Book Sprint
Gemäß meinen Schwerpunkten (siehe 6.2 Individuelle Rolle oben) brachte ich mich bei der Ausarbeitung der BMS-bezogenen Kapitel des Handbuchs ein. Während der initialen Gliederung (siehe Abschnitt 4.1 Entwicklung der Kapitelstruktur) wurden die von mir vorgesehenen Themen seitens der anderen Teilnehmenden kaum aufgebracht, sodass ich es überwiegend dabei belassen konnte, Oberbegriffe wie “Begriff ‚Bibliothekssystem‘”, “Datenschutz”, “IT-Sicherheit”, “Interoperabilität”, “Green IT” etc. einzubringen.
In den Schreibphasen versetzte ich mich dann in die Rolle unserer Zielgruppe aus dem Bibliothekswesen (siehe Personas in Abschnitt 2 Ziele des Book Sprints) und versuchte so zu schreiben, als würde ich mich an deren Stelle das erste Mal in das jeweiligen Thema einlesen wollen.
Bezüglich meiner konkreten Textbeiträge sei vorab noch darauf hingewiesen: Es liegt in der Methode eines Book Sprints begründet, dass der am Ende vorliegende Text nicht mehr in Anteilen eindeutig bestimmten Autor*innen zuzuordnen ist (siehe Abschnitt 4.2 Schreibphasen). Aus diesem Grund kann ich hier nur umreißen, woran ich mitgearbeitet habe.
Aus anfänglicher Überforderung bei der Wahl zwischen all den verfügbaren Themen hatte ich am ersten Tag während der ersten Schreibphase noch neben Jakob Voß mit der Arbeit an einem Abschnitt zu Standardformaten und Schnittstellen der BMS begonnen. Wir verständigten uns jedoch noch am selben Tag darauf, die sehr detaillierten Anteile bezüglich Metadaten auszugliedern. Diese Teile gingen später in einem komplett separaten Kapitel zu Metadaten auf, das mit großen Engagement von Jakob Voß während des zweiten Book Sprints im Oktober 2022 ausgearbeitet wurde17. In der zweiten Schreibphase begann ich alleine, den Abschnitt zu den Datenschutzaspekten von BMS auszuarbeiten.
Am zweiten Tag schrieb ich in einer Schreibphase zusammen mit Anne Christensen an der Differenzierung des BMS-Begriffs und ergänzte einen Teil zur Geschichte der BMS. In einer weiteren Schreibphase erweiterte ich dann das Datenschutzkapitel um einen Abschnitt zu IT-Sicherheit und brachte zur allgemeinen Diskussion, inwiefern die Aspekte der ökologischen Nachhaltigkeit bzw. Green IT eingebracht werden können. Bei letzterem Thema blieb es jedoch überwiegend bei Diskussionen und ich musste dazwischen auch wegen eines Arbeitstreffens die Schreibphase unterbrechen.
Am dritten Tag nahm ich nur noch einige wenige Eingriffe hinsichtlich dem Thema Nachhaltigkeit vor und war dann überwiegend mit dem Redigieren verschiedener Abschnitte über das gesamte Handbuch hinweg beschäftigt. Am Nachmittag nahm ich schließlich an der Videokonferenz mit Marshall Breeding teil.
Während des Book Sprints ergab es sich noch, dass mir beim Schreiben und Korrigieren formale Aspekte auffielen, die hinsichtlich einer allgemein besseren Lesbarkeit bei gleichzeitiger Würdigung des Online-Buchformats vorher allgemein hätten festgelegt sein sollen. Diese arbeitete ich entsprechend in den Styleguide ein, der seither für alle Autor*innen eine Richtschnur bei der Ausarbeitung des Handbuchtextes darstellt18.
