Für eine operative Epistemologie. Rede und Widerrede einer Krise der Theorie

  • Birte Kleine-Benne (Autor/in)

Abstract

Wenn mit George Spencer-Brown (von Dirk Baecker paraphrasiert) ein a nur ein a ist, wenn/weil/indem es sich von einer Außenseite b unterscheidet, die ausgeschlossen wurde, weil a im Fokus des Interesses liegt, dann ist das ausgeschlossene b für a und die markierte Unterscheidung des a von b voraussetzend. Mit dieser Zusammenfassung der Laws of Form von Spencer-Brown, ein Form-Kalkül aus dem Jahr 1969, der an zeitgleich veröffentlichte konzeptuelle Arbeiten etwa an Sol LeWitts Proposal for Wall Drawing von 1970 erinnert, widerspricht der Aufsatz einer Krise der Theorie, gleichwohl er sie für Praxen, die mit ihrer künstlerischen Poiesis einem operationalen Kunst-Begriff aufsetzen, bestätigt. Der hier in sechs Kapiteln zunächst vorgestellte, dann für die Kunstwissenschaften reflektierte und abschließend mit zwei künstlerischen Operationen angewendete Form-Begriff prozessiert Differenz als formkonstitutiven Faktor, die Form ist aus und als Unterscheidung zu denken. Ökologische, poststrukturalistische und postkoloniale Aspekte sind in dieser Formkonzeption ebenso inhärent untergebracht und angewendet wie feministische und queere. Die Form, deren Begriff sich mit dem Kalkül grundlegend ändert, ist konstruktiv und ontogenetisch, komplex und prozessual, operativ und systemisch, ökologisch und prozedural aufgestellt, sie ist die Einheit einer Zweiheit, zweideutig und mehrwertig und damit eine komplexe Vielfalt, konzipiert als ein Rechenvorgang und zwar eines rechnenden und verrechenbaren Beobachters. Diese Modellierungstechnik tritt im Kontext von Elektrifizierung, Digitalisierung und Computerisierung auf die Bildfläche und rechnet mit (den Kunstwissenschaften bekannten) Größen wie dem Beobachter, mit Zeit und Selbstreferenz. Sie ist, so die Annahme des Aufsatzes, epistemologisch geeignet, um komplexe, prozessuale, dynamische, systemische, also operative Kunstpraktiken zu theoretisieren, die als Operationen und/oder als Dispositive auftreten. Statt modernistischer Prämissen, einer Repräsentationslogik und dem Konzept der "dead-ends", statt also der epistemischen Perspektivierungen einer Autonomie-Ästhetik, wird hier ein mathematischer Kalkül zum Einsatz gebracht, um den von Wolfgang Kemp diagnostizierten Geburtsfehler der Kunstgeschichte (ein mittels der Aufhebung von Kontexten hergestelltes Einzelwerk als gängige Orientierungsgröße von Forschung und Praxis) zu durchkreuzen. Schlagworte: Draw a distinction!, Triff eine Unterscheidung, George Spencer-Brown, Laws of Form, Gesetze der Form, Krise der Theorie, künstlerische Poiesis, operationaler Kunst-Begriff, operativer Form-Begriff, analogue_series#no.2k0023 von GeheimRat.com, Zentrum für Politische Schönheit Keywords: Draw a distinction!, George Spencer-Brown, Law of Form, crisis of the theoretical, artistic poiesis, operational concept of art, operative concept of form, analogue_series#no.2k0023 by GeheimRat.com, The Center for Political Beauty

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