Die universelle Verwandtschaft zwischen den Bildern

André Malraux’ Musée Imaginaire als Familienalbum der Kunst

  • Antonia von Schöning (Autor/in)

Abstract

Im ersten Teil seiner dreibändigen Veröffentlichung Psychologie der Kunst, die 1951 in überarbeiteter Version als Stimmen der Stille erschien, entwickelt Malraux das Konzept eines „imaginären Museums“, das nicht an einen Ort und nicht an eine reale Institution gebunden ist, sondern mit Hilfe von fotografischen Reproduktionen Abbildungen von Kunstobjekten aller möglichen Epochen und Kulturen in einer potentiell vollständigen Gesamtvision vereint. Damit unternimmt Malraux eine radikale und unakademische Neuordnung der Kunstgeschichte, die vielmehr zu einer „Geschichte des Photographierbaren“ wird. Denn Malraux lässt räumlich und zeitlich voneinander getrennte Artefakte durch ihre Gegenüberstellung als Fotografien im Buch miteinander kommunizieren. Dabei zeigt sich eine „gewisse Verwandtschaft“, die Kunstwerke losgelöst von den Fixierungen nach Gattungshierarchien, Schulen oder Epochen verbindet. Im Sinne dieser Verwandtschaft der Kunstwerke untereinander setzt Malraux auf die rhetorischen und formalen Fähigkeiten des Mediums Fotografie und schreckt nicht davor zurück, die Abbildungen in Stimmen der Stille zu manipulieren und für seine Zwecke herzurichten: Er selektiert, isoliert, beschneidet, skaliert und ordnet sie nebeneinander an, um eine Betrachtung zu ermöglichen, die in der realen Museumspraxis nicht oder selten realisierbar ist und erst durch die Fotografie gewährleistet wird. Während Malraux sein Konzept und sein Verfahren der Montage selbst als Befreiung der Kunst aus ihrem vorgegebenen Kontext und der Geschichte begrüßt, konstituiert er jedoch visuell durch seine Rhetorik des Bildvergleichs einen Diskurs des Universellen und schafft die Utopie einer Gesamtschau im zeitlosen Raum des imaginären Museums, die kritisch hinterfragt werden muss.

Statistiken

loading
Sprache
de