Germanische „Fürstengräber“ und das „Corpus der römischen Funde im europäischen Barbaricum“
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Abstract
Grabfunde bildeten für Hans Jürgen Eggers und andere die Grundlage für die typologische und chronologische Ordnung römischer Erzeugnisse in nichtrömischen Fundkontexten außerhalb des Römischen Reiches. Sie waren und sind Ausgangspunkt für soziologische Interpretationen des archäologischen Fundgutes und liefern Informationen zur Art und zum Umfang des von den „Barbaren“ genutzten Spektrums römischer Luxus- und Alltagsgüter einschließlich Rohstoffe und technischer Verfahren insbesondere der Farbgebung und der Oberflächenveredlung. Das „Corpus der römischen Funde im europäischen Barbaricum“ ermöglicht es, die Grabfunde im regionalen und zeitlichen Kontext der anderen Fundstellen zu beurteilen. Neufunde und die Bearbeitung seit langem bekannter Fundkomplexe haben die Datenbasis für die Untersuchung unterschiedlicher Themenfelder aus der Perspektive römischer Sachgüter erheblich erweitert. Unter anderem werden Ausstattungsmuster mit römischen Gegenständen erkennbar, die Körpergräbern als auch Brandbestattungen gemeinsam sind und als „Fürstengräber“ angesprochene Grablegen einschließen. Das sogenannte „Königsgrab“ von Mušov in Mähren ist dabei wegen seiner geographischen Lage im Zentrum des römisch-germanischen Interaktionsraumes während der Markomannenkriege (166/168–180 n. Chr.) und der an diesen Befund geknüpften vielfältigen Interpretationsmöglichkeiten in mehrfacher Hinsicht von herausragender Bedeutung. Chronologisch schlägt es, ungeachtet der kontrovers diskutierten Festlegung auf die Zeit unmittelbar vor oder während der Markomannenkriege, eine Brücke von den frühkaiserzeitlichen „Lübsow-Gräbern“ zu spätkaiserzeitlichen Fürstengräbern wie jenen der mitteldeutschen Gruppe Haßleben-Leuna. Außerdem fordert es zwangsläufig heraus, die Identität zumindest eines der Bestatteten mit in antiken Schriftquellen genannten, auf Seiten der Markomannen handelnden Persönlichkeiten in Verbindung zu setzen. Im konkreten Fall des Ballomarius steht es beispielhaft für sinnvolle Überlegungen zur Rekonstruktion von „Lebenswegen“ selbst weiterhin namenloser Akteure und Akteurinnen vor dem Hintergrund historischer Prozesse, sei es im Rahmen römisch-germanischer, oder „innerbarbarischer“ Interaktion. In diesem Zusammenhang wirft der Bronzekessel mit den Suebenkopfattaschen die sich auch in anderen Fundkomplexen stellende Frage nach gezielt für maßgebliche Repräsentanten barbarischer Eliten des europäischen Barbaricum in römischen Werkstätten gefertigten Repräsentationsgütern auf. Die Suebenkopf-Kessel aus den Gräbern von Czarnówko in Pommern und Kariv in der Westukraine werfen ein Schlaglicht auf die in den Ereignishorizont der Markomannenkriege eingebundenen ostmitteleuropäischer Eliten.