Die Heilige Lanze in Wien. Die Frühgeschichte des karolingisch-ottonischen Herrschaftszeichens aus archäologischer Sicht

  • Mechthild Schulze-Dörrlamm (Autor/in)

Abstract

Über die Frühgeschichte der Hl. Lanze, des bedeutendsten Herrschaftszeichens deutscher Könige und Kaiser zu ottonischer Zeit, schweigen die Schriftquellen. Archäologischen Untersuchungen zufolge war sie eine einfache Flügellanze aus dem späten 8. Jahrhundert, die zunächst als Fahnenlanze diente. Nach seiner
Kaiserkrönung in Rom (800) hat Karl der Große sie – wahrscheinlich in Aachen – zu einer »Passionsreliquie« umgestalten lassen, die der Jerusalemer »Lancea Domini« des oströmischen Kaisers im Rang, aber wohl auch in ihrem Äußeren entsprechen sollte. Zu diesem Zweck wurde ein symmetrischer Eisenstift aus drei symbolischen Kreuznägeln mit kreuzförmigen Köpfen in das ausgestemmte Lanzenblatt eingepresst und dessen spitzovale Schneide außerdem durch zwei seitlich angebundene Klingen bis zu den Flügeln verlängert. Dadurch erhielt diese »Hl. Lanze« eine ganz außergewöhnliche, geschweifte Form, die eine verblüffende
Ähnlichkeit mit dem Kampfdolch (pugio) römischer Soldaten hat. Dies dürfte kein Zufall, sondern ein Indiz dafür sein, dass die in Konstantinopel verehrte und dort 1204 zerstörte »Lancea Domini« keine richtige Lanze, sondern ein solcher Dolch aus frührömischer Zeit gewesen war.

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Veröffentlicht
2013-11-13
Sprache
de
Beitragende/r oder Sponsor
RGZM
Schlagworte
Frühmittelalter, 8.-11. Jh., Deutschland, Aachen, Reliquie, Bewaffnung, Neuinterpretation