Re-Lektüren der Renaissance: Das Bildprogramm von San Nicolás de Tolentino (Hidalgo, Mexiko) als Beispiel einer visuellen Transkulturation

  • Petra Schmid (Autor/in)

Abstract

Bei der Lektüre des Bildprogramms im Treppenhauskubus des ehemaligen Augustinerklosters San Nicolás de Tolentino in Actopan (Hidalgo, Mexiko) aus dem 16. Jahrhundert soll es um die Sichtbarmachung einer spezifisch kolonialen Imagination der Renaissance gehen, genauer gesagt, um die Konturierung jener Visualisierungsformen einer ‚hybriden’ Imagination, wie sie im Rahmen von Prozessen einer visuellen Transkulturation bewusst oder unbewusst in die ästhetischen Dokumente einer kolonialen Kultur eingeschrieben worden sind. Als Verkörperung eines europäisch-logozentrischen Wissensdispositivs konstituiert die Semantik einer schriftlichen Gelehrsamkeit, wie sie in dem Freskenprogramm von San Nicolás de Tolentino monumental zur Anschauung gelangt, eine der zentralen kulturellen Unterscheidungskriterien zwischen Alter und Neuer Welt und muss als zentrale Strategie der spirituellen Eroberung und symbolischen Indoktrination der indigenen Bevölkerung im 16. Jahrhundert gewertet werden. Dass indes auch diese visuelle Inszenierung der Schrift als eine Art „religión secundaria“ (Angel Rama) bei näherer Betrachtung nicht frei von jenen ästhetischen Diskontinuitäten und Brüchen ist, von denen jeder Prozess einer kulturellen Transkulturation gekennzeichnet ist, soll in dem Aufsatz aufgezeigt werden – schließlich gilt es, die Aufmerksamkeit auf jenen „verborgenen Diskurs“ (Deleuze) der Renaissance zu richten, der sich der Disziplinierung von Sehgewohnheiten und einer Einverleibung von Symbolisierungsprozessen zumindest partiell zu widersetzen vermag und als koloniale Logik der Konfrontation erfahrbar wird.

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