Jochen Gerz: Platz des europäischen Versprechens

  • Guido Meincke (Autor/in)

Abstract

Jochen Gerz arbeitet im und am "öffentlichen Raum", einem Ort, der sich durch die Teilnahme und Teilhabe von Vielen manifestiert und sich in seinen Grenzen und Strukturen permanent neu definiert. Nicht das Medium, das Denkmal oder die Institution ist Träger von Gedanken und Ideen, sondern der je einzelne Mensch. Seiner Vorstellungskraft bedarf es, um dem gesellschaftlichen Zusammenleben eine kulturelle Basis zu geben, soll es sich nicht in geregeltem Konsum erschöpfen. Seit den 60er Jahren praktiziert Jochen Gerz eine Kunst, die ihrem Publikum Denkfreiräume schafft und auf diese Weise neue Öffentlichkeiten generiert. In einer Welt voller eindimensionaler Botschaften und eindeutiger Signale stellt sie Zonen der Ambivalenz her, um sich der Wirklichkeit dialogisch wieder anzunähern. Sie antizipiert eine Gesellschaft, in der es keine passiven Zuschauer mehr gibt. Der Platz des europäischen Versprechens (Bochum 2007-2010) ist ein performatives Projekt im öffentlichen Raum, das seine kulturelle Infrastruktur selber schaffen muss und daher auf die Mitwirkung der Teilnehmer angewiesen ist. Sie sind die Substanz des Kunstwerks, ohne die es nicht existiert. Sie sind seine Autoren, indem sie sich etwas vorstellen, das es noch nicht gibt. Der vorliegende Text stellt das Projekt vor, kontextualisiert es im öffentlichen Werk von Jochen Gerz und versteht sich zugleich als eine Einladung: Wer teilnimmt, wird zu einem Akteur, zu einem Autor seiner selbst, zu einem individuellen Platz des europäischen Versprechens. "Fliegt das Ding nun, oder ist es doch nur Kunst?" (Gerz 1990, Interview).

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