Flache Literatur
Die Frage nach der Übertragbarkeit von Clement Greenbergs flatness- Begriff auf die Literatur
Identifier (Artikel)
Abstract
Clement Greenberg lancierte in seinen Schriften zur modernen Malerei den Begriff der flatness, der besagt, dass im Zuge der Moderne sich im bis dato vorherrschenden Prinzip der Zentralperspektive ein Prozess der Verflächigung vollzieht, der die Malerei immer mehr dazu tendieren lässt, nicht mehr eine realistisch anmutende Raumillusion darzustellen, sondern die Oberfläche als Gegenstand der Kunst in den Blick zu nehmen. Durch das Hervorheben der flatness der Gemälde steht nun in der Moderne das Bild und seine Bildhaftigkeit im Vordergrund und nicht mehr dessen Inhalt. Durch diese Tendenz zur Verflächigung bedingt sich laut Greenberg vice versa die Moderne, die in letzter Konsequenz die reine Fläche als Objekt und Charakteristikum der Malerei proklamiert. Doch dieser Prozess ist nicht nur, wie Clement Greenberg argumentiert, in der Malerei zu finden. Der Artikel versucht vielmehr im Anschluss daran und mit Rückgriff auf Michel Foucaults Die Ordnung der Dinge aufzuzeigen, dass eine ähnliche Tendenz zur Verflächigung auch in der Entwicklung der modernen Literatur zu finden ist, und eben mit Greenbergs flatness-Begriff beschrieben werden kann. Ähnlich wie sich der perspektivische Tiefenraum der Malerei immer mehr in der Flächigkeit verliert, büßt auch die Sprache im Zuge der Moderne ihre Tiefenwirkung ein, indem die sprachlichen Zeichen nicht mehr über sich selbst hinaus auf eine zu vermittelnde diegetische Wirklichkeitsvorstellung verweisen, sondern sich selbst in ihrer eigenen Materialität präsentieren. Der Text wird somit zur sprachlichen Fläche ohne Tiefengrund. Den literarischen Wirklichkeitsdarstellungen des realistischen Programms im 19. Jahrhundert wohnt demnach ein eigentümliches Kippmoment inne. Die Pedanterie der wirklichen Wirklichkeitsdarstellung, dem sich die Literatur verschreibt, führt immer mehr zu einem hypertrophen Realismus, wie beispielhaft an Adalbert Stifters Werk gezeigt wird, der durch seine Detailtreue nicht reine Objektivität und Transparenz des Textes garantiert, sondern in die abstrakte Fläche der Schrift umkippt, die nur noch sich selbst zu sagen vermag.
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