Wege zum Heil - Betrachterlenkung durch Architektur, Skulptur und Bild im Panteón de los Reyes in León

  • Frank Seehausen (Autor/in)

Abstract

Als bildliches Testament ihrer Herrschaft ließen König Fernando I. von León-Kastilien und seine Frau Doña Sancha kurz vor ihrem Ableben die Kirche ihres Palast-Klosters in León erneuern und durch das Panteón de los Reyes als dynastische Grablege der königlichen Familie ergänzen. Zusammen mit dem Reliquiar des Gelehrtenheiligen Isidor von Sevilla bildete der Komplex das Zentrum ihrer dynastischen Legitimation und zugleich die bildhaft-plastische Formulierung eines auf die Herrschaft Fernandos bezogenen Heilsversprechens. Wenngleich der ursprüngliche bauliche Kontext durch den Abbruch der Palastkirche im 12. Jahrhundert verändert wurde, ist die Bauskulptur im Panteón systematisch angeordnet und gliedert den Raum in unterschiedliche Motivzonen. Es zeigt sich hier exemplarisch, dass in der Architektur des hohen Mittelalters nicht nur ein grundsätzlich enger räumlicher Bezug zwischen Skulptur und Bauwerk bestand, sondern dass vor allem auch die Bewegung der Betrachter im Raum berücksichtigt und in die Bilderzählung eingebunden war. Im übertragenen Sinn wurde an dieser Stelle die im Pilgerweg per se intendierte Bewegung der Betrachter im Panteón in ein verdichtetes räumliches System übertragen - entsprechend der mittelalterlichen Praxis der Prozessionswege und Simultanbühnen. Dass es sich tatsächlich um eine intendierte Wahrnehmung handelt, zeigt sich an der zeitnah entstandenen Ausmalung des Panteón, die hinsichtlich ihrer Lesart und –richtung ebenfalls auf diesen Haupt- oder Prozessionsweg zum Westportal der Kirche ausgerichtet ist. Eine `Anleitung´ zu einer sukzessiven Erfassung der Bilderzählung durch Bewegung findet sich schließlich auch am Reliquiar des heiligen Isidor, das in der Palastkirche und damit am Zielpunkt des Weges befand: ähnlich einer Prozession konnten die Besucher im Panteón eine Heilsgewinnung, im Sinne einer Auferstehungshoffnung erfahren, die sich über das Bildprogramm unmittelbar auf die königlichen Stifter beziehen ließ. Weit über die persönliche Fürbitte hinaus wurde diese zum Bestandteil eines göttlichen und überzeitlichen Heilsplans, in dessen Zentrum Fernando I. `Reichsidee´ eines ungeteilten Spanien und damit der Beginn der Reconquista stand.

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