'Kunst essen' - Aspekte der Einverleibung und Intensivierung bei Felix Gonzalez-Torres

  • Sophie Junge (Autor/in)

Abstract

Der kubanische Künstler Felix Gonzalez-Torres thematisiert in seiner Werkgruppe der candy spills Vergänglichkeit, Verlust und Verschwinden. Die Bonbonanhäufungen befinden sich dauerhaft im Prozess der Auflösung, denn der Betrachter ist aufgefordert, sich an ihnen zu bedienen. Die einzelnen Bonbons werden so nach und nach abgetragen. Nur durch das unendliche Auffüllen der Bonbonfelder bewahren sie ihre Permanenz, eine Permanenz der fortwährenden Selbstauflösung. Viele der candy spills stehen im Kontext der AIDS-Krise der 1980er und 1990er Jahre, verarbeitet Gonzalez-Torres in ihnen doch Themen der Homosexualität, der Infektion, der Trauer und des Verlusts. Zunächst rücken Untertitel wie Placebo Gonzalez-Torres' Arbeiten in den Kontext der Krankheit, es sind jedoch vor allem die künstlerischen Strategien der Partizipation und des Verschwindens, die diese Assoziation hervorrufen. Dabei treibt Gonzalez-Torres die Betrachterpartizipation auf einen Höhepunkt: Durch die Aufnahme der Bonbons in den Körper rückt das Werk unmittelbar an den Betrachter heran. Dieser Aspekt der Einverleibung stellt auch eine Verführung dar, einen süßen 'Kunstgenuss', der im krassen Kontrast zu den langsamen Qualen und dem Appetitverlust von HIV-Infizierten steht. Diese Assoziation wird durch das 'Insichaufnehmen' der Bonbons intensiviert. Der Aspekt des Essens ist hier symbolisch gedeutet: Der Betrachter wird unweigerlich an Ansteckung, Krankheit und Tod herangeführt, obwohl er zunächst nur ein Bonbon nimmt und sich in den Mund steckt.

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