Zur Datierung der römischen Stadtmauer von Köln und zu den farbigen Steinornamenten in Gallien und Germanien

  • Ulrich-Walter Gans (Autor/in)

Abstract

Die Studie überprüft die Datierung der römischen Stadtmauer von Köln. Die Befestigung wird allgemein von der Forschung als erste Baumaßnahme angesehen, nachdem Kaiser Claudius das Oppidum Ubiorum – den Geburtsort seiner Frau Agrippina – im Jahre 50 n.Chr. zur Colonia Claudia Ara Agrippinensium erhoben hat, und somit noch in das dritte Viertel des 1. Jahrhunderts n.Chr. datiert. Eine Überprüfung der an der Stadtmauer durchgeführten und veröffentlichten Sondagen ergibt allerdings, dass die Befestigung im Westen und Osten über Schichten des späten 1. Jahrhunderts n.Chr. errichtet ist. Ein längeres Stück an der Nordmauer unterhalb des Kölner Doms datiert nach neuesten Forschungen sogar erst in die Mitte des
3. Jahrhunderts n.Chr. Unabhängig davon setzt auch eine jüngst publizierte Bauaufnahme das römische Nordtor in die Jahre um 250 n.Chr. Aufgrund der stratigraphischen Beobachtung ist die bisherige Forschungsmeinung, dass die Stadt bei der Belagerung durch die Bataver im Jahre 70 n.Chr. von der erhaltenen steinernen Befestigung geschützt wurde (Tacitus Hist. 4, 66ff.), zurückzuweisen! Ebenso steht der Stadtmauerbau in keinem Zusammenhang mit der Statuserhebung der Siedlung zur Kolonie. Widerlegt werden konnte auch die frühe Datierung des »Römerturms«, des fast vollständig erhaltenen
Turms an der Nordwestecke der Kölner Stadtmauer. Dieser fällt vor allem durch sein musivisches Mauerwerk auf: Aus farbigen Steinen zusammengesetzte geometrische Motive schmückten in vier horizontalen Streifen die Außenseiten des Turms. Dieser farbige Dekor ist heute noch an zwei weiteren Türmen erhalten. Beschreibungen aus dem 19. Jahrhundert bezeugen, dass sämtliche damals noch stehenden Türme der Nord- und der Westmauer reichen musivischen Schmuck besaßen, für die Kurtinenabschnitte werden einfache
Motive bezeugt. Die Datierung des musivischen Mauerwerks der Kölner Türme beruhte auf einem Vergleich mit dem angeblichen musivischen Dekor der Stadtmauer von Fréjus. Eine Überprüfung ergab, dass diese Mauerpartien in Fréjus nicht zur dortigen Stadtbefestigung gehören, sondern  Substruktionsmauern sind, die ein palastartiges Gebäude trugen. Außerdem handelt es sich nicht um farbiges Mauerwerk, sondern um unterschiedlich aneinandergesetzte Partien von opus reticulatum, die das Gussmauerwerk verkleideten und selbst verputzt waren. Musivisches Mauerwerk kommt nur selten vor und ist fast ausschließlich auf den gallisch-germanischen Raum und auf Britannien beschränkt. Die zusammengestellten Vergleichsbeispiele
datieren in das 2. und 3. Jahrhundert n.Chr. Das engste Vergleichsbeispiel zu der belebten Kölner Mauerfläche zeigt die Befestigung von Le Mans, die aus dem fortgeschrittenen 3. Jahrhundert n.Chr. stammt. Aufgrund des stratigraphischen Befunds kann die römische Stadtmauer Kölns nicht vor dem Ende des 1. Jahrhunderts n.Chr. entstanden sein. Längere Partien der Nordmauer datieren erst in die Mitte des 3. Jahrhunderts n.Chr. Damit stellt sich die Frage nach der Einheitlichkeit der Befestigung und nach dem Bauanlass: Wurden Abschnitte der Befestigung zu unterschiedlichen Zeiten errichtet, oder hat man die Nord- und Westmauer in der Mitte des 3.  Jahrhunderts n.Chr. großflächig erneuert und dabei mit musivischem
Dekor geschmückt? Ein denkbarer Anlass für den Stadtmauerbau ist die Erhebung Kölns zur Hauptstadt der im späten 1. Jahrhundert n.Chr. neu gegründeten Provinz Germania Inferior. Oder ist der Mauerbau in Konkurrenz zur nördlichen Nachbarstadt Colonia Ulpia Traiana (Xanten) zu sehen, die im beginnenden 2. Jahrhundert n.Chr. eine Befestigung erhielt? Ist es auszuschließen, dass Köln während des 2. Jahrhunderts n.Chr. unbefestigt blieb? Handelt es sich bei dem sicher in das 3. Jahrhundert n.Chr. zu datierenden Mauerabschnitt in der Domsakristei und beim Nordtor überhaupt um spätere Ausbesserungen einer früheren Befestigung, oder stammt die gesamte Befestigung erst aus dem 3. Jahrhundert n.Chr.? Darauf deutet das musivische Mauerwerk hin. Dementsprechend wäre Köln befestigt worden, als die germanischen Stämme eine reale Bedrohung für die Stadt darstellten. Oder hat erst Postumus, der Köln zur Kapitale seines Reiches erhob, den Ort mit einer Mauer umgeben?

Statistiken

loading
Veröffentlicht
2016-07-18
Sprache
de
Beitragende/r oder Sponsor
RGZM
Schlagworte
Römerzeit, 2.-3. Jh. n.Chr., Deutschland, Nordrhein-Westfalen, Köln, Stadtbefestigung, Chronologie, Architektur