SchriftBild – Entwurf einer humanistischen Ästhetik?

Die Handschrift Hamilton 166 von Poggio Bracciolini

  • Philippa Sissis (Autor/in)

Abstract

Ghibertis Isaak, Ciceros Briefe an Atticus und das humanistische Manuskript Hamilton 166 von 1408 – diese drei Dinge sind in der Florentiner Gesellschaft des frühen 15. Jahrhunderts eng miteinander verbunden. Denn in allen drei Medien zeigt sich die vielschichtige Rezeption der Antike in der beginnenden Renaissance: die Briefe des Atticus werden als sehr persönliche Quelle zu Cicero von den Humanisten gesucht und von Coluccio Salutati wiederentdeckt. Sein Fund wird schnell durch Abschriften verbreitet und 1408 schafft Poggio Bracciolini eine modernisierte Kopie für den jungen Cosimo de‘ Medici. Und inszeniert dabei den Text in einer humanistischen Ästhetik, welche sich in der antikisierten Schrift und dekorativen Reduktion der Manuskriptseiten zeigt. Auf weißem Pergament stehen nur wenige Zeilen in einem gleichmäßigen Textkörper, Akzente bilden römischen Inschriften nachempfundene Majuskeln und einige zurückhaltend dekorierte Initialen. Dieses Manuskript wurde gleichermaßen geschaffen, um es zu betrachten und zu lesen. Poggio führt hier eine visuelle Ästhetik vor, die Hand in Hand geht mit der literarischen Ästhetik, die die Humanisten so hoch schätzen. Dass Poggio nicht nur historisch und literarisch, sondern auch visuell denkt, zeigt sich in seinen Kontakten mit Künstlern. Die Netzwerke, die dabei humanistische Kreise und Florentiner Künstler verbanden, führten zu gegenseitigen Impulsen, wie sich auch im Entwurf Ghibertis zeigt, der hier seine Kenntnis antiker Kunstwerke und Inhalte vorführte. Und dies in einer Zeit, in der genau diese Vernetzungen in Florenz dazu führten, dass sich der Humanismus und die Antikenrezeption als Grundideen einer neuen Epoche, welche vor allem durch die Abgrenzung ihrer Protagonisten von der jüngeren Vergangenheit ihren Anfang fand, durchsetzen konnten. In welche Zusammenhänge sich dabei die Entwicklung der humanistischen Minuskel – der neue Schrifttyp, welcher sich bis zum Ende des Jahrhunderts auch als Vorlage für den Druck durchsetzen sollte und uns bis heute deshalb sehr vertraut scheint – durch Poggio Bracciolini einschreibt, soll am Beispiel seines ersten signierten und datierten Manuskripts, Hamilton 166, aufgezeigt werden.

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