Gedankenvolle Blicke

Anthropomorphismen in der naturgeschichtlichen Illustration

  • Jan Altmann (Autor/in)

Abstract

Obwohl in der Regel direkt nach der Natur gezeichnet und detailgenau, finden sich in der naturgeschichtlichen Illustration der Aufklärung immer wieder Anthropomorphismen: gedankenvolle Augen mit menschlichem Ausdruck, Tiere, die sich verhalten wie Menschen, erotisierte Pflanzen und Mollusken, trautes Ehe und Familienleben in Flora und Fauna. Dieser Beitrag unternimmt es, solche visuellen Vermenschlichungen der Natur zu frei zu legen und den sich dabei zeigenden Bedeutungsspuren nachzugehen. Herangezogen werden dazu zwei sehr unterschiedliche Werkgruppen, die eine aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts und zugleich Prototyp der zoologischen Bildtafel des Ancien Régime, die andere aus der Zeit des Endes der Naturgeschichte und entstanden im Rahmen einer der großen Entdeckungsreisen in den Pazifik. Die 1666 gegründete Académie royale des sciences veröffentlichte ihre botanischen und zoologischen Untersuchungen, die einem elaborierten Forschungsprogramm folgten, in höchst aufwendigen und repräsentativen Publikationen. Diese sind trotz des Anti Anthropomorphismus und zugleich auf Grund des Anthropozentrismus der Aufklärung durchsetzt von physiognomischer Imagination und anthropomorphischer Wahrnehmung. Zwar in anderer Konstellation, doch ebenso signifikant findet sich beides auch in den Bildern der französischen Voyage de découvertes nach Australien unter Nicolas Baudin in den Jahren 1800 bis 1804. Hier zeigt sich die Vermenschlichung unter anderem in publikumswirksamen, über den wissenschaftlichen Zweck hinausgehenden Schockeffekten. Abschließend soll die Aktualität des Anthropomorphismus beim zusammen Treffen von Kunst und Wissenschaft an Hand einiger Bemerkungen zur BioArt in den Blick gerückt werden.

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