„Seeing by doing“

Josef Albers und die Materialisierung des Digitalen

  • Carolin Höfler (Autor/in)

Abstract

Entgegen des oft entworfenen Szenarios von der Verflüchtigung des Materiellen im Digitalen beginnen gegenwärtige Form-Auseinandersetzungen in Design und Architektur mit dem Studium des Werkstoffs. Dabei wird die Hinwendung zum Material nicht als Maßnahme gegen die zunehmende Digitalisierung des Entwurfsprozesses verstanden, sondern als notwendige Ergänzung. Für einen Paradigmenwechsel von der Ent- zur Rematerialisierung der Form werben vor allem die deutschen Architekten Michael Hensel und Achim Menges mit ihrem Konzept der Materialsysteme. Grundlegender Unterschied zu bisherigen rechnergebundenen Entwurfsansätzen ist, dass ihre gestalterische Tätigkeit mit der Untersuchung eines real-physischen Materials beginnt. Zur Formbildung werden Materialeigenschaften, Fügungstechniken und Fertigungsmöglichkeiten erkundet und als Parameter in ein digitales 3D-Modell eingeschrieben, das je nach Anforderung lokal differenziert werden kann. Verborgene Leitbilder für diese Materialexperimente sind die Stoff- und Strukturübungen am Bauhaus der Zwanziger Jahre. Vor allem die Studien von Josef Albers, die der Erforschung der konstruktiven, funktionalen und ökonomischen Möglichkeiten von Material galten, finden Eingang in die Vorstellung der analog-digitalen Formwerdung. Für Albers war die Form weniger das Werk künstlerischer Imagination, als das Ergebnis wechselseitiger Wirkverhältnisse von Material, Struktur und Umwelt. Seine Forderung nach einer Aktivierung der Zwischenräume, Restflächen und Ergänzungsvolumina gewinnt vor dem Hintergrund topologischer Computerflächen erneut an Aktualität. Mit der Papierfaltung nahm er ein zentrales Formbildungsverfahren der rechnerbasierten Entwürfe vorweg. Sein Verständnis der Form als Wirkungsträger bestimmt bis heute die Vorstellung einer performativen Gestalt, die eine flexible Anpassung an spezifische Umweltanforderungen erlauben soll.

Statistiken

loading
Sprache
de