Metamorphische Landschaft. Transformationen von Natur in Lambert Sustris’ Jupiter und Io (1557)

  • Franca Buss (Autor/in)

Abstract

Vor dem Hintergrund aktueller Umweltdebatten betont der Beitrag die fortwährende Veränderlichkeit von Landschaften und die Relevanz eines dynamischen Landschaftsbegriffs. Im Zentrum steht das bislang wenig beachtete Gemälde Landschaft mit Jupiter und Io (1557–1563) von Lambert Sustris. Es verbindet die mythologische Erzählung von der Göttin Juno, die ihren Mann mit der Nymphe Io überrascht, mit einer eindrucksvollen Flusslandschaft, in deren Hintergrund Wassermühlen zu sehen sind. Der Beitrag untersucht die narrative Bedeutung dieser Landschaft im mythologischen Kontext. Anders als Ovid, der explizit von der Vergewaltigung der Nymphe Io durch Jupiter berichtet, zeigt Sustris eine gewaltfreie Szene, die sich in Landschaftselementen wie ineinander verschlungenen Bäumen widerspiegelt. Die Landschaft fungiert aber nicht bloß als dekorativer Hintergrund; stattdessen offenbart sich in ihr ein dynamisches Kräftespiel, das von konflikthaften Momenten durchzogen ist. Sie wird damit zur aktiven Trägerin, die das Verhältnis von Mensch, Natur und Göttern reflektiert. Die im Hintergrund dargestellten Mühlen lassen sich auf die agrartechnische Transformation der venezianischen terra ferma zurückführen. Neben der Darstellung praktischer Eingriffe in die Natur markieren sie zugleich symbolische Formen der Aneignung und Machtausübung durch den Menschen. Aus ökofeministischer Perspektive erschließt sich die symbolische Bedeutung der Mühle als Schnittstelle zwischen Naturbeherrschung, Körperpolitik und technologischer Kontrolle – ein Moment, in dem sich mythische Gewalt und materielle Eingriffe im Bild der Natur und des weiblichen Körpers überschneiden. Sustris’ Landschaft mit Jupiter und Io erscheint so als exemplarisches Werk für eine kritische Auseinandersetzung mit historischen und gegenwärtigen Fragen des Mensch-Natur-Verhältnisses und deren künstlerische Reflexion.

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