Auf meinen Vorschlag hin, die im Handbuch verwendeten Quellen und auch weiterführende Literatur in einer Bibliografie mittels einer Zotero-Gruppe zu sammeln, ergab sich der Auftrag, diese einzurichten. Ich erstellte die Gruppe bereits in der ersten Hälfte des ersten Tages19, am letzten Tag des Book Sprints pflegte ich dann alle im Handbuch vorhandenen Quellen ein. Die Bibliografie wurde im Nachgang des Book Sprints durch Jakob Voß technisch als Literaturverzeichnis in die Online-Version des Handbuchs eingebunden (siehe Abschnitt 5).
Zudem erklärte ich mich auch am Ende des ersten Tages dazu bereit, die Übertragung der einzelnen Handbuchdokumente von Fidus Writer in ein Gesamtdokument nach Google Docs zu übertragen. Ich tat dies aus dem Hintergrund, da ich es zu diesem Zeitpunkt als wichtiger erachtete, dass bestimmte Autor*innen in ihrem Schreibfluss nicht unterbrochen werden sollten.
Rund um den Book Sprint hatte ich auch aus meiner eigenen Begeisterung für das Projekt heraus auf verschiedenen Kanälen für dieses geworben. Bereits im Vorfeld hatte ich Kommiliton*innen angesprochen und versucht, sie zu motivieren, an dem Book Sprint teilzunehmen. Letztendlich ergab sich daraus immerhin, dass ich mich am zweiten Tag des Book Sprints abends mit Paul Derscheid, HdM-Alumni und Software Engineer bei einem Bibliothekssoftwaredienstleister, per Video zusammenschaltete, um mich mit ihm über einige meiner thematischen Schwerpunkte auszutauschen. Im Nachgang des Book Sprints platzierte ich im DACH Bibliothekswesen Discord-Kanal Ankündigungen und informierte per E-Mail meine der Bibliotheks-IT nahestehenden Professoren über das Projekt.
6.4 Zusammenarbeit während des Book Sprints
Der Umgang während des Book Sprints untereinander war sehr professionell und kollegial. In meinem besonderen Fall wusste ich es sehr zu schätzen, dass mir als vergleichsweiser Neuling in der Bibliotheks-IT trotzdem alle der weiteren Anwesenden, die meist auf jahrzehntelange Berufserfahrung in dem Feld zurückblicken konnten, auf Augenhöhe begegnet sind.
Natürlich gab es unter den Autor*innen Diskussionen zu bestimmten Aspekten, aber wir konnten uns vor Ort immer auf einen Konsens einigen. Weiter half es auch, dass Textstellen zur späteren Ausarbeitung ausgegliedert und offene Themenpunkte für die folgenden Sprints dokumentiert wurden.
Lambert Heller als Facilitator und Frank Seeliger als Gastgeber waren stets bemüht, uns die idealen Voraussetzungen zu bieten, die wir für unsere Arbeit als Autor*innen brauchten. Das bedeutete auch, dass wir zwar in einem Zeitrahmen und bestimmten gesetzten Prozessen arbeiteten, aber den Umfang und das Thema, in dem wir uns einbrachten, selbst bestimmen konnten.
6.5 Abschließende Reflexion
Der Book Sprint zum Handbuch IT in Bibliothek war für mich die bisher größte konzentrierte intellektuelle Anstrengung meines Lebens (während ich meine Bachelorarbeit schrieb) und die längste Strecke durch Deutschland, die ich bisher für das Bibliothekswesen zurückgelegt habe.
Entsprechend empfand ich den langen Anreiseweg aus Stuttgart als große Hürde. Ich musste unausweichlich einen Tag früher anreisen, weil der Beginn des ersten Tags des Book Sprints für 9:30 Uhr angesetzt war und die Fahrt mit dem schnellsten Zug allein ca. 7 Stunden dauert. Seitens der Initiator*innen wurde zwar betont, dass der Veranstaltungsort für den Book Sprint variabel sei, de facto hat jedoch der erste Book Sprint als auch der Folgesprint in Wildau stattgefunden und wird es auch wieder im Jahr 2023. Dies bringt den Umstand mit sich, dass Interessierte aus den südlicheren Teilen Deutschland wegen des langen Anfahrtswegs wohl eher davon Abstand nehmen, teilzunehmen. Dies spiegelt sich auch in der bisherigen Autor*innenschaft wider, die sich überwiegend aus dem nördlichen Teil Deutschlands zusammensetzt.
Dennoch, trotz den zu der Zeit noch vorherrschenden pandemischen Bedingungen war auch meiner Meinung nach für das Format des Book Sprints eine persönliche Zusammenkunft vor Ort unabdinglich. Ein Online-Format hätte für mich die zwischenmenschliche Ebene im echten Leben einfach nicht auf adäquatem Wege ersetzen können.
Als Versagen empfand ich es, den Aspekt der ökologischen Nachhaltigkeit nicht seiner Bedeutung gemäß eingebracht haben zu können. Ich hatte mich zum Ende hin dann deutlich dafür eingesetzt, Green IT im späteren Book Sprint gesondert zu behandeln, was jedoch bisher leider nicht geschehen ist.
Auch der spontane Wechsel der kollaborativen Schreibplattform zu Google Docs war für mich als Privacy-Advokat ein herber Rückschlag. Vor allem deswegen, weil wir etwa für unsere Organisation bis dahin bereits auf Cryptpad zurückgegriffen hatten und dies für mein Dafürhalten eine würdige Alternative zu den Lösungen von Google darstellt. Von einem auf Openness ausgerichteten Projekt und Open-Source-affinen Teilnehmenden hätte ich eine andere Wahl erwartet.
Mein persönliches und unvergessliches Highlight hingegen war die spontan durch Frank Seeliger arrangierte Videokonferenz mit Marshall Breeding kurz vor unserer Abreise, in der wir noch von ihm Feedback zu dem von uns geschriebenen Kapitel zu Bibliotheksmanagementsystemen erhielten.
Im Nachhinein hat mich das Format des Book Sprints auch deswegen angesprochen, weil ich bei mir selbst immer wieder feststelle, dass ich oft nur unter Zeitdruck zu Höchstleistungen fähig bin. Bei diesem Projekt habe ich mich zusammen mit vielen klugen und motivierten Menschen freiwillig dem Timeboxing unterworfen, um den Grundstein zu legen für ein Standardwerk der Bibliotheks-IT, bei dem jede*r sich einbringen kann, das jedem frei zugänglich ist und das hoffentlich auch in Zukunft weiter wächst. Allein aus diesem Grund war es für mich die Strapazen wert, für den vermutlich ersten bibliothekarischen Book Sprint in Deutschland nach Wildau gefahren zu sein.
7 Literatur
Fahrenkrog, Gabriele, Heller, Lambert & Blümel, Ina 2023. Hackathons and other participatory open science formats. Research Ideas and Outcomes 9, e94851. https://doi.org/10.3897/rio.9.e94851.
Seeliger, Frank u. a. 2021. «Work in progress» – Zum erfolgversprechenden Einsatz von KI in Bibliotheken. b.i.t.online 24, 2, 173–178. https://www.b-i-t-online.de/heft/2021-02/fachbeitrag-seeliger.pdf.
Zur Einordnung des Book Sprints in die Auswahl an Methoden partizipativer Arbeitstechniken siehe Fahrenkrog u. a. (2023).↩
Für eine Auswahl siehe https://projects.tib.eu/nextgen-books/.↩
https://github.com/pro4bib/handbuch-it-in-bibliotheken/issues↩
https://www.th-wildau.de/hochschule/zentrale-einrichtungen/hochschulbibliothek/ueber-die-bibliothek/projekte/book-sprint/↩
https://github.com/pro4bib/handbuch-it-in-bibliotheken/issues↩
Für eine detailliertere Beschreibung der technischen Abläufe siehe: https://it-in-bibliotheken.de/mitarbeit.html#technik.↩
https://bid2022.abstractserver.com/program/#/details/sessions/238↩
Autor*innen
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Nicolas Bach, nicolas.bach@posteo.deHochschule der Medien Stuttgart