Dramatische Entwicklungen im Williams Mix

John Cage und Antonin Artauds Theater der Grausamkeit

  • Florian Schreiner (Autor/in)

Abstract

Seit Anfang der 1950er Jahre gibt es im Werk von John Cage eine Inspiration, die ihn von Paris nach Darmstadt, nach Donaueschingen, nach North Carolina und zum Williams Mix führen wird: der Begründer des Theater der Grausamkeit Antonin Artaud. Artaud hatte 1935 für die Aufführung von Die Cenci eine quadrophone Installation entworfen, die den Zuschauer „ins Zentrum eines Netzes tönender Erschütterungen“ (Artaud) entrücken sollte. Vier zehn Meter hohe Lautsprecher waren in den vier Himmelsrichtungen des Saals verteilt und brachten mit Glocken- und Metronomschlägen, Schrittgeräuschen, Stimmen und Schreien ein Geläut der Stille zum Erklingen, das dem technischen Horizont seiner Zeit entsprechend auf Schallplatte aufgezeichnet worden war, und deren Reproduktion nun einer strengen Geräuschpartitur folgte. 1952 greift Cage das Konzept der Grausamkeit, die nichts anderes bedeutet als mit dem Geräusch des Lebens Ernst oder mit der Andacht der Stille Schluß zu machen, wieder auf, inszeniert das erste Happening am Black Mountain College und: Williams Mix. Der Mix ist eine octophone Magnetbandkomposition. Acht Spuren werden einzeln gefertigt, in Muster geschnitten und montiert, bis das Medium völlig erschöpft ist. Und weil er die Sensibilität des Zuschauers von allen Seiten angehen möchte, propagiert Artaud ein Schauspiel, das sich dreht und seine akustische Pracht über die ganze Masse der Zuschauer ausgießt, anstatt aus Bühne und Parkett zwei abgeschlossene Welten ohne eine Möglichkeit zur Kommunikation zu machen. Ein oder zwei Lautsprecher heißt die Bühne restaurieren, vier sind schon ein guter Wirbel, doch von kreuz und quer und rund herum laufenden Geräuschen eingekreist zu werden ist eine außergewöhnliche Erfahrung. Auch zur Sonic Arts Lounge der MaerzMusik 2012 im Berliner Club Berghain war die Luft zwischen den 8 Lautsprechern so belebt, dass man ein Teil von ihr wurde. Nur kommt man mit kreisenden Bewegungen selten sicher ans Ziel. Eher münden sie in den Schwindel, der eine Störung ist. Und diese hat bei Cage durchaus Methode.

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