Publikationsunterstützung: Die Bibliothek ist nicht genug

DOI: https://doi.org/10.11588/ip.2017.1.35225

Christian KAIER

Publikationsunterstützung: Die Bibliothek ist nicht genug

Kooperation als wesentlicher Erfolgsfaktor für Publikationsservices von Bibliotheken

Zusammenfassung

Für wissenschaftliche Bibliotheken bedeutet der Aufbau publikationsunterstützender Services eine lohnende Erweiterung ihres Aufgabengebietes, die auf ihren traditionellen Kompetenzen aufbaut. Um überzeugende und umfassende Services zum Thema wissenschaftliches Publizieren anbieten zu können ist es jedoch notwendig, noch stärker als bisher mit verschiedensten Partnern zusammenzuarbeiten. Dieser Beitrag legt dar, welche Kompetenzen es zu entwickeln und welche Partner es vorrangig anzusprechen gilt.

Schlüsselwörter

Wissenschaftliches Publizieren, wissenschaftliche Kommunikation, Bibliothek, Kooperation

Publication support: The library is not enough

Cooperation as a key success factor for publication services offered by libraries

Abstract

Expanding the library´s service portfolio by offering scientists support in scholarly publishing is a rewarding endeavor based upon traditional competencies of libraries. However, establishing convincing and comprehensive publishing support services not only requires adapting the librarians´ skills but also developing stronger collaborations across and beyond the university. This paper analyses which competencies and networks are essential for such services to succeed.

Keywords

scholarly publishing, scholarly communication, library, cooperation

Inhaltsverzeichnis

1 Wissenschaftliches Publizieren als Aufgabe von Bibliotheken

2 Relevante Kompetenzen an der Bibliothek

3 Vernetzung innerhalb der eigenen Institution

4 Austausch mit und Akzeptanz durch Wissenschaftler

5 Vernetzung außerhalb der eigenen Institution

6 Fazit

Literatur

Autor

1 Wissenschaftliches Publizieren als Aufgabe von Bibliotheken

Die neue Rolle wissenschaftlicher Bibliotheken als Ansprechpartner von Wissenschaftlern über den gesamten Forschungsprozess ist das Thema zahlreicher Abhandlungen und Strategiedokumente. Als eines der wichtigsten Zukunftsfelder für Bibliotheken wird häufig der Bereich des wissenschaftlichen Publizierens bzw. in einem weiter gefassten Verständnis jener der wissenschaftlichen Kommunikation genannt.: “We may predict, given our data, that scholarly communication will soon be considered a core component of academic librarianship, alongside the traditional pillars of the trade (references and instruction, collection development, cataloging).” (Finlay et al., 2015). Unter “wissenschaftlicher Kommunikation” (“scholarly communication”) wird jenes übergeordnete System verstanden, in dem Forschungsarbeiten geschaffen, qualitätsgeprüft, verbreitet und für die Zukunft aufbewahrt werden (vgl. Association of College and Research Libraries, 2003). Der Begriff umfasst den gesamten Lebenszyklus wissenschaftlicher Publikationen, also weit mehr als den unmittelbaren Publikationsprozess.Bibliotheken beteiligen sich spätestens seit den Open-Access-Initiativen der Jahre 2002 und 2003 maßgeblich an dem Versuch, das oft kritisierte wissenschaftliche Publikationssystem – neben stark steigenden Kosten und eingeschränktem Zugang werden beispielsweise Ineffizienz, Intransparenz, ein unzeitgemäßer rechtlicher Rahmen und falsche Anreize angeführt (Kraker et al., 2016) – zu erneuern. Sie sind daher bereits mit der Thematik vertraut, um auch innerhalb ihrer Institutionen beratend tätig zu werden. Ein verstärktes Engagement im Bereich des wissenschaftlichen Publizierens bietet Bibliotheken die Chance, sich in einem überaus wichtigen Feld als Experten zu etablieren: Publikationen sind die Visitenkarten von Wissenschaftlern und Institutionen und ein zentraler Aspekt der Außenwahrnehmung jeder Forschungseinrichtung; “scholarly communication is the foundation of every institution of higher education, regardless of its size, prestige, or endowment“ (Wright, 2013). Umfassende Expertise in diesem Bereich kann daher die Rolle einer Bibliothek innerhalb ihrer Institution wesentlich aufwerten. Aus Sicht der Bibliothek kann sie außerdem dazu beitragen, ein engeres Verhältnis zum Wissenschaftsbetrieb aufzubauen.

Welche zusätzlichen Aufgaben können und sollen wissenschaftliche Bibliotheken dazu sinnvollerweise übernehmen? Ursprünglich für die Beschaffung, Erschließung und Zurverfügungstellung von Literatur eingerichtet, umfasst ihr Aufgabenspektrum heute auch Angebote zur Literaturrecherche (Informationskompetenz), womit sie dem Schaffungsprozess von Publikationen bereits näher gerückt sind. In den letzten Jahren kamen vielfach eigene Publikationsangebote wie Repositorien, Zeitschriftenplattformen und Universitätsverlage (Publikationsservices im engeren Sinn) hinzu, zahlreiche Bibliotheken verwalten Open-Access-Publikationsfonds.

Während Bibliotheken in einer engen Definition von „Publikationskompetenz“ (vgl. Keller, 2015) die Rolle von Verlegern und Vermittlern von Forschungsarbeiten einnehmen und Publikationsmöglichkeiten an der eigenen Einrichtung zur Verfügung stellen, schließt die beschriebene weitere Definition von Bibliotheken als Kompetenzzentren des wissenschaftlichen Publizierens den Aspekt der Beratung und Information mit ein. Dieser neue Aufgabenbereich erfordert allerdings umfassendes Know-how auch der verschiedenen fachspezifischen Besonderheiten, das es zu erwerben gilt. Um sich in diesem Bereich noch besser zu qualifizieren und zu positionieren, ist es außerdem sinnvoll und notwendig, neue Partner hinzuzuziehen.

Im Folgenden wird unter Einbeziehung von Erfahrungen an der Universität Graz1 dargestellt, welche Kompetenzen im Bereich des Publizierens an der Bibliothek (weiter-)entwickelt werden sollten und mit welchen Partnern inner- und außerhalb der eigenen Institution eine Zusammenarbeit besonders erstrebenswert scheint.

2 Relevante Kompetenzen an der Bibliothek

Bibliotheken verfügen über Expertise in Bereichen, die für das wissenschaftliche Publizieren essenziell sind: Sie sind Spezialisten für Auffindbarkeit, Metadaten, Recherche, Bibliometrie, Open Access und Datenmanagement, um nur einige zu nennen. Diese Kenntnisse, die seit einigen Jahren auch für den Betrieb von Repositorien und Open-Access-Zeitschriften eingesetzt werden, entsprechen klassischen bibliothekarischen Aufgaben und Ausbildungsinhalten. In zahlreichen Untersuchungen wird allerdings eine Erweiterung der bibliothekarischen Ausbildung auf den gesamten Lebenszyklus von Publikationen angeregt (vgl. Lewis, 2007; Keller, 2016; Kennan et al., 2014) und in amerikanischen bibliothekarischen Stellenanzeigen wird zunehmend Expertise in „scholarly communication“ gefordert (Finlay et al., 2015). Klain-Gabbay & Shoham (2016) regen eine dahingehende Neuorientierung wissenschaftlicher Bibliotheken und eine Reorganisation des Bibliothekspersonals an, um den neu entstandenen Anforderungen im Bereich der Forschungs- und Publikationsunterstützung gerecht werden und als „publishing center on campus“ (Carpenter et al., 2011) Wissenschaftler aktiv unterstützen zu können.

Zusätzlich sollten Personen mit einschlägigen Vorkenntnissen im Publikationsbereich eingestellt oder bestehendes Personal mit neu hinzukommenden Experten, etwa aus dem Verlagswesen oder aus dem Forschungsbetrieb, zu neuen Teams formiert werden (Schmidt et al., 2016). Kenntnisse in den Bereichen Öffentlichkeitsarbeit, Publikationsprozesse, Geschäftsmodelle, Urheberrecht und Verwertungsrechte oder Marketing und Vertrieb kommen in der bibliothekarischen Ausbildung meist nicht oder nur am Rande vor und sollten durch Personalentwicklung oder Kooperationen ausgebaut werden, um entsprechende Beratungsleistungen anbieten zu können. Auch eine eigene Publikationstätigkeit bringt praktische Erfahrungen und ermöglicht ein besseres Verständnis der Situation von Wissenschaftlern. So kann sichergestellt werden, dass das komplexe Thema des wissenschaftlichen Publizierens aus verschiedenen Perspektiven betrachtet und diese in der Beratung und Strategieentwicklung weitergeben werden können (vgl. Keller, 2016; Lewis, 2007; Schmidt et al., 2016).

3 Vernetzung innerhalb der eigenen Institution

Zahlreiche Analysen (u.a. Carpenter et al., 2011; Cox & Pinfield, 2014; Delaney & Bates, 2015; Jaguszewski & Williams, 2013) kommen zu dem Ergebnis, dass Bibliotheken nicht nur ihre eigenen Kompetenzen weiterentwickeln, sondern auch stärkere Beziehungen zu anderen Akteuren innerhalb ihrer Institution entwickeln müssen. Dies gilt auch für publikationsunterstützende Angebote.

Wollen Bibliotheken Aufgaben im Bereich des Publizierens übernehmen, betreten sie an der eigenen Institution nicht unbedingt Neuland. Expertenwissen zu unterschiedlichen Aspekten des gesamten Lebenszyklus von Publikationen ist oft bereits an verschiedenen Stellen in der Institution vorhanden. Cox (2016) nennt neben den Wissenschaftlern als offensichtliche Zielgruppe folgende Partner, mit denen ein Austausch erfolgen sollte: die Universitätsleitung, Verwaltung, IT-Services und Forschungsservices. Beim Aufbau der Publikationsservices an der Universität Graz hat sich gezeigt, dass noch an zahlreichen weiteren Einrichtungen Erfahrungen und Wissen im Bereich des wissenschaftlichen Publizierens vorhanden sind und genutzt werden können. Dabei sind vielfältige Formen der Zusammenarbeit dieser Einrichtungen denkbar und sinnvoll – vom Austausch relevanter Informationen über die Schaffung einer übergreifenden Anlaufstelle für Anfragen von Wissenschaftlern bis hin zu gemeinsamen Veranstaltungen bzw. deren gemeinsamer Bewerbung sowie der Einbindung in die Netzwerke der Partner.

Zunächst zu den von Cox geforderten Kooperationen: Eine stabile Partnerschaft mit dem Informatikdienst (IT) bringt wertvolle technische Unterstützung und ermöglicht es oft erst, Infrastrukturen für digitale Kommunikation bereitstellen und Services wie Repositorien, Zeitschriftenplattformen oder Angebote zum Forschungsdatenmanagement anbieten zu können (vgl. Cox & Pinfield, 2014).

Forschungsservices (Forschungsmanagement, Forschungssupport) beraten und unterstützen Wissenschaftler etwa im Bereich der Drittmittelfinanzierung und der Verwertung von Forschungsergebnissen. Dabei ergeben sich zahlreiche thematische Schnittstellen, etwa durch Vorgaben zum Forschungsdatenmanagement und zur Open-Access-Publikation von Forschungsergebnissen, die von Wissenschaftlern im Zusammenhang mit geförderten Forschungsprojekten immer öfter zu beachten sind, oder bei Finanzierungsfragen.

Publikationen sind maßgebliche Indikatoren im Wettbewerb zwischen Wissenschaftlern, aber auch zwischen Institutionen und oft mitentscheidend für die interne Mittelverteilung (vgl. Depping, 2014). Bewertungen auf institutioneller Ebene, die eng mit dem Publikationsverhalten der Wissenschaftler zusammenhängen, werden von administrativen Einrichtungen wie Qualitätsmanagement, Qualitätssicherung oder Leistungsmanagement durchgeführt. Beratungs- und Informationsleistungen der Bibliothek müssen die für diesen Bereich der Evaluierung Zuständigen einbeziehen, um Fragen zu Kriterien für Qualifizierung, Rankings und Berufungen seriös beantworten zu können.

Ebenfalls eng mit dem Aspekt des Wettbewerbs verbunden und von größter Wichtigkeit für Wissenschaftler ist das Thema der Sichtbarkeit wissenschaftlicher Leistungen. Von der eigenen Community bis zur breiten Öffentlichkeit sollen verschiedenste Zielgruppen erreicht werden, zahlreiche Medien und Plattformen bieten dafür Möglichkeiten zur Präsentation von Forschungsleistungen. Während Bibliotheken bereits häufig Forschungsinformationssysteme betreiben sowie über hervorragende Kenntnisse bezüglich der Indexierung und Auffindbarkeit etwa in Datenbanken oder Suchmaschinen verfügen, erschließt eine Zusammenarbeit mit Abteilungen für Öffentlichkeitsarbeit oder mit Social-Media-Experten zusätzliches notwendiges Wissen.

Auch Rechtsfragen im Zusammenhang mit dem Publizieren werden häufig nicht innerhalb der Bibliothek beantwortet werden können. Daher sollte sich diese auch mit kompetenten Partnern wie Rechtsabteilungen für Fragen etwa zu Vertragsrecht, Urheber- und Verwertungsrecht vernetzen. Gerade in diesem Bereich bestehen große Unsicherheit und dementsprechend großer Bedarf an Beratungsleistungen.

Dem Publikationsprozess vorgelagert ist das Thema des Verfassens wissenschaftlicher Arbeiten, zu dem Anbieter inner- und außerhalb der Fakultäten Beratungsleistungen vor allem für Nachwuchswissenschaftler erbringen (DoktorandInnenzentrum, Schreibzentrum). Anders als etwa Rechercheberatungen werden Schreibtrainings oft nicht von Bibliotheken, sondern von eigenen Serviceeinrichtungen angeboten. Der Übergang vom Schreib- zum Publikationsprozess kann damit zu einer weiteren Schnittstelle einer Bibliothek werden, die Publikationsunterstützung anbieten will.

Das Thema wissenschaftliches Publizieren ist innerhalb der Institutionen stark fragmentiert, sodass Kooperationen mit auch mit anderen als den von Cox (2016) angeführten Partnern anzustreben und neue Synergien zu nutzen sind. Dementsprechend groß ist aber auch der Bedarf an Koordination sowie an einer gemeinsamen Anlaufstelle für einen first level support, um den Nutzen und somit die Attraktivität für Wissenschaftler zu optimieren.

Für die Bibliothek bietet sich somit – ausgehend von der angestrebten Aufgabe, publikationsunterstützende Services anzubieten – außerdem die Gelegenheit, innerhalb der Verwaltung eine Schnittstellenfunktion einzunehmen und die erste Anlaufstelle auch für Fragen zu sein, die über die Kernkompetenzen der Bibliothek hinausgehen. Als Koordinator und Vermittler kann sie sich zum Angelpunkt für eine breite Kooperation unterschiedlicher Einrichtungen entwickeln und damit vom Dienstleister zum Partner und Leader werden (vgl. Jaguszewski & Williams, 2013).

Da aus der Sicht potenzieller Partner eine Kooperation auf den ersten Blick nicht unbedingt einen Mehrwert erkennen lassen mag, sollten Bibliotheken die positiven Auswirkungen einer gemeinsamen Plattform für den Informationsaustausch und gemeinsamer Services von Anfang an kommunizieren: Eine Zusammenarbeit kann etwa den Nutzen aller beteiligten Serviceeinrichtungen für die Wissenschaftler verbessern und die Glaubwürdigkeit und Effizienz ihres Angebotes erhöhen (vgl. Eldridge et al., 2016).

Große Umstrukturierungen sind dafür nicht unbedingt nötig: Schon eine informelle Zusammenarbeit kann vielfachen Nutzen bringen. Corrall (2014) hat beobachtet, dass organisatorische Konvergenz (das Zusammenlegen mehrerer Abteilungen) gegenüber operativer Konvergenz (Kooperation eigenständiger Abteilungen für mehr Effizienz in einem Bereich) immer mehr in den Hintergrund tritt. Eine erfolgreiche Kooperation muss sich also nicht zwingend in Organigrammen widerspiegeln, auch wenn dies auf längere Sicht ihre Stabilität erhöhen kann und damit durchaus erstrebenswert ist.

Die Universitätsleitung wird in der Regel Interesse an Synergieeffekten zwischen bestehenden Angeboten und an einem integrierten Konzept für Publikationsservices und der Bibliothek als Kommunikationsschnittstelle haben. Als Plattform zum Wissensaustausch und als Kompetenzzentrum können Kooperationen unterschiedlicher Serviceeinrichtungen die Sichtbarkeit von Forschungsleistungen verbessern und die Chancen von Wissenschaftlern und Institutionen im internationalen Wettbewerb erhöhen.

4 Austausch mit und Akzeptanz durch Wissenschaftler

Wissenschaftler sind aus der Sicht von Bibliotheken sowohl Zielgruppe als auch Ressource für ihre Angebote. Kenntnisse über fachspezifische Publikationskulturen können am besten über einen engen Kontakt zu Wissenschaftlern erlangt werden, durch den die Bibliothek gleichzeitig an essentielle Informationen gelangt. Wissenschaftler sind beispielsweise Adressaten von Werbematerial der Verlage und verfügen über wertvolle Erfahrungen bezüglich deren Qualität und Serviceangeboten.

Der entscheidende Erfolgsfaktor von Angeboten zur Publikationsunterstützung liegt selbstverständlich in der Akzeptanz und Nutzung der Angebote durch die Zielgruppe der Wissenschaftler. Beide sind jedoch alles andere als einfach zu erreichen. Dies trifft bereits auf Publikationskanäle zu, die von Bibliotheken zur Verfügung gestellt werden: „Wissenschaftler betrachten die Publikationskanäle der eigenen Hochschulbibliothek keineswegs als erste Wahl. Sie haben auch nicht unbedingt ein ausgeprägtes Interesse daran, die eigenen Publikationen in Open Access zur Verfügung zu stellen.“ (Depping, 2014; vgl. auch Lynch, 2017).

Noch zurückhaltender ist die Einstellung von Wissenschaftlern gegenüber Beratungsangeboten, ob als Einzelgespräche, Workshops oder in anderer Form. Vielfach wird Bibliothekaren zunächst nicht zugetraut, in Fragen des Publizierens und der wissenschaftlichen Kommunikation kompetent zu sein, wohl auch, weil Bibliotheken mit diesem Bereich bisher nur am Rande zu tun hatten. Tatsächlich sind die Publikationskulturen in den einzelnen Fachbereichen höchst unterschiedlich und es ist dementsprechend schwierig, sich einen umfassenden Überblick zu verschaffen. Workflows, Metriken, Bewertungskriterien, Publikationskosten und Medien unterscheiden sich mitunter fundamental, digitales Publizieren und Open Access werden in höchst unterschiedlichem Maße wahrgenommen und praktiziert, denn: „Faculty are not a monolithic group, but are multiple, divergent, disciplinecentric groups.“ (Walters, 2012). Es empfiehlt sich daher jedenfalls, Gespräche mit Vertretern der unterschiedlichen Fachbereiche zu führen, um Informationen zur jeweiligen Publikationspraxis und zu einem allfälligen Unterstützungsbedarf zu erhalten.

Während im angloamerikanischen Raum über Fachreferenten (embedded librarians, liaison librarians) ein starker Bezug zwischen den einzelnen Fachbereichen und der Bibliothek besteht, werden Bibliotheksservices im deutschsprachigen Raum oft zentral und fächerübergreifend angeboten, wodurch bestimmte fachspezifische Beratungsleistungen und Informationen meist nicht flächendeckend zur Verfügung gestellt werden können. Kompetente Beratung und detaillierte Informationen für alle zu bieten, um als Anlaufstelle in Publikationsfragen akzeptiert zu werden, ist auch aus diesem Grund immens schwierig, Glaubwürdigkeit und das Vertrauen der Wissenschaftler zu gewinnen ein langwieriger Prozess. Wissenschaftler am Anfang ihrer Karriere sind erfahrungsgemäß offener für Angebote zum Thema Publizieren als erfahrenere Wissenschaftler, die vielfach auf ihre Routine vertrauen. Angesichts deren oft reservierter Grundhaltung ist es von größter Wichtigkeit, umfassende und überzeugende Angebote zu schaffen. Ein Wissensvorsprung und damit ein Beratungsangebot kann etwa durch die genaue Beobachtung aktueller Trends im höchst dynamischen Bereich des wissenschaftlichen Publizierens entstehen: Wissenschaftler können für laufend neue Medien, Plattformen, Werkzeuge und Bewertungsmaßstäbe oft nicht die nötige Zeit aufwenden, sind aber von sich stetig ändernden und wachsenden Anforderungen etwa in den Bereichen Open Access und Forschungsdatenmanagement betroffen.

5 Vernetzung außerhalb der eigenen Institution

Wenn Bibliotheken den Anspruch stellen, als Kompetenzzentrum für wissenschaftliches Publizieren aufzutreten, ist eine Vernetzung auch über die eigene Institution und den eigenen Berufsstand hinaus unerlässlich. In breit angelegten Kooperationen verschiedenster Stakeholder können aktuelle Entwicklungen und zukünftige Modelle wissenschaftlichen Publizierens erörtert sowie gemeinsame Positionen erarbeitet werden.2 Bibliotheken und Bibliotheksverbünde sind in solchen Kooperationen Partner, die mit verschiedensten Stakeholdern wie Wissenschaftlern, anderen Serviceeinrichtungen, Universitätsleitungen, Fördergebern, Verlagen und Ministerien zusammenarbeiten. Sie erhalten dadurch Einblick in aktuelle Entwicklungen und andere Sichtweisen, die Gelegenheit, für “das große Bild” des wissenschaftlichen Kommunikationssystems einen Schritt von der Alltagspraxis zurücktreten, und (im Idealfall) die Möglichkeit, zukünftige Rahmenbedingungen mitzugestalten. Gerade diese Vernetzung der Bibliothek außerhalb der eigenen Institution trägt zu einem beträchtlichen Teil zu ihrer Eignung als Kommunikationsschnittstelle bei. In einem solchen Austausch gewonnene Einblicke können auch in der eigenen Beratungstätigkeit verwertet werden und helfen, mögliche zukünftige Bedürfnisse von Wissenschaftlern frühzeitig zu erkennen und das eigene Angebot entsprechend weiterzuentwickeln.

6 Fazit

Wissenschaftliche Bibliotheken erweitern ihre Angebote zunehmend auf den gesamten Publikations- und Forschungsprozess. Services im Bereich des wissenschaftlichen Publizierens anzubieten, kann eine sehr lohnende Aufgabe für Bibliotheken sein: Sie können sich damit innerhalb ihrer Institutionen als zentraler Ansprechpartner in einem überaus wichtigen Bereich profilieren. Dazu müssen Bibliothekare jedoch einerseits ihre vorhandenen Kenntnisse im Bereich des Publizierens erweitern, andererseits noch mehr als bisher zu Netzwerkern werden und das Vertrauen von Kooperationspartnern wie Forschungsservice, Qualitätsmanagement, Schreibzentrum, Rechts- und Presseabteilung gewinnen, die die bibliothekarischen Kompetenzen und Ressourcen ergänzen. Kooperationen über die eigene Einrichtung hinaus bringen außerdem wertvolles Wissen über aktuelle Entwicklungen sowie neue Perspektiven.

Die Zusammenarbeit mit Partnern, ob formalisiert oder informell, und der Austausch mit Wissenschaftlern sind Schlüsselfaktoren für den Erfolg von bibliothekarischen Angeboten zum wissenschaftlichen Publizieren. Sie sind die Voraussetzung dafür, die Zielgruppe der Wissenschaftler mit umfassender und fachkundiger Beratung und Information überzeugen zu können. Kommt eine solche breite Kooperation unterschiedlicher Einrichtungen zustande, sind die positiven Effekte beträchtlich: Informationen können geteilt, Prozesse verbessert und Angebote weiterentwickelt werden, Wissenschaftler und die Institution profitieren von der Vernetzung. Eine isolierte Arbeitsweise von Bibliotheken ist hingegen gerade im Bereich des wissenschaftlichen Publizierens weder zeitgemäß noch erfolgversprechend, denn: „Scholarly Communication is much larger than libraries.“ (Carpenter et al., 2011)

Literatur

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Autor

Christian KAIER, Mag. phil., ist an der Universitätsbibliothek Graz in den Bereichen Open Access und Publikationsservices tätig und war von 2002 bis 2013 für das juristische Programm eines österreichischen Wissenschaftsverlags verantwortlich.

Kontakt: christian.kaier@uni-graz.at

ub.uni-graz.at/publikationsservices


  1. An der Universität Graz wurde 2016 mit den „Publikationsservices“ eine Einrichtung geschaffen, die neben Publikationsmöglichkeiten an der Bibliothek – Universitätsverlag und Repositorium inklusive Zeitschriftenhosting – Beratung und Information zu verschiedensten Aspekten des wissenschaftlichen Publizierens anbietet. Von den vier Mitarbeitern der Publikationsservices sind zwei ausgebildete Bibliothekare, die beiden anderen, darunter der Autor dieses Beitrags, waren zuvor im Verlagswesen tätig. Die Publikationsservices wurden ursprünglich zur Vernetzung bestehender Angebote als Stabsstelle der Bibliothek konzipiert, auf Initiative der Bibliothek wurde in der Folge ein Netzwerk mit weiteren Verwaltungseinheiten der Universität aufgebaut (vgl. Ginther et al., 2017).

  2. Ein Beispiel dafür ist das Open Access Netzwerk Austria (OANA), in dessen Rahmen unter Beteiligung von Akteuren wie Universitätsleitungen, Bibliotheken, Forschungsförderung und Wissenschaftlern beispielsweise die „Empfehlungen für die Umsetzung von Open Access in Österreich“, „Empfehlungen für das österreichische Urheberrecht“ und „The Vienna Principles – A Vision for Scholarly Communication in the 21st Century“ erarbeitet wurden.