Auditive Perspektiven
Klang und seine Rezeption sind Gegenstand verschiedener wissenschaftlicher Disziplinen und Künste: Es sind die Musik und Klangkunst, die klangliche Artefakte schaffen und eine individuelle und gesellschaftliche Rezeption von Klang prägen und reflektieren. Während die Musikwissenschaft sich Musik primär als einer Kunstform widmet, untersucht das interdisziplinäre Forschungsfeld der Sound Studies Klang als alltägliches Phänomen, Wissensform und als Gegenstand künstlerischer Praxis. In den Sound Studies werden Methoden aus den Geschichts-, Kultur- und Kunstwissenschaften, der Ethnologie, Soziologie und Kulturanthropologie, der Komparatistik und Medienwissenschaft angewandt, um Klang und seine Wahrnehmung zu erforschen sowie klangliche Phänomene im Kontext verschiedener intermedialer Konstellationen zu verorten. Auditive Medienkulturen und die mit ihnen verbundene Wahrnehmung, Auffassung und Konstitution von Realität werden dabei als gleichrangig zur visuellen Kultur aufgefasst, wodurch die Grenzen zwischen den methodischen Zugängen der Sound Studies und der Visual Studies durchlässig sind. Die Annahme einer genuinen Raumzeitlichkeit von auditiven wie visuellen Medien oder die Verquickung von Flüchtigkeit und Persistenz in beiden Medienformen bildeten einen Fluchtpunkt für die Auseinandersetzung mit Klanglichkeit und Bildlichkeit. Mit einer solchen Hinwendung zur Visualitätsforschung im Kontext von Musik und Klangkunst wurde die Horizontlinie auditiver Perspektiven erweitert, was in dieser Sektion als ein Ansatz weitergeführt wird. Fruchtbar gemacht werden soll zudem ein kritischer Blick auf Akteure, Praktiken, Technologien, Medialitäten und Materialitäten aber auch auf Strategien der Popularisierung sowie ideologische Konzepte, welche auditiven Praktiken und Technologien eingeschrieben sein können.
Dieser Vielfalt des Umgangs mit den Phänomenen des Hörens und Zuhörens, dem Akustischen, Auditiven und Sonischen, der Klanggestaltung und Komposition sowie visueller Praktiken im Umfeld auditiver Medienkulturen soll in der Sektion Auditive Perspektiven eine Plattform geboten werden – für wissenschaftliche wie künstlerische Ansätze.
Kontakt: auditive-perspektiven@kunsttexte.de
Redakteure
Gabriele Groll, Musikwissenschaftlerin. Seit 2021 wissenschaftliche Mitarbeiterin im Editionsprojekt „Erich Wolfgang Korngold Werkausgabe“ an der Hochschule für Musik und Theater Rostock. Davor Tätigkeiten am Musikinstrumenten-Museum Berlin, an der Universität Potsdam, sowie in diversen Editionsprojekten (Hanns Eisler, Giuseppe Sarti). Lehrbeauftragte u. a. an der HU Berlin und der TU Dresden. Dissertationsprojekt zu Visual Music an der Schnittstelle von Kunst und Forschung.
Stephanie Probst, Musikwissenschaftlerin. Seit 2021 Tenure-Track-Stelle in Musikwissenschaft an der Universität für Musik und darstellende Kunst in Wien. Zuvor an den Universitäten zu Köln, Cambridge (ERC-Projekt „Sound and Materialism in the 19th Century“) und Potsdam tätig. Ihre Dissertation (Harvard University, 2018) zeigt Wechselwirkungen von musiktheoretischen, künstlerischen und psychologischen Ansätzen in Theorien zur Melodie im frühen 20. Jahrhundert auf. Ein neues Projekt ist Interaktionen mit unterschiedlichen Instrumenten und Technologien der Musikaufzeichnung im 19. und 20. Jahrhundert gewidmet.
Julia H. Schröder, Musikwissenschaftlerin. Forschungsschwerpunkte in zeitgenössischer Kunstmusik, Klangkunst, grafische Notation, Musik und Tanz sowie Musik/Sounddesign im Theater, Sound Studies und Konzertsituationen. Dazu Buchpublikationen und Vorträge. Forschungs- und Lehrtätigkeit an verschiedenen Universitäten, derzeit in Berlin.