Der stille Computer

Anästhetische Strategien im Interaction Design

  • Julian Jochmaring (Author)

Identifiers (Article)

Abstract

Der Beitrag beschäftigt sich mit anästhetischen Strategien im Interaction Design am Beispiel der Arbeiten Mark Weisers zu „Ubiquitous Computing“ am Xerox PARC. Gezeigt wird, dass es Weiser dabei weniger um eine visionäre Zukunftsvorhersage als um Konzepte zur konkreten Gestaltung von Interaktionsweisen ging. Computer sollten demnach zukünftig nicht mehr im Fokus der Aufmerksamkeit stehen, sondern sich unsichtbar, still und unaufdringlich im Hintergrund halten, sodass ein von der Komplexität der Technologie ungestörter, intuitiver Gebrauch ermöglicht wird. Von besonderem Interesse ist, dass Weiser vermeintlich anästhetische Begriffe wie Stille und Unsichtbarkeit nicht zur ontologischen Bestimmung von digitaler Technologie als solcher dienen, sondern zur qualitativen Beschreibung von Situationen, Relationen und Prozessen der Interaktion mit dieser. Folglich zielt sein Vorhaben auch nicht auf eine Aufhebung der Empfindungsfähigkeit, sondern richtet sich selbst gegen anästhetisierende Tendenzen wie die Immobilisierung und Aufmerksamkeitsfixierung durch das klassische Interface des Personal Computers, als auch den simulativen Illusionismus von Virtual Reality-Umgebungen. Die Gestaltung von sogenannter „calm technology“ erfordere dagegen eine Sensibilisierung für die materielle Umgebung und die verkörperte Realität der Benutzer/innen. Damit erweisen sich Weisers Konzepte als ein paradigmatisches Beispiel für Wolfgang Welschs Diagnose einer untrennbaren Verflechtung von Ästhetik und Anästhetik. Darüber hinaus eröffnet die Auseinandersetzung mit Weisers Projekt auch einen Blick auf den paradoxalen Charakter des Medialen. So ist in der Medientheorie von vielen Seiten darauf hingewiesen worden, dass Medien ihre Leistung gerade dann erfüllen, wenn sie möglichst transparent sind und sich im Gebrauch selbst zum Verschwinden bringen. Am konkreten Beispiel einer gestalterischen Konzeption dieses Verschwindens offenbart sich so der produktive Charakter eines Wissens der Gestaltung für die Medientheorie.

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