Die Fürstengräber von Zohor in der Westslowakei und ihr Umfeld im Licht neuer Forschungen
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Abstract
Nach dem Niedergang der keltischen Macht nördlich der mittleren Donau um die Zeitwende sind die Anfänge der germanischen Besiedlung im westslowakisch-niederösterreichisch-südmährischen Raum etwa seit der Regierungszeit von Tiberius (14–37 n. Chr.) belegt. Die allmähliche Zunahme der Besiedlungsdichte und eine bedeutende Rolle der germanischen Eliten seit der Wende des 1.–2. Jh. ist auch durch reich ausgestattete Fürstengräber von dieser Region belegt. Neben diesen sind auch reich ausgestattete Brandgräber (Kriegergräber und Frauengräber) und Brandgräber der einfachen Bevölkerung dokumentiert. Zu den Fürstengräbern aus dieser Region, die um die Wende des 1.–2. Jh. und im 2. Jh. in die Erde kamen, gehören Bestattungen der Eliten aus Zohor und Vysoká pri Morave in der Westslowakei, Neuruppersdorf in Niederösterreich und Mušov in Südmähren. Die Skelettgräber der germanischen Fürsten und Könige wurden in Grabkammern in eigenen Grabbezirken außerhalb der Brandgräberfelder deponiert.
Die Fundstelle von Zohor, nur 14 km vom Limes Romanus entfernt, gehört zu germanischen Zentralsiedlungen des nördlichen Donaugebiets. Zur ausgedehnten Siedlung von etwa 30 ha gehörten ein Brandgräberfeld und ein separater, vom Gräberfeld isolierter Bestattungsplatz für die ansässige Elite. Schon in den 40–50er-Jahren des 20. Jahrhunderts konnte man aus der hiesigen Schottergrube Teilinventare von mindestens drei Fürstengräbern bergen, die Fundumstände sind aber nicht ganz klar. 1995 und 2008–2010 realisierte K. Elschek hier großflächige Rettungsgrabungen, bei denen auf der Grabungsfläche von 5 ha etwa 100 Siedlungsobjekte und etwa 35 Brandgräber der römischen Kaiserzeit untersucht wurden. 2008 konnte auch ein sog. Sepulkralobjekt aus der 2. Hälfte des 2. Jahrhunderts untersucht werden. Hierbei könnte es sich um ein reich ausgestattetes Brandgrab gehandelt haben. Im Objekt lagen u. a. silbervergoldete und bronzene Kleinfunde, Keramik und römisches Baumaterial. 2010 konnte ein weiteres Fürstengrab (Nr. 6/2010) während der Grabung untersucht und dokumentiert werden. Der tote Fürst lag in einer hölzernen Grabkammer und zur Bestattung gehörten neben zahlreichen Kleinfunden auch neun römische (sieben Bronzegefäße, zwei Glasgefäße) und drei germanische Gefäße. Zu den Grabbeigaben gehörten neben den Fibeln, Sporen, Gürtelteilen, Schuhbeschlägen, auch Beschläge vom Holzkästchen, ein Messer, eine Schere und ein Rasiermesser, alle genannten Gegenstände waren aus Bronze hergestellt. Neben dem Kopf des Toten lagen 26 Findlinge, die Spielsteine charakterisieren sollten. Die Fürstengräber von Zohor werden etwa an die Wende des 1./2. und die 1. Hälfte des 2. Jh. datiert. Sie gehören der „Lübsow-Gruppe“ der Fürstengräber an, die im 1.–2. Jh. in „Germania Libera“ verbreitet waren. Wir nehmen an, dass sich die germanische Elite von Zohor eine Residenz im römischen Stil in der 4 km entfernten sog. „Römischen Station“ von Stupava während der 2. Hälfte des 2. Jahrhunderts bauen ließ und dort im 2.–3. Jh. residierte.
Anthropologische Analyse des Fürstengrabs Nr. 6/2010
Das Skelett war durch Grundwasser beschädigt. Vom Schädel ist es nur gelungen, eine nicht komplette Gehirnschale zu rekonstruieren, die zusammen mit den Bruchstücken mittleren bis robusten Aufbaues mit mittlerer bis kräftiger Entwicklung des Reliefs der Muskelansätze eine gewisse Vorstellung über den Schädel des Toten ergibt. An den stark abgeschliffenen Zähnen ist nur der flächige Abrasionsstyp vertreten. Der Körper des linken Schlüsselbeins ist verdickt nach einem ausgeheilten Bruch. Das Skelett gehörte einem Mann (Maturus I) der 40- bis 50-jährig eines natürlichen Todes starb. Für die Bestimmung der Körpergröße steht nur der linke Femur zur Verfügung, nach Manouvrier war die Höhe des Toten übermittelhoch (169,6 Zentimeter), bzw. nach Pearson hoch (171,2 Zentimeter).
Textilanalyse des Fürstengrabs Nr. 6/2010
Die Textilreste vom Fürstengrab 6/2010 (Objekt 217/2010) kann man in zwei Hauptgruppen einteilen: 1) Fragmente die an den Bronzegefäßen angehaftet waren, 2) Fragmente die sich an den Kleinfunden aus Metall mineralisiert haben. In der ersten Gruppe blieb Textil am besten am Boden der bronzenen Griffschale (Patera) und an ihrem Griff erhalten. Es handelt sich um einen relativ groben köperbindigen Geweberest aus Leinen. Das Textil einer sehr nahen Struktur, auch wenn in einigen Fällen nicht bestimmbar, wurde an der Trifoliarkanne, beiden Kasserollen, der Kelle und am Sieb identifiziert. In allen Fällen wurden diese Gewebereste an den Funden nur von einer Seite angehaftet – bzw. an der oberen Seite des Gegenstands nach seiner Deponierung. Ähnlich war es auch bei den Funden der zweiten Gruppe. Das Textil war immer an einer Seite der Fibeln, Beschläge oder Nägel angehaftet. Leider konnte man nur in zwei Fällen die Bindung des Gewebes zu bestimmen – wahrscheinlich als Köperbindung.