Tacit Visual Literacy
Visuelle Spannung in aktueller Pressefotografie
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Abstract
Komplexere visuelle Ereignisse vor Bildern werden üblicherweise dem Kunstkontext zugeordnet, während man in den massenmedialen Bildwelten einfache, schnell wirkende Bildstrategien erwartet. Der Aufsatz versucht an Bildbeispielen aus der aktuellen Pressefotografie zu zeigen, dass eine solche Aufteilung zumindest in dieser Form nicht haltbar ist. Es werden Fotografien besprochen, die aufgrund einer ikonischen Spannung als visuelle oder Anschauungsmodelle jenes Sachverhaltes angeschaut werden können, der im Zeitungsartikel jeweils sprachlich auseinander gesetzt wird. Aufgrund des massenhaften Auftreten von visuellen Modellen der exemplarisch besprochenen Art wird eine substantielle Einwirkung solcher Bilder auf die Art und Weise ihrer Anschauung postuliert. Gemäß der Theorie des Bildaktes wird an genommen, dass die Erfahrung einer ikonischen Spannung als praktischer, vom Bild selbst angeleiteter Bildvollzug und demgemäß die durch die Bilder geprägte Anschauung als implizit-analytisches Vermögen zu konzipieren ist. Auf dieser Basis wird die Hypothese formuliert, dass die Konsumenten der massenmedialen Bildwelten über eine implizite Bildkompetenz, eine tacit visual literacy, verfügen. Die geläufige Beschränkung aller Bildrezeption auf bewusste Vorgänge hat nicht nur zur Unkenntnis dieser impliziten Bildkompetenz geführt, sondern auch zu einer notorischen Unterschätzung der visuellen Gesellschaft seitens des akademischen Diskurses.
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