Graffiti als performativer Akt der Subversion

Die Kairoer Kunstlandschaft des öffentlichen Raums nach den politischen Um- schwüngen von 2011

  • Judith Bihr (Autor/in)

Abstract

Während der ägyptischen Aufstände von 2011 und den andauernden politischen Konflikten spielte die aufkommende Streetart-Bewegung eine zentrale Rolle für die symbolische Besetzung der urbanen Straßen und Plätze Kairos durch die Protestierenden. Der performative Akt des Bemalens und Beschriftens der Mauern der Stadt wurde zum visuellen Sinnbild des politischen Widerstands und zum künstlerischen Reflexionsschirm der politischen Ereignisse. Dabei war nicht nur die direkte politische Aussage der Graffitis von Bedeutung, sondern bereits die temporäre Handlung des Beschriftens an sich. Denn auch wenn sich die soziokulturellen Protestformen in ihren Vorstellungen bezüglich einer Partizipation am politischen Umgestaltungsprozess unterschieden, so vereinten sie sich doch seit Beginn der Aufstände in einem gemeinsamen Bestreben, die urbanen Plätze und Straßen Kairos als öffentlichen Raum zurückzuerobern. Diese kollektive Wiederaneignungsstrategie bildete jedoch kein völlig neues, abgelöstes Phänomen, wie das schrittweise Einnehmen des öffentlichen Raums und das Unterminieren staatlicher Machtstrukturen durch die alltäglichen Handlungen zahlreicher Subalternen belegen. Der Wandel künstlerischer Erscheinungsformen im öffentlichen Raum im Zuge der ägyptischen Revolution hatte ebenso weitreichende Auswirkungen auf das generelle Ausstellungswesen. Dabei unterschieden sich die Rolle und Funktion der Graffiti-Arbeiten, je nachdem, ob sie für den urbanen Raum der Straße oder den Ausstellungsraum der Galerie bestimmt waren. Gemeinsam war beiden künstlerischen Ausdrucksformen jedoch ein gegenüber staatlichen Einschränkungsmechanismen widerständiges Potential.

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