Manuell-hermeneutische Forschung als Goldstandard: Zur Kalibrierung digitaler Analysetools in den Digital Humanities
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Abstract
Die Erstellung digitaler Textanalysewerkzeuge ist ein aufwändiges und herausforderndes Unterfangen. Für die erfolgreiche Kalibrierung und Eichung computergestützter Verfahren zur Detektion von Zitaten und Allusionen haben sich die Ergebnisse der traditionell-hermeneutischen Intertextualitätsforschung als Maßstab sehr bewährt. Eine möglichst lückenlose Sammlung aller dieser bisherigen Zitatfunde wird Goldstandard genannt. Ein solcher Goldstandard repräsentiert den aktuellen Wissensstand der Forschung und stellt die Mindestanforderung an die digitalen Tools dar. Für optimale und anschlussfähige Ergebnisse in den Digital Humanities werden die digitalen Analysetools an diesem Maßstab ausgerichtet, um sie auf bisher weniger gut erforschte Werke und Autorenpaarungen zu übertragen und anzuwenden. Der Wert eines solchen Goldstandards als Referenzpunkt für Kalibrierungsprozesse hängt maßgeblich von der Qualität der einschlägigen Forschungsliteratur sowie der Akkuratesse seiner Erstellungsweise ab. Somit hat der Goldstandard selbst Gegenstand kritischer Reflexion zu sein. Der Beitrag stellt am Beispiel des intertextuellen Vergleichs der Briefe des Hieronymus mit Vergils und Ciceros Gesamtwerk den Goldstandard als Referenzpunkt in den Kalibrierungs- und Evaluationsprozessen digitaler Tools vor. Neben konzeptionellen Grundlagen und Begriffsbestimmungen werden die Struktur und Beschaffenheit, die Funktionsweise und die Rahmenbedingungen eines Goldstandards diskutiert. Hierbei werden leitende Kriterien für die Kollationierung und Erstellung eines einsatzfähigen Goldstandards aufgestellt. Die Gütekriterien eines Goldstandards werden unter dem VIATE-Prinzip zusammengefasst. Zudem werden die Herausforderungen thematisiert, die sich im Übergang von der manuell-hermeneutischen zur digitalen Forschung stellen, und ein Lösungsansatz für einen auch digital operationalisierbaren Zitatbegriff eingeführt. Dessen – ambivalente – Simplifizierung hermeneutischer Klassifizierungsstrategien intertextueller Bezugnahmen wird anhand von konkreten Textpassagen illustriert. Die rege Produktivität eines Methodenwechsels vom manuell-hermeneutischen ins Digitale und wieder zurück zeigt sich dabei nicht nur im enormen Skalierungspotential der mit digitalen Routinen auf einmal analysierbaren Textcorpora, sondern auch in der kritischen Diskussion bestehender Forschungsbegriffe sowie stets neuer Reflektion der Zitat- und Intertextualitätskonzepte.
Statistiken
Literaturhinweise
Daten-Repositorium: https://doi.org/10.11588/data/FVCULR (letzter Zugriff 06.12.2024).