Strategien der Potentialität

Möglicher Grundtenor einer (plastischen) Kunst des 21. Jahrhunderts

  • Karin M. Hofer (Autor/in)

Abstract

Zukünftiges ist im Vergangenen immer schon in Keimen vorhanden. Welche davon aufgehen, wird von vielen Variablen bestimmt. Die Autorin sieht etwas, das sie "Möglichkeitskunst" oder "Kunst der Potentialität" nennen möchte, in Spuren bereits in der Vergangenheit, in der Gegenwart zunehmend und für die Zukunft als essentielle Neuerung. Wobei "plastisch" hier nicht die Materialität des Artefakts bezeichnen soll, sondern die beim Rezipienten - eines Kunstwerks und dessen Kontexts - ablaufenden mental-plastischen Vorgänge. Die durch eine Kunst der Potentialität zu Möglichkeitsräumen geführt werden, die zwar noch gestaltete Rahmen-Bedingungen, deren Inhalt aber viele Freiheitsgrade schafft. Seit dem Beginn des "nervösen Zeitalters" um 1900 haben audiovisuelle Sinnesreize global zugenommen und das Innenleben kommt durch ständige Reiz-Reaktions-Episoden kaum in den Modus einer Möglichkeitsform. Ontologisch gesehen (>Aristoteles) steht eine Seinsform der Potentialität (also von Möglichkeiten) einer der Aktualität gegenüber. Je mehr Möglichkeiten jemand entwickelt umso avancierter wird er - wenn er das überhaupt will - handeln. Kunst und Lebenswelt verschränken sich hier... Die zwei komplementären Wege, den mentalen Möglichkeitsraum der Kunst zu erweitern, bestimmt Nietzsche als Dionysisch und Apollinisch: rauschhafte Vielfalt und/oder reduktionistische Askese. Seinsweisen, die seit Urzeiten einander zyklisch ablösen, oder aber paradox gleichzeitig Kunst und Kultur strukturieren: Während der Wiener Aktionismus laut begann, performative Möglichkeitsräume zu erobern, erzeugte das lächelnde Schweigen des schachspielenden Altmeisters Duchamp einen Sog in Richtung Rezeption seines mit nur ein paar Beispielen aufgespannten Potentialitäts- Kosmos. Heute beginnt man schon vereinzelt in der kleinen, aber betriebsamen Kunstcommunity zu verstehen, dass es nicht darum gehen kann, noch mehr Gegenstände in Kunsträume zu stellen, sondern Kunst primär als psychischen Vorgang zu erkennen, der Möglichkeits-Zustände evoziert. Gegenwärtige Beispiele, die vorgestellt werden, zeigen bei aller Gegensätzlichkeit von Thematik, bildnerischen Techniken und Strategien Ansätze eines solchen Grundtenors, der versucht wird, ins Zukünftige zu extrapoliern. Wobei das Paradoxe ein zentraler Begriff wird…

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