Die emailverzierte Trinkhornkette aus dem Fürstengrab (Grab 2) von Kariv
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Abstract
Unter den Trinkhornfragmenten aus dem Fürstengrab von Kariv in der Westukraine befand sich auch eine Kette sowie ein mit Emaille verziertes Terminal. Beide Funde lassen sich in die Reihe der typisch osteuropäischen grubenschmelzverzierten Objekte eingliedern, die in der Großregion zwischen der südöstlichen Ostsee und dem Schwarzen Meer und vom Dnjepr- zum Wolgabecken weitverbreitet waren. Eine beträchtliche Anzahl von Lokalformen sind bekannt, vor allem Schmuck- und Trachtbestandteile, aber auch Elemente des Pferdezaumzeugs und Trinkhornketten, die mit roter, oranger, blauer, grüner, gelber oder weißer Emaille verziert sind; oftmals finden sich auch mehrere Farben am selben Objekt. Diese herausragenden, mehrfarbigen Objekte galten in den weiten Regionen Osteuropas als überregionale Statussymbole.
Die Entstehung dieser osteuropäischen Emailleobjekte lässt sich wohl auf den Einfluss von römischen Werkstätten zurückführen. Einige der Funde dürften im Auftrag von Mitgliedern der ostbarbarischen Elite von hochqualifizierten Schmuckherstellern in römischen Provinzwerkstätten hergestellt worden sein. Möglicherweise wurden solche Emailleobjekte auch von spezialisierten Wanderkunsthandwerkern erzeugt. Eine „permanente“ Werkstatt, in der vergleichbare emailleverzierte Objekte hergestellt wurden, kam in der Siedlung Abidnja (Adamenka) im nördlichen Weißrussland zum Vorschein.
Emailleverzierte Objekte finden sich vermehrt in den folgenden Regionen: im Gebiet der Balten (Nordostpolen, Zentral- und Ostlitauen, Ostlettland), im oberen und mittleren Dnjeprbecken, in den Flussbecken der Desna und des Don, im oberen Okabecken, im Gebiet der Ostsee-Finnen (Nord- und Ostestland, Südwestfinnland) sowie im Gebiet der Wolga-Finnen. Einzelfunde sind von der Krim und aus dem Schwarzmeergebiet sowie aus dem Karpatenbecken und aus Ostpolen bekannt. Die ältesten Objekte dieser Art stammen aus dem mittleren 2. Jh. n. Chr., die jüngsten aus dem späten 4./5. Jh., wobei die Tradition der Emailleverzierung in Osteuropa bis in die späte Völkerwanderungszeit fortdauerte (siehe Bügelfibeln).
Mit Emaille verzierte Trinkhornketten sind eher seltene Funde (insgesamt 25 Artefakte), die sich aber über die ganze Region Osteuropas hinweg finden. Sieben solcher Ketten sind aus dem Gebiet der Balten bekannt (Nord- und Ostlitauen, Lettland, Samland), zwei Objekte stammen aus dem Gebiet der Tarandgräber-Kultur (Ostsee-Finnen), 13 aus der Kiewkultur, ein prächtiges Exemplar stammt aus der Moščino-Kultur, eines aus dem Kaukasus und ein weiteres aus der Wielbark-Kultur. Nur wenige Ketten waren Bestandteile von geschlossenen Funden, die zeitlich genauer eingeordnet werden können. Die Funde aus zwei Gräbern im nördlichen Litauen gehören in die Stufen C1a–C1b, was mit dem Befund aus Kariv übereinstimmt.
Keine der bekannten Ketten ist direkt mit derjenigen aus Kariv vergleichbar. Es handelt sich bei diesen emailleverzierten Funden um Einzelanfertigungen, die sich voneinander unterscheiden. Entsprechend muss eine eingehende Analyse aller Elemente dieser Ketten, deren Ausformung, Verzierung und Emaillemuster erstellt werden, um Analogien in bestimmten Einzelheiten und Verzierungsmustern, nicht nur an Trinkhornketten, sondern auch an anderen emaillierten Objekten festzustellen, die sich als mögliche Inspiration für den Fund aus Kariv anbieten.
Diese prächtigen, mit Emaille verzierten Trinkhörner werden allgemein mit der überregionalen Kriegerelite Osteuropas in Verbindung gebracht und galten wohl als ein Mittel zur Identifikation und ein Symbol des hohen Ansehens dieser Gruppe